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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.11.2002
Aktenzeichen: OVG 8 S 240.02
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
AuslG § 12 Abs. 2 Satz 2
AuslG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AuslG § 19 Abs. 1 Satz 2
AuslG § 50 Abs. 4 Satz 1
Es ist klärungsbedürftig, ob allein das Vorliegen einer besonderen Härte nach den Maßstäben des § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 2. Variante AuslG (Unzumutbarkeit des weiteren Festhaltens an der ehelichen Lebensgemeinschaft) ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG begründet oder ob darüber hinaus noch Umstände nötig sind, derentwegen die Ermöglichung des weiteren Aufenthalts erforderlich ist, um die bezeichnete besondere Härte zu vermeiden.
OVG 8 S 240.02

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Monjé, den Richter am Oberverwaltungsgericht Weber und den Richter am Verwaltungsgericht Patermann

am 19. November 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Dezember 2001 wird geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landeseinwohneramts Berlin vom 22. Februar 2001 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 2.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der nachträglichen zeitlichen Beschränkung der ihr zur Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilten Aufenthaltserlaubnis.

Die im Jahre 1969 geborene Antragstellerin ist chinesische Staatsangehörige. Nach Ausbildung und Tätigkeit als Köchin in China reiste sie im November 1997 zur Arbeitsaufnahme als Spezialitätenköchin in einem Restaurant in Berlin in das Bundesgebiet ein. Der Antragsgegner erteilte ihr im März 1998 für diesen Zweck eine auf das Restaurant bezogene Aufenthaltserlaubnis, die er ein Jahr später bis zum 6. November 2000 verlängerte. Anfang April 2000 verzog sie nach Kissing, Ende April 2000 kehrte sie nach Berlin zurück.

Nachdem sie am 25. September 2000 einen Deutschen geheiratet hatte, beantragte sie am 28. September 2000, ihr eine (ehebedingte) Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, die sie sogleich - befristet bis zum 27. September 2003 - erhielt.

Am 17. Oktober 2000 verließ die Antragstellerin die eheliche Wohnung. Dem war - nach den Feststellungen des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin im rechtskräftigen Strafurteil vom 5. Februar 2002 gegen den Ehemann der Antragstellerin - Folgendes vorausgegangen:

"In den frühen Morgenstunden des 17.10.2000 - gegen 02.00 Uhr - kehrte der Angeklagte nach einer mit Freunden verbrachten Nacht nach Hause (zurück). Er war angetrunken und forderte seine bereits im Bett schlafende Ehefrau auf, ihm etwas zu essen zu kochen. Als diese sich unter Hinweis auf die fortgeschrittene Zeit weigerte, ließ der Angeklagte nicht locker, drängelte und schubste seine Ehefrau ... aus dem Bett. Er begann, ihr allgemein wüste Vorhaltungen zu machen dahingehend, daß sie weder den Haushalt beherrsche noch gut kochen könne oder gut im Bett sei. Es begann ein heftiger Streit, in dessen Folge der Angeklagte seine Ehefrau aus dem Bett kickte und sie mit der Faust in das Gesicht, gegen den Kopf und den Körper schlug. Dabei äußerte er, daß er sie nicht mehr brauche und schubste sie in Richtung Wohnungstür. Die Zeugin hatte Schmerzen und war völlig verzweifelt, wußte nicht wohin und war erschüttert über den Umstand, daß erstmals in ihrer Beziehung der Angeklagte tätlich gegen sie vorging. Als sie sich schließlich weigerte, der Aufforderung des Angeklagten, die Wohnung sofort zu verlassen, Folge zu leisten, warf er sie aufs Bett, hielt mit einem Arm ihre Arme über dem Kopf nach hinten fest und drückte mit den Knöcheln der anderen Hand gegen ihr Kinn. Durch die hierdurch verursachte Überdehnung des Kopfes nach hinten bekam die Zeugin nunmehr schwer Luft. Der Angeklagte schlug sie sodann mit den Fäusten gegen die Wangenknochen und als die Zeugin begann, nach Hilfe zu rufen, hielt er ihr mit der Hand den Mund zu und griff schließlich mit seiner Hand in den Mund der Zeugin hinein. Diese bekam nunmehr keine Luft mehr und versuchte, seine Hände wegzuschieben. Sie strampelte mit den Beinen und trommelte mit den Armen gegen seine Arme und Oberkörper. Die Zeugin litt Todesangst und fürchtete, zu ersticken. Als der Angeklagte sie schließlich kurz losließ, versuchte sie, zum Telefon zu gelangen, um die Polizei zu rufen. Er entriß ihr jedoch die Telefonschnur. Sodann warf er sie erneut aufs Bett, würgte und schlug sie. In ihren Versuchen, sich von dem Angeklagten zu befreien, gelang es der Zeugin schließlich, diesen in die Brust zu beißen. Als der Angeklagte hierdurch zur Besinnung kam, bat er die Zeugin um Verzeihung und versprach ihr, sie nie mehr zu schlagen. Als die Zeugin auf die Toilette wollte, um ihre Gesichtsverletzungen zu versorgen, ließ er dies jedoch nicht zu aus Angst, daß sie die Wohnung verlasse. Er warf sie immer wieder aufs Bett zurück, obwohl ihn die Zeugin darauf hinwies, daß sie erheblich verletzt sei. Schließlich schliefen die beiden auf dem Bett ein, wobei der Angeklagte seine Hände und Füße auf den Körper der Zeugin gelegt hatte, damit er eventuelle Fluchtversuche bemerken könne. Auch am nächsten Morgen lehnte der Angeklagte einen Arztbesuch ab. Als er schließlich einem Spaziergang zustimmte, nutzte die Zeugin die Gelegenheit, die Wohnung zu verlassen. Sie suchte direkt das Gesundheitsamt Schöneberg auf und wurde im Krankenhaus Steglitz ärztlich versorgt. Die Zeugin leidet noch heute ersichtlich unter massiven Angstzuständen und ist durch das von ihr Erlebte erkennbar traumatisiert. Sie ist zum Termin in Begleitung ihrer Schwägerin, der Schwester des Angeklagten, erschienen, von der sie erfahren hat, daß der Angeklagte seit Jahren alkoholkrank, jedoch in keiner Weise einsichtig sei. Sie war zunächst mit der Möglichkeit einer Versöhnung einverstanden, unter der Bedingung, daß der Angeklagte eine Alkoholtherapie durchführt. Hierzu ist es jedoch nicht gekommen. Der Angeklagte hat sie im Frauenhaus unter ihrer Handynummer noch mehrfach angerufen und sie aufgefordert, die Anzeige zurückzunehmen. Um sich vor weiteren Anrufen zu schützen, hat sie ihre Telefonnummer geändert.

Nach Angaben der Zeugin war der Angeklagte bei der Begehung der Tat erheblich angetrunken.

Bei der Zeugin wurden folgende Verletzungen festgestellt ..."

Wegen der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu seiner Absicht an, die Aufenthaltserlaubnis nachträglich zeitlich zu beschränken. Darauf machte sie geltend: Sie habe ihre neue Arbeit als Köchin aus Furcht vor den weiteren Nachstellungen ihres Ehemannes aufgegeben, arbeite aber jetzt in einer Gebäudereinigung. Ihr stehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu, da ihr das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zumutbar sei. Mit Bescheid des Landeseinwohneramts Berlin vom 22. Februar 2001 beschränkte der Antragsgegner die der Antragstellerin erteilte Aufenthaltserlaubnis auf den Tag der Zustellung des Bescheids, drohte ihr die Abschiebung nach dem 23. März 2001 an und ordnete mit gesonderter Begründung die sofortige Vollziehung des Bescheids an. Zur Begründung führte die Behörde an, ein Fall einer besonderen Härte im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG, der durch gravierende physische und psychische Misshandlung geprägt sei, liege nicht vor. Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch, mit dem sie sich mit der Wertung des Antragsgegners auseinandersetzte und mit näheren Angaben geltend machte, sie habe einen hohen Integrationsgrad erreicht.

Ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit am 27. Dezember 2001 zugestelltem Beschluss vom 18. Dezember 2001 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es sei zur Vermeidung einer besonderen Härte nicht erforderlich, der Antragstellerin wegen der Misshandlung den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Im Rahmen der Erforderlichkeit seien Kriterien wie die Ehedauer, die Integration in die hiesigen sozialen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse sowie sonstige gewachsene Bindungen zu berücksichtigen, weshalb es hier jedenfalls an der Erforderlichkeit fehle, weiteren Aufenthalt zu ermöglichen.

II.

Die vom Senat zugelassene Beschwerde, deren gegebene Zulässigkeit sich nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht richtet (§ 194 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Denn die durch § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs sind zumindest offen. Zudem besteht bei der Antragstellerin ein gewichtiges Suspensivinteresse.

Die Interessenabwägung im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat sich zunächst an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bzw. der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes zu orientieren. Denn an der sofortigen Vollziehung einer rechtswidrigen Maßnahme besteht kein öffentliches Interesse. Diese Erwägung führt aber hier zu keinem eindeutigen Ergebnis. Denn die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 22. Februar 2001 lässt sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilen; sie hängt von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage ab, deren Beantwortung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG für die nachträgliche zeitliche Beschränkung der der Antragstellerin bis September 2003 befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis sind allerdings erfüllt. Denn die für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis wesentliche Voraussetzung des Bestehens einer ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann (§§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG) ist mit dem Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung im Oktober 2001 entfallen. Die eheliche Lebensgemeinschaft wird auch nicht ohne gemeinsame Wohnung fortgeführt. Vielmehr ist die Ehe gescheitert. Die Rechtmäßigkeit der zeitlichen Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis hängt mithin allein davon ab, ob der Antragsgegner das ihm durch § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (§ 114 Satz 1 VwGO). Das wäre nach den Umständen dieses Falles nur dann zu verneinen, wenn der Antragstellerin kein von der gescheiterten ehelichen Lebensgemeinschaft unabhängiges Aufenthaltsrecht zustände. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2, 2. Variante AuslG besteht ein eigenständiges Aufenthaltsrecht, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat (was hier für die Zeit vom 25. September bis 17. Oktober 2001, in der die Antragstellerin ehebedingt im Besitz der Aufenthaltserlaubnis war, nicht zweifelhaft ist, vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG) und - abgesehen von einer hier nicht einschlägigen Negativvoraussetzung - es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Ob die Antragstellerin diese Voraussetzungen erfüllt, hält der Senat bei summarischer Prüfung für offen.

Kein Zweifel besteht allerdings daran, dass eine besondere Härte im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG anzunehmen ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Härte wird vom Gesetz in § 19 Abs. 1 Satz 2 2. Variante AuslG beispielhaft ("insbesondere") dahin definiert, dass eine besondere Härte auch vorliegt, wenn dem Ehegatten wegen der besonderen Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Dass die schutzwürdigen Belange der Antragstellerin (körperliche Integrität, angstfreies Leben in eigener Wohnung, Bewegungsfreiheit) durch die Übergriffe ihres Ehemannes beeinträchtigt waren und es ihr nicht zuzumuten ist, an der Lebensgemeinschaft mit ihrem alkoholkranken, gewalttätigen Ehemann festzuhalten, hält der Senat für nicht zweifelhaft. Entgegen der Auffassung im angefochtenen Bescheid beginnt die Unzumutbarkeit, an der ehelichen Lebensgemeinschaft festzuhalten, nicht erst bei schwersten Eingriffen in die persönliche Freiheit des Ehepartners. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz in § 19 Abs. 1 Satz 2, 2. Variante (anders als in der ersten Variante der Vorschrift) keine qualifizierte Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange des Ehegatten erfordert. Auch in Anbetracht des Umstandes, dass die hier anzuwendende Norm ihren Ausgang im "Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen" (Bundesdrucksache 14/2812, S. 8, dd) nahm, mit dem "Erleiden von physischer und psychischer Gewalt durch den Ehemann" entgegengewirkt werden sollte, lässt sich eine Beschränkung nur auf gravierende Misshandlungen nicht rechtfertigen. Jedenfalls die hier in Rede stehenden Straftaten (gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung) die zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten geführt haben, überschreiten die Grenze der Zumutbarkeit. Der Antragstellerin ist deshalb nicht zuzumuten, an der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann festzuhalten und sich damit der Gefahr erneuter Verletzung/Misshandlung auszusetzen.

Im Hauptsacheverfahren klärungsbedürftig ist aber die Frage, ob bereits das Vorliegen einer besonderen Härte nach den Maßstäben des § 19 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 2. Variante AuslG ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG begründet (bejahend Hailbronner, AuslR, § 19 Rn. 11; Kloesel/Christ/Häußer, AuslR, § 19 AuslG Rn. 17 e). Zweifel daran ergeben sich aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG, der neben einer besonderen Härte als weitere Voraussetzung für das Entstehen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts des Ehegatten verlangt, dass es zur Vermeidung der besonderen Härte "erforderlich" ist, den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen.

