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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 23.05.2003
Aktenzeichen: 4 B 105/03
Rechtsgebiete: AuslG, VwGO


Vorschriften:

AuslG § 30
AuslG § 32
AuslG § 55
VwGO § 123
VwGO § 146
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

4 B 105/03

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Ausländerrechts;

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat

am 23. Mai 2003

durch den Vorsitzenden Richter am ..., den Richter am ... und die Richterin am ...

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 7. April 2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat auf der nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgeblichen Grundlage dessen, was die Antragsteller hierzu in der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geforderten Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung dargelegt haben, keinen Erfolg. Der hiernach gebotenen Begründungsverpflichtung sind die Antragsteller insoweit nicht nachgekommen, als sie mit dem Begründungsschriftsatz vom 9. Mai 2003 auf ihren erstinstanzlichen Vortrag verwiesen haben. Dies genügt der Begründungsverpflichtung von vornherein nicht (vgl. auch VGH Mannheim, NVwZ 2002, 883, 884; Beschluss des Senats vom 2. Oktober 2002 - 4 B 224/02 -).

Dieser Begründungsverpflichtung sind die Antragsteller weiterhin nur unzureichend nachgekommen, soweit sie pauschal die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zum Ausschluss der Antragsteller von den Vergünstigungen der sog. Altfallregelung des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg vom 5. Dezember 2000 (Erlass Nr. 147/2000) als "mit den Grundsätzen unserer Rechtsordnung, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Gleichheitsgebot" nicht vereinbar bezeichnet haben. Die Begründungsverpflichtung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO führt dazu, dass der Beschwerdeführer ausgehend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzeigen muss, weshalb dessen Begründung aus seiner Sicht nicht tragfähig ist, und er sich hierzu mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts im Einzelnen auseinander setzen muss (vgl. VGH München, NVwZ 2003, 632, 633; OVG Frankfurt (Oder), B. v. 1. August 2002 - 1 B 22/02 -; B. v. 7. Juni 2002 - 2 B 66/02 -; B. v. 14. Mai 2002 - 3 B 92/02 -; B. v. 18. Februar 2002 - 4 B 23/02 -).

Unabhängig davon ist auf der Grundlage des erstinstanzlichen Beschlusses sowie der andeutungsweise abgegebenen Beschwerdebegründung nicht ersichtlich, dass die Antragsteller für die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren verfolgte Duldung den erforderlichen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Sicherung ihres Aufenthaltsbegehrens hinreichend glaubhaft gemacht hätten. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass dem Begehren der Antragsteller auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß §§ 30, 32 AuslG i. V. m. dem Erlass des Ministeriums des Innern Nr. 147/2000 vom 5. Dezember 2000 und dem für die Anwendung maßgeblichen Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 GG (vgl. BVerwGE 112, 63 ff.) nicht stattzugeben ist, weil der ablehnende Bescheid des Antragsgegners vom 23. Juli 2002 im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

Nach diesem Erlass kann u. a. ehemaligen Asylbewerbern vietnamesischer Staatsangehörigkeit der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht werden, wenn sie vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, seitdem ihren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet gefunden und sich nach weiteren Kriterien in die hiesige wirtschaftliche, soziale und rechtliche Ordnung eingefügt haben. Dabei muss der Begünstigte mit mindestens einem minderjährigen Kind, das sich seit dem 1. Juli 1993 oder seit seiner Geburt im Bundesgebiet aufhält, in häuslicher Gemeinschaft leben (Nr. 1.2.1 u. 4 des Erlasses 171/1999 vom 2. Dezember 1999). Ob im Sinne von Nr. 1.3.1 des Erlasses vom 5. Dezember 2000 von der Sicherung des Lebensunterhalts der Antragsteller, insbesondere von hinreichenden Bemühungen um eine Beschäftigung seitens des Antragstellers zu 1 im Sinne von Nr. 1.3.1.2 des Erlasses auszugehen ist, kann hier dahinstehen. Die Erteilung der humanitär bedingten Aufenthaltsbefugnis nach der Altfallregelung kann nämlich deshalb nicht beansprucht werden, weil durch die Straffälligkeit der Ehefrau des Antragstellers zu 1 bzw. der Mutter des Antragstellers zu 2, Frau ..., der Ausschlusstatbestand Nr. 1.3.6 des Erlasses erfüllt ist. Nach dieser Regelung hindert die Straffälligkeit auch nur eines Familienmitgliedes die Anwendung der Altfallregelung für die gesamte Familie. Die im Sinne des Erlasses Nr. 1.3.6 beachtliche Straffälligkeit der Frau ... ist auf Grund der Auskunft des Bundeszentralregisters vom 30. Januar 2002 insbesondere mit Hinblick auf ihre rechtskräftige Verurteilung durch das Amtsgericht Frankfurt (Oder) vom 24. Februar 1998 - 20 JS 1907/94, 134 VRS 330/98 - zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unstreitig.

Soweit die Antragsteller - freilich ohne weitere Begründung - die Ausschlussregelung für unverhältnismäßig halten, folgt der Senat dem nicht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Antragsteller seit erfolglosem Abschluss ihrer Asylverfahren (Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Dezember 1995 - 2 D 12.871/92.A - und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 5. April 2002 - 6 K 1563/95.A -) vollziehbar ausreisepflichtig sind und keinen Vertrauensschutz auf ein weiteres Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik haben konnten. Nach dem Beschluss der Konferenz der Innenminister vom 19. November 1999 in Görlitz (InfAuslR 2000, 103), auf den der Erlass des Ministeriums des Innern zurückgeht, waren sich die Innenminister und - Senatoren von Bund und Ländern einig, dass im Rahmen des geltenden Ausländer- und Asylrechts verfügte Rückführungen von Ausländern ohne Bleiberecht grundsätzlich konsequent vollzogen werden müssen. Unter Hinweis auf den nach wie vor zu hohen Zugang von Asylbewerbern, die aus wirtschaftlichen Gründen und nicht wegen drohender politischer Verfolgung ihre Heimat verlassen und nach Deutschland kommen würden, bekräftigten die Innenminister den Grundsatz, dass unbegründete Asylbegehren nicht zur Erlangung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet führen dürfen. Die humanitär bedingte - im Ermessen des Ministeriums des Innern stehende - Altfallregelung zur Vermeidung von Härten in Fällen faktischer Integration darf danach straffälliges Verhalten als Defizit geforderter Integration im Familienverband gerade auch wegen der Familieneinheit und des daraus insbesondere für minderjährige Kinder abzuleitenden Bleiberechts zum Anlass für den Ausschluss von den festgelegten Vergünstigungen nehmen. Damit wird zugleich die Kindernachzugsregelung von § 20 Abs. 2 Nr. 1 AuslG nachgezeichnet, nach der grundsätzlich nachziehenden Kindern ausländischer Eltern ein Aufenthaltsrecht nur dann zugestanden wird, wenn beide Elternteile über ein Aufenthaltsrecht verfügen. Ist aber ein Elternteil wegen Straffälligkeit von der Erteilung des Aufenthaltsrechts ausgeschlossen, entspricht es nicht dem Regelungskonzept des Ausländergesetzes, dem Kind den Aufenthalt bei dem anderen Elternteil erstmals zu erlauben und letzterem zugleich ein Aufenthaltsrecht einzuräumen. Auf die weiterhin vom Verwaltungsgericht vorgenommene und von den Antragstellern beanstandete argumentative Bezugnahme auf Regelungen bezüglich der Rechtsfigur der Einstandsgemeinschaft im Sozialrecht kommt es hiernach nicht an. In vorhandene Rechtspositionen der übrigen Familienmitglieder, hier der Antragsteller zu 1 und 2, wird hiernach nicht eingegriffen. Diese können sich lediglich auf eine Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes bei Anwendung der Altfallregelung berufen. Sinn der Anordnung durch die oberste Landesbehörde, hier Ministerium des Innern des Landes Brandenburg, nach § 32 AuslG ist es insofern, dass die nachgeordneten Ausländerbehörden nicht mehr selbst zu prüfen haben, ob die Erteilungsvoraussetzungen nach §§ 30, 31 AuslG vorliegen und wie das Erteilungsermessen grundsätzlich auszuüben ist. Neben der im Ermessen der obersten Landesbehörde stehenden Festlegung der Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis enthalten Anordnungen nach § 32 AuslG grundsätzlich die an die Ausländerbehörde gerichtete Weisung, bei Erfüllung der Voraussetzungen dem begünstigten Personenkreis eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen. Dem Ausländer erwächst hiernach aus Art. 3 Abs. 1 GG ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der vom Ministerium des Innern gebilligten tatsächlichen Anwendung der Anordnung, die hier ausweislich des eindeutigen Wortlauts des Erlasses vorliegt. Damit ist eine einheitliche Anwendung der Regelungen innerhalb des Bundeslandes erreicht (vgl. hierzu auch BVerwGE 112, 63, 67). Hiernach kommt es zugleich nicht auf den Regelungsgehalt der Altfallregelung des Landes Berlin an, auf den sich die Antragsteller berufen, da sie eine Gleichbehandlung nur im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg beanspruchen können. Dem Entgegenstehendes ergibt sich hinsichtlich der Ausschlussregelung bei Straffälligkeit auch nicht aus II 3.2 d, e des Beschlusses in ... vom 19. November 1999, zumal in diesem keine Verpflichtung der Länder festgelegt war, die dort vorgesehene Bleiberechtsregelung wörtlich zu übernehmen (vgl. Darstellung in der Antwort der Bundesregierung vom 24. Mai 2000 in BT-Drucks. 14/3449 sowie VGH BW, VBlBW 2001, 491).

Soweit die Antragsteller sich im Beschwerdeverfahren innerhalb der Begründungsfrist erstmals darauf berufen haben, dass Frau ... am 5. Februar 2003 ausgereist sei und daher der Ausschlusstatbestand von Nr. 1.3.6 des Erlasses nicht - mehr - eingreifen würde, sind die Antragsteller mit diesem neuen Vorbringen zwar nicht ausgeschlossen (vgl. für das Berufungszulassungsrecht BVerwG, B. v. 14. Juni 2002 - 7 AV 1/02 -, NVwZ-RR 2002, 894), können hiermit ihrer Beschwerde aber nicht zum Erfolg verhelfen. Der Erlass vom 5. Dezember 2000 stellt unter Nr. 1.3 die Voraussetzungen auf, die zum Stichtag 19. November 1999 vorliegen müssen bzw. nicht vorliegen dürfen. Hierzu zählt als Ausschlussgrund Nr. 1.3.6 auch die Straffälligkeit eines Familienmitgliedes, sodass hier die nachträgliche Ausreise der straffällig gewordenen Ehefrau bzw. Mutter der Antragsteller ebenso wenig wie etwa das nachträgliche Erfüllen anderer positiver Voraussetzungen für den Erwerb des Aufenthaltsrechts nach dem Erlass von Bedeutung sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und § 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Ende der Entscheidung

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