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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 09.02.2005
Aktenzeichen: 1 B 452/04
Rechtsgebiete: AuslG, AufenthG, VwGO, VwZG


Vorschriften:

AuslG § 69 Abs. 3
AufenthG § 81 Abs. 4
VwGO § 123
VwGO § 146 Abs. 4
VwZG § 15
VwZG § 8
1. Zu den Voraussetzungen für eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung und zur Heilung von Zustellungsmängeln.

2. Die Erlaubnisfiktion eines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über diesen Antrag (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG; § 81 Abs. 4 AufenthG) kann durch eine vorläufige Feststellung im Wege der einstweiligen Anordnung gesichert werden.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: 1 B 452/04

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 09.02.2004 beschlossen:

Tenor:

I. Unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 4. Kammer - vom 10.11.2004 wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass der Aufenthalt des Antragstellers bis zur Entscheidung der Antragsgegnerin über seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als erlaubt gilt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 1/4 und die Antragsgegnerin zu 3/4 ; auch insoweit wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts abgeändert.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 Euro festgesetzt

II. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

A.

Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Serbien-Montenegro, erhielt wegen seiner Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen am 02.07.2002 eine bis zum 01.06.2004 befristete Aufenthaltserlaubnis. Nachdem sich der Antragsteller zum 20.12.2001 von seiner Ehefrau getrennt hatte, beschränkte die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 21.03.2003 die Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den Zeitpunkt der Zustellung dieser Verfügung und drohte die Abschiebung des Antragstellers nach Serbien-Montenegro für den Fall an, dass der Antragsteller seiner Ausreisefrist nicht bis zum 30.04.2003 nachkomme; sofern der Antragsteller einen Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stelle, ende die Ausreisefrist zehn Tage nach Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wurde nicht ausdrücklich angeordnet, aber begründet. Die Antragsgegnerin ordnete die öffentliche Zustellung dieser Verfügung an, da ihr der Aufenthalt des Antragstellers unbekannt war. Die Bekanntmachung über die öffentliche Zustellung wurde vom 22.04.2003 bis zum 07.05.2003 in der Ausländerbehörde ausgehängt.

Am 02.06.2004 beantragte der Antragsteller die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Er gibt unwidersprochen an, bereits am 01.06.2004 vergeblich auf der Ausländerbehörde vorgesprochen zu haben. Die Antragsgegnerin übergab dem Antragsteller eine Grenzübertrittsbescheinigung.

Am 14.06.2004 erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers bei der Antragsgegnerin "gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis Widerspruch" und beantragte die "Aussetzung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO". Am gleichen Tage beantragte der Prozessbevollmächtigte beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis anzuordnen, hilfsweise, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller zu untersagen. Nachdem er Akteneinsicht erhalten hatte, legte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers schließlich am 04.08.2004 Widerspruch gegen die Verfügung vom 21.03.2003 ein und beantragte für den Fall, dass diese Verfügung als wirksam zugestellt angesehen werde, vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit Beschluss vom 10.11.2004 hat das Verwaltungsgericht das Begehren des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen. In der Begründung des Beschlusses wird u.a. ausgeführt, der Aufenthalt des Antragstellers könne nicht als erlaubt oder geduldet gelten, weil die nachträgliche Beschränkung der ersten Aufenthaltserlaubnis rechtsbeständig und über den Wiedereinsetzungsantrag für einen Widerspruch noch nicht entschieden sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er beantragt, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 14.06.2004 und 30.07.2004 anzuordnen.

B.

Die Beschwerde hat nur zum Teil Erfolg.

I.

Sie ist zurückzuweisen, soweit der Antragsteller die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche vom 14.06.2004 und 30.07.2004 begehrt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist nicht möglich, weil die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bisher nicht abgelehnt worden ist. Das hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die nachträgliche Beschränkung der ersten Aufenthaltserlaubnis scheidet schon deshalb aus, weil dieses Begehren nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war.

II.

Das Begehren des Antragstellers erschöpft sich aber nicht in der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche. Ihm geht es erkennbar darum, bis zum Abschluss des laufenden Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland bleiben zu können. Dieses Begehren umfasst - als ein minus - auch die Sicherung seines Aufenthalts bis zur Entscheidung der Antragsgegnerin über die beantragte Aufenthaltserlaubnis. Eines ausdrücklichen Hilfsantrags, wie ihn der Antragsteller in erster Instanz gestellt hat, bedarf es dazu nicht. Es ist deshalb unschädlich, dass der Antragsteller seinen Hilfsantrag mit der Beschwerde - die sich im übrigen uneingeschränkt gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts insgesamt richtet - nicht wiederholt hat.

Die Begründung seiner Beschwerde genügt auch (noch) den Darlegungserfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Welche Anforderungen an die Darlegungen zu richten sind, kann nicht losgelöst vom Einzelfall bestimmt werden. Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nur knapp begründet, kann das dazu führen, dass auch die Anforderungen an die Darlegungen der Beschwerde entsprechend zu senken sind (vgl. Bader, in: Bader/Funke- Kaiser/Kuntze/v.Albedyll, VwGO, 2. Aufl. 2002, Rn 29 zu § 146; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn 13c zu § 146). Angesichts der knappen Begründung des Verwaltungsgerichts - der Antragsteller habe sich bei Stellung seines Verlängerungsantrags nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weil die Verfügung vom 21.03.2003 bestandskräftig geworden und über eine Wiedereinsetzung für seinen Widerspruch noch nicht entschieden sei - reicht es ausnahmsweise noch aus, dass der Antragsteller dazu lediglich ebenso knapp vorträgt, dass die Entscheidung über seinen Widerspruch und seinen Wiedereinsetzungsantrag noch ausstehe. Dies kann nur so verstanden werden, dass er die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Verfügung vom 21.03.2003 sei bestandskräftig geworden, für falsch hält. Einer eingehenderen Begründung seiner Rechtsauffassung bedurfte es nicht, weil auch das Verwaltungsgericht seine Rechtsauffassung nicht näher begründet hat.

Das Oberverwaltungsgericht hat daher im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht ein durch einstweiligen Rechtsschutz zu sicherndes vorläufiges Aufenthaltsrechts des Antragstellers bis zur Entscheidung über seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Unrecht mit der Begründung verneint hat, der Antragsteller habe sich wegen der nachträglichen Beschränkung seiner ersten Aufenthaltserlaubnis nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, als er den Verlängerungsantrag stellte.

III.

Diese Prüfung führt zum Erlass der aus dem Tenor ersichtlichen einstweiligen Anordnung.

Der Aufenthalt des Antragstellers gilt bis zur Entscheidung der Antragsgegnerin über den Antrag der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG bzw. § 81 Abs. 4 AufenthG als erlaubt (1.). Da die Antragsgegnerin dies bestreitet und dem Antragsteller deshalb schon vor der Entscheidung über seinen Verlängerungsantrag aufenthaltsbeendende Maßnahmen drohen, bedarf es einer entsprechenden vorläufigen Feststellung (2.).

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des bis zum 31.12.2004 geltenden Ausländergesetzes galt der Aufenthalt eines Ausländers, der die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über seinen Antrag als erlaubt, wenn sich der Ausländer zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Nach § 81 Abs. 4 des seit dem 01.01. 2004 geltenden Aufenthaltsgesetzes gilt bei einem Ausländer, der die Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt, der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Die - im wesentlichen übereinstimmenden - Voraussetzungen beider Vorschriften liegen - jedenfalls nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Würdigung - in der Person des Antragstellers vor.

a) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers vom 02.07.2002 nicht nachträglich beschränkt worden. Die Verfügung vom 21.03.2003, die eine solche nachträgliche Beschränkung enthielt, ist nicht wirksam zugestellt worden. Eine Heilung dieses Zustellungsmangel ist jedenfalls nicht vor dem 02.06.2004 eingetreten.

aa) Die öffentliche Zustellung nach § 1 Abs. 1 BremVwZG i.V. m. § 15 VwZG ist nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. nur BVerwGE 104,301 <306f.> m.w. Nwn.) als "letztes Mittel" der Bekanntgabe nur zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Schriftstück dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln. Zwar kann nach § 15 Abs. 1 a VwZG durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist. Dafür reicht aber nicht aus, dass die Behörde den Aufenthaltsort nicht kennt. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Aufenthaltsort trotz gründlicher und sachdienlicher Bemühungen um Aufklärung nicht ermitteln lässt. Welche Möglichkeiten sich dafür angeboten hätten, zeigt das spätere Vorgehen der Kriminalpolizei. Wie sich aus deren Vermerk vom 25.03.2004 ergibt, konnte durch eine Anfrage bei der Ehefrau des Antragstellers ohne weiteres dessen Arbeitgeber in Hannover festgestellt werden. Es hätte deshalb nahegelegen, die Ehefrau zu befragen und dann den Antragsteller unter der Anschrift seines Arbeitgebers in Hannover zu erreichen zu versuchen, auch wenn er dort nicht gemeldet war. In dem Vermerk der Kriminalpolizei wird angeregt, dem Antragsteller unter der Anschrift des Arbeitgebers rechtliches Gehör zu gewähren. Im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz ist dies auch ohne weiteres gelungen: Eine an die Anschrift des Arbeitgebers gerichtete Vorladung zu einer polizeilichen Vernehmung am 28.04.2004 hat den Antragsteller erreicht und dazu geführt, dass sich am 23.04.2004 ein Rechtsanwalt für ihn bei der Polizei gemeldet hat (vgl. die Kopie dieses Schreibens im noch unblattierten Teil der Ausländerakte). Gründe, warum die Antragsgegnerin gehindert gewesen wäre, diesen Weg zu beschreiten, sind nicht ersichtlich; sie sind auch nach dem Hinweisschreiben des Gerichts vom 21.12.2004 nicht geltend gemacht worden.

bb) Die öffentliche Zustellung genügte nicht den Formerfordernissen. Der Tag des Aushängens und der Tag der Abnahme sind nach § 15 Abs. 3 Satz 3 VwZG von dem zuständigen Bediensteten auf dem Schriftstück zu vermerken. Dieser Vermerk ist seinem Wesen nach eine Zustellungsurkunde und deshalb mit vollem Namenszug zu unterzeichnen (BVerwGE 104,301 <311> unter Hinweis auf BGHZ 80,320 <321f.> und BFHE 143,220 <223>). Auf dem Vermerk (Bl. 287 der Ausländerakte) befindet sich hingegen lediglich eine aus einem Buchstaben bestehende Paraphe.

cc) Eine Heilung des Zustellungsmangels lässt sich nicht feststellen. Nach § 1 Abs. 1 BremVwZG i.V.m. § 9 VwZG gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, zu dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat. Der Empfangsberechtigte hat das Schriftstück erhalten, wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen; dass er es auch in Besitz genommen hat, ist nicht zu fordern (BVerwGE 104,301 <313>; weitergehend Engelhardt/App, VwVfG/VwZG, 6. Aufl. 2004, Rn 4 zu § 15 VwZG unter Hinweis auf BGH NJW 2001,1946 <1948>: Der Empfangsberechtigte muss das Schriftstück "in die Hand bekommen" haben.). Hier ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller oder sein Prozessbevollmächtigter vor dem 02.06.2004 Kenntnis von der Verfügung erhalten haben. Jedenfalls befindet sich in den Akten kein Hinweis darauf, und auch die Antragsgegnerin hat keine Anhaltspunkte dafür angeben können. Die Unerweislichkeit geht zu Lasten der Behörde (Engelhardt/App, a.a.O. m.w.Nwn.). Auf den Zeitraum vor dem 02.06.2004 kommt es hier an, weil die Aufenthaltserlaubnis ohnehin bis zum 01.06.2004 befristet war und die nachträgliche zeitliche Beschränkung auf den Zeitpunkt der Zustellung der Verfügung bezogen war. Nach dem 01.06.2004 konnte die nachträgliche Beschränkung also keine Wirkung mehr entfalten.

dd) Aus diesem Grund geht auch der Hinweis der Antragsgegnerin fehl, der Prozessbevollmächtigte habe am 14.06.2004 Widerspruch gegen die Verfügung vom 21.03.2003 erhoben und deshalb "wohl im Rahmen von Akteneinsicht" zuvor Kenntnis von der Verfügung genommen.

Widerspruch gegen die Verfügung vom 21.03.2003 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers im übrigen nicht schon am 14.06.2004, sondern erst am 30.07.2004 erhoben. Am 14.06.2004 hat er Akteneinsicht beantragt. Sie ist mit Schreiben vom 21.06.2004 zunächst abgelehnt worden, und erst am 23.07.2004 hat die Antragsgegnerin dem Verwaltungsgericht mitgeteilt, dass der Prozessbevollmächtigte nunmehr Akteneinsicht genommen habe. Der Hinweis der Antragsgegnerin berechtigt also nur zu der Annahme, der Prozessbevollmächtigte habe durch Akteneinsicht von der nachträglichen Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis Kenntnis erhalten, nachdem die Aufenthaltserlaubnis ohnehin abgelaufen war.

Auf die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Frage, ob ein Antragsteller sich unabhängig von § 9 VwZG jedenfalls dann nicht mehr auf eine fehlerhafte Zustellung berufen kann, wenn er gegen den Verwaltungsakt Rechtsmittel eingelegt hat, ohne den Zustellungsmangel geltend zu machen (zum Streitstand vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8.Aufl. 2003, Rn 79 zu § 41 m.w.Nwn.), kommt es daher nicht an.

b) Nachteilige Folgen für den Antragsteller können auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Antragsteller die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht am letzten Tag ihrer Geltung, dem 01.06.2004, sondern erst einen Tag später beantragt hat. Wie sich aus dem Vermerk der Kriminalpolizei vom 02.06.2004 ergibt, will der Antragsteller schon am 01.06.2004 vergeblich bei der Ausländerbehörde vorgesprochen, aber keinen Termin mehr erhalten haben; er sei daraufhin am 02.06.2004 erneut aus Hannover angereist, um den Verlängerungsantrag zu stellen. Diese Angaben erscheinen glaubhaft und werden auch von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen. Der Antragsteller ist daher so zu behandeln, als ob er bereits am 01.06.2004 einen Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beantragt hätte.

Auf Grund der Fiktionswirkung der § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG, § 81 Abs. 4 Au-fenthG darf sich der Antragsteller daher gegenwärtig im Bundesgebiet aufhalten.

2. Dieses Recht bedarf der Sicherung durch Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil die Gefahr besteht, dass seine Verwirklichung andernfalls vereitelt oder wesentlich erschwert würde (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Antragstellerin bestreitet nämlich, dass der Aufenthalt des Antragstellers gegenwärtig als erlaubt gilt, und hält ihn für ausreisepflichtig. Sie sieht sich gegenwärtig auch nicht in der Lage, über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden. Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung wäre der Antragsteller daher voraussichtlich auf längere Zeit den Nachteilen ausgesetzt, die sich daraus ergeben können, dass die Antragsgegnerin seinen Aufenthalt als illegal ansieht.

Zur Vermeidung dieser Nachteile ist eine vorläufige Feststellung, dass der Aufenthalt des Antragstellers als erlaubt gilt, notwendig, aber auch hinreichend. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO bestimmt das Oberverwaltungsgericht nach freiem Ermessen, welche Anordnung zur Erreichung des Sicherungszwecks erforderlich ist. Dabei kommt auch eine vorläufige Feststellung in Betracht (vgl. Schoch, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn 35ff., 139 zu § 123; Funke-Kaiser, in GK-AuslR, Rn 79 zu § 69). Sie ist einerseits ausreichend, um die Antragsgegnerin zu veranlassen, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin sich nicht durch die getroffene vorläufige Feststellung, sondern nur durch eine - vollstreckungsfähige - vorläufige Untersagung von solchen Maßnahmen abhalten ließe, sind nicht ersichtlich. Die vorläufige Feststellung geht andererseits über die Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hinaus, als sie den Rechtsstatus des Antragstellers nicht nur gegenüber aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, sondern umfassend gegenüber der Antragsgegnerin vorläufig absichert. So hat sie beispielsweise zur Folge, dass dem Antragsteller eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG auszustellen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.

C.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil der Antragsteller - trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises - nicht die erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO und der dazu ergangenen Verordnung).

Ende der Entscheidung

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