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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: OVG 8 N 184.02
Rechtsgebiete: StVZO, OwiG


Vorschriften:

StVZO § 31 a Abs. 1 Satz 1
OwiG § 33 Abs. 1 Nr. 1
Der Halter genügt auch bei verspäteter seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht, wenn er in der Annahme, die Behörde habe wegen der größeren Anzahl der in Betracht kommneden Tatzeitfahrer (hier 25 Personen) ohnehin keine realistische Möglichkeit, den Tatzeitfahrer zu ermitteln, darauf verzichten zu können glaubt, ladungsfähige Anschriften dieser Personen mitzuteilen.
Tatbestand:

Der Kläger wandte sich mit seiner erstinstanzlich abgewiesenen Klage gegen eine Fahrtenbuchauflage. Auch sein Antrag die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zuzulassen hatte keinen Erfolg

Gründe:

Die geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sowie grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO) sind nicht gegeben bzw. dargelegt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Für den erstgenannten Zulassungsgrund sind zumindest gewichtige Gesichtspunkte erforderlich, die eine dem Kläger günstige Erfolgsprognose erlauben (vgl. Beschluss des Senats vom 19. August 1997 - OVG 8 SN 295.97 - NVwZ 1998, 197). Danach liegen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung erster Instanz dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wenn also ein Erfolg der Angriffe gegen die erstinstanzliche Entscheidung wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (Senatsbeschlüsse vom 15. Juli 1999 - OVG 8 N 10.99 - und vom 29. Juli 1999 - OVG 8 N 33.99 -; HessVGH, InfAuslR 2000, 497; vgl. auch Seibert, NVwZ 1999, 113 [115] mit zahlreichen Nachweisen). Das ist nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO für eine Fahrtenbuchauflage bejaht. Es hat zutreffend angenommen, dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht als Halter des Fahrzeuges, mit dem der mit einer Geldbuße von DM 250,00 zu ahndende Verkehrsverstoß begangen worden ist, selbst dann nicht ausreichend nachgekommen ist, wenn unterstellt wird, dass er den an ihn bereits 14 Tage nach dem Tattag abgesandten Anhörungsbogen nicht erhalten hat. Denn der Kläger hat den als Tatzeitfahrer in Betracht kommenden Personenkreis lediglich generell abstrakt ohne Namensnennung und Angabe der ladungsfähigen Anschriften einen Tag vor dem Ablaufen der Frist für die Verfolgungsverjährung dahingehend umschrieben, dass es sich bei dem Tatfahrzeug um ein Geschäftsfahrzeug handele, "welches für Kundenbesuche in einem Finanzberatungs- und Maklerbetrieb eingesetzt (werde). Dieser Betrieb (habe) im Innendienst ca. 4 bis 5 freie Mitarbeiter und nochmals 20 Mitarbeiter im Außendienst, welche sämtlich als Fahrer in Betracht (kämen)". Der Kläger hat damit seiner Mitwirkungsobliegenheit, auf deren Erfüllung der Beklagte zur Feststellung des Tatzeitfahrers unabdingbar angewiesen ist, nicht entsprochen, sodass trotz angemessener behördlicher Ermittlungsbemühungen die Aufklärung des Verkehrsverstoßes nicht möglich i.S.v. § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO war.

Die Einlassung des Klägers, es sei realistischer Weise bei der großen Anzahl der in Betracht kommenden Tatzeitfahrer anzunehmen, dass die Behörde den verantwortlichen Tatzeitfahrer ohnehin nicht hätte feststellen können, begründet keine zulassungsrelevanten Richtigkeitszweifel. Sie verkennt, dass es Sache der ermittlungspflichtigen Behörde ist und nicht seiner Beurteilung unterliegt, zu entscheiden, welche Aufklärungsmaßnahmen erforderlich und möglicherweise Erfolg versprechend sind, wenn der Fahrzeughalter, seiner Mitwirkungsobliegenheit genügend, den als Tatzeitfahrer in Betracht kommenden Personenkreis hinreichend deutlich und so rechtzeitig benennt, dass weitere Ermittlungen in Betracht kommen. - Zu Recht hat der Kläger sich in diesem Zusammenhang nicht (explizit) darauf berufen, dass die Verfolgungsbehörde insbesondere deshalb nicht in der Lage gewesen wäre, den Tatzeitfahrer im Falle der Angabe von Namen und Anschriften zu ermitteln, weil dafür nur ein Tag bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung gegenüber Dritten verblieben wäre. Denn diese Verfolgungsverjährung hätte noch wirksam unterbrochen werden können. Dafür genügt gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OwiG die behördeninterne Anordnung der Bekanntgabe, dass Ermittlungen stattfinden (Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz; Kommentar, 13. Aufl. 2002, § 33 Rdnr. 6 b). Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass dies nicht für alle als Tatzeitfahrer in Betracht kommenden Personen noch am letzten Tag der Verjährungsfrist hätte geschehen können.

