Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: OVG 6 B 1.04
Rechtsgebiete: HHG, StrRehaG, VwVfG, PassG, StGB-DDR, VwGO


Vorschriften:

HHG § 2 Abs. 1 Nr. 1
HHG § 2 Abs. 1 Nr. 2
HHG § 2 Abs. 1 Nr. 3
HHG § 10 Abs. 4
StrRehaG § 16 Abs. 2
StrRehaG § 17 Abs. 2
StrRehaG § 25 Abs. 2
StrRehaG § 27
VwVfG § 1 Abs. 1
VwVfG § 48
VwVfG § 48 Abs. 1
VwVfG § 48 Abs. 1 Satz 1
VwVfG § 48 Abs. 4
PassG § 8 Abs. 1
StGB-DDR § 106 Abs. 1 Nr. 3
StGB-DDR § 213 Abs. 2
StGB-DDR § 220 Abs. 1
VwGO § 162 Abs. 2 Satz 2
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 6 B 1.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgericht Berlin auf Grund der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2004 durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Silberkuhl, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Bumke sowie die ehrenamtlichen Richter Langwald und Maier

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Juni 2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des zu seinen Ungunsten im Jahr 1995 bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens auf Gewährung einer Kapitalentschädigung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) hat.

Der am 25. Juni 1924 geborene Kläger war vom 18. August 1948 bis 20. März 1956 in Greifswald bzw. Bautzen inhaftiert. Mit Urteil vom 21. November 1967 wurde der Kläger vom Kreisgericht Strasburg wegen fortgesetzter Untreue und Unterschlagung im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Forstrevier zu einer Gefängnisstrafe vom einem Jahr und acht Monaten sowie zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Er wurde vorzeitig im Rahmen der bedingten Strafaussetzungen nach gut einem Jahr aus der Haft entlassen.

Mit Bescheid vom 7. November 1990 erhielt der Kläger für die zu Unrecht erlittene Inhaftierung vom 18. August 1948 bis 20. März 1956 eine Bescheinigung gemäß § 10 Abs. 4 Häftlingshilfegesetz (HHG). Ihm wurde eine Eingliederungshilfe in Höhe von 4.800 DM gewährt.

Nachdem der Kläger im Juni 1993 einen Antrag auf Gewährung einer Kapitalentschädigung gemäß § 25 Abs. 2 StrRehaG gestellt hatte, holte der Beklagte eine Auskunft bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) ein. Der Bundesbeauftragte teilte mit, dass der Kläger am 15. Juli 1968 und am 4. Dezember 1968 zwei Verpflichtungserklärungen unterschrieben habe und unter dem Decknamen "P." bzw. "H. R." in der Zeit von 1968 bis 1981 als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig gewesen sei. In den Akten seien ca. 110 Treffberichte, ca. 130 handschriftliche IM-Berichte sowie 5 Tonbandabschriften enthalten.

Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 1995 den Antrag auf Gewährung einer Kapitalentschädigung ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 1995 zurückgewiesen; ein Klageverfahren strengte der Kläger nicht an. Der Bescheid vom 22. Juni 1995 wurde bestandskräftig.

Am 17. Dezember 1997 beantragte der Kläger das Wiederaufgreifen seines Verfahrens auf Gewährung einer Kapitalentschädigung. Mit Bescheid vom 8. Januar 1998 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger Klage (VG 26 A 138.98), die er jedoch zurücknahm, nachdem der Beklagte sich bereit erklärte, über den Antrag auf Wiederaufgreifen erneut zu entscheiden.

Mit Bescheid vom 29. September 1999 lehnte der Beklagte erneut den Antrag auf Wiederaufgreifen ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Kläger habe gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit verstoßen und damit den Ausschlussgrund des § 2 Abs. 1 Nr. 2 HHG erfüllt. Gleichwohl werde die Häftlingshilfebescheinigung nicht zurückgenommen. Das bedeute, dass der Kläger die damals gezahlte Eingliederungshilfe behalten dürfe. Die Tätigkeit des Klägers für das MfS erfülle aber der Ausschlusstatbestand des § 16 Abs. 2 StrRehaG. Bei der Entscheidung vom 22. Juni 1995 hätte dieser Ausschlussgrund wegen der Häftlingshilfebescheinigung zwar nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Häftlingshilfebescheinigung, die Grundlage für die Gewährung der Kapitalentschädigung sei, hätte aber richtigerweise eingezogen werden müssen. Es liege also lediglich ein formeller Fehler vor. Nach dem Gebot der Rechtmäßigkeit der Verwaltung sei an der zwar rechtswidrigen, aber inhaltlich richtigen bestandskraftigen Entscheidung, keine Kapitalentschädigung zu gewähren, festzuhalten. Die Häftlingshilfebescheinigung sei zwar auch bestandskräftig, aber rechtswidrig und inhaltlich falsch.

Am 8. November 1999 erhob der Kläger Widerspruch und trug zur Begründung im Wesentlichen vor: Die Verpflichtungserklärungen seien von ihm kurz vor der Entlassung aus dem Strafvollzug im Jahre 1968 abgegeben worden. Er habe nicht gewusst, dass er für das MfS gearbeitet habe. Durch ihn habe keine Person persönlichen, beruflichen oder finanziellen Schaden erlitten. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 1999 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, es liege ein Ausschlussgrund i.S.d. § 16 Abs. 2 StrRehaG vor, wobei eine konkrete Personengefährdung nicht erforderlich sei.

Am 5. Januar 2000 hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. Juni 2002 als unbegründet abgewiesen hat. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 VwVfG lägen vor. Der Bescheid vom 22. Juni 1995, mit dem die Gewährung von Kapitalentschädigung versagt worden sei, sei rechtswidrig. Angesichts der bestandskräftigen Häftlingshilfebescheinigung, die konstitutive Wirkung entfalte, hätte die beantragte Kapitalentschädigung bewilligt werden müssen. Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen und Abänderung eines bestandskräftigen Erstbescheids bestehe aber nur ausnahmsweise. Der Beklagte habe sich bei der Ausübung des Ermessens zu Recht darauf stützen dürfen, dass ein Ausschlussgrund i.S.d. § 16 Abs. 2 StrRehaG vorliege. Zwar genüge die Tätigkeit für das MfS wie auch die Abgabe von Verpflichtungserklärungen für sich genommen nicht für die Annahme eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit. Erforderlich sei vielmehr, dass durch die Tätigkeit ein Dritter konkret gefährdet oder geschädigt worden sei. Der Kläger habe indes über einen Zeitraum von nahezu 12 Jahren fast durchgehend regelmäßig eigenhändige, handschriftliche Berichte abgeliefert, in denen er zahlreiche Personen mit Namen und Anschriften gekennzeichnet und über familiäre und sonstige private Probleme sowie über mögliche Straftaten und sonstiges Verhalten berichtet habe. Die Berichte seien nicht nur qualitativ von Gewicht, sondern auch inhaltlich zumindest teilweise geeignet gewesen, die bespitzelten Personen der Gefahr weiterer Verfolgung in Form von intensiverer Überwachung bis hin zur Verhaftung durch die staatlichen Organe der ehemaligen DDR auszusetzen. Das hätte dem Kläger auch bewusst sein müssen. Sein Einwand, er habe keinen der Berichte gefertigt, sei unglaubhaft. Es seien erkennbar identische Unterschriften unter den jeweiligen Berichten vorhanden; die Schriftbilder seien schon bei laienhafter Betrachtung gleich.

Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 10. Mai 2004 zugelassenen Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Er habe die beiden Verpflichtungserklärungen aus dem Jahre 1968 zwar selbst geschrieben und unterschrieben. Die Erklärungen habe er aber nicht in Freiheit abgegeben, sondern er sei in der Strafvollzugsanstalt Neustrelitz "geworben" worden. Er habe die Erklärungen im Zusammenhang mit einer in Aussicht gestellten frühzeitigen Entlassung aus dem Strafvollzug abgegeben und als reine Formalität betrachtet. Für das MfS habe er nie gearbeitet. Nach seiner Haftentlassung habe er keine Berichte für das MfS verfasst. Die in der beigezogenen BStU-Akte befindlichen Berichte stammten nicht von ihm. Er habe auch keinem Menschen Schaden zugefügt. Der Beklagte verkenne, dass die konstitutive Wirkung der Häftlingshilfebescheinigung auch in dem Verfahren um das beantragte Wiederaufgreifen zu berücksichtigen sei. § 25 Abs. 2 StrRehaG sei eine Sonderregelung, mit der die Betroffenen gerade im Hinblick auf ihr meist fortgeschrittenes Alter privilegiert werden sollten. Dementsprechend sei keine nochmalige Prüfung von Ausschlussgründen vorzunehmen. Wenn der Beklagte darauf verzichte, die konstitutive Wirkung der Häftlingshilfebescheinigung unter den Voraussetzungen des § 48 VwVfG zu beseitigen, müsse er sich daran im Rahmen des § 25 Abs. 2 StrRehaG festhalten lassen. Andernfalls werde in unzulässiger Weise die in § 48 Abs. 4 VwVfG normierte Jahresfrist umgangen.

Ungeachtet der Frage der konstitutiven Wirkung der Häftlingshilfebescheinigung setze die Annahme eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit aber auch voraus, dass eine Drittschädigung nachgewiesen sei. Denn ein derartiges Unwerturteil dürfe nicht ohne hinreichend sicher ermittelte Tatsachengrundlage ausgesprochen werden. Insoweit berufe sich der Kläger auf die Unschuldsvermutung. Das angefochtene Urteil enthalte keine belastbaren Feststellungen, sondern basiere nur auf Vermutungen. Das gelte sowohl für die dem Kläger unterstellte Berichtstätigkeit als auch für die Auswirkungen der angeblichen Berichtstätigkeit auf Dritte. Der Nachteil "anderer" müsse tatsächlich eingetreten und nachweisbar sein. Abgesehen davon sei auch in diesem Zusammenhang die konstitutive Wirkung der Häftlingshilfebescheinigung zu beachten. Denn die Häftlingshilfebescheinigung enthalte zumindestens die Vermutung, dass ein Ausschlussgrund nicht vorliege. Die mit der Häftlingshilfebescheinigung verbundene Vermutung könne allenfalls dann als widerlegt angesehen werden, wenn eine schwer wiegende Schädigung von Dritten sicher nachgewiesen sei. Nach Sinn und Zweck des Ausschlussgrundes habe die Abwägung zu Gunsten des Klägers zu erfolgen. Denn selbst wenn - was bestritten werde - von der unterstellten Berichtstätigkeit auszugehen wäre, würden die Qualen, welche die Insassen - wie auch der Kläger - des so genannten "Gelben Elends" in Bautzen durch die Sowjetmacht zu erleiden hatten, das Vorstellbare und Beschreibbare und damit auch die Auswirkungen übersteigen, die die unterstellte Zusammenarbeit des Klägers mit dem MfS angeblich auf Dritte gehabt hätte. Berücksichtigt werden müsse auch, dass die Berichtstätigkeit des IM H. R. viele Jahre vor der Wiedervereinigung eingestellt worden sei. In dem Archivierungsbeschluss vom 19. Mai 1981, mit dem die IM-Akte geschlossen worden sei, werde festgestellt, dass sich der IM als nicht zuverlässig erwiesen habe. Das decke sich mit einem Aktenvermerk vom 27. August 1979.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Amtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 29. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 6. Dezember 1999 zu verpflichten, den Bescheid des Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 22. Juni 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Soziales vom 16. August 1995 zurückzunehmen und ihm, dem Kläger, für die Zeit der zu Unrecht erlittenen Haft vom 18. August 1948 bis zum 20. März 1956 eine Kapitalentschädigung nach § 25 Abs. 2 StrRehaG zu gewähren, sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf seinen bisherigen Vortrag und trägt ergänzend vor: Einen Nachweis der Drittschädigung zu verlangen, sei angesichts der umfangreichen Vernichtung der so genannten Stasi-Akten nicht leistbar. In den IM-Akten fänden sich selten Hinweise auf das Schicksal der Bespitzelten. Auch seien die Akten vielfach unvollständig. Die so genannten Opferakten würden nicht an das Landesamt für Gesundheit und Soziales herausgegeben, sodass Ermittlungen mit dem Ziel eines Nachweises der Drittschädigung nicht möglich seien. Die vom Kläger geforderte Abwägung zwischen Drittschädigung, d.h. dem Schicksal des Anderen und dem selbst erlittenen Schicksal werde in der Rechtsprechung nicht gefordert.

