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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 08.12.2003
Aktenzeichen: OVG 1 B 402/03
Rechtsgebiete: GewO, InsO


Vorschriften:

GewO § 35
GewO § 12
InsO § 295
Eine Wiederzulassung zur selbständigen Gewerbeausübung nach § 35 Abs. 6 GewO kommt nur in Betracht, wenn der Betroffene nach der Gewerbeuntersagung sich seit einiger Zeit nichts mehr hat zu Schulden kommen lassen, nunmehr allen öffentlichrechtlichen Erklärungspflichten nachkommt, im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit regelmäßig Tilgungsleistungen erbringt und für die Verbindlichkeiten eine Regulierung im Rahmen des Insolvenzverfahrens durchgeführt wird.
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen

OVG 1 B 402/03

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen -1. Senat- durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 08.12.2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 8. Kammer - vom 14.10.2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht zurückgewiesen. Es kann dahinstehen, ob dem Antrag bereits entgegensteht, dass in dem Verfahren nach § 123 VwGO eine Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich unzulässig ist (Eyermann-Happ, VwGO, 11. Aufl. 2000, RdNr. 63 und 63 a zu § 123 m.w.N.). In der Zulassung zur erneuten Gewerbeausübung könnte eine solche Vorwegnahme liegen. Sie ist allenfalls unter engen Voraussetzungen zulässig. Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann dahinstehen.

Der Antragsteller hat jedenfalls nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm nach den besonderen Umständen des Einzelfalls für eine vorläufige Zulassung zur Ausübung des Malergewerbes gegenwärtig ein Anordnungsanspruch zusteht.

Nach § 35 Abs. 6 GewO ist dem Gewerbetreibenden die persönliche Ausübung des Gewerbes wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Unzuverlässigkeit, die zur Entziehung der Gewerbeerlaubnis geführt hat, nicht mehr vorliegt. Die Entscheidung über den Antrag unterliegt der vollen Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte, ein Ermessensspielraum steht der Behörde insoweit nicht zu. Es ist auf die gegenwärtigen Verhältnisse abzustellen (Hess. VGH, Urt. v. 28.05.1990 - 8 VE 878/89 - GewArch 1990, 326 f. m. w. N.). Tatsachen, die gegenüber dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Entziehung nach § 35 Abs. 1 GewO (Erlass des Widerspruchsbescheides in dem Entziehungsverfahren - 27.3.2001) begründen könnten, dass die damals festgestellte Unzuverlässigkeit jetzt entfallen ist, sind durch den Antragsteller bisher nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch die Neufassung des § 12 GewO, der mit Wirkung vom 1.1.1999 die gewerberechtlichen Vorschriften an das neue Insolvenzrecht angepasst hat. Der Senat hat dazu bereits im Beschluss vom 12.9.2002 - 1 B 318/02 - folgendes ausgeführt:

§ 12 GewO, der die gewerberechtlichen Vorschriften an das neue Insolvenzrecht anpasst und dem Insolvenzrecht zuwiderlaufende gewerberechtliche Entscheidungen verhindern will, bezieht sich schon seinem Wortlaut nach nur auf die Anwendung von Vorschriften, die die Einstellung eines Gewerbes, nicht aber auf Vorschriften, die die (Wieder-) Eröffnung eines Gewerbes betreffen. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen nicht dafür, sie so zu verstehen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Untersagungsgründe nachträglich entfallen und deshalb zu einer Wiedergestattung veranlassen könnte. Es ist im Gegenteil "kein Grund erkennbar, einem Unzuverlässigen die Ausübung eines Gewerbes erst noch zu gestatten, die es ihm entgegen den vorrangigen Schutzzwecken des Gewerberechts ermöglichen würde, unter Umständen die Allgemeinheit, einzelne Geschäftspartner oder Arbeitnehmer zu schädigen. Deshalb spricht auch nichts dafür, dass § 12 GewO in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO Bedeutung erlangen könnte." (Hahn, GewArch 2000,361 <362>; zustimmend Heß, in: Friauf <Hg>, GewO, Rn 13 zu § 12).

An dieser Auslegung der §§ 35 Abs. 6 und 12 GewO ist festzuhalten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 295 Abs. 2 InsO. § 295 Abs. 2 InsO gestattet dem Schuldner, auch eine selbstständige Tätigkeit auszuüben; eine Verpflichtung der Behörde, den Schuldner - ungeachtet der weiteren gewerberechtlichen Voraussetzungen - zur selbständigen Ausübung eines Gewerbes zuzulassen, enthält die Norm nicht (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.04.2001 - 4 A 5159/00 -). Es spricht aber einiges dafür, dass ein Anspruch auf Wiederzulassung zum Gewerbe auch im Rahmen des § 35 Abs. 6 GewO - unabhängig von noch bestehenden Altverbindlichkeiten - gegeben sein kann, wenn der Betroffene nunmehr in geordneten Vermögensverhältnissen lebt, sich seit einiger Zeit nichts mehr hat zu Schulden kommen lassen, im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit regelmäßig Tilgungsleistungen erbringt und für die Verbindlichkeiten eine Regulierung im Rahmen des Insolvenzverfahrens durchgeführt wird (so: Leibner, Das Verhältnis des § 295 Abs. 2 InsO zu § 35 GewO, in:

ZInsO 2002, 61, 63). Diese Voraussetzungen sind jedoch im Fall des Antragstellers bisher nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden.

Die Gewerbeuntersagung ist im wesentlichen darauf gestützt worden, dass der Antragsteller bis 1994 als selbständiger Malermeister einen Gewerbebetrieb unterhielt, von 1991 bis 1994 keine Umsatzsteuererklärungen abgab, seine Arbeitnehmer nicht zur Lohnsteuer beim Finanzamt anmeldete und deshalb Steuerrückstände von über 200.000 DM hatte. Wegen Steuerverkürzung in 14 Fällen war er 1998 zu einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden, die Bewährungszeit wurde bis September 2002 verlängert. Die wirtschaftlichen Schäden gegenüber seinen Kunden und Lieferanten waren noch wesentlich höher. Nach Neuanmeldung des Gewerbes im September 2000 wurde ihm im Dezember 2000 die Ausübung des Gewerbes untersagt. Der Widerspruchsbescheid erging unter dem 27.3.2001. Klage und Antrag auf Zulassung der Berufung blieben ohne Erfolg. Die Gewerbeuntersagung ist damit nicht allein auf nicht vorhandene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sondern vor allem auf persönliche Unzuverlässigkeit gestützt worden. Der Antragsteller ist in umfassendem Maße seinen öffentlich-rechtlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen und hat damit schwerwiegende wirtschaftliche Schäden verursacht.

Eine Wiederzulassung zur selbständigen Ausübung eines Gewerbes kann unter diesen Umständen nur in Betracht kommen, wenn der Antragsteller durch ein geändertes Verhalten über einen hinreichend langen Zeitraum verdeutlicht, dass die insoweit jedenfalls bisher gegebene persönliche Unzuverlässigkeit nicht mehr besteht. Solche detaillierten Erklärungen zu einem geänderten Verhalten seit dem 27.3.2001, insbesondere dass und wie er inzwischen seinen sämtlichen Verpflichtungen zur Abgabe von Erklärungen über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachgekommen ist, liegen bisher nicht vor. Es ist auch von ihm nicht glaubhaft gemacht, dass und welche Tilgungsleistungen er erbringt und wie konkret seine Verbindlichkeiten reguliert worden sind. Solche Erklärungen können im Hauptsacheverfahren abgegeben und nach den dargelegten Maßstäben des § 35 Abs. 6 GewO bewertet werden. Für eine Wiederzulassung zur selbständigen Ausübung eines Gewerbes im Wege der einstweiligen Anordnung und unter Vorwegnahme der Hauptsache besteht - jedenfalls gegenwärtig - keine hinreichende tatsächliche Grundlage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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