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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 27.02.2004
Aktenzeichen: 1 A 481/03
Rechtsgebiete: BGB, BremLStrG, GG, GVG


Vorschriften:

BGB § 839
BremLStrG § 9
GG Art. 34
GVG § 17 Abs. 2
GVG § 17a Abs. 1
1. Wird durch die Herstellung eines Fußweges die Zugänglichkeit des angrenzenden Grundstücks beeinträchtigt, kann dies einen auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gerichteten Folgenbeseitigungsanspruch auslösen.

2. Die Herstellung eines Fußweges begründet kein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis zwischen der herstellenden Gemeinde und dem Eigentümer eines angrenzenden Grundstücks.

3. Hat das Landgericht einen Rechtsstreit, mit dem die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes einer Grundstückszufahrt verlangt wird, an das Verwaltungsgericht verwiesen, scheidet eine teilweise Rückverweisung des Rechtsstreits auch dann aus, wenn der Kläger seinen Anspruch nunmehr auch unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung geltend macht.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen

OVG: 1 A 481/03

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen -1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 27.02.2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 1. Kammer - vom 27.08.2003 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Antrag des Klägers, den Rechtsstreit zur Entscheidung über einen Amtshaftungsanspruch an das Landgericht Bremen zurückzuverweisen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

A.

Der Kläger ist Miteigentümer eines Grundstücks, auf dem er eine Bäckerei mit Ladengeschäft betreibt. Auf dem vorderen, zur Straße hin gelegenen Teil des Grundstücks befinden sich gepflasterte Stellflächen für Kundenfahrzeuge. Die Beklagte hat im Jahre 2000 den Fußweg vor dem Grundstück herstellen lassen. Dieser weist zur Straße hin ein Gefalle von 3,4%, im Bereich der Stellplatzeinfahrten, in dem der Bordstein abgesenkt ist, von 6% auf. Durch die Kante, die infolge dieses Gefälles an der Grundstücksgrenze entstanden ist, sieht der Kläger den Zugang ("Stolperschwelle") und die Zufahrt ("Sprungschanze") zu seinem Geschäftsgrundstück beeinträchtigt. Er verlangt von der Beklagten, die auf der Grundstücksgrenze entstandene Schwelle am Schwellenkamm um mindestens 2 cm abzusenken. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

B.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Den Darlegungen des Klägers (§ 124a Abs. 4 S. 4 VwGO) lässt sich nicht entnehmen, dass die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Berufung vorliegen.

I.

Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis wahrscheinlich nicht standhalten wird. Ein darauf gestützter Antrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln begegnen und warum diese Zweifel eine andere Entscheidung wahrscheinlich machen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

1.

Als Grundlage für die Absenkung der Schwelle, die durch den Bau des Fußwegs entstanden ist, kommt hier nur ein Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Dieser ist auf die Wiederherstellung des durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten rechtmäßigen Zustands, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestanden hat (vgl. zuletzt BVerwG NVwZ 2001,685 <insoweit in BVerwGE 112,308 nicht abgedruckt m.w.Nwn.), oder auf die Herstellung eines diesem gleichwertigen Zustands (Papier, in: Münchener Kommentar zum BGB, B. 5, 4. Aufl. 2004, Rn 80 zu § 839) gerichtet. Er kommt insbesondere auch bei der Beseitigung von Folgen zum Tragen, die durch die unsachgemäße Herstellung einer Straße für ein Anliegergrundstück entstanden sind (BVerwG NJW 1985, 1481; BVerwGE 82, 24 <25> = NJW 1989, 2484; Papier, a.a.O., Rn 82 zu § 839). Die Herstellung einer Straße einschließlich des dazu gehörenden Fußweges geschieht nämlich in Ausübung hoheitlicher Verwaltung. Für das bremische Recht ergibt sich dies aus §§ 9, 2 Abs. 2 Nr. 1 BremLStrG.

Hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entspricht der Folgenbeseitigungsanspruch dem Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB (analog), den das Verwaltungsgericht und der Kläger für einschlägig halten. Von einem Teil der Literatur ist er ursprünglich sogar aus der entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB abgeleitet worden (Bettermann DöV 1955, 528 ff.; vgl. dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 294). Im Ergebnis ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht darauf abstellt, ob das Grundeigentum des Klägers dadurch beeinträchtigt ist, dass es nicht mehr ungehindert für Kraftfahrzeuge zugänglich ist.

Die Substanz des Grundeigentums des Klägers wird durch die von ihm beanstandete Herstellung des Fußwegs nicht beschädigt. Auch der eigentumsrechtliche Schutz des Anliegergebrauchs wird dadurch, dass bei der Herstellung des Fußwegs eine Schwelle an der Grundstücksgrenze entstanden ist, nicht beeinträchtigt. Dieser umfasst nämlich regelmäßig nicht die Möglichkeit, dass Kunden ein auf dem Grundstück gelegenes Ladengeschäft mit dem Kraftfahrzeug erreichen können (BVerwGE 94,136<138 ff.> = NJW 1994,1080 <1081>); selbst dann, wenn die Zufahrtsmöglichkeit im Einzelfall vom Schutz des Eigentums am Grundstück mitumfasst wird, erstreckt sich dieser Schutz nicht auf die Bequemlichkeit der Zufahrt (S. .......... Straße und Anlieger, 2003, Rn 773). Auch aus dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ergeben sich, wenn dieses Recht überhaupt eigentumsrechtlichen Schutz verdient (offengelassen von BVerfGE 96, 375 <397> = NJW 1998, 519 <520> und BVerwG NVwZ 2004, 233 <237>; jeweils m.w.Nwn.), für die Zugänglichkeit eines Ladengeschäftes keine weiterreichenden Ansprüche. Zu Gunsten des Klägers kann hier jedoch, ohne dass dies weiterer Vertiefung bedürfte, angenommen werden, dass auch die bloße Beeinträchtigung einer bisher ungeschmälerten freien Zugänglichkeit des Grundstücks durch den hergestellten Fußweg dann einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff darstellt, wenn sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt, sondern lediglich ungewollte Folge unsachgemäßer Herstellung ist.

Eine Beeinträchtigung der freien Zugänglichkeit des Grundstücks als Folge der beim Bau des Fußwegs entstandenen Schwelle hat das Verwaltungsgericht aber zu Recht verneint. Auf seine ausführliche Begründung, die insbesondere auch auf die vorgelegten Fotos Bezug nimmt, kann verwiesen werden. Nach seinen Feststellungen wirkt sich die Schwelle "allenfalls theoretisch und damit rechtlich unerheblich aus, wenn angenommen wird, dass das Grundstück des Klägers von einem unvorsichtig geführten Fahrzeug aufgesucht wird, das in einer für den allgemeinen Straßenverkehr ungeeigneten Weise tief gebaut ist" (Bl. 7 des Urteils). Der vom Kläger in der Antragsbegründung geltend gemachte Anspruch, dass sein Geschäftsgrundstück mit jeder Art straßenverkehrsrechtlich zugelassener Fahrzeuge erreichbar sein müsse, ohne dass er tiefergelegte Fahrzeuge mit einem Hinweisschild auf die "Sprungschanze" aufmerksam machen müsse, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Fahrzeuge, die so tief gelegt sind, dass sie für den allgemeinen Straßenverkehr nicht geeignet sind, werden für diesen auch nicht zugelassen. Fahrzeuge, die von der Straße über den Fußweg auf das Geschäftsgrundstück des Klägers fahren, müssen ihre Geschwindigkeit unabhängig von der Bodenbeschaffenheit reduzieren, so dass es auch keines besonderen Hinweisschildes bedarf. Die Behauptung des Klägers, es sei immer wieder vorgekommen, dass sich Kunden über die Zufahrtsmöglichkeiten beschwert hätten, ist zu unsubstantiiert, als dass aus ihm Folgerungen abgeleitet werden könnten. Ob Schleifspuren auf dem Pflaster den Schluss zulassen, dass Fahrzeuge dort aufgesetzt haben, erscheint zweifelhaft, denn die Schleifspuren können auch andere Ursachen haben; selbst wenn sie von Kraftfahrzeugen herrühren, können sie auch dadurch entstanden sein, dass Fahrzeuge zu schnell über die Schwelle gefahren sind.

2.

Eine andere Grundlage für sein Begehren kommt entgegen der Auffassung des Klägers nicht in Betracht.

a)

Aus der Absprache, die der Kläger mit der Beklagten getroffen haben will, ergibt sich kein Anspruch auf Herstellung einer schwellenlosen Zufahrt. Eine solche anspruchsbegründende Absprache wäre ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, und dieser hätte, um wirksam geworden zu sein, nach § 57 BremVwVfG der Schriftform bedurft. Das hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt.

b)

Auch die Voraussetzungen für einen auf Absenkung der Schwelle gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Schutzpflicht aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis sind nicht erkennbar.

Hier fehlt es schon an einem solchen Schuldverhältnis. Zwischen den Beteiligten besteht keine vertragsähnliche Sonderverbindung, die durch einen öffentlich-rechtlichen Hoheitsakt entstanden ist und ein fortdauerndes besonderes Näheverhältnis begründet hat, das durch Rechte und Pflichten gekennzeichnet ist, die über die allgemeinen Rechtsbeziehungen hinausgehen und bürgerlich-rechtlichen Schuldverhältnissen gleichen (zu diesen Voraussetzungen vgl. BVerwG NJW 1995,2303 <2304>; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2002, § 29 Rn 2; Ossenbühl, a.a.O., S. 354; jeweils m.w.Nwn.). Der Kläger macht keine Rechtsgutverletzung geltend, die in einem vertragsähnlichen Rechtsverhältnis entstanden ist, das durch den Bau des Fußwegs begründet worden ist und seitdem fortbesteht. Er wendet sich vielmehr gegen einen Zustand, der als unmittelbare Folge der hoheitlichen Baumaßnahme selbst entstanden ist.

c)

Ersatz für einen dadurch begründeten Schaden kann der Kläger nur unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung geltend machen. Dies kann jedoch, wie der Kläger selbst zutreffend bemerkt, nur vor den ordentlichen Gerichten geschehen (Art. 34 Satz 3 GG, § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG).

II.

Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

Solche Schwierigkeiten liegen vor, wenn das Vorbringen im Zulassungsantrag zwar nicht zu der Annahme berechtigt, das Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung werde einer Überprüfung wahrscheinlich nicht standhalten, die angesprochenen Sach- oder Rechtsfragen aber so komplex sind, dass sich eine Prognose über den wahrscheinlichen Ausgang des Beschwerdeverfahrens im Zulassungsverfahren nicht treffen läßt. Diese Voraussetzungen lassen sich den Darlegungen des Klägers nicht entnehmen.

1.

Der Vortrag, "dass das Verwaltungshandeln der Beklagten im Grenzgebiet zwischen hoheitlicher Tätigkeit und privatrechtlichem Handeln angesiedelt ist und als schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln nur deswegen dem öffentlichen Recht unterfällt, weil dies eigens so normiert ist (§§ 9, 2 Abs. 2 Nr. 1 BremLStrG)", lässt keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten erkennen. Er macht im Gegenteil deutlich, dass der geltend gemachte Anspruch hier ohne weiteres nach den Maßstäben zu beurteilen sind, die das Verwaltungsrecht für Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche nach Beeinträchtigungen durch hoheitliches Handeln bereit hält.

2.

Auch besondere tatsächliche Schwierigkeiten sind nicht erkennbar. Es bedarf auch keiner Ortsbesichtigung, um einschätzen zu können, ob die freie Zugänglichkeit des Grundstücks tatsächlich beeinträchtigt ist. Neben den - unstreitigen - Angaben über das Gefalle, aus dem sich das Ausmaß der Schwelle ableiten lässt, vermitteln die in der Akte befindlichen Fotos (Bl. 18-20 GA), auf denen u.a. auch ein Pkw beim Überqueren der Schwelle zu sehen ist, einen ausreichenden Eindruck von den Verhältnissen auf der Grundstücksgrenze. Danach lässt sich eine relevante Beeinträchtigung der Zugänglichkeit des klägerischen Grundstücks ohne weiteres verneinen.

III.

Die Berufung kann schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zugelassen werden. Eine solche Zulassung setzt voraus, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, tatsächlich vorliegt und daß die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf ihm beruhen kann; maßgebend ist dabei der materiell-rechtliche Standpunkt des Verwaltungsgerichts, und zwar unabhängig davon, ob er zutreffend ist oder nicht.

Ein Verfahrensfehler liegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht darin begründet, dass das Verwaltungsgericht den geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz nicht auch unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung nach Art. 34 GG, § 839 BGB betrachtet und, da ihm eine eigene Sachprüfung verwehrt war (Art. 34 Satz 3 GG, § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG), den Verwaltungsrechtsweg insoweit für unzulässig erklärt sowie den Rechtsstreit insoweit gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das Landgericht zurückverwiesen hat. Zum einen stand dem schon die Bindungswirkung des landgerichtlichen Verweisungsbeschlusses (§ 17a Abs. 1 Satz 3 GVG) entgegen (BGHZ 144,21 = NJW 2000, 1343). Die Zurückverweisung kam hier schon deshalb nicht in Betracht, weil eine auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte beschränkte Feststellung der Unzulässigkeit des Rechtswegs mit entsprechender Teilverweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs ausgeschlossen ist (BVerwG, Beschl. v. 19.11.1997 - 2 B 178.96 - <juris> m.w.Nwn.). Dass der Kläger ohne diese Verweisung gehindert sein könnte, seinen Schadensersatzanspruch, soweit er ihn auf den Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung stützen will, beim Landgericht geltend zu machen, ist nicht erkennbar (BVerwG, Beschl. v. 19.11.1997 - 2 B 178.96 - <juris>).

C.

Aus den unter B. III. genannten Gründen kommt auch die nunmehr hilfsweise beantragte Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht "zur Entscheidung über einen ausschließlich in dessen Zuständigkeit befindlichen Amtshaftungsanspruch" nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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