Am 19. August 2004 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Mit Beschluss vom 8. September 2004 hat der Senat beschlossen, Beweis durch Einholung des Gutachtens eines Schriftsachverständigen zu erheben über die Behauptung des Klägers, die in der BStU-Akte enthaltenen IM-Berichte vom 18. Juli 1968, 17. Juli 1968 und 22. September 1968, die mit dem Decknamen "P." und die Berichte vom 12. Mai 1970, 26. November 1971, 4. Oktober 1972, 26. Februar 1973, 27. Februar 1974, 9. September 1974, 30. Juni 1976 sowie zwei undatierte Berichte, die mit dem Decknamen "H. R." unterzeichnet sind, stammten nicht von ihm. Der Schriftsachverständige, Wiss. Rat Dipl. Psych. C. B., zu dessen Auswahl die Beteiligten gehört worden sind, ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 17. Oktober 2004 zu dem Ergebnis gekommen, dass bei acht Berichten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Urheberidentität mit dem Verfasser der Verpflichtungserklärungen bestehe; bei zwei Berichten bestehe mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit und bei einem Bericht bestehe mit hoher Wahrscheinlichkeit Urheberidentität. Bei dem Bericht vom 30. Juni 1976 (Exponat 12 - BStU-Akte Bd. II Bl. 58) lasse sich hingegen ein Urheberschaftszusammenhang nicht feststellen. Der Sachverständige hat seine Untersuchung in der mündlichen Verhandlung erläutert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 17. Oktober 2004 und die Sitzungsniederschrift vom 1. Dezember 2004 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Streitakte, die beigezogene IM-Akte der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Bd. I - III im Original sowie Band I und II in Ablichtung mit Schwärzungen) und den Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie die Streitakte VG 26 A 138.98 Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene und auch sonst zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 29. September 1999 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens unter Rücknahme des Bescheids vom 22. Juni 1995.

Der Kläger kann Kapitalentschädigung nur verlangen, wenn zunächst das durch den ablehnenden Bescheid vom 22. Juni 1995 abgeschlossene Verwaltungsverfahren wieder aufgegriffen wird. Als rechtliche Grundlage für einen solchen Anspruch auf Wiederaufgreifen kommt hier nur § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln in Betracht. Nach dem in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG enthaltenen Grundsatz der freien Rücknehmbarkeit kann ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt jederzeit unabhängig vom Vorliegen besonderer Wiederaufgreifensgründe zurückgenommen werden (I.). Die Entscheidung steht grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Im vorliegenden Fall ist auch nicht ausnahmsweise auf Grund besonderer Umstände von einer so genannten Ermessensreduzierung auf Null auszugehen (II.). Die Entscheidung des Beklagten weist keine Ermessensfehler auf. Der Beklagte hat den Sachverhalt zutreffend ermittelt (III.) und ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Ausschlussgrund gemäß § 16 Abs. 2 StrRehaG vorliegt (IV). Schließlich ist ein sonstiger Abwägungsfehler nicht feststellbar (V.).

I. Der bestandskräftige Bescheid vom 22. Juni 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 1995 ist - wie von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vorausgesetzt - rechtswidrig. Denn einem Berechtigten aus einer bestandskräftigen Häftlingshilfebescheinigung gemäß § 10 Abs. 4 HHG dürfen die sozialen Ausgleichsleistungen gemäß §§ 25 Abs. 2, 17 Abs. 2 StrRehaG nicht unter Berufung auf die Ausschlussgründe des § 16 Abs. 2 StrRehaG versagt werden (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 3 C 7.02 - VIZ 2003, 202; OVG Berlin, Beschluss vom 25. August 2000 - 6 N 4.00 -).

II. Ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf das begehrte Wiederaufgreifen liegt nicht vor. Von einer Ermessensreduzierung ist ausnahmsweise dann auszugehen, wenn die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Verwaltungsakts schlechthin unerträglich oder ein Wiederaufgreifen verfassungsrechtlich mit Blick auf bedeutende Rechtsgüter des Einzelnen geboten ist, die Verwaltung sich durch eine bestimmte Praxis selbst gebunden hat oder aber sich dem Gesetz ein so genanntes intendiertes Ermessen entnehmen lässt.

Davon kann im vorliegenden Fall, in dem es um die Verwirklichung eines vermögensrechtlichen Anspruchs geht, nicht ausgegangen werden. Insbesondere lässt sich nicht mit Blick auf die Bindungswirkung der Häftlingshilfebescheinigung gemäß § 10 Abs. 4 HHG und den Einwand des Klägers, die Jahresfrist gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG werde in unzulässiger Weise umgangen, ein Fall des so genannten intendierten Ermessens begründen. Zwar hat der Beklagte die Möglichkeit, durch Rücknahme der Häftlingshilfebescheinigung - innerhalb eines Jahres nach Kenntnis gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG - die in § 25 Abs. 2 StrRehaG normierte "strikte" Privilegierung zu beseitigen, nicht genutzt. Diese Entscheidung steht jedoch wiederum im Ermessen des Beklagten, wobei unerheblich ist, aus welchen Gründen eine Rücknahme der Häftlingshilfebescheinigung nicht erfolgt ist. Der Bindungswirkung der Häftlingshilfebescheinigung entspricht, dass dem Kläger die damals gewährte Eingliederungshilfe i.H.v. 4.800 DM belassen wird. Ein darüber hinaus gehender Anspruch, wonach der Kläger, der darauf verzichtet hat, den Bescheid vom 22. Juni 1995 gerichtlich überprüfen zu lassen, im Wege des Wiederaufgreifens so zu stellen wäre, als habe er den ablehnenden Bescheid nicht bestandskräftig werden lassen, lässt sich aber nicht mit § 25 Abs. 2 StrRehaG begründen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Konstallation, über die das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 24. Oktober 2002 entschieden hat (VIZ 2003, 202). Das in § 48 Abs. 1 VwVfG eröffnete Ermessen erlaubt es vielmehr, in eine Prüfung der Ausschlüssgründe einzutreten und auf dieser Grundlage zu entscheiden.

III. Die Entscheidung des Beklagten, das Verfahren um die begehrte Kapitalentschädigung nicht wieder aufzugreifen, weist keine Ermessensfehler auf. Der Beklagte hat den maßgeblichen Sachverhalt zutreffend ermittelt.

Auf der Grundlage der Beweiserhebung geht der Senat davon aus, dass der Kläger als IM für das MfS tätig war und in der Zeit von Juli 1968 bis Anfang 1980 zunächst unter dem Decknamen P., nach Entlassung aus der Strafvollzugsanstalt Neustrelitz unter dem Decknamen H. R. eine Vielzahl mündlicher und schriftlicher Berichte für das MfS geliefert hat. Der Sachverständige, der seit 1978 zunächst beim Bundeskriminalamt, ab 1979 beim Polizeipräsidenten in Berlin, Direktion "Polizeitechnische Untersuchung" (PTU) im Bereich "Handschriften" tätig war bzw. ist, hat das schriftliche Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutert. Er hat nachvollziehbar seinen methodischen Ansatz i.S.d. Faktorenanalyse auf der Grundlage der Methode "Michel" dargestellt, darauf verwiesen, dass diese Methode der des Bundeskriminalamts entspreche und anschaulich mit Beispielen auf die einzelnen Kriterien, die im Gutachten unter den Hauptkategorien "allgemeine Schriftmerkmale" und "besondere Schriftmerkmale" aufgeführt werden, verwiesen. Er hat dargelegt, dass er das Schriftmaterial Wort für Wort mikroskopisch untersucht und dabei mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbare Feinheiten festgestellt hat, die übereinstimmend im Vergleichsmaterial (V 1 und V 2) und dem Schriftmaterial (Exponate X 1 bis X 11) nachweisbar sind. Er hat aufgezeigt, dass sich auch diese Untersuchungsergebnisse im Gutachten zumindest in zusammengefasster Form finden und zugleich plausibel erklärt, dass er aus darstellungstechnischen Gründen auf eine Auflistung der Einzelergebnisse der mikroskopischen Untersuchung verzichtet hat.

Angesichts der ausführlichen und kenntnisreichen Erläuterungen des Sachverständigen hat der Senat keinen Anlass, an der Feststellung zu zweifeln, dass die beiden Verpflichtungserklärungen (V 1 und V 2) hinreichend komplex und wertstark sind, um die Frage eines Urheberschaftszusammenhangs zu beantworten. Der Senat geht auf der Grundlage des Gutachtens davon aus, dass bei elf Berichten mit an Sicherheit grenzender bzw. sehr großer bzw. großer Wahrscheinlichkeit - differenziert nach den vom Sachverständigen aufgezeigten Schwächen der Exponate - Urheberidentität mit dem Verfasser der Verpflichtungserklärungen, d.h. mit dem Kläger besteht. Der Umstand, dass hinsichtlich des Berichts vom 30. Juni 1976 (Exponat X 12 - BStU-Akte Bd. II Bl. 58), in dem IM H. R. über den Kläger Mitteilung macht, schon aus laienhafter Sicht erkennen, dass er von einer anderen Person geschrieben worden sein muss. Das könnte seine Ursache darin haben, dass der Kläger in diesem Falle eine dritte Person mit der Abfassung des Berichts in seinem Namen beauftragt hat. Die Tatsache, dass insoweit eine Identität in der Handschrift nicht erkennbar ist, führt jedenfalls nicht dazu, die Authentizität der anderen (elt) Berichte in Zweifel zu ziehen. Denn es erscheint unter keinem Gesichtspunkt denkbar, dass das MfS die Unterlagen in täuschend ähnlicher Schrift komplett falsch hergestellt haben könnte.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Berichte, die zahlreiche mit Namen und Anschrift benannte Personen betreffen und in denen Mitteilung gemacht wird über familiäre und sonstige private Probleme, über politische Ansichten und sonstige Äußerungen, über finanzielle Verhältnisse und Beziehungen in die damalige Bundesrepublik Deutschland sowie über mögliche Straftaten und sonstiges Verhalten in Bezug auf Schule und Arbeit, eine detailreiche, geradezu intime Kenntnis der dem Kläger auf Grund seiner Tätigkeit im Forstrevier bekannten Örtlichkeiten und Personen wie auch der betrieblichen Arbeitsabläufe vermitteln. Auch das spricht gegen die Behauptung des Klägers, die in der BStU-Akte befindlichen ca. 130 IM-Berichte und ca. 110 Treffberichte seien von Dritten, die ihm hätten schaden wollen, gefertigt worden. Im Übrigen hat der Kläger selbst nicht konsequent und durchgängig eine Tätigkeit als IM bestritten. Das wird deutlich anhand der von ihm persönlich verfassten, an das Gericht gerichteten Schreiben, in denen er unter anderem darauf hinweist, dass durch ihn kein Dritter zu Schaden gekommen sei.

Dass der Kläger als IM P. und IM H. R. tätig war, wird bestätigt durch die in der "IM-Personalakte" enthaltenen Dokumente. So befindet sich z.B. auf dem so genannten Auskunftsbericht vom 22. Oktober 1973 eine Fotografie des Klägers aus dem Jahre 1972 (BStU-Akte III Bl. 10). In einer mit dem vollen Namen des Klägers unterschriebenen Liste werden - entsprechend dem dem "Kandidaten H. S." bei der Anwerbung am 4. Dezember 1968 erteilten Auftrag (BStU-Akte III Bl. 50) - Verwandte und Bekannte des Klägers aufgeführt (BStU-Akte III Bl. 52). Darüber hinaus ist die "Anwerbung" minutiös beschrieben (BStU-Akte III Bl. 43, 46, 48, 50). Es ist kaum denkbar, dass mit einem solchen bürokratischen Aufwand lediglich zum Schein die "Legende" eines IM aufgebaut und in hohem Maße realitätsnah über einen Zeitraum von knapp 12 Jahren, unterfüttert durch die in der BStU-Akte befindlichen Berichte "am Leben" erhalten worden ist.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eindringlich geltend gemacht hat, die Berichte mit ihren zahlreichen Streichungen und Verbesserungen könnten schon deshalb nicht von ihm stammen, weil er zeitlebens immer sehr ordentlich und fehlerlos, eben ohne Streichungen und Verbesserungen geschrieben habe, folgt daraus kein für ihn günstigeres Ergebnis. Der Senat sieht vielmehr die Berichte als wahrscheinlich verdeckt angefertigte Schriftstücke als - in einem technischen Sinne - sorgfältig angefertigte Schreibwerk an. Gelegentliche nachträgliche Änderungen berühren diese Einschätzung nicht.

IV. Zutreffend hat der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung darauf abgestellt, dass der Kläger den Ausschlussgrund gemäß § 16 Abs. 2 StrRehaG erfüllt. Die über mehr als zehn Jahre währende Tätigkeit des Klägers als IM für den MfS stellt einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit i.S.d. § 16 Abs. 2 StrRehaG dar.

1. Bei der Auslegung des § 16 Abs. 2 StrRehaG können die für den insoweit wortgleichen Ausschlussgrund in anderen Rehabilitierungsgesetzen entwickelten Grundsätze herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 16. Januar 1964 - VIII S 60.62 -, Buchholz 412.6 § 2 HHG Nr. 1; Urteil vom 22. Oktober 1987 - 3 C 12.87 -, Buchholz 427.6 § 3 BFG Nr. 25). Dem Ausschlussgrund des Ver-stoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit liegt der allgemeine Gedanke zu Grunde, dass "in den Genuss der für die unschuldigen Opfer einer Gewaltherrschaft bestimmten Vergünstigungen nicht auch jene kommen sollen, die ... ein Schicksal erfuhren, dass sie zuvor unter dem Schutz der Gewaltherrschaft anderen zugefügt haben" (BVerwG, Urteil vom 9. September 1959 - VIII C 281.59 -, BVerwGE 9, 132; Urteil vom 8. März 2002 - 3 C 23.01 - NJW 2002, 2486).

Eine Tätigkeit als IM erfüllt nicht stets die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 StrRehaG (so aber Bruhns/Schröder/Tappert, StRehaG § 16 Rdnr. 26). Der Ausschlusstatbestand ist vielmehr nur beim Vorliegen erheblicher gegen die Gemeinschaftsordnung verstoßender Handlungen erfüllt. An dem Grundsatz der Menschlichkeit hat sich vergangen, wer freiwillig und gezielt, insbesondere auch durch Eindringen in die Privatsphäre anderer und Missbrauch persönlichen Vertrauens Informationen über Mitbürger gesammelt und an den auch in der DDR für ihre repressive und menschenverachtende Tätigkeit bekannten Staatssicherheitsdienst weitergegeben hat. Das ist der vom Gesetzgeber in den Blick genommene Hauptanwendungsfall des § 16 Abs. 2 StrRehaG: Danach genügt es, dass sich der Einzelne als Denunziant oder Spitzel freiwillig betätigte, um hieraus eigene Vorteile zu erlangen (BT-Drs. 12/1608, S. 24). Dementsprechend geht auch die Rechtsprechung davon aus, dass "im Regelfall" die Spitzeltätigkeit für den Staatssicherheitsdienst einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit begründet (BVerwG, Urteil vom 8. März 2003 - 3 C 23.01 -, NJW 2002, 2486; BGH, Beschluss vom 14. Mai 1994 - AnwZ (B) 6.93 - in: Juris). Dabei muss die Spitzeltätigkeit nicht zur Stützung des Systems erfolgt sein (BVerwG, Urteil vom 8. März 2002 - 3 C 23.01 -, NJW 2002, 2486).

2. Aus dem vorliegenden Aktenmaterial ist nicht ersichtlich, ob die IM-Berichte konkrete Repressionen und Sanktionen gegenüber Dritten zur Folge hatten. Eines solchen Nachweises bedarf es jedoch nicht. Es genügt vielmehr, dass die IM-Berichte konkret geeignet waren, Verfolgungsmaßnahmen auszulösen, d.h. andere Personen in der ehemaligen DDR zu schädigen oder auch nur zu gefährden (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 15. Januar 1992 - 7 B 10.90 - zur Fallkonstellation des Vorschubleistens i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 HHG; a.A. KG, Beschluss vom 10. Februar 2003 - 5 Ws 44.03 REHA -; Beschluss vom 2. Januar 2001 - 4 Ws 212.00 REHA -, VIZ 2002, 184; Beschluss vom 3. November 1997 - 3 Ws 536.97 REHA -, NJW 1998, 1729; Beschluss vom 17. Februar 1997 - 4 Ws 24.97 REHA -, VIZ 1997, 383; OLG Dresden, Beschluss vom 28. September 1995 - 2 Ws 6.95 -, VIZ 1996, 110 -).

Nach Sinn und Zweck des Ausschlussgrundes bedarf es keines Nachweises einer konkreten Drittschädigung in jedem Einzelfall. Jedem verständigen Bürger der ehemaligen DDR war die Bedeutung des MfS bekannt und die Gefahr des Zugriffs auf Grund einer Denunzierung bewusst. Durch Berichte eines IM wurde der Staatssicherheitsdienst in die Lage versetzt, sogar belanglose und unverfängliche Informationen zu nutzen, diese mit eigenen Erkenntnissen zu verknüpfen und mit anderen ihm bekannt gewordenen Sachverhalten zu bewerten (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 5. März 2002 - 1 Ws-Reha 37.01 - NJW 2002, 324). Die freiwillige Bereitschaft zur konspirativen Zusammenarbeit mit dem MfS zielte darauf, die von der Spitzeltätigkeit Betroffenen "erpressbar" zu machen. Das MfS war ein zentraler Bestandteil des totalitären Machtapparates der DDR und fungierte als Instrument der politischen Kontrolle und Unterdrückung der Bevölkerung. Es diente insbesondere dazu, politisch Andersdenkende und Ausreisewillige zu überwachen, abzuschrecken und auszuschalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1998 - 2 C 26.97 - BVerwGE 108, 64). Angesichts der Funktionsweise des auf Überwachung und Einschüchterung beruhenden Systems war es eher eine "Zufälligkeit", ob ein Bespitzelter tatsächlich einen spürbaren Nachteil zu erleiden hatte (vgl. VG Potsdam, Urteil vom 2. August 2000 - 2 K 2369.97 -, LKV 2001, 570). Das MfS verfügte über eine umfangreiche elektronische Datenbank, über die jede Information mit anderen Informationen und Personen verknüpft werden konnte. Deshalb vermochten auch scheinbar banale Informationen im Verbund mit anderen gespeicherten Erkenntnissen oder operativ interessanten Personen besonderes Gewicht zu erlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 1994 - AnwZ (B) 6.93 -, NJW 1994, 1730). Ein IM hatte auch keinen Einfluss darauf, ob und gegebenfalls inwieweit die dem MfS zugetragenen Informationen verwertet würden, insbesondere konnte er nicht wissen, mit welchen weiteren Informationen anderer Mitarbeiter des Ministeriums seine Mitteilungen später zusammentreffen konnten (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 7. September 2000 - 551 Rh 375.98 UBG -; Beschluss vom 10. Februar 1997 - 515 Rh 344.96 UBG -). Dementsprechend lässt sich auch die mit dem Nachweis der Schädigung verbundene Frage der Kausalität nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit beantworten. Vielmehr wurde auf Grund der "Arbeitsweise" des Staatssicherheitsdienstes bereits durch die Berichtstätigkeit - vorbehaltlich der Geeignetheit der Mitteilungen - eine beachtliche Gefahrenlage für die Bespitzelten geschaffen.

