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Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 24.04.2003
Aktenzeichen: 2 B 292/02
Rechtsgebiete: GG, VwGO, KAG, BbgWG, GO


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
KAG § 6 Abs. 1 Satz 3
KAG § 6 Abs. 2
KAG § 6 Abs. 4 Satz 1
KAG § 6 Abs. 4 Satz 2
KAG § 6 Abs. 4 Satz 7
BbgWG § 80 Abs. 1
BbgWG § 80 Abs. 2
AmtsO § 2 Abs. 2
AmtsO § 10
GO § 61 Abs. 2
1. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen Abgabenbescheide gilt eine Vermutung für die Gültigkeit zugrunde liegenden Satzungsrechts. Sich aufdrängende Mängel einer Satzung können jedoch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides begründen (Fortführung der st. Rechtsprechung des Senats).

2. Eine Bemessungsregelung, die einen zulässigen Flächenmaßstab so modifiziert, dass je Quadratmeter Fläche unterschiedliche Gebührensätze erhoben werden und im Rahmen von § 7 KAG zu einer Überschreitung des umzulegenden Betrages führt, verstößt gegen die sich aus § 6 Abs. 4 S. 1 und 2 ergebenden Grundsätze für Maßstabsregelungen und gegen das Gleichbehandlungsgebot.

3. Die Erlassbehörde eines Bescheides ist in Fällen, in denen der Bürgermeister einer amtsangehörigen Gemeinde die Aufgaben des Amtsdirektors hat, mit der Bezeichnung "Amt ... - Der Bürgermeister" auch ohne Zusatz "als Amtsdirektor" zutreffend angegeben.


OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

2 B 292/02

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Gebühren zur Umlage der Verbandslasten eines Gewässerunterhaltungsverbandes;

hier: Beschwerde gegen die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung

hat der 2. Senat am 24. April 2003 durch

den Vorsitzenden Richter am ..., den Richter am ... und den Richter am ...

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. September 2002 wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) anhängigen Klage 5 K 1761/02 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 656,36 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid vom 28. Mai 2002 im Ergebnis zu Unrecht abgelehnt. Mit der Beschwerde sind ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO dargetan und liegen vor.

Das Verwaltungsgericht geht auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Senats im Ansatz zutreffend davon aus, dass ernstliche Zweifel erst dann gegeben sind, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als dessen Misserfolg und der Prüfungsrahmen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber der Vollprüfung im Hauptsacheverfahren eingeschränkt ist. Regelmäßig ist von der Gültigkeit der einer Abgabenerhebung zugrunde liegenden Satzungsvorschriften auszugehen, es sei denn, sie wären offensichtlich rechtswidrig. Das Gericht hat sich auf die (summarische) Kontrolle der äußeren Gültigkeit der Nonnen und sich ersichtlich aufdrängender Satzungsfehler sowie die Prüfung spezieller Einwände der Antragsteller gegen das Satzungsrecht und die sonstigen Voraussetzungen der Abgabenerhebung zu beschränken, wobei die Prüfung der Einwendungen des Antragstellers dort ihre Grenze findet, wo es um die Klärung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen geht (vgl. Beschluss des Senats vom 23. September 1996 - 2 B 53/96 - MittStGB Bbg. 11/12 1997, S. 22).

Diese Grundsätze führen hier indessen entgegen dem Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts zur Stattgabe. Denn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dürfte die Bemessungsregelung des § 5 der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Satzung der Stadt Bad Freienwalde (Oder) über die Erhebung von Gebühren zur Deckung der Beiträge und Umlagen des Gewässer- und Deichverbandes "Oderbruch" vom 29. November 2000 (im Folgenden: GS), wonach es durch die Staffelung der Gebührenhöhe nach Grundstücksgruppen von bis zu 2.500 m2, von 2.501 m2 bis 5.000 m2, von 5.001 m2 bis 7.500 m2 und von 7.501 m2 bis 10.000 m2 und mit einer Fläche von mehr als einem Hektar für die zu veranlagenden Grundstücke teilweise zu Gebührensätzen je m2 unterschiedlicher Höhe kommt, mit § 7 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg - KAG - in der Fassung vom 15. Juni 1999 (GVBl. I S. 231), geändert durch Gesetz vom 18. Februar 2001 (GVBl. I S. 287) und Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar sein.

Nach den Regelungen des KAG muss sich die Gebührenbemessung nach dem Maß der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen des betreffenden Wasser- und Bodenverbandes bzw. der von ihm den Gebührenpflichtigen gewährten Vorteile richten; nach Maßgabe von § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 KAG kommt hierfür ein Wirklichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab in Betracht. Hiernach ist gegen den in § 4 Abs. 1 GS im Ansatz gewählten Flächenmaßstab einer Gebührenbemessung nach der Größe der Grundstücke nichts einzuwenden. Nicht nachvollziehbar ist hingegen die in § 5 GS getroffene Gebührenstaffelung, die als Regelung des "Gebührensatzes" überschrieben ist, der Sache nach aber durch die Bildung von Größegruppen zugleich eine Modifizierung des in § 4 Abs. 1 GS enthaltenen Flächenmaßstabs enthält. Es ist nach dem vorliegenden Sachstand nicht ersichtlich, welche sachlichen Gründe die sich danach ergebenden unterschiedlichen Gebührensätze je Quadratmeter nach den Grundsätzen eines Wirklichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstabs rechtfertigen könnten.

Die Beschwerde hat zudem zutreffend beispielhaft anhand eines Vergleichs der Belastung von Eigentümern mit einer Grundfläche von 7.500 m2 (13,65 DM) und solchen mit einer Grundfläche von 10.001 m2 (36,40 DM) dargelegt, dass diese Staffelung zu einer gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßenden Ungleichbehandlung der Gebührenschuldner führt. Für die Differenzierung nach Flächengruppen bei Anwendung eines Hektarsatzes ist eine sachliche Rechtfertigung nicht ersichtlich, weil nach dem auf ein Flächenmaß bezogenen Gebührensatz die Grundfläche nämlich grundsätzlich gleichmäßigen Anteil an der Vorteilsgewährung hat. Damit ist jedoch die Bildung von Flächenintervallen in Viertelhektarschritten, die dazu führen, dass derjenige Grundeigentümer, dessen Flächen diese Grenze zum nächsten Intervall gerade noch nicht überschreiten, gegenüber demjenigen, dessen Flächen die Grenze nur wenig überschreiten, unverhältnismäßig begünstigt wird, obwohl sich die durch das Wirken des Gewässerunterhaltungsverbandes gewährten Leistungen bzw. Vorteile flächenbezogen nicht wesentlich unterscheiden. Es gibt weder Anhaltspunkte, dass die mit einer solchen Gebührenstaffelung einhergehende Pauschalierung erforderlich oder geboten ist, um das Verwaltungsverfahren für die Durchführung der Umlage nach § 7 KAG zu vereinfachen, noch gibt es für die gewählte Staffelung sonst eine einleuchtende Rechtfertigung. Auch hat der Antragsgegner nichts vorgetragen, was den festzustellenden Gleichheitsverstoß rechtfertigen könnte.

Diese Sachlage ist auch schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen. Bei sich aufdrängenden Ungleichbehandlungen der Gebührenbemessung, für die sich ein sachlicher Grund nicht findet und auch nicht zumindest erwogen werden kann, spricht mehr für die Ungültigkeit als für die Gültigkeit der Satzungsregelung.

Letzteres gilt im Übrigen auch dann, wenn das gewählte Umlagesystem zu einer Überschreitung der Deckung der umzulegenden Beiträge und Verbandsumlagen führt, die allein in dem gewählten Bemessungssystem ihre Ursache besitzt. Dementsprechend wäre dem Antrag auch unter dem Gesichtspunkt einer Umlagedeckungsüberschreitung stattzugeben gewesen. Das Verwaltungsgericht hat eine solche Überschreitung zutreffend als überwiegend wahrscheinliche Folge der vorgesehenen Flächenintervalle festgestellt, es indessen zu Unrecht allein dem Hauptsacheverfahren überlassen wollen, daraus Rückschlüsse auf oder gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides zu ziehen. Im Falle der Erhebung von Gebühren nach § 7 KAG zur Deckung von Verbandsbeiträgen und -umlagen spricht die Wahl eines Bemessungssystems, das zur Überdeckung führt, im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eher für die Ungültigkeit der Satzung und damit für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als dagegen.

Von dieser Frage ist die bislang vom Senat noch nicht entschiedene und auch im vorliegenden Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu beantwortende Frage zu trennen, ob die an die Abwälzung der Verbandslasten bestimmter Höhe anknüpfende Gebühr des § 7 KAG eine satzungsmäßige Regelung zur Erhebung einer Gebühr nach einem schon vorbestimmten Gebührensatz zulässt, solange der betreffende Unterhaltungsverband für den betreffenden Zeitraum von der Gemeinde Beiträge bzw. Umlagen noch nicht erhoben hat (vgl. zur Problematik: OVG NW, Urteil vom 18. Mai 1988 - 9 A 674/86 - S. 4 des Abdrucks). Insoweit wirft die Anwendbarkeit des in § 7 KAG ebenfalls in Bezug genommenen § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG Probleme auf, soweit es die Umlage der eigentlichen Verbandslast im Sinne des § 7 Abs. 1 KAG auf die Gebührenschuldner angeht, wenn es um eine etwaige Vernachlässigung von Kostenüberschreitungen geht. Denn die umzulegende Kostenmasse steht jedenfalls nach Beitrags- bzw. Umlagenanforderung durch den Verband an die jeweiligen Kommunen betragsmäßig fest. Danach ist fraglich, ob trotz der gesetzlichen Verweisung auf § 6 Abs. 1 und 2 KAG nach den Grundsätzen dieser Regelungen überhaupt Raum ist für eine prognostische Veranschlagung der insoweit umzulegenden Verbandskosten bezogen auf einen Zeitpunkt, in dem der Umlageanteil der Gemeinde noch nicht beziffert werden kann. Wäre dies zu verneinen, könnte die Veranschlagungsmaxime des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG und in ihrer Folge auch das Kostenüberschreitungsverbot nur im Hinblick auf den vom Antragsgegner gleichfalls umgelegten Verwaltungsaufwand anzuwenden sein. Gegen die Einbeziehung der durch die Umlage der Verbandslasten auf die Gebührenpflichtigen bei der Gemeinde entstehenden Verwaltungskosten bestehen bei summarischer Prüfung nach der Rechtslage in Brandenburg keine Bedenken, weil in § 7 KAG auch - anders als etwa in § 7 KAG NW (vgl. zum dortigen Streitstand: Dietzel, in Driehaus, KAG, Stand März 2003, § 7 Rn. 6) - auf § 6 Abs. 2 KAG Bezug genommen wird. Wären die durch Gebühren umzulegenden Verbandslasten nicht zulässigerweise antizipiert prognostizierbar, könnte allenfalls erwogen werden, eine Umlagesatzung ohne festen Gebührensatz zu erlassen (vgl. dazu das zitierte Urteil des OVG NW vom 18. Mai 1988), was allerdings die Frage der Übereinstimmung einer solchen Satzung mit § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG aufwerfen würde. Wären allerdings auch die umzulegenden Verbandslasten Umlageanteil von der Gemeinde als Kostenmasse zu prognostizieren, müsste wiederum geprüft werden, ob und gegebenenfalls inwieweit eine Überschreitung der Kosten mit dem Umlagecharakter der Gebühr nach § 7 KAG vereinbar sein könnte.

Führt die Beschwerde hiernach zur Änderung des angefochtenen Beschlusses und zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid, bedarf es keines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen des Antragstellers. Allerdings dürfte ein Fehler des Bescheides nicht schon damit dargetan sein, dass darin als Erlassbehörde des Bescheides "Der Bürgermeister" ohne den Zusatz "als Amtsdirektor" genannt ist. Nach den hier einschlägigen Bestimmungen der §§ 2 Abs. 2, 10 Abs. 1 der Amtsordnung für das Land Brandenburg, wonach der Bürgermeister einer amtsangehörigen Gemeinde mit über 5.000 Einwohnern die Rechte und Pflichten des Amtsdirektors hat, genügt die hier verwendete Bezeichnung jedenfalls, wenn der Bescheid sonst erkennen lässt, dass der Bürgermeister im Rahmen des Pflichtenkreises des Amtsdirektors tätig geworden ist. Das war hier schon dadurch der Fall, dass die Bezeichnung "Der Bürgermeister" unter der Überschrift "Amt Bad Freienwalde-Insel" verwendet wurde. Im Übrigen verweist der Senat für das weitere Beschwerdevorbringen auf den im Verfahren zwischen den Beteiligten ergangenen weiteren Beschluss 2 B 154/02 vom heutigen Tage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14 Abs. 1, 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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