Im Übrigen könnte der Berufungszulassungsantrag zu diesem Zulassungsgrund auch deshalb keinen Erfolg haben, weil er sich nicht mit der zusätzlichen, selbstständig tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt, dass ein kaufmännischer Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage sein müsse, Geschäftsfahrten anhand schriftlicher Unterlagen zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen, sodass ein Kaufmann seiner Verpflichtung, als Fahrzeughalter bei der Feststellung des Fahrzeugführers mitzuwirken, nicht mit der Behauptung genügen könne, es sei ihm wegen Zeitablaufs nicht mehr möglich, den Fahrzeugführer zu benennen, mithin der Kläger das Fahrtenbuch schon deshalb führen müsse, weil er außer Stande sei, den konkreten Tatzeitfahrer aus seinen Geschäftsunterlagen zu ermitteln.

Die Berufung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, die eine in dem angestrebten Rechtsmittelverfahren klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage fallübergreifender Bedeutung aufwirft. Dargelegt sind diese Zulassungsvoraussetzungen, wenn der Antrag eine bestimmte Rechtsfrage formuliert, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lässt und zumindest einen Hinweis auf den Grund enthält, der die Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (Senatsbeschlüsse vom 1. Dezember 1997 - OVG 8 SN 414.97 -; vom 3. April 1998 - OVG 8 N 10.98 - VIZ 1998, 701; vom 13. Juli 1999 - OVG 8 SN 98.99 - und stdg. Senatsrspr.). Klärungsbedarf besteht, wenn die Antwort auf die Rechtsfrage nicht schon feststeht, wenn diese also zu ernsthaften Zweifeln Anlass gibt. Das ist u.a. dann nicht der Fall, wenn die Antwort unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist, dieses schon aus sich heraus verständlich ist, sie überhaupt (oder so gut wie) unbestritten oder höchstrichterlich bereits ausreichend geklärt ist (Weyreuther, Revisionszulassung pp. 1971, Rn. 65; May, Die Revision, 2. Aufl. 1997, Teil IV Rn. 57, 58; Meyer-Ladewig, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Januar 2000, § 124 Rn. 32; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 132 Rn. 10). Hier sind bereits die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt, denn es fehlt schon an der Formulierung einer fallübergreifend klärungsbedürftigen Rechtsfrage.

Selbst wenn aber noch als hinreichend deutlich bezeichnet die Rechtsfrage angesehen werden könnte, welche Rechtsfolgen es für die Mitwirkungsobliegenheit des Fahrzeughalters hat, wenn die erste Anhörung nicht innerhalb der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für maßgeblich erachteten zweiwöchigen Frist nach dem Verstoß erfolgt, würde dies die Zulassung der Berufung mangels Klärungsbedarfs nicht rechtfertigen, denn diese Rechtsfrage ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt. Danach entbindet die verspätete Anhörung den Halter nicht von der Obliegenheit, einen ihm noch möglichen Aufklärungsbeitrag zu leisten, insbesondere die ladungsfähigen Anschriften der als Tatzeitfahrer in Betracht kommenden Personen mitzuteilen, um der Behörde weitere Ermittlungen zu ermöglichen (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 1997 - 3 B 28.97 -, vgl. auch Beschluss vom 25. Juni 1987 - 7 B 139.87 - Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 17). Weitergehenden Klärungsbedarf hat die Begründung des Zulassungsantrages nicht aufgezeigt.

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