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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: OVG 8 L 31.03
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 162 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 L 31.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch die Vizepräsidentin des Oberverwaltungsgerichts Xalter sowie die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schrauder und Weber am 22. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 2. Juni 2003 aufgehoben. Der Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 230,- € festgesetzt

Gründe:

Die zulässige Beschwerde, mit der sich der Beklagte dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt hat, ist begründet.

Nach Auffassung des Gesetzgebers ist im Vorverfahren eine Bevollmächtigung Dritter, insbesondere eines Anwalts, nicht üblich und in der Regel auch nicht erforderlich, weil zunächst das unmittelbare Gespräch zwischen der Behörde und dem Betroffenen persönlich als zweckmäßig angesehen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. Oktober 1980 - 8 C 10.80 - BVerwGE 61, 100 [101]).

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren scheitert aber nicht daran, dass der Kläger sich als Rechtsanwalt im Vorverfahren selbst vertreten hat, wenn die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren an sich notwendig war (BVerwG, Urt. v. 16. Oktober 1980 - a. a. O.). Das ist hier nicht der Fall.

Zwar ist einem Rechtsanwalt nicht stets oder in aller Regel zuzumuten, eine eigene Rechtssache persönlich zu vertreten, weil es dabei nicht nur Rechtskenntnisse, sondern auch eine mit der Kompliziertheit des Falles zunehmende Befangenheit eine Rolle spielen können. Danach ist auch einem Rechtsanwalt nicht immer zuzumuten, die eigene Sache selbst zu vertreten, wenn sich ein vernünftiger Bürger auf gleichem Bildungs- und Erfahrungsniveau bei der gegebenen Sach- und Rechtslage im allgemeinen eines Rechtsanwalts bedienen würde (Urteile v. 14. November 1979 - BVerwG 8 C 19.78 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 1 und vom 16. Oktober 1980, a. a. O.). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Er wirft weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht komplizierte Fragen auf, bei deren Beantwortung sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand eines Rechtsanwalts bedienen würde. Weder das Bestreiten einer Geschwindigkeitsüberschreitung, noch die Darstellung der Tatsache, den Anhörungsbogen nicht erhalten zu haben, und eine Erklärung dafür, warum den Bitten des Polizeibeamten um Rückruf auf dem Polizeiabschnitt nicht entsprochen worden ist, überfordern die Möglichkeiten eines vernünftigen Bürgers mit einem dem Kläger entsprechenden Bildungs- und Erfahrungsniveau im Umgang mit einer Behörde.

Eine andere Auffassung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil dem Kläger mit der Verfügung vom 28. August 2002 ohne Begründung mitgeteilt worden ist, dass dem gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch nicht abgeholfen werde. Daraus konnte der Kläger nicht schließen, seine in der Begründung des Widerspruchs vorgetragene Sachverhaltsschilderung werde bei der Behördenstelle, die über den Widerspruch zu entscheiden hat, ohne anwaltliche Hilfe nicht zur Kenntnis genommen und/oder bei der Entscheidung über den Widerspruch nicht erwogen.

Im Übrigen kommt eine dem Kläger positive Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ohnehin auch deshalb nicht mehr in Betracht, weil das ihm günstige erstinstanzliche Urteil aufgehoben worden ist, so dass er alle Verfahrenskosten zu tragen hat.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG a. F. Der Senat hat der Berechnung des Streitwertes eine Anwaltsgebühr nach einem Streitwert von 4 800,- € zu Grunde gelegt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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