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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 25.09.2009
Aktenzeichen: S3 A 272/07
Rechtsgebiete: AsylbLG, GG


Vorschriften:

AsylbLG § 2 Abs. 1
AsylbLG § 3
GG Art. 3 Abs. 1
Eine Verletzung des soziokulturellen Existenzminimums wegen unzureichender Leistungen nach § 3 AsylbLG setzt eine differenzierte Darlegung nicht gedeckter Bedarfe voraus. Dabei sind Leistungen nach § 6 AsylbLG in die Betrachtung mit einzubeziehen.
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Im Namen des Volkes! Urteil

OVG: S3 A 272/07

verkündet am 25.09.2009

In dem Rechtsstreit

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 3. Senat für Sozialgerichtssachen -durch Richterin Meyer, Richter Dr. Grundmann und Richter Prof. Alexy sowie die ehrenamtlichen Richter K.-R. Friese und K. Heins aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 5. Kammer für Sozialgerichtssachen - vom 07.03.2007 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren Leistungen nach § 2 AsylbLG.

Der 1975 geborene Kläger zu 1. und die 1979 geborene Klägerin zu 2., aus dem Kosovo stammende Roma, sind die Eltern der Kläger zu 3. - 6.. Nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland betrieben sie ein Asylverfahren und wurden als Flüchtlinge anerkannt. Seit dem Widerruf der Anerkennung werden sie geduldet. Die Klägerin zu 2. war vorübergehend im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG.

Nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bezogen die Kläger zu 1.-4. vom zuständigen Landkreis Nordwestmecklenburg für die Zeit vom 8. Oktober 1998 bis zum 31. August 1999 zunächst Leistungen nach dem AsylbLG und vom 1. September bis zum 30. November 1999 Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes -BSHG-. Nