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Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: 1 B 61/03
Rechtsgebiete: VwGO, GO, 3. GemGebRefGBbg


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 146 Abs. 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
GO § 9
GO § 9 Abs. 1
GO § 9 Abs. 3
GO § 9 Abs. 3 Satz 1
GO § 9 Abs. 3 Satz 5
3. GemGebRefGBbg § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

1 B 61/03

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Kommunalrechts (Genehmigung eines Gebietsänderungsvertrages im Wege der einstweiligen Anordnung);

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat am 9. Oktober 2003 durch

den Präsidenten des ..., den Richter am ... und den Richter am ...

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 4. März 2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 146 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag, "den Antragsgegner im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, eine Genehmigung zum Gebietsänderungsvertrag ... mit der Gemeinde ... vom 7. November 2001 zu erteilen", im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Die gerichtliche Überprüfung ist wegen des in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO aufgestellten Darlegungserfordernisses auf die geltend gemachten Beschwerdegründe beschränkt, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO (stand. Rechtspr. des Senats, vgl. nur Beschluss vom 1. August 2002 - 1 B 22/02 - LKV 2003, 87 m. w. N.). Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO sind innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der erstinstanzlichen Entscheidung u. a. die Gründe darzulegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist; die Begründung muss sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Auf dieser Grundlage ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. März 2003 nicht zu beanstanden; die Antragstellerin hat keine Gründe dargelegt, die eine Fehlerhaftigkeit des vorgenannten Beschlusses erkennen ließen und Anlass für dessen Aufhebung oder Änderung geben würden.

Soweit die Antragstellerin rügt (vgl. S. 7 f. Beschwerdebegründungsschrift), das Verwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit der Begründung seines Rechtsstandpunktes, dass auch freiwillige Gebietsänderungen dem öffentlichen Wohl entsprechen müssten, fehlerhaft eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12. Mai 1992 - 2 BvR 470, 650 und 707/90 -, BVerfGE 86, 90 ff.) zitiert, da jene sich nur auf zwangsweise Gebietsänderungen beziehe, fehlt es bereits an jeder Darlegung im Sinne des § 146 Abs. 4

Satz 3 VwGO, inwieweit dies zu einer Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Beschlusses führen sollten. Dies gilt umso mehr, als - wie noch darzulegen sein wird - die Auffassung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis zutrifft. Ebenfalls ohne Bedeutung für die Richtigkeit des Ergebnisses der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist es, wenn die Antragstellerin es als fehlerhaft bewertet, dass das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung, der Antragsgegner habe sich bei der Versagung der Genehmigung auf die Leitlinien der Landesregierung für die Entwicklung der Gemeindestruktur im Land Brandenburg vom 11. Juli 2000 stützen dürfen, den vorgenannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 1992 zitiert habe, der für diesen Rechtsstandpunkt nichts hergebe (vgl. S. 10 der Beschwerdeschrift).

Soweit die Antragstellerin meint, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung der begehrten Genehmigung für den Vertrag über die Eingliederung der Gemeinde ... in die Stadt Werder (Havel) verneint, so dass die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses geboten sei, vermag der Senat dem gleichfalls nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend das Bestehen eines die begehrte einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO tragenden Anordnungsanspruches verneint. Denn es fehlt an der wegen der erstrebten Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren (vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2002 - 1 B 202/02 -, LKV 2003, 430):

Einer hohen Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren steht bereits entgegen, dass nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung des von ihr erstrebten Gebietszusammenschlusses gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 Gemeindeordnung für das Land Brandenburg (Gemeindeordnung -GO) i. V. m. § 9 Abs. 1 GO nicht vorliegen.

§ 9 Abs. 3 Satz 1 GO bestimmt, dass Gemeinden, die unmittelbar aneinander grenzen, in besonderen Ausnahmefällen auch Gemeinden, die zwar nicht unmittelbar aneinander grenzen, aber demselben Amt angehören, sich mit Genehmigung des Ministeriums des Innern durch Gebietsänderungsvertrag zusammenschließen können. Gemäß § 9 Abs. 1 GO können aus Gründen des öffentlichen Wohls Gemeinden aufgelöst, neu gebildet oder in ihren Grenzen geändert werden. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründungsschrift (vgl. dort S. 12 ff.) und im Schriftsatz vom 23. Juni 2003 (dort S. 3 ff.) hat der Antragsgegner im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 9 Abs. 3 Satz 1 GO auch zu prüfen, ob der in dem Gebietsänderungsvertrag vereinbarte Zusammenschluss aus Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne des § 9 Abs. 1 GO erfolgen würde (vgl. bereits Beschlüsse des Senats vom 30. August 1992 - 1 E 94/02 -, S. 3 f. des Entscheidungsabdrucks und vom 10. Februar 2003 - 1 B 411/02 -, DÖV 2003, 510). Die Voraussetzung, dass die Gebietsänderung von Gründen des öffentlichen Wohls getragen sein muss, gilt insoweit nach der Systematik des § 9 GO für alle in den nachfolgenden Absätzen dieser Bestimmung geregelten Formen von Gebietsänderungen. Denn § 9 Abs. 1 GO enthält eine allgemeine Definition der Gebietsänderung, die nicht zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Änderung unterscheidet und an die die nachfolgenden Regelungen in den Absätzen 2 bis 8 anknüpfen. Der in § 9 Abs. 3 Satz 5 GO normierte Versagungsgrund der Gefährdung der Verwaltungskraft eines Amtes ist insoweit, wie bereits aus der Formulierung "insbesondere" folgt, nicht abschließend, sondern enthält nur eine beispielhafte Regelung für einen Fall, in denen Gründe des öffentlichen Wohls der Gebietsänderung entgegenstehen.

Verfassungsrechtlich verbürgte Garantien gebieten kein von dieser an der Systematik und dem Sinn und Zweck des § 9 GO orientierten Auslegung abweichendes Normverständnis. Aus dem durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) und Art. 97 der Verfassung des Landes Brandenburg (BbgVerf) garantierten kommunalen Selbstverwaltungsrecht ergibt sich keine Befugnis von Gemeinden, ihr Gemeindegebiet ohne Berücksichtigung staatlicher Belange zu gestalten. Das Selbstverwaltungsrecht garantiert - wie das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Antragstellerin (vgl. S. 13 f. der Beschwerdebegründungschrift) zutreffend ausgeführt hat - Gemeinden nur institutionell, nicht individuell (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992, a.a.O. S. 107 ff; VerfG Brandenburg (Bbg), Beschluss vom 15. September 1994 - VfG Bbg 3/93 -, LVerfGE 2, 143, 155 f., und Urteil vom 14. Juli 1994 - VfGBbg 4/93 -, LVerfGE 2, 125, 134 f.). Auch Art. 98 Abs. 2 BbgVerf und dem dort normierten staatlichen Genehmigungserfordernis ist nicht zu entnehmen, dass § 9 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 GO anders auszulegen wäre. Auch im Übrigen zeigt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdebegründung keine Gesichtspunkte auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten. Soweit die Antragstellerin pauschal und ohne jegliche nähere Spezifizierung auf die "Materialien zur Verfassungsgebung" (gemeint wohl: zu Art. 97 und 98 BbgVerf) Bezug nimmt, genügt dies bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO. Inwiefern diese Materialien für die von ihr vertretene Auffassung etwa hergeben sollen, ist nicht nachvollziehbar.

Für die Prüfung, ob Gründe des Gemeinwohls für den Gebietszusammenschluss streiten, ist nicht nur von Bedeutung, ob die diesen anstrebenden Gemeinden das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Wohls hierfür reklamieren können, vielmehr sind auch dem erstrebten Zusammenschluss gegebenenfalls entgegenstehende Gründe des öffentlichen Wohls in den Blick zu nehmen (vgl. Beschluss des Senats vom 30. August 2002, a. a. O., S. 3 f. des Entscheidungsabdrucks). Demnach ist zunächst an alle Interessen der Allgemeinheit an der Gebietsänderung zu denken, die das gegenläufige Interesse an dem unveränderten Bestand der Grenzen überwiegen. Als solche kommen neben den Interessen der beteiligten Ämter, zu denen - wie § 9 Abs. 3 Satz 5 GO klarstellt - die Erhaltung und Stärkung ihrer Leistungs- und Verwaltungskraft gehören, namentlich die Erlangung beachtlicher organisatorischer, verwaltungstechnischer oder wirtschaftlicher Vorteile gegenüber dem bisherigen Zustand, etwa auch die Schaffung einer einheitlichen Lebens- und Umweltqualität, die Wahrung der örtlichen Verbundenheit der Einwohner und die Stärkung der gesamtstaatlichen Einbindung der Kommunen sowie dabei speziell die Förderung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung in Betracht. Ebenfalls von Bedeutung sind alle Auswirkungen des mit dem betreffenden Gebietsänderungsvertrag vorgesehenen Zusammenschlusses auf daran nicht beteiligte - insbesondere benachbarte - andere Gemeinden (vgl. Beschluss des Senats vom 30. August 2002, a. a. O.; Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 6. Auflage 1998, Rn. 98; Muth, Kommunalrecht in Brandenburg, Stand: Mai 2003, § 9 Erl. 3; Wilhelm, LKV 1998, 382; Klang/Gundlach, Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt, Kommentar, 1. Auflage 1995, § 16 Rn. 3; Hegele, SächsVBl. 1994, 222, 225).

Gemessen hieran hat die Antragstellerin vorliegend - ungeachtet der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Antragsgegner als Genehmigungsbehörde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 9 Abs. 3 Satz 1 GO ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Wertungs- und Abwägungsspielraum eingeräumt ist (so etwa Schumacher, a. a. O., § 9 Erl. 2.3; für die Rechtslage in Sachsen OVG Sachsen, Beschluss vom 23. April 1996 - 3 S 555/95 -, LKV 1995, 178, 179 f.; für die Rechtslage in Baden-Württemberg Gern, a. a. O., Rn. 101) oder ob das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Wohls insoweit, wie die Antragstellerin der Sache nach ausführt (vgl. S. 8 ff. der Beschwerdebegründungsschrift), als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich voll nachprüfbar ist - zu ihrer Beschwerde bereits keinerlei Gesichtspunkte dafür vorgetragen, dass und gegebenenfalls welche Gründe des öffentlichen Wohls gerade für den von ihr erstrebten Gebietszusammenschluss in Gestalt der Eingliederung der Gemeinde ... in die Stadt Werder (Havel) sprechen könnten. Wenn sie insoweit gerade die Auffassung vertritt, § 9 Abs. 1 GO finde im Rahmen des § 9 Abs. 3 GO keine Anwendung, so trifft dies - wie dargelegt - nicht zu und hätte sie zu einer Darlegung von etwaigen Gründen des öffentlichen Wohls umso mehr Veranlassung gehabt, als ihr - wie sie in ihrer Beschwerdebegründungsschrift ausdrücklich betont (vgl. dort S. 3 f.) - die abweichende Rechtsprechung des Senats bekannt war.

Darüber hinaus kann auch deshalb nicht mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Gründe des öffentlichen Wohls für den von der Antragstellerin erstrebten Gebietszusammenschluss bestehen, weil - unbeschadet der Frage, ob einem solchen auch, wie das Verwaltungsgericht meint (vgl. S. 5 ff. des Entscheidungsabdrucks) die bereits zitierten Leitlinien hätten entgegengehalten werden dürfen - mit Wirkung vom Tage der nächsten landesweiten Kommunalwahl die Vorschrift des § 1 des Dritten Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landeshauptstadt Potsdam und die Ämter Fahrland und Werder (3. GemGebRefGBbg) vom 24. März 2003 (GVBl. I, 70) in Kraft tritt (vgl. § 11 des Gesetzes). Hiernach werden die Gemeinde ... des Amtes Werder und die Gemeinden ..., ..., ..., ..., ... und ... des Amtes Fahrland, Landkreis Potsdam-Mittelmark in die Landeshauptstadt Potsdam eingegliedert (Absatz 1), die Ämter Werder und Fahrland aufgelöst (Absatz 2) und die Grenzen der Landeshauptstadt Potsdam und des Landkreises Potsdam-Mittelmark entsprechend geändert (Absatz 3). Es spricht - auch wenn § 1 des 3. GemGebRefGBbg noch nicht in Kraft getreten ist und somit gegenwärtig noch keine Geltung beansprucht - daher entgegen der Auffassung der Antragstellerin (vgl. S. 1 f. des Schriftsatzes vom 23. Juni 2003) vieles dafür, dass diese gesetzgeberische Entscheidung nicht ohne weiteres durch vor diesem Zeitpunkt genehmigte Gebietsänderungsverträge unterlaufen werden darf:

Wie bereits ausgeführt, garantieren weder Art. 28 Abs. 2 GG noch Art. 97 BbgVerf den Gebietsbestand der einzelnen Gemeinden. Gebietsänderungen in Form von Gemeindeauflösungen, Gemeindezusammenschlüssen, Eingemeindungen, Ausgliederungen oder sonstigen Grenzänderungen beeinträchtigen daher grundsätzlich den nach Art. 28 Abs. 2 GG (und Art. 97 BbgVerf) verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992, a. a. O., S. 107 ff; VerfG Bbg, Urteile vom 14. Juli 1994, a. a. O., S. 155 f., und vom 15. September 1994, a. a. O., S. 134 f.). Die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet allerdings zu Gunsten der Kommunen insoweit einen (relativen) individuellen und rechtsschutzfähigen Bestandsschutz, als Gebietsänderungen nur aus Gründen des öffentlichen Wohls und nach Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften vorgenommen werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992, a. a. O.; VerfG Bbg, Urteile vom 14. Juli 1994 und vom 15. September 1994, jeweils a. a. O.). Der Inhalt des Begriffs des öffentlichen Wohls ist dabei nicht festgelegt. Er muss vom Normgeber ausgefüllt werden, indem dieser mit den Zielen seines Gesetzes die für die Neugliederung maßgebenden Gründe des öffentlichen Wohls bestimmt. Bei der Neugliederungsentscheidung kommt dem Gesetzgeber insoweit innerhalb des von der Verfassung gesteckten Rahmens grundsätzlich eine politische Entscheidungsbefugnis und Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zu, dass er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe der Gebietsänderung selbst festlegen kann. Die Ausübung dieses gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums unterliegt einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992, a. a. O.; VerfG Bbg., Urteile vom 15. September 1994 und vom 14. Juli 1994, jeweils a. a. O.; Schumacher, a. a. O., § 9 Erl. 9.2.1, m. w. N.).

Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung lässt sich nicht mit der für eine Vorwegnähme der Hauptsache gebotenen hohen Wahrscheinlichkeit sagen, dass § 1 des 3. GemGebRefGBbg mit diesen verfassungsrechtlichen Maßgaben unvereinbar wäre. So liegt ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung (vgl. LT-Drucks. 3/4882, S. 17 ff.) der Neugliederung sinngemäß in etwa das Leitbild zugrunde, dass neben den kreisfreien Städten die amtsfreien Gemeinden die geeignete Verwaltungsform insbesondere im engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin bildeten, da diese Kommunalstruktur in den im Vergleich zu den anderen Landesteilen deutlich dichter besiedelten Räumen besonders geeignet sei, dem im engeren Verflechtungsraum von der Metropole Berlin ausgehenden Entwicklungsdruck in einer den gemeindlichen Interessen entsprechenden Weise zu begegnen. Im Verflechtungsraum seien ausgeprägte Siedlungskerne für Großgemeinden vorhanden und bestehe zugleich das Erfordernis einheitlicher Aufgabenräume mit Blick auf Wohnungsbau, Gewerbeansiedlung, Infrastruktur und Verkehr in besonderem Maße. Zur Schaffung möglichst gleicher Lebensverhältnisse sollten insbesondere wirtschaftlich stärkere und wirtschaftlich schwächere Räume miteinander zu Verwaltungseinheiten in Form von Großgemeinden verbunden werden.