In den o.g. Kommentarstellen wird offenbar davon ausgegangen, dass dem im Gesetz enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff "erforderlich" eine eigenständige Bedeutung nicht zukommt, das Vorliegen einer besonderen Härte also die Erforderlichkeit weiteren Inlandsaufenthalts indiziert. Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber unter Bezugnahme auf die Kommentierung bei Renner (AuslR, Nachtrag zur 7. Aufl., § 19 AuslG Rn. 30) angenommen, dass das gesetzliche Kriterium der Erforderlichkeit zusätzlich zur Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange des Ehegatten zu prüfen ist und es der Antragstellerin wegen der nur weniger als einen Monat betragenden Ehedauer und ihrer geringen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse zuzumuten ist, in ihre Heimat zurückzukehren. Ob diese angesichts des Wortlauts der Norm naheliegende Auffassung des Verwaltungsgerichts dem Zweck und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes gerecht wird, erscheint nicht zweifelsfrei. Denn bei bloß wörtlicher Auslegung der Norm erscheint die Ermöglichung des weiteren Aufenthalts für den unzumutbar beeinträchtigten Ehepartner in aller Regel ungeeignet, die besondere Härte zu vermeiden. Auch der weitere Aufenthalt in der Bundesrepublik änderte nichts an der Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe, wäre also zur Vermeidung der besonderen Härte nicht "erforderlich". Ein solches Verständnis der Norm würde deshalb den vom Gesetzgeber gerade zum Schutz des in der Ehe unzumutbar beeinträchtigten Partners neu geschaffenen Härtefall des § 19 Abs. 1 Satz 2 1. Hs. 2. Alt. AuslG weitgehend leerlaufen lassen.

Wortlaut und Zweck des Gesetzes ließen sich möglicherweise dann miteinander vereinbaren, wenn der unbestimmte Rechtsbegriff der Erforderlichkeit in § 19 Satz 1 Nr. 2 AuslG nicht auf den weiteren Aufenthalt des Ehegatten, sondern auf die mindestens zweijährige Bestandszeit der ehelichen Lebensgemeinschaft des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG zu beziehen wäre. Bei einer solchen Auslegung des Gesetzes erhielte der Begriff der Erforderlichkeit eine zeitliche Komponente. "Erforderlich" zur Vermeidung einer Härte wäre dann nicht die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung im Gegensatz zur Nichterteilung, sondern die sofortige anstelle der erst späteren, nach Ablauf der Mindestbestandszeit des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG erteilten Aufenthaltsgenehmigung, um dem in der ehelichen Lebensgemeinschaft in seinen schutzwürdigen Belangen unzumutbar beeinträchtigten Ehegatten weitere Beeinträchtigungen, die die besondere Härte ausmachen, zu ersparen. Anhaltspunkte für ein derartiges Verständnis der Norm könnten sich der Entstehungsgeschichte des Gesetzes entnehmen lassen (vgl. dazu neben dem bereits zitierten Aktionsplan den ursprünglich von Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf [BT-Drs. 14/2368] den Bericht des Innenausschusses [BT-Drs. 14/2902] sowie die Redebeiträge einzelner Abgeordneter in der zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs [stenografische Berichte der 93. Sitzung des 14. Deutschen Bundestages am 16. März 2000, S. 8555 ff.]).

Bei dieser offenen, der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehaltenen Rechtslage überwiegt das Suspensivinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse. Letzteres ist dadurch bestimmt, dass der Zweck der nachträglichen zeitlichen Beschränkung voraussichtlich nicht zu erreichen wäre, wenn den Rechtsbehelfen der Antragstellerin aufschiebende Wirkung zukäme. Das Interesse der Antragstellerin bis zur Klärung ihres eigenständigen Aufenthaltsrechts zunächst im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, überwiegt jedoch das öffentliche Vollzugsinteresse an der zeitlichen Beschränkung ihres Aufenthalts. Die Antragstellerin hat sich eheunabhängig bereits längere Zeit im Bundesgebiet aufgehalten und hat insbesondere - nach Aktenlage ohne Nachteil für öffentliche Kassen - wiederholt Zugang zu Erwerbstätigkeiten gesucht und gefunden.

Soweit die Antragstellerin über die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinaus beantragt anzuordnen, während des Widerspruchsverfahrens weiter arbeiten zu dürfen, ist dem nicht gesondert zu entsprechen. Die Aufenthaltserlaubnis ist mit der Nebenbestimmung versehen "Selbständige Erwerbstätigkeit oder vergleichbare unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet". Anspruch auf eine davon abweichende Regelung hat die Antragstellerin nicht. Eine etwa erforderliche Arbeitsgenehmigung (§ 284 SGB-III) ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Bereits durch die Entscheidung, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis wiederherzustellen, wird die Ausreisefrist unterbrochen (§ 50 Abs. 4 Satz 1 AuslG).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 und §§ 20 Abs. 3, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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