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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 31.05.2005
Aktenzeichen: 1 A 346/02
Rechtsgebiete: FFH-Richtlinie, Vogelschutzrichtlinie, BNatSchG


Vorschriften:

FFH-Richtlinie Art. 4 Abs. 1
FFH-Richtlinie Art. 4 Abs. 2
FFH-Richtlinie Art. 6
FFH-Richtlinie Art. 7
Vogelschutzrichtlinie Art. 4 Abs. 1
BNatSchG § 22 Abs. 1
BNatSchG § 33 Abs. 1
BNatSchG § 33 Abs. 2
BNatSchG § 33 Abs. 3
BNatSchG § 34
1. Die Auswahl von im Sinne der FFH-Richtlinie schutzbedürftigen Flächen durch nationale Behörden und die Meldung an die Europäische Kommission können von betroffenen Grundeigentümern nicht mit einer Feststellungsklage, die die Rechtmäßigkeit dieser Handlungen zum Gegenstand hat, angegriffen werden. Es fehlt an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis.

2. Wird ein seit längerem ausgewiesenes Landschaftsschutzgebiet von den nationalen Behörden als Vogelschutzgebiet an die Europäische Kommission gemeldet, steht den betroffenen Grundeigentümern kein vorbeugender Rechtsschutz gegen etwaige zukünftige Verschärfungen der bestehenden Schutzregelungen zu.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Im Namen des Volkes! Urteil

OVG: 1 A 346/02

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy sowie die ehrenamtlichen Richter Freiherr S. von Dellinghausen und H. Hildebrandt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - 8. Kammer - vom 06.08.2002 aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die Klage wird insoweit abgewiesen.

Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

Unter Aufhebung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung tragen die Kläger die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer bzw. Pächter landwirtschaftlich genutzter Flächen im Blockland, einem in Bremen in der Flussniederung der Wümme gelegenen Landschaftsschutzgebiet (LandschaftsschutzVO vom 02.07.1968, BremGBl. S. 125, SaBremR 791-a-7).

1993 meldete die Beklagte neben anderen bremischen Gebieten das Blockland mit einer Fläche von 3171 ha als Vogelschutzgebiet i. S. der Richtlinie 79/409/EWG vom 02.04.1979 (Vogelschutzrichtlinie) - VRL - an das Bundesumweltministerium zur Weiterleitung an die EG-Kommision. Seit 1994 wird das Gebiet in den Dokumenten der Kommission als Vogelschutzgebiet geführt. Mit Datum vom 02.05.2003 wurde es als Europäisches Vogelschutzgebiet im Bundesanzeiger bekanntgemacht (Bundesanzeiger vom 11.05.2003, S. 22).

1999/2000 wurden auf Veranlassung der Beklagten mehrere naturfachliche Gutachten erstellt, um die schutzwürdigen Gebiete und Arten im Sinne der Richtlinie 92/43/EWG vom 21.05.1992 (FFH-Richtlinie) - FFH-RL - zu erfassen. Es wurde festgestellt, dass in Teilen des Blocklandes der nach der FFH-Richtline geschützte Grabenfisch Steinbeißer vorhanden ist. Zwei Gutachten gelangten für die Fischart in diesem Gebiet nach den Bewertungskriterien der Richtlinie zu einem "guten Wert". Darüber hinaus wurde die Fischart Steinbeißer in zwei weiteren Gebieten in Bremen festgestellt, nämlich im Niedervieland und im Werderland, wobei die Gutachten für diese Gebiete teilweise sogar zu einem "hervorragenden Wert" gelangten.

Im April 2000 meldete die Beklagte eine 556 ha große Teilfläche des Blocklandes (Oberblockland und Waller Feldmark) sowie das Werderland mit 393 ha als Lebensraum des Steinbeißers an das Bundesumweltministerium zur Weiterleitung an die EG-Kommission. Die gemeldete Fläche des Blocklands fiel deutlich geringer aus als zunächst von der Naturschutzbehörde vorgeschlagen (mindestens 940 ha). Das Niedervieland wurde nicht gemeldet.

Am 08.06.2000 haben die Kläger wegen dieser Meldung Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Teile der von den Klägern landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen in dem gemeldeten Gebiet Oberblockland/Waller Feldmark. Die Kläger machten geltend, dass es in Bremen für die Erhaltung des Steinbeißers wertvollere Gebiete gebe. Im Hinblick auf den Vogelschutz sei unklar, ob überhaupt eine verbindliche Ausweisung als Vogelschutzgebiet vorliege.

Sie haben beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte das in Anlage K1 zur Klageschrift kartographisch dargestellte Gebiet Oberblockland und Waller Feldmark, soweit es die Grundstücke der Kläger betrifft, rechtswidrig nach § 19 e Abs. 1 S. 1 BNatSchG in alter Fassung ausgewählt hat,

2. festzustellen, dass der Beklagten Verpflichtungen aus Art. 7 der Richtlinie 92/93 EWG i. V. m. dem 3171 ha großen Vogelschutzgebiet "Blockland" (Natura 2000 Nr. 2818 - 401; SPA-Nr. 453 d) nicht obliegen, die direkt oder indirekt für die Kläger gelten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Klage sei in beiden Punkten unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht Bremen - 8. Kammer - hat mit Urteil vom 06.08.2002 festgestellt, dass die Auswahl des Gebiets Oberblockland/Waller Feldmark als FFH-Gebiet rechtswidrig gewesen sei. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klage hinsichtlich des Antrags zu 1. zulässig sei. Denn die Beklagte habe die schützenswerten Lebensräume für den Steinbeißer nur unvollständig an die EG-Kommission gemeldet, woraus den Klägern ein Rechtsnachteil erwachse. Die Klage sei auch begründet, weil die unvollständige Meldung in Widerspruch zu den Vorgaben der FFH-Richtlinie stehe. Hinsichtlich des Antrags zu 2. sei die Klage demgegenüber unzulässig. Für einen vorbeugenden Rechtsschutz, der mit der Klage begehrt werde, fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Den Klägern sei es zuzumuten, gegen etwaige Maßnahmen, die in Zukunft aus Gründen des Vogelschutzes ergriffen werden würden, nach deren Erlass vorzugehen.

Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligte rechtzeitig die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Auf Initiative der EG-Kommission wurden in den Jahren 2001 und 2002 die Meldungen der Mitgliedstaaten für FFH-Gebiete überprüft. Auf einem im Juni 2002 durchgeführten Bewertungsseminar wurden erhebliche Defizite in den Gebietsmeldungen Deutschlands festgestellt. Für Bremen wurde - u. a. - die unvollständige Meldung der Lebensräume des Steinbeißers beanstandet. Wegen der Meldedefizite leitete die EG-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Im September 2003 meldete die Beklagte daraufhin eine weitere Teilfläche des Blocklandes mit 512,7 ha sowie das Gebiet Niedervieland-West mit 246,3 ha als Lebensraum des Steinbeißers nach. Aufgrund noch nicht ausgeräumter Beanstandungen der EG-Kommission erfolgte im Dezember 2004 eine weitere Nachmeldung, die -u. a. - die Stromer Feldmark und das Mühlenhauser Fleet (als Erweiterung des bereits gemeldeten Gebiets Niedervieland-West) betraf.

Am 07.12.2004 hat die EG-Kommission eine förmliche Entscheidung über eine - erste - Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung der atlantischen biogeographischen Region getroffen (ABl. vom 29.12.2004, L 382, S. 11). Die Kommission hat diese Gemeinschaftsliste wegen der noch nicht abgearbeiteten Nachmeldungen der Mitgliedstaaten ausdrücklich unter Überarbeitungsvorbehalt gestellt. In der Liste sind die im April 2000 gemeldeten Gebiete aufgeführt (Oberblockland/Waller Feldmark mit 556 ha und Werderland mit 393 ha). Gegen die Entscheidung der EG-Kommission haben die Kläger Nichtigkeitsklage zum Europäischen Gericht erster Instanz erhoben.

Die Beklagte erstrebt mit der Berufung die Abweisung der Klage in vollem Umfang. Sie ist der Auffassung, dass das Verwaltungsgericht die Klage auch hinsichtlich des Antrags zu 1. als unzulässig hätte abweisen müssen. Die Meldung von FFH-Gebieten an die EG-Kommission stelle ein rein behördeninternes Handeln dar. Es fehle deshalb an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis. Für eine vorbeugende Feststellungsklage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Abgesehen davon sei nicht klar, welches Interesse die Kläger nach den zwischenzeitlich erfolgten Nachmeldungen mit ihrer Feststellungsklage überhaupt noch verfolgten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zu Recht habe das Verwaltungsgericht entschieden, dass hinsichtlich der Meldung der FFH-Gebiete eine Feststellungsklage zulässig sei. Das entspreche dem Gebot effektiven Rechtsschutzes. Ihnen drohten aufgrund der Einstufung als FFH-Gebiet erhebliche zusätzliche Nutzungsbeschränkungen. Ob sie die Listungs-Entscheidung der EG-Kommission anfechten könnten, sei derzeit offen. Der EuGH habe die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klage einzelner Betroffener nach Art. 230 Abs. 4 EG-Vertrag bislang sehr restriktiv gefasst. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung der nationalen Rechtsakte, die nachfolgend die ListungsEntscheidung umsetzten, sei nicht effektiv. Denn die Verwaltungsgerichte dürften die zugrundeliegenden gemeinschaftsrechtlichen Festlegungen nicht überprüfen. Ein von den nationalen Verwaltungsgerichten eingeleitetes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV würde den Klägern nicht helfen. Denn der EuGH würde seinerseits die der Listungs-Entscheidung der EG-Kommission zugrunde liegenden nationalen Meldungen nicht überprüfen. Die Kläger halten die Meldung des Oberblocklands/der Waller Feldmark weiterhin für sachlich nicht gerechtfertigt. Im Bundesland Bremen existierten wertvollere Gebiete mit Steinbeißerpopulationen. Die inzwischen nachgemeldeten Gebiete seien für den Schutz dieser Fischart vollkommen ausreichend. Die Beklagte habe sich seinerzeit vorschnell auf das Oberblockland/die Waller Feldmark festgelegt und der EG-Kommission damit keine objektive Entscheidungsgrundlage übermittelt.

Die Kläger erstreben mit der Berufung, dass ihrer Klage auch mit dem Antrag zu 2. stattgegeben wird. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, sie könnten wegen etwaiger Nutzungsbeschränkungen, die aus der Klassifizierung des Blocklandes als Vogelschutzgebiet resultierten, auch nachträglich, d. h. nach Anordnung der jeweiligen Beschränkungen, Rechtsschutz erlangen, sei unzutreffend. Im Zusammenhang mit der Meldung der bremischen Vogelschutzgebiete an die EG-Kommission sei es Mitte der 90er Jahre zu erheblichen Unstimmigkeiten gekommen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Dritte jetzt die Auffassung verträten, es handele sich um ein sog. faktisches Vogelschutzgebiet. Solche Gebiete unterlägen nach der Rechtsprechung des EuGH strikten Nutzungsbeschränkungen. Sie wollten wissen, was auf ihren Grundstücken erlaubt und was verboten sei. Im übrigen seien sie der Auffassung, dass das Blockland nicht die Schutzwürdigkeit aufweise, die die Vogelschutzrichtlinie verlange.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 06.08.2002 aufzuheben, soweit die Klage der Kläger abgewiesen wurde, und festzustellen, dass der Beklagten Verpflichtungen aus den Natura 2000-Schutzregime, bezogen auf das 3171 ha große Vogelschutzgebiet Blockland, nicht obliegen, die direkt oder indirekt für die Kläger gelten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Zu Recht habe das Verwaltungsgericht die Feststellungsklage als unzulässig qualifiziert. Es fehle hinsichtlich der Meldung des Blocklandes als Vogelschutzgebiet an die EG-Kommission sowohl an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis als auch an einer möglichen Rechtsverletzung der Kläger. Die Unstimmigkeiten wegen der Meldung der bremischen Vogelschutzgebiete, die nicht das Blockland betroffen hätten, seien inzwischen ausgeräumt. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht überdies darauf hingewiesen, dass das Blockland bereits seit Jahrzehnten ein Landschaftsschutzgebiet sei, in dem Nutzungsbeschränkungen für die Landwirte gelten würden. Die Meldung als Vogelschutzgebiet belaste die Kläger deshalb nicht zusätzlich.

Die Verwaltungsvorgänge haben vorgelegen. Sie waren, soweit in dieser Entscheidung verwertet, Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist erfolgreich, die der Kläger bleibt erfolglos. Das Verwaltungsgericht hätte die Feststellungsklage in beiden Klagepunkten abweisen müssen. Denn sie ist in beiden Punkten unzulässig.

1.

Soweit die Kläger die von der Beklagten vorgenommene Meldung des Oberblocklands und der Waller Feldmark als FFH-Gebiet angreifen (Klageantrag zu 1.), mangelt es bereits an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis.

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung hat. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (BVerwG, U. v. 28.01.1996 - 8 C 19.94 - BVerwGE 100, S. 262).

Die im April 2000 erfolgte Meldung des Oberblocklands/der Waller Feldmark begründete nach diesem Maßstab kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten, weil es sich hierbei um einen verwaltungsinternen Akt ohne Außenwirkung handelte. Im Einzelnen folgt das aus den in der FFH-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG vom 21.05.1992) vorgegebenen Verfahrensschritten zur Festlegung von gemeinschaftsrechtlichen Schutzgebieten.

Das Verfahren beginnt mit der Phase 1, in der die Mitgliedstaaten bei der Kommission eine Liste von Gebieten einreichen, die nach den Kriterien der Richtlinie als Schutzgebiete in Betracht kommen (Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie i. V. m. Anhang III Phase 1/§ 33 Abs. 1 BNatSchG). Weil die Mitgliedstaaten ihre Pflicht zur Gebietsanmeldung nur verspätet und außerdem unvollständig nachgekommen sind, ist es in dieser Phase zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen gekommen; nach der Richtlinie hätte die Meldung innerhalb von 3 Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie erfolgen müssen (Art. 4 Abs. 1 Satz 5 FFH-RL).

In Phase 2 bewertet die EG-Kommission die nationalen Meldungen und legt verbindlich eine Liste der Schutzgebiete von gemeinschaftsrechticher Bedeutung fest (Art. 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie i. V. m. Anhang III. Phase 2). Dabei sind insbesondere Gebiete zu berücksichtigen, die prioritäre natürliche Lebensraumtypen bzw. Arten beherbergen. Für die übrigen Gebiete ist eine Einzelfallentscheidung zu treffen, für die die Richtlinie Kriterien nennt (Phase 2 Nr. 1 und 2).

In Phase 3 legen die Mitgliedsstaaten schließlich jeweils die nötigen Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen für die in die gemeinschaftsrechtliche Liste aufgenommenen Gebiete fest (Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie/§ 33 Abs. 2 BNatSchG).

Die in Phase 1 erfolgenden nationalen Meldungen (Länder an Bund und Bund an Kommission) begründen nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur noch kein Rechtsverhältnis zwischen den Eigentümern, deren Grundstücke in einem gemeldeten Gebiet liegen, und dem Rechtsträger, der die Meldung veranlasst (vgl. OVG Münster, U. v. 14.03.2003 - 8 A 4229/01 - NuR 2003, S. 706); Spreen, Bundeskompetenzen bei fehlender Umsetzung des Europarechts, 2004, S. 250; Gassner u. a.; BNatSchG, 2. Aufl. 2003, § 33 Rdnr. 24; Gellermann, Natura 2000, 2. Aufl. 2001, S. 240 jeweils m. w. N.). Das Oberverwaltungsgericht folgt dieser Auffassung. Denn die nationalen Meldungen in Phase 1 haben nach dem in der FFH-Richtlinie vorgezeichneten Verfahrensablauf lediglich die Funktion, das Material für die Bewertung der Kommission in Phase 2 zusammenzustellen. Die Kommission trifft abschließend bei der Aufnahme in die Gemeinschaftsliste eine eigenverantwortliche Entscheidung und beschränkt sich keineswegs nur auf eine Notifizierung der von den Mitgliedstaaten gemeldeten Gebiete. Ihr steht, wie sich aus den in der FFH-Richtlinie genannten Entscheidungskriterien ergibt (Anhang III Phase 2 Nr. 1 und 2), dabei ein eigener Prüfungs- und Beurteilungsspielraum zu. Dieser erstreckt sich sogar, wie der EuGH entschieden hat, auf Gebiete mit prioritären Lebensraumtypen- und Arten (EuGH, U. v. 13.01.2005, C-117/03, NVwZ 2005, S. 311); in diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es sich beim Steinbeißer nicht um eine prioritäre Art handelt (vgl. Anhang II der FFH-Richtlinie). Auch die praktische Umsetzung der FFH-Richtlinie, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Kommission aktiv auf das Meldeverhalten in der Mitgliedstaaten Einfluss genommen hat (z. B. Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren; Durchführung von Bewertungsseminaren), verdeutlicht die von der Kommission wahrgenommene eigene Prüfungs- und Beurteilungskompetenz. Rechtswirkungen gehen aufgrund dieser Verfahrensgestaltung erst von der Aufnahme eines Gebietes in die Gemeinschaftsliste aus, die für den weiteren Rechtsstatus konstitutiv ist.

Die Ansicht der Kläger, diese Beurteilung führe im Ergebnis dazu, dass sie die Errichtung des FFH-Schutzregimes rechtsschutzlos über sich ergehen lassen müssten, trifft nicht zu.

Zwar ist bislang nicht geklärt, ob die in Phase 2 vorgenommene Entscheidung der Kommission über die Gemeinschaftsliste von betroffenen Grundstückseigentümers mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof oder dem Europäischen Gericht erster Instanz angegriffen werden kann. Insoweit wird die Ansicht vertreten, dass wegen unmittelbarer und individueller Betroffenheit durch einen Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft eine Klage nach Art. 230 Abs. 4 EG-Vertrag zulässig ist (OVG Münster, U. v. 14.05.2003, a.a.O.; Spreen, a.a.O., S. 256; Gassner u. a., a.a.O., § 33 Rdnr. 24 jeweils m. w. N.). Dementsprechend haben die Kläger auch Klage zum Europäischen Gerichts erster Instanz gegen die Entscheidung der Kommission vom 07.12.2004 erhoben, durch die die im April 2000 von der Beklagten gemeldeten Gebiete in eine - erste - Liste von Schutzgebieten von gemeinschaftsrechtlicher Bedeutung aufgenommen worden sind (ABl. vom 29.12.2004, L 382, S. 11; vgl. zu dieser Entscheidung im Einzelnen P. Schulz, Die Umsetzung der FFH-Richtlinie - Neues aus Europa, UPR 2005, S. 137). Ob das Europäische Gericht die Klage allerdings als zulässig einstuft, ist offen (zweifelnd Gellermann, a.a.O., S. 244). Präjudizien für diese Fallkonstellation gibt es nicht.

Sollte das Europäische Gericht die Klage als unzulässig verwerfen, so stünden die Kläger aber gleichwohl nicht rechtsschutzlos dar. Sie könnten Rechtsschutz erlangen, indem sie die Maßnahmen, die die deutschen Behörden in Phase 3 zur Umsetzung der ListungsEntscheidung ergreifen, einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung unterziehen. Soweit die Umsetzungsmaßnahmen in Form von untergesetzlichen Rechtsnormen ergehen, steht hierzu das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO zur Verfügung; soweit es um belastende Einzelmaßnahmen geht, die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO. Gegebenenfalls kann auch, wenn konkrete Sachverhalte in Streit stehen, die Feststellungsklage nach § 43 VwGO in Betracht zu ziehen sein. Gelangt das Verwaltungsgericht im Rahmen eines solchen Rechtsstreits zu der Überzeugung, dass die Aufnahme bestimmter Flächen in die Gemeinschaftsliste mit Art. 4 i. V. m. Anhang I, II, III FFH-Richtlinie nicht vereinbar ist, kann es die Liste zwar nicht selbst "verwerfen". Vielmehr hat es die Sache nach Art. 234 Abs. 1 b EG-Vertrag dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen (OVG Münster, U. v. 14.05.2003, a.a.O.; Spreen, a.a.O., S. 260/261). Nach dieser Vorschrift entscheidet der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung u. a. über die Gültigkeit der Handlungen der Organe der Gemeinschaft. Die Gültigkeit der Handlung entspricht der Rechtmäßigkeit der Maßnahme (Ehricke, in: Streinz, EUV/EGV, München 2003, Art. 234 EGV, Rdnr. 21). Der EuGH nimmt zwar in Vorabentschei-dungsverfahren, worauf die Kläger zutreffend hinweisen, im allgemeinen keine Tatsachenermittlungen vor. Insofern wird er die vom Verwaltungsgericht erhobenen Sachverhalte zugrundelegen. Das ändert aber nichts daran, dass er nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 234 Abs. 1 b EGV auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellungen die Listungs-Entscheidung für unwirksam erklären kann.

2.

Im Hinblick auf die Ausweisung als Vogelschutzgebiet (Klageantrag zu 2.) ist der Inhalt des Feststellungsantrags nicht eindeutig. Soweit die Kläger die Feststellung erreichen wollen, dass ihre Grundstücke nicht dem Schutzregime der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG vom 02.04.1979) unterliegen, geht ihr Begehren ins Leere. Ihr Antrag zielt auf eine Rechtsfrage, die sich ohne weiteres beantworten lässt. Es kann nämlich nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass es sich beim Blockland um eine Europäisches Vogelschutzgebiet handelt (a). Soweit sie mit dem Antrag darüber hinaus bereits jetzt mögliche zukünftige Schutzmaßnahmen abwehren wollen, fehlt es an einem qualifizierten Rechtsschutzinteresse für einen vorbeugenden Rechtsschutz (b).

a)

Nach Art. 4 Abs. 1 VRL/§ 33 Abs. 1 BNatSchG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die für die Erhaltung bestimmter besonders schutzwürdiger (im Anhang I aufgeführter) Vogelarten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten zu erklären. Die "Schutzerklä-rung" erfolgt dadurch, dass diese Gebiete von den zuständigen nationalen Behörden unter Schutz gestellt werden (vgl. Gellermann, a.a.O., S. 200, 232). Von der Unterschutzstellung ist die Kommission zu unterrichten, die die Vogelschutzgebiete der Mitgliedstaaten dann in einem zusammenhängenden Netz darstellt. Die entsprechende Meldung eines Vogelschutzgebietes hat gemäß Art. 4 Abs. 3 VRL lediglich informatorischen Charakter, es handelt sich nicht um eine den Rechtsstatus eines Vogelschutzgebietes begründende öffentlich-rechtliche Willenserklärung (BVerwG, U. v. 01.04.2004, 4 C 2.03 - NVwZ 2004, S. 1114; Gellermann, a.a.O., S. 230). In Bezug auf Vogelschutzgebiete erlassen Gemeinschaftsorgane also - anders als bei FFH-Gebieten - keine für den Schutzstatus konstitutiven Rechtsakte.

Das Blockland war bereits mit der Landschaftsschutzverordnung vom 02.07.1968 (BremGBl. S. 125) unter Schutz gestellt worden. Diese Landschaftsschutzverordnung enthält verschiedene einschränkende Regelungen für die Nutzung des Gebiets, durch welche die Erhaltung des gegenwärtigen Zustands gesichert werden soll. Die Unterschutzstellung schloss von Anfang an auch den Schutz dort lebender/rastender Vögel ein. So verbietet die Verordnung, Veränderungen vorzunehmen, die geeignet sind, die Natur zu schädigen (§ 2 Abs. 1) und zählt dazu beispielhaft verschiedene verbotene Handlungen auf (§ 2 Abs. 2). Bauvorhaben unterliegen der naturfachlichen Kontrolle (§ 3). Die landwirtschaftliche Nutzung darf nicht zu Veränderungen führen, die die Natur schädigen (§ 7). Diese Unterschutzstellung ist rechtsverbindlich, außenwirksam und endgültig (vgl. zu diesen Erfordernissen BVerwG, U. v. 01.04.2004, a.a.O.).

Das bedeutet, dass sich die 1993 erfolgte Meldung des Blocklandes als Schutzgebiet nach Art. 4 Abs. 1 VRL auf ein bereits vorhandenes Schutzgebiet bezog. Ihre Funktion lag darin, dass sie auf die nach Anhang I der Vogelschutzrichtlinie objektiv gegebene besondere orni-thologische Relevanz des Gebietes hinwies. Die Meldung (Schriftsatz des Senators für Umwelt und Stadtentwicklung vom 19.02.1993 nebst Anlagen) führt für das Blockland folgende in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie genannte Vogelarten auf: Weißstorch, Rohrweihe, Wiesenweihe, Tüpfelsumpfhuhn/Tüpfelralle, Kampfläufer, Sumpfohreule, Eisvogel. Dadurch erhält die Begründung der Landschaftsschutzverordnung eine zusätzliche gemeinschaftsrechtliche Verstärkung. Unmittelbare, für die Kläger nachteilige Rechtswirkungen gehen von der Meldung nicht aus. Die rechtlich verbindlichen Nutzungsbeschränkungen für ihre Grundstücke ergeben sich weiterhin allein aus der Landschaftsschutzverordnung.

Dementsprechend ist das Gebiet in den Dokumenten der Europäischen Kommission auch von Anfang an als "LSG Blockland" geführt worden (vgl. Europäische Kommission, Natura 2000, XI/684/94, S. 13; Europäische Kommission, XI/15/03.97, S. 14). Gleiches gilt für die inzwischen erfolgte Bekanntmachung im Bundesanzeiger, die auf der Grundlage von § 10 Abs. 6 BNatSchG durchgeführt worden ist (Bundesanzeiger vom 11.05.2003, S. 22).

b)

Die besondere ornithologische Relevanz nach Anhang I der Vogelschutzrichtlinie, die die Meldung an die Kommission veranlasst hat, ist für das weitere Schicksal des Gebietes allerdings nicht ohne Bedeutung. Über die bloße Unterschutzstellung hinaus treffen die Behörden in einem Europäischen Schutzgebiet weitere Schutzpflichten (vgl. Art. 7 FFH-Richtlinie, der die Schutzmaßstäbe für Vogelschutzgebiete und FFH-Gebiete angleicht). Im Einzelnen ergeben sich diese aus Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL/§§ 33 Abs. 3, 34 BNatSchG (Verpflichtung, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden; Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bei privaten und öffentlichen Vorhaben, die das Gebiet erheblich beeinträchtigen). Insoweit könnte sich durchaus die Frage stellen, ob das Schutzniveau, dass die für das Blockland geltende Landschaftsschutzverordnung bietet, im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie/§ 33 Abs. 3 BNatSchG ausreichend ist. Die Verordnung stammt aus dem Jahre 1968. Sie erfasst auch noch verschiedene andere Landschaftsteile Bremens und ist in der Formulierung der Schutzzwecke vergleichsweise pauschal. Das könnte auf einen Nachbesserungsbedarf hindeuten.

Abstrakt feststellungsfähig sind diese Verpflichtungen und damit die die Kläger zukünftig möglicherweise treffenden zusätzlichen Beschränkungen jedoch nicht. Für einen insoweit begehrten vorbeugenden Rechtsschutz fehlt das qualifizierte Rechtsschutzinteresse. Die Kläger können effektiven Rechtsschutz dadurch erlangen, dass sie etwaige weitergehende Schutzmaßnahmen nach deren Erlass angreifen. Wiederum steht, wenn die Maßnahmen normativer Art sind, das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO zur Verfügung. Gegen belastende Einzelmaßnahmen kann Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO erhoben werden. In diesem Rahmen können die Kläger auch die naturfachlichen Einschätzungen zur Überprüfung stellen, auf die die betreffenden Maßnahmen sich jeweils stützen. Für eine vorgezogene und abstrakte gerichtliche Klärung - losgelöst von den jeweils in Betracht kommenden Maßnahmen - besteht aber kein Anlass.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision kann nicht zugelassen werden, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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