Bei summarischer Prüfung lässt sich nicht mit der gebotenen hohen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass jedenfalls hinsichtlich der angestrebten Eingliederung der Gemeinde ... in die Landeshauptstadt Potsdam diese Ziele und die auf ihre Verwirklichung gerichteten Neugliederungsprinzipien gemessen an den von den Gemeinden wahrzunehmenden Aufgaben unter Zugrundelegung des diesbezüglichen Gestaltungsspielraumes des Landesgesetzgebers nicht gemeinwohlkonform wären. Dies gilt selbst dann, wenn möglicherweise auch eine Eingliederung der Gemeinde ... in die Antragstellerin grundsätzlich dem genannten gesetzgeberischen Leitbild entspräche. Denn mit dem 3. GemGebRefGBbg dürfte der Gesetzgeber gerade zum Ausdruck gebracht haben, dass aus seiner Sicht überwiegende Gründe für die Eingliederung der Gemeinde ... in die Landeshauptstadt Potsdam sprechen. Diese Bewertung ist jedenfalls bei summarischer Prüfung nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens nicht zu beanstanden und dürfte wegen der weiten organisationsrechtlichen Zielsetzung des § 9 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GO entgegen der Auffassung der Antragstellerin (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 23. Juni 2003) auch unbeschadet des Umstandes zu berücksichtigen sein, dass die maßgebliche Bestimmung des Gesetzes zur Zeit noch nicht in Kraft getreten ist. Die aufgezeigten grundlegenden, insbesondere verfassungsrechtlichen Rechtsfragen lassen sich letztlich abschließend nur in einem Hauptsacheverfahren klären.

Von einer hohen Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren kann schließlich auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil es sich bei der Genehmigung gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 GO i. V. m. § 9 Abs. 1 GO um eine Ermessensentscheidung handelt und bei summarischer Prüfung nichts dafür ersichtlich ist, dass das Ermessen des Antragsgegners - selbst wenn insoweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung vorlägen - in Richtung auf Erteilung der Genehmigung reduziert wäre.

Die Genehmigung der Vereinbarung eines Gebietszusammenschlusses gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 GO ist der Gemeinde gegenüber ein konstitutiver, rechtsbegründender Verwaltungsakt auf dem Gebiet des Organisationsrechts, der den Rechtsstatus der Gemeinde nach Art. 97, 98 BbgVerf konkretisiert, wobei dahinstehen mag, ob die Genehmigung der Gebietsänderung eine rein staatliche Angelegenheit ist (so etwa Hess StGH, Beschluss vom 11. April 1973 - P St. 697 -, DÖV 1973, 524, 526 f.) oder ob diese im Sinne eines so genannten Kondominialaktes unter gleichberechtigter gemeindlicher und staatlicher Mitwirkung zustande kommt (so etwa Gern, a. a. O., Rn. 101 m. w. N.). Sind Gründe des Gemeinwohls gegeben, die für eine Genehmigung sprechen, hat die Genehmigungsbehörde noch Ermessen, ob sie die Genehmigung erteilt. Damit korrespondiert grundsätzlich lediglich ein Anspruch der Gemeinde auf fehlerfreie Ermessensausübung. Lediglich im Einzelfall kann sich die Abwägung zu Gunsten einer Genehmigungspflicht auf Null reduzieren.

Ausgehend hiervon ist unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens bei summarischer Prüfung nichts für eine Ermessensreduzierung auf Null im oben beschriebenen Sinne ersichtlich.

Eine Ermessensreduzierung lässt sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass es - wie die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründungsschrift (vgl. dort S. 5 ff., 9 ff.) und in ihrem Schriftsatz vom 23. Juni 2003 (dort S. 3 f.) darlegt hat - an Maßstäben fehlte, die den Anforderungen des Parlamentsvorbehaltes bzw. der Wesentlichkeitstheorie entsprächen und den Antragsgegner legitimieren könnten, die Genehmigung zu versagen, oder weil der Abschluss von freiwilligen Gebietsänderungsverträgen die Verbandskompetenz der beteiligten Gemeinden berührte. Die Antragstellerin dürfte bereits von einem unzutreffenden Verständnis der Voraussetzungen und der Reichweite des Parlamentsvorbehaltes bzw. der Wesentlichkeitstheorie ausgehen, wenn sie ausführt, mit Blick darauf, dass den Gemeinden im Rahmen der fachweisungsfreien kommunalen Selbstverwaltung die Befugnis zum Abschluss von Gebietsänderungsverträgen eingeräumt worden sei, müsse der Gesetzgeber die Maßstäbe, die eine Versagung der Genehmigung im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung rechtfertigten, selbst regeln und dürfe dies nicht der Verwaltung überlassen, indem dieser ein nicht näher gesetzlich ausgestalteter Ermessensspielraum, der über den Versagungstatbestand des § 9 Abs. 3 Satz 5 GO hinausgehe, eingeräumt werde (vgl. S. 5 ff, 9 ff. der Beschwerdebegründungsschrift).

Der Vorbehalt des Gesetzes bzw. Parlamentsvorbehalt verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle Entscheidungen, die für das Zusammenleben im Staate wesentlich sind, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung und der Wahrnehmung grundrechtsgleicher Rechte, selbst zu treffen. Ferner erfordert es der Vorbehalt des Gesetzes bzw. Parlamentsvorbehalt, dass alle wesentlichen Fragen vom Parlament selbst entschieden werden und nicht auf die Exekutive übertragen werden dürfen. Das förmliche Gesetz muss in diesem Sinne ausreichend bestimmt bzw. genau sein. Je schwerwiegender die Auswirkungen einer Regelung sind, desto genauer müssen die Vorgaben des förmlichen Gesetzgebers sein. Ob und in welchem Umfang - eine Maßnahme so wesentlich vom Parlament selbst geregelt werden muss - bestimmt sich nach der Intensität der individuellen Betroffenheit und der Bedeutung der Regelung für die Allgemeinheit (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 -, BVerfGE 98, 218, 251 ff; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 1995 - 2 C 16/94 -, BVerwGE 98, 324, 527 ff.; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl. 2002, Art. 20 Rn. 44 ff. m.w.N.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist es bereits mehr als zweifelhaft, ob für den in Art. 98 Abs. 2 BbgVerf, § 9 Abs. 3 GO geregelten Bereich der freiwilligen Gebietsänderung von Gemeinden ein Parlaments- bzw. Gesetzesvorbehalt im von den Antragstellerinnen angenommenen Sinne besteht (vgl. hierzu auch Degenhardt, DVBl. 1996, 773, 780 ff). Denn aus dem durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 97 BbgVerf garantierten kommunalen Selbstverwaltungsrecht ergibt sich - wie bereits ausgeführt - entgegen der Auffassung der Antragstellerin (vgl. S. 6 ff., 13 ff. der Beschwerdebegründungsschrift und S. 2 ff. des Schriftsatzes vom 23. Juni 2003) nicht die Befugnis von Gemeinden, ihr Gemeindegebiet nach eigenen Vorstellungen und ohne Berücksichtigung der Belange des Staates für diesen verbindlich zu gestalten. Es handelt sich insoweit gerade nicht um eine dem Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung zuzuordnende, fachweisungsfrei zugewiesene, eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung (vgl. S. 13 ff. der Beschwerdebegründungsschrift). Selbst wenn insoweit die freiwillige Änderung eines Gemeindegebiets wesentliche Fragen im vorbeschriebenen Sinne berühren sollte, so dürfte hieraus jedoch noch nicht zwangsläufig folgen, dass über die Normierung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Vorliegens von Gemeinwohlgründen hinaus die Maßstäbe für die nach § 9 Abs. 3 Satz 1 GO zu treffende Ermessensentscheidung vom Gesetzgeber zu treffen wären. Denn einen allgemeinen, umfassenden Parlamentsvorbehalt für wesentliche Fragen gibt es nicht. Insbesondere im Bereich kondominialer Genehmigungsvorbehalte wie auch staatlicher Organisationsakte in staatlichen Angelegenheiten dürften die aus der Perspektive der Wesentlichkeitstheorie bzw. des Parlamentsvorbehaltes an die Regelungsdichte zu stellenden Anforderungen von vornherein, wenn sie denn überhaupt bestehen, begrenzt sein. Denn diesen Bereichen wohnt die Befugnis zum Rückgriff auf gemeinwohlorientierte überörtliche bzw. gesamtstaatliche Belange gleichsam ursprünglich inne, da es um die Verwirklichung übergeordneter, vom Selbstverwaltungsrecht nicht mehr erfasster Gestaltungsinteressen geht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 15 A 436/86 -, OVGE 42, 48, 51 ff.; Stober, Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1996, S. 160). All diese Fragen müssen indes letztlich einer abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, so dass sich die Annahme, ein dortiges Obsiegen der Antragstellerin sei in hohem Maße wahrscheinlich, schon deshalb verbietet.

Selbst wenn man aber mit der Antragstellerin davon ausginge, dass die Maßstäbe, an denen die Ermessensentscheidung nach § 9 Abs. 3 Satz 1 GO auszurichten sei, einer verantwortlichen Entscheidung durch den Gesetzgeber bedürfte, so folgte hieraus noch nicht ohne weiteres, dass das Ermessen des Antragsgegners etwa dergestalt reduziert wäre, dass den Antragstellerinnen die begehrte Genehmigung zwingend zu erteilen wäre. Es erscheint vielmehr jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein etwaiger Mangel gesetzlicher Vorgaben - für den nach Auffassung des Senats wenig spricht - für eine Übergangszeit hinzunehmen wäre, um dem Normgeber Zeit zu einer (formell ordnungsgemäßen) Regelung zu geben (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 - 1 BvR 1430/88 -, BVerfGE 85, 386, 400 f.; BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 1995, a.a.O., S. 328; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Mai 1990 - G/S 2821/89 -, NVwZ 1991, 92, 93. Dies dürfte insbesondere in Anbetracht des Umstandes gelten, dass Änderungen von Gemeindegrenzen erhebliche Auswirkungen auf die Belange des Landes haben können, was einer verfassungsmäßigen Ordnung unter Umständen noch ferner stehen könnte als - aus Sicht der Antragstellerinnen - der bisherige Zustand. Gebietsänderungen der in Rede stehenden Art können sich nämlich unter Umständen direkt oder indirekt auf die Zuständigkeit staatlicher Behörden oder auf die Grenzen von Wahlkreisen für Landtag oder Bundestag auswirken; auch kann durch Zusammenschlüsse von Gemeinden eine Präzedenzwirkung für oder eine Auswirkung auf Nachbarkommunen ("Lawinen- bzw. Domino-Defekt") eintreten.

Vorstehendes gilt für den vorliegenden Fall umso mehr, als der Gesetzgeber - wie bereits ausgeführt - sich mit § 1 des 3. GemGebRefGBbg mit dem Tag der nächsten landesweiten Kommunalwahl für die Eingliederung der Gemeinde ... in die Landeshauptstadt Potsdam entschieden hat. Diese gesetzgeberische Entscheidung würde möglicherweise unterlaufen, wollte man der Antragstellerin einen zwingenden Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung einräumen, bevor über die Frage einer Verfassungsgemäßheit vorgenannten Gesetzes abschließend entschieden ist. Auch diese (verfassungsrechtlichen) Rechtsfragen lassen sich letztlich nur in einem Hauptsacheverfahren klären; dass sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jeweils zu Gunsten der Antragstellerin zu beantworten wären, vermag der Senat nach Vorstehendem nicht zu erkennen, zumal sich, ohne dass es hierauf entscheidungstragend ankäme, auch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg in einem Verfahren der hiesigen Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gehalten gesehen hat, das Inkrafttreten von § 1 des 3. GemGebRefGBbg bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (vgl. Beschluss vom 18. September 2003 - VfGBbg 219/03 EA -).

Eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich bei summarischer Prüfung entgegen der Auffassung der Antragstellerin schließlich auch nicht daraus, dass der Abschluss von Gebietsänderungsverträgen vom Gesetzgeber in die Verbandskompetenz der Gemeinden übertragen worden wäre und diese die Befugnis hätten, solche Anträge fachweisungsfrei abzuschließen (vgl. Seiten 5 ff, 13 ff. der Beschwerdebegründungsschrift und S. 2 ff. des Schriftsatzes vom 23. Juni 2003). Denn diese Auffassung trifft - wie bereits dargelegt - nicht zu.

Auch im Übrigen sind Gründe, die für eine Reduzierung des dem Antragsgegner in § 9 Abs. 3 Satz 1 GO eingeräumten Ermessens sprechen könnten, weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1, 20 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG); hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Wertes nimmt der Senat auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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