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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 08.12.2004
Aktenzeichen: 2 A 458/04.Z
Rechtsgebiete: VwGO, KAG Bbg, AO


Vorschriften:

VwGO § 84 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
KAG Bbg § 12 Nr. 3b
AO § 122 Abs. 1 Satz 1
Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch einen Boten ausgehändigt wird, ist dann bekannt gegeben im Sinne des § 122 Abs. 1 AO, wenn er derart in den Machtbereich des Bekanntgabeadressaten gelangt ist, dass diesem die Kenntnisnahme möglich war und nach den Gepflogenheiten des Verkehrs von diesem auch erwartet werden kann.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

2 A 458/04.Z

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Straßenbaubeiträge;

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat durch

den Vorsitzenden Richter am ..., den Richter am ... und den Richter am ...

am 8. Dezember 2004

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 15. September 2004 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4968,97 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wegen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheides (vgl. §§ 84 Abs. 2 Nr. 2, 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

"wann die Bekanntgabe des Bescheides anzunehmen ist, der durch Boten übergeben wird".

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht, weil sie nicht klärungsbedürftig ist. Die aufgeworfene Rechtsfrage lässt sich auf Grundlage vorhandener Rechtsprechung mit Hilfe der Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation beantworten, so dass es einer weiteren Klärung im Berufungsverfahren nicht bedarf.

Ein Straßenbaubeitragsbescheid ist gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 12 Nr. 3 b KAG demjenigen bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und des erkennenden Senates (BFH, Beschluss vom 27. Juni 2001 - X B 23/01 -, BFH NV 2001, 1529; OVG für das Land Brandenburg, Beschluss des Senats vom 30. September 2003 - 2 B 180/03 - NVwZ 2004, 507 m.w.N.) ist geklärt, dass die Bekanntgabe eines Abgabebescheides - dessen Zustellung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist - durch Aushändigung bzw. Überbringung seitens eines Bediensteten oder eines Boten der Körperschaft, die den Abgabebescheid erlassen hat, zulässigerweise erfolgen kann, obwohl diese Form der Zustellung in § 122 AO nicht ausdrücklich erwähnt ist. Daran anknüpfend ist in der Rechtsprechung geklärt, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch einen Boten ausgehändigt wird, dann bekannt gegeben im Sinne des § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist, wenn er derart in den Machtbereich des Bekanntgabeadressaten gelangt ist, dass diesem die Kenntnisnahme möglich war und nach den Gepflogenheiten des Verkehrs von diesem auch erwartet werden kann. Die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Bekanntgabeadressaten ist nicht unbedingt erforderlich (vgl. BFH, Urteil vom 14. März 1990 - X R 104/88 -, BFHE 160, 207; FG des Saarlandes, Urteil vom 19. August 1992 - 1 K 87/92 -, EFG 1993, S. 196). Dass Besonderheiten des kommunalen Abgabenrechtes bestehen, die dem Senat Veranlassung geben könnten, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, ist nicht ersichtlich.

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin bestehen auf Grundlage dessen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheides.

Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO will den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Gerichtsbescheides in einem Berufungsverfahren in den Fällen eröffnen, in denen die Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheides weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich und wahrscheinlicher erscheint als deren Misserfolg (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. Beschluss des Senats vom 7. Oktober 2004 - 2 A 92/03.Z m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig angesehen, weil gegen den angefochtenen Straßenbaubeitragsbescheid vom 13. November 2003 nicht fristgerecht Widerspruch erhoben wurde (vgl. § 70 VwGO) und die Widerspruchsbehörde den Widerspruch mit Bescheid vom 26. März 2004 als unzulässig zurückgewiesen hat und damit sich nicht zur Sache eingelassen hat. Der am 16. Dezember 2003 erhobene Widerspruch ist nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides eingelegt worden. Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der angefochtene Straßenbaubeitragsbescheid vom 13. November 2003 bereits am 14. November 2003 und nicht, wie die Klägerin meint, erst am 15. November bekannt gegeben wurde. Zwar stellt das Verwaltungsgericht bei seinen Überlegungen zur Bekanntgabe des Verwaltungsaktes unzutreffenderweise auf § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Bbg ab und damit nicht - wie zu 1. ausgeführt - auf die allein anwendbare (allerdings mit § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Bbg inhaltsgleiche) Regelung des § 122 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 12 Nr. 3 b KAG. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe wurde aber trotz des vorgenannten "Begründungsfehlers" in der Sache richtig bestimmt. Ausweislich des im Verwaltungsvorgang des Beklagten enthaltenen Empfangsbekenntnisses, das nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts vom Ehemann der Klägerin unterschrieben wurde, ist der angefochtene Straßenbaubeitragsbescheid am 14. November 2003 von einem Boten des Beklagten dem Ehemann der Klägerin - der an der gemeinsamen Wohnanschrift angetroffen wurde - übergeben worden. Der Bescheid ist damit bereits derart in den Machtbereich der Klägerin gelangt, dass normalerweise seine Kenntnisnahme möglich war und nach den Gepflogenheiten des Verkehrs auch erwartet werden konnte. Der im gleichen Haushalt wie der Bekanntgabeadressat lebende Ehegatte ist nach der Verkehrsauffassung eine geeignete Person, die als ermächtigt anzusehen ist, den Bescheid entgegenzunehmen. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass nach den Gepflogenheiten des Verkehrs und Lebenserfahrung erwartet werden könnte, dass die Klägerin noch am Tag der Übergabe an ihren Ehegatten die Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Bescheides hatte, ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Begründung des Zulassungsantrages nicht zu beanstanden. Dass hier besondere Umstände vorliegen, die dieser Erwartung entgegenstünden (z. B. dass die Aushändigung des Bescheides an den Ehegatten erst zur Nachtzeit erfolgt ist und die Kenntnisnahme durch den Bekanntgabeadressaten daher erst am nächsten Morgen zu erwarten gewesen wäre, vgl. z B. Sörgel, BGB, 12. Auflage. § 130 Rdnr. 11), hat die Klägerin im Zulassungsantrag nicht substantiiert dargelegt. Angesichts dessen kann der Senat offen lassen, ob derartige besondere Umstände den Zeitpunkt der Bekanntgabe des durch einen Boten ausgehändigten Bescheides verändern würden oder lediglich im Rahmen eines - hier nicht gestellten - Wiedereinsetzungsantrages (§§ 70 Abs. 2, 60 Abs. 1 VwGO) zu berücksichtigen wären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 Gerichtskostengesetz).

Ende der Entscheidung

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