Aus der Regelungssystematik lässt sich die Notwendigkeit eines Nachweises nicht ableiten. Dass in § 16 Abs. 2 StrRehaG als 1. Alternative lediglich der Ausschlussgrund des § 2 Abs. 1 Nr. 2 HHG übernommen wurde, zwingt nicht zu der Auslegung, es bedürfe des konkreten Nachweises der Drittschädigung (vgl. aber Mütze, in: Pfister/Mütze, StrRehaG § 16 Rdnr. 44; OLG Dresden, Beschluss vom 28. September 1995 - 2 Ws 6.95 -, VIZ 1996, 110). Zwar trifft es zu, dass in § 16 Abs. 2 StrRehaG, der vom Wortlaut her § 27 Rentenangleichungsgesetz der DDR vom 28. Juni 1990 (GBl. I Nr. 38 S. 495) i.d.F. der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Ziffer 8 Buchstabe e) des Einigungsvertrages entspricht, nicht der Ausschlussgrund des Vorschubleistens gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 HHG aufgenommen worden ist. Dem lag die Erwägung des Gesetzgebers zu Grunde, dass der Ausschluss von Sozialausgleichsleistungen für Opfer des SED-Unrechtregimes nicht weiter gehen könne, als die Kürzungs- und Entzugsmöglichkeiten für Leistungen an Personen, die heute noch aus ihrem Verhalten im SED-Staat Vorteile ziehen (BT-Drs. 12/1680, S. 24). Nur aus diesem Grunde und damit insbesondere mit Blick auf § 2 Abs. 1 Nr. 3 HHG wurde auf eine entsprechende Übernahme der anderen Ausschlussgründe des Häftlingshilfegesetzes verzichtet (BT-Drs. 12/1680, S. 44 - Antwort der Bundesregierung zum Vorschlag des Bundesrates, die Fallvariante "Vorschubleisten" aufzunehmen <BT-Drs. 12/1680, S. 36>). Eine systematische Aussage dazu, dass § 16 Abs. 2 StrRehaG den Nachweis der Drittschädigung voraussetze, ist damit nicht verbunden. Im Übrigen überschneiden sich die Tatbestände jedenfalls in der hier interessierenden Fallkonstellation, in der es um die Beurteilung der Spitzeltätigkeit eines IM geht (vgl. auch BT-Drs. 12/1680, S. 44). Da eine trennscharfe Abgrenzung der Tatbestandsvarianten nicht gelingt, verfängt auch das Argument der Systematik nicht.

Der objektivierte gesetzgeberische Wille bestätigt die Auslegung, dass es nur darauf ankommt, ob die Berichtstätigkeit konkret geeignet war, strafrechtliche Maßnahmen oder sonstige spürbare Benachteiligungen der Bespitzelten auszulösen. In der Begründung zum 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz wird auf das Vorliegen schwer wiegender Vorwürfe abgestellt, die abgegrenzt werden gegenüber geringfügigen Verstrickungen, die in einer seit Jahrzehnten bestehenen Diktatur keine Seltenheit sein konnten. Es wird dann aber lediglich allgemein "Kenntnis und Billigung aller Umstände" gefordert und als Hauptanwendungsfall auf die Tätigkeit als Denunziant oder Spitzel verwiesen (BT-Drs. 12/1608 S. 24). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stützt eine Spitzeltätigkeit, die es einem Regime ermöglicht, auf Grund von Denunzierung und Erpressbarkeit zu überdauern, aktiv die totalitäre und diktatorische Herrschaft und erfüllt deshalb schon aus diesem Grund den objektiven Tatbestand des Ausschlussgrundes. Angesichts der Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht hätte es daher nahe gelegen, zumindest in der amtlichen Begründung klarzustellen, dass es für die Annahme eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit nicht genügt, dass sich der Einzelne als Denunziant oder Spitzel freiwillig betätigte, um hieraus eigene Vorteile zu erlangen. Dies gilt umso mehr, als dem Gesetzgeber bewusst gewesen sein dürfte, dass sich der Nachweis der konkreten Drittschädigung in der Regel nicht in der bei der Bundesbeauftragten archivierten IM-Akte finden wird und es gegebenfalls aufwändiger Ermittlungen bedarf, um den Nachweis der Drittschädigung zu führen.

3. Die Berichte waren nicht nur von der Anzahl umfangreich, sondern auch inhaltlich zumindest teilweise geeignet, die bespitzelten Personen der Gefahr staatlicher Verfolgung in Form von intensiverer Überprüfung bis hin zur Verhaftung auszusetzen.

Bei den hier interessierenden Berichten handelt es sich nicht um lediglich farblose oder banale und bedeutungsarme Schilderungen und Mitteilungen. Die Berichte vermitteln insbesondere nicht den Eindruck, dass der Kläger die Mitarbeit nur zum Schein ausgeführt hat. Es finden sich in der BStU-Akte zwar auch Berichte, in denen lediglich allgemein die Stimmung und Meinung der lokalen Bevölkerung anlässlich regionaler und überregionaler Ereignisse beschrieben wird. In den meisten Berichten werden jedoch Dritte namentlich benannt und detailreich Vorkommnisse im Freizeit- und Wohnbereich sowie Verfehlungen im Arbeitsbereich mitgeteilt. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich dabei nicht lediglich um bedeutungslose "Schmierereien".

Die Berichtstätigkeit wurde auch vom Mitarbeitern des MfS als brauchbar angesehen: Nach Einschätzung des FIM "S." vom 22. März 1977 (BStU-Akte III Bl. 78) bedurfte der Kläger zwar der Anleitung zur Verbesserung seiner Arbeit. FIM "S." verzeichnet aber auch eine "regere" Mitarbeit, weist zugleich darauf hin, dass "eine qualitative Verbesserung der ihm gestellten Aufgaben erwartet" werde und kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine weitere gute Zusammenarbeit gegeben seien. Noch im Januar 1978 wird dem Kläger attestiert, dass "bis zu ca. zwei Monaten ... eine überwiegend befriedigende Zusammenarbeit" bestand (BStU-Akte III Bl. 79). Auch im Dezember 1978 war FIM "S." der Auffassung, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger "möglich" sei (BStU-Akte Bd. II Bl. 74). Erst in der Einschätzung vom 27. August 1979 (BStU-Akte III Bl. 80) wird festgestellt, dass die Mitarbeit des Klägers "in den weiteren Jahren" wechselhaft gewesen sei und "Unbeständigkeit und mäßige Bereitschaft in der Mitarbeit ... sich im letzten Jahr besonders bemerkbar" gemacht habe und mit Blick darauf, dass "der Genannte in keiner Berichtsperiode sein gegebenes Versprechen auf aktive Mitarbeit erfüllt" habe, empfohlen, den IM H. R.r von seiner Verpflichtung zu entbinden. Dem entspricht, dass ab Mitte der 70er Jahre die Anzahl der schriftlich verfassten Berichte deutlich abnimmt und auch keine mündlichen Berichte mehr abgeliefert wurden. Die erkennbar veränderte Haltung des IM beim Zutragen von Informationen in den späteren Jahren der Zusammenarbeit mit dem MfS ändert jedoch nichts daran, dass sich vor allem in den ersten Jahren Berichte finden, die geeignet waren, die benannten Personen staatlichen Sanktionen auszusetzen.

Das gilt insbesondere für die Berichte, die nach Darlegung des Sachverständigen dem Kläger als Verfasser zuzuschreiben sind: Der Bericht vom 9. September 1974 (Exponat X 11 - BStU-Akte Bd. II Bl. 15) benennt - wie das Verwaltungsgericht anschaulich dargelegt hat und auf dessen Begründung insoweit verwiesen wird - konkrete Anhaltspunkte, die auf den Versuch eines ungenehmigten Verlassens der DDR hinweisen. Angesichts des Umstands, dass die Strafverfolgungsbehörden der ehemaligen DDR nach den drastischen Abschottungsmaßnahmen des 13. August 1961 ein Vergehen des Verlassens der DDR ohne die erforderliche staatliche Genehmigung unnachsichtig verfolgten und nahezu ausnahmslos mit Gefängnisstrafen ahndeten (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 551 Rh 233.02 UBG -), erscheint dieser Bericht in besonderer Weise geeignet, die namentlich genannten Personen der Gefahr von Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 1 Passgesetz, gegebenenfalls aber auch gemäß § 213 Abs. 2 DDR-StGB auszusetzen. Das gilt umso mehr als in dem Bericht mitgeteilt wird, das ärztliche Attest, das zur Rechtfertigung eines (früheren) Besuches bei der Mutter in Westdeutschland vorgelegt worden war, sei ein "unwahres Schreiben". Hinsichtlich des Berichts vom 26. November 1971 (Exponat X 7 - BStU-Akte Bd. I Bl. 194) hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht festgestellt, dass die Mitteilungen im Zusammenhang mit der Wahl geeignet waren, die benannten Personen der Gefahr der Strafverfolgung gemäß § 220 Abs. 1 StGB-DDR wegen öffentlicher Herabwürdigung auszusetzen. Auf die Begründung, der der Senat folgt, wird Bezug genommen. Die im Bericht vom 12. Mai 1970 (Exponat X 6 - BStU-Akte Bd. I Bl. 92) mitgeteilte Äußerung "Gestern war der Tag der Befreiung. Die Russen sind unsere Befreier von Brot, Speck und Eier" war geeignet, strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 3 StGB-DDR wegen staatsfeindlicher Hetze nach sich zu ziehen. Auf die Begründung in dem angefochtenen Urteil, der der Senat folgt, wird Bezug genommen. Dabei ist insbesondere auch die gesellschaftspolitiche Befindlichkeit der damaligen Zeit - anders als etwa in den 80er Jahren - zu berücksichtigen. Es ist bekannt, dass die Strafverfolgungsbehörden der DDR in den dort noch durch den Stalinismus geprägten Jahren vor 1980 selbst die Wiedergabe harmloser politischer Witze und im Übrigen auch jede sonstige Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen unnachgiebig ahndeten (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 551 Rh 233.02 UBG -). Die in dem Bericht vom 4. Oktober 1972 (Exponat X 8 - BStU-Akte Bd. I Bl. 228) mitgeteilte Information, dass die benannte Person sich "dieses oder jenes" aus Westdeutschland beschaffe und die Person auch Westbesuch gehabt habe, war - wie auch das Verwaltungsgericht festgestellt hat - geeignet, Strafverfolgungsmaßnahmen wegen der ungesetzlichen Einfuhr von Waren auszulösen.

Mit dem Verwaltungsgericht ist darüber hinaus davon auszugehen, dass die Begehung eines Vermögensdelikts auch politisch geprägte Implikationen auslösen konnte, wenn es um Volkseigentum und Gesellschaftsvermögen oder um das Verhalten von Repäsentanten des Staates ging. Vor diesem Hintergrund erscheint auch der undatierte Bericht (Exponat X 4 - BStU-Akte Bd. I Bl. 21), in dem mitgeteilt wird, dass der dort namentlich genannte Revierförster Brennholz, Stangen und Schmuckreisig gegen Lebensmittel und Gerätschaften zur Tierhaltung erhalten habe und Alkohol trinke, geeignet, den Betroffenen der Gefahr auszusetzen, mit staatlichen Maßnahmen überzogen zu werden, die über eine rechtsstaatliche Disziplinar- oder Strafverfolgung hinausgingen. Dies gilt umso mehr als in einem weiteren ebenfalls undatierten Bericht (Exponat X 5 - BStU-Akte Bd. I Bl. 34) erneut über dieselbe Person - wenn auch nur vom Hörensagen, aber unter namentlicher Benennung der Gewährsperson - Mitteilung gemacht und berichtet wird, dass die Person Rehe zum Eigenverbrauch geschossen habe, ihren Garten von den im Wald beschäftigten Frauen in Ordnung bringen lasse und fast jeden Tag betrunken sei. Die beiden Berichte sind ausweislich eines Vermerks auch zur Auswertung weitergeleitet worden (BStU-Akte Bd. I Bl. 33). Der vom Verwaltungsgericht genannte Bericht vom 26. Februar 1972 (Exponat X 9 - BStU-Akte Bd. I Bl. 234), in dem der Missbrauch von Prämiengeldern durch Leitungskader angeprangert wird, ist zwar eher blass und detailarm, erscheint gleichwohl aber geeignet, zumindest Ermittlungen wegen möglicher Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft gegenüber den durch Benennung der LPG und der Abteilung individualisierbaren Personen auszulösen. Auch diese Beispiele belegen hinreichend deutlich, dass die Tätigkeit des Klägers als IM geeignet war, konkrete, nicht lediglich unbeachtliche Benachteilungen und Gefährdungen Dritter auszulösen.

4. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen zu 3. annehmen wollte, dass es bei der Rücknahme der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG bzw. bei einer ablehnenden Entscheidung nach § 25 Abs. 2 StrRehaG erforderlich sei, den Nachweis einer Schädigung Dritter zu führen, so überzeugt es nicht, dass das auch in einem Fall wie dem Vorliegenden geschehen müsste, in dem es lediglich um die Ausübung des Ermessens bei der Frage der Rücknahme einer bestandskräftigen ablehnenden Entscheidung geht. Jedenfalls hier spricht alles dafür, dass allein die Feststellung der Schädigungseignung der konkreten IM-Tätigkeit ausreicht, um ein Wiederaufgreifen der bestandskräftigen Ablehnung ermessensgerecht zu versagen.

Im Hinblick auf die Bestandskraft des eine Kapitalentschädigung ablehnenden Bescheides dürfte im Übrigen auch ein etwa bestehendes non liquet bei der Frage der Urheberidentität der zuvor abgehandelten IM-Berichte zu Lasten des Klägers gehen.

5. Der Kläger hat auch den subjektiven Tatbestand des § 16 Abs. 2 StrRehaG erfüllt. In subjektiver Hinsicht setzt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Menschlichkeit ein zurechenbares, vorwerfbares Verhalten voraus.

Allein in einer schriftlichen Verpflichtung zum Spitzeldienst "unter dem Druck der Haft" ist kein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit zu sehen (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1987 - 3 C 12.87 -, Buchholz 427.6 § 3 BFG Nr. 25). Von einem die Freiwilligkeit ausschießenden Druck kann aber in der Folge nur dann ausgegangen werden, wenn er für den Betroffenen unerträglich war, d.h. wenn von diesem auch unter Berücksichtigung des durch die Spitzeltätigkeit mutmaßlich angerichteten Schadens nicht erwartet bzw. verlangt werden konnte, sich der angetragenen informellen Mitarbeit für den Staatssicherheitsdienst zu widersetzen bzw. zu entziehen. Soweit davon auszugehen wäre, dass - entgegen der dokumentierten positiven Einschätzung bei der Anwerbung, wonach der Kläger "sich ohne Zweifel bereit zur Zusammenarbeit" erklärt habe (BStU-Akte III Bl. 48), - die Mitarbeit im Jahr 1968 unter dem Druck der Inhaftierung zu Stande gekommen war, bestand eine vergleichbare Zwangslage jedenfalls nach Haftentlassung im Jahr 1969 nicht mehr. Es ist auch weder vorgetragen noch aus dem Aktenmaterial zu erkennen, dass der Kläger sich in der Folgezeit in einer unerträglichen Lage befunden hätte, auf die er nur mit einer Mitarbeit als IM hätte reagieren können.

Der Kläger hat zumindest billigend in Kauf genommen, dass den Personen, über die er namentlich berichtete, die Gefahr staatlicher Repressionen bis hin zu Verurteilungen drohte. Dem Kläger musste bewusst sein, dass seine Berichte mit der konkreten Gefahr staatlicher Repressionen gegenüber den benannten Personen verbunden waren.

Da der Kläger nicht wissen konnte, mit welchen weiteren Informationen anderer Mitarbeiter des MfS seine Mitteilungen abgeglichen werden könnten, durfte er auch nicht darauf vertrauen, dass seine Berichte als unwesentlich oder nicht genügend tragfähig eingestuft werden und keine strafrechtlichen, arbeitsrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Folgen für seine Opfer zumindest mitverursachen konnten. Dies hätte ihm angesichts der allgemein bekannten Bedeutung des MfS bei hinreichender Anspannung des Gewissens bewusst sein müssen.

V. Die Entscheidung des Beklagten weist auch sonst keine Abwägungsfehler auf. Er hat alle einschlägigen Gesichtspunkte mit dem ihnen nach objektiver Betrachtung zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt. Entgegen der Auffassung des Klägers war der Beklagte nicht verpflichtet, in eine Abwägung mit Blick auf die vom Kläger zu Unrecht erlittene achtjährige Haft im "Gelben Elend" einzutreten. Wenn verwerfliche Auswirkungen festgestellt werden, die geeignet sind, Dritte der Gefahr staatlicher Übergriffe auszusetzen, d.h. wenn der Tatbestand des Ausschlussgrundes i.S.d. § 16 Abs. 2 StrRehaG gegeben ist, dann tritt das selbst erlittene Schicksal der eigenen rechtswidrigen Inhaftierung zurück, ohne dass es darauf ankommt, wie furchtbar und entsetzlich das eigene Schicksal war und wie schwer die Folgeschäden sein mögen. Der Beklagte hat zutreffend auch miteingestellt, dass es im vorliegenden Fall nicht um ein "Schuldurteil", sondern um die Versagung einer Vergünstigung, nämlich die Gewährung einer Kapitalentschädigung geht. Anhaltspunkte für sonstige Abwägungsfehler sind nicht zu erkennen.

Schließlich weist der Senat den Kläger in Würdigung seiner Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zum besseren Verständnis darauf hin, dass es nicht darum geht, ihn schlechter zu behandeln als einen Mörder, dem wegen der Häftlingshilfebescheinigung die Kapitalentschädigung zugesprochen worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 3 C 7.02 - VIZ 2003, 202). Denn der Begünstigte in diesem von ihm hervorgehobenen Fall hatte die eine Kapitalentschädigung ablehnende Entscheidung nicht unanfechtbar werden lassen und damit - anders als der Kläger - seine Rechte aus der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG rechtzeitig gewahrt .

VI. Da die Berufung zurückzuweisen ist, bedarf es keiner Entscheidung über den Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären.

VII. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück