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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: 2 B 479/08
Rechtsgebiete: GG, BremBG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
BremBG § 9
1. Die Festlegung des Anforderungsprofils für eine Stelle liegt im organisatorischen Ermessen des Dienstherrn.

2. Nur für die zwingenden Qualifikationsanforderungen gilt, dass deren Erfüllung Vorrang vor der auf einer dienstlichen Beurteilung gestützten Eignungsprognose hat.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: 2 B 479/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Richterin Meyer, Richter Dr. Grundmann und Richterin Dr. Jörgensen am 28.01.2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 6. Kammer - vom 05.09.2008 aufgehoben, soweit er dem Antrag stattgegeben hat.

Der Antrag wird insgesamt abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu tragen. Dazu gehören nicht etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Besetzung der Stelle einer Fachleiterin/eines Fachleiters für Erziehungswissenschaften.

Die Antragsgegnerin schrieb im Beiblatt zum Amtsblatt Nr. 21/2007 vom 23.10.2007 die Stelle einer Fachleiterin/eines Fachleiters für Erziehungswissenschaften - Lehramt an Gymnasien/Gesamtschulen -aus.

Auf die Ausschreibung gingen 11 Bewerbungen ein. Die Antragsgegnerin lud aus dem Bewerberkreis vier Bewerberinnen zu einem weiteren Auswahlverfahren ein, das sich in zwei Abschnitte gliederte, nämlich die Begutachtung einer Hospitationsstunde einer Referendarin/eines Referendars und das Vorstellungsgespräch. Ausgewählt wurde schließlich die Beigeladene.

Dem Antragsteller teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26.02.2008 mit, dass sie sich für eine andere Bewerberin entschieden habe.

Gegen diese Mitteilung legte der Antragsteller Widerspruch ein.

Zudem hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung aufzuerlegen, die von ihr unter dem 29.10.2007 ausgeschriebene Stelle "Fachleiter für Erziehungswissenschaften, Lehramt an Gymnasien/Gesamtschulen" nicht - wie beabsichtigt - durch einen anderen Bewerber als dem Antragsteller zu besetzen,

hilfsweise,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Mitteilung der Antragsgegnerin vom 26.02.2008, ihre Auswahl sei auf eine andere Bewerberin gefallen, anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 05.09.2008 im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, die im Beiblatt zum Amtsblatt Nr. 21/2007 vom 23.10.2007 ausgeschriebene Stelle einer Fachleiterin/eines Fachleiters für Erziehungswissenschaften, Lehramt an Gymnasien/Gesamtschulen beim Landesinstitut für Schule bis einen Monat nach der Zustellung der Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers gegen seine Nichtberücksichtigung bei der Vergabe der ausgeschriebenen Stelle oder einer anderweitigen Erledigung des Verfahrens vorläufig freizuhalten.

Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, soweit dem Antrag entsprochen worden ist.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht vor. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die Antragsgegnerin auch im vorliegenden Fall gehalten ist, die sich aus Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BremBG ergebenden Auswahlkriterien bei der Auswahlentscheidung zu beachten. Demnach gilt auch hier folgendes: Die Auswahl unter mehreren Bewerbern liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin. Die im Rahmen dieser Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt daraufhin zu überprüfen ist, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn ist es auch überlassen, welchen (sachlichen) Umständen er bei seiner Auswahlentscheidung das größere Gewicht beimisst und in welcher Weise er den Grundsatz des gleichen Zugangs zu dem Beförderungsamt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verwirklicht, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt wird (st. Rspr. des Senats, vgl. B. v. 05.07.1995 - 2 B 74, 75/95 - m.w.N.; B. v. 19.02.1999 - 2 B 11/99 - NordÖR 1999, 249 = DÖD 1999, 238 = ZBR 2001, 221, B. v. 09.01.2002 - 2 B 68/01 -, B. v. 20.01.2004 - 2 B 444/02 m.w.N., B. v. 22.03.2005 - 2 B 431/04 -, B. v. 08.10.2007 -2 B 268/07 - und B. v. 07.04.2008 - 2 B 453/07).

Maßgeblich für die Überprüfung der Auswahlentscheidung ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO grundsätzlich der Widerspruchsbescheid. Ist ein solcher - wie im vorliegenden Fall - noch nicht ergangen, ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes von der in den Akten dokumentierten Begründung der Auswahlentscheidung auszugehen (st. Rspr. des Senats, vgl. u. a. B. v. 18.10.1997 -2 B 66/97 -, B. v. 22.03.2005 - 2 B 431/04, B. v. 31.08.2005 - 2 B 206/05 - und B. v. 07.04.2008 -2 B 453/07 -).

Hier hat der Direktor des Landesinstituts für Schule (LIS) in einer Stellungnahme vom 14.03.2008 näher dargelegt, warum der Antragsteller nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen worden ist. Er hat u. a. ausgeführt, zentraler Gesichtspunkt bei der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber am Landesinstitut seien die in der Ausschreibung genannten "Erfahrungen in der Lehrerausbildung" mit den dort ebenfalls erwähnten Spezifizierungen gewesen; denn die Kernaufgabe eines Fachleiters/einer Fachleiterin für Erziehungswissenschaften sei die Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren im Rahmen der geltenden Ordnungen für den Vorbereitungsdienst auf die Zweite Staatsprüfung.

Darüber hinaus werde die Mitarbeit in Prüfungsverfahren und die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen für "AusbildungskoordinatorInnen und MentorInnen" erwartet. Der Focus habe dabei auf der Ausbildung in der zweiten Phase der Lehrerausbildung im Bereich Erziehungswissenschaften gelegen. Alle in die engere Wahl genommenen Bewerberinnen und Bewerber hätten über Ausbildungserfahrungen in der zweiten Phase der Lehrerausbildung verfügt und hätten im Bereich der Erwachsenenbildung nachweisen können, dass sie in der Vermittlung pädagogischer Kompetenzen - z. B. im Rahmen der von der Kultusministerkonferenz (KMK) phasenübergreifend vorgegebenen Standards der Lehrerausbildung - tätig gewesen seien. Dies reiche weit über die Erfahrung in der fachspezifischen Arbeit mit Studierenden und den Unterricht von Schülerinnen und Schülern in der Adoleszenz hinaus.

Diesen Ausführungen des Direktors des LIS ist zu entnehmen, dass der Antragsteller deshalb nicht zum Vorstellungsgespräch geladen worden ist, weil er keine Erfahrungen der Lehrerausbildung aufweisen könne und damit zwingende Voraussetzungen des Anforderungsprofils der ausgeschriebenen Stelle nicht erfülle. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung stand.

Soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertritt, die Antragsgegnerin habe sich bei ihrer Auswahlentscheidung nicht an das von ihr selbst aufgestellte Anforderungsprofil gehalten, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest. An diese Feststellung bleibt er im Auswahlverfahren gebunden (vgl. BVerwG, U. v. 16.08.2001 - 2 A 3/00 - m.w.N.; OVG Münster, B. v. 23.06.2004 - 1 B 455/04 - m.w.N.). Welches Anforderungsprofil der Dienstherr wählt, liegt in seinem organisatorischen Ermessen (vgl. auch OVG Münster, B. v. 23.06.2004, a. a. O.). Dabei kann er zwischen zwingenden und ohne weiteres feststellbaren Anforderungen (z. B. bestimmte Schul- oder Studienabschlüsse) und solchen, welche einen Wertungsspielraum eröffnen (z. B. durch einen Zusatz wie "möglichst" gekennzeichnet), unterscheiden; das erstellte Anforderungsprofil ist also nicht etwa schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil es auch Kriterien enthält, die sich nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten feststellen lassen, sondern z. B. persönlichkeitsbedingte Werturteile erfordern.

Nur für den Bereich der zwingenden Qualifikationsanforderungen gilt allerdings, dass deren Erfüllung Vorrang vor der auf einer dienstlichen Beurteilung gestützten Eignungsprognose hat. Erfüllt ein Bewerber auch nur eines der zwingenden Qualifikationsmerkmale nicht, so bleibt seine Bewerbung unberücksichtigt, unabhängig davon, wie er beurteilt worden ist. Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilung ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung (vgl. zum Vorstehenden auch VG Köln, B. v. 20.04.2004 - 15 L 3198/03 -).

Unter Berücksichtigung dessen ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:

Die Hauptaufgabe eines Fachleiters/einer Fachleiterin für Erziehungswissenschaften ist die Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren im Rahmen der geltenden Ordnungen für den Vorbereitungsdienst einschließlich der Vorbereitung auf die Zweite Staatsprüfung. Das hat der Direktor des LIS in seiner Stellungnahme vom 14.03.2008 betont und das steht in Einklang mit dem Ausschreibungstext, in dem diese Aufgabenbestimmung an erster Stelle genannt wird (vgl. auch § 6 Abs. 2 S. 1 Bremisches Lehrerausbildungsgesetz, wonach das LIS den Vorbereitungsdienst organisiert und verantwortet).

Vor diesem Hintergrund müssen die im Ausschreibungstext im Einzelnen unter "Bewerbungsvoraussetzungen" aufgeführten Kriterien gesehen und ausgelegt werden. Aufgeführt sind u. a. "Kenntnisse im Hinblick auf an Bildungsstandards orientierter Vermittlung von pädagogischen Kompetenzen im Rahmen der Erwachsenenbildung". Auch wenn dies sprachlich nicht geglückt sein mag, lässt sich dem Text - bei Anwendung der allgemeinen Auslegungsregeln (insbesondere § 133 BGB) - doch entnehmen, dass Kenntnisse verlangt werden, die die Bewerberin/der Bewerber anlässlich der Vermittlung von pädagogischen Kompetenzen im Rahmen der Erwachsenenbildung erworben hat. Bei Berücksichtigung der Aufgabenstellung eines Fachleiters drängt es sich auf, dass es der Behörde darauf ankam, Personen anzusprechen, die gerade auch in der Vermittlung pädagogischer Kompetenzen, wie sie insbesondere in der zweiten Phase der Lehrerausbildung (vgl. § 3 Abs. 3 Bremisches Lehrerausbildungsgesetz) stattfindet, (praktische) Erfahrung haben. So war es auch bei den in die engere Wahl gekommenen Bewerberinnen und Bewerber, die nach der Stellungnahme des Direktors des LIS vom 14.03.2008 alle in der Vermittlung pädagogischer Kompetenzen tätig waren.

Für den Antragsteller lässt sich das indes nicht feststellen. Weder die Unterrichtung von Schülern an einer (beruflichen) Schule noch die Durchführung einer Lehrveranstaltung an der Universität ist "Vermittlung von pädagogischen Kompetenzen" im Sinne der Ausschreibung.

Selbst wenn man dem nicht folgte, wäre der Antrag abzulehnen, denn unter den Bewerbungsvoraussetzungen ist weiter aufgeführt "Erfahrungen in der Lehrerausbildung z. B. als Ausbildungsbeauftragte/r, Mentor/in oder Ausbildungskoordinator/in". Auch diese (zwingende) Voraussetzung kann sich bei sachgerechter Auslegung unter Berücksichtigung der Aufgaben eines Fachleiters nur auf die zweite Phase der Lehrerausbildung beziehen.

Die Tätigkeit des Antragstellers als Lehrbeauftragter an der Universität Bremen ist deshalb in diesem Zusammenhang nicht von Gewicht.

Beachtenswerte Erfahrungen in der Referendarausbildung hat der Antragsteller nicht vorzuweisen. An der Berufsschule, an der der Antragsteller gegenwärtig tätig ist, betreut er nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin keine Referendare. Auch am Schulzentrum an der Grenzstraße, an dem der Antragsteller zuvor eingesetzt war (ab 01.08.2002), war er nicht mit der Ausbildung von Referendaren betraut. Vor August 2002 war der Antragsteller zum Staatsarchiv (1997 bis Juli 2002) und zum Hansestadt Bremischen Amt in Bremerhaven sowie an das Aus- und Fortbildungszentrum der früheren Senatskommission für das Personalwesen abgeordnet. In den Jahren von 1986 bis 1994 war er beurlaubt.

Soweit der Antragsteller demgegenüber vorträgt, er habe von 1976 bis 1985 als Lehrer an der Berufsschule für das Nahrungsgewerbe Unterricht erteilt und sei in dieser Zeit auch als Mentor in der Referendarausbildung tätig gewesen, in dem er z. B. den Referendar H. im Fach Politik betreut habe, liegt dies derart lange zurück, dass die Antragsgegnerin dem keine Bedeutung mehr beimessen musste.

Da dem Antragsteller hiernach die für die Fachleiterstelle geforderten "Erfahrungen in der Lehrerausbildung" (zweite Phase) fehlen, erfüllt er eine zwingende Qualifikationsvoraussetzung nicht, so dass es rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Antragsgegnerin ihn nicht in die engere Wahl einbezogen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Ein Anlass, etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeit dem Antragsteller aufzuerlegen, besteht nicht.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 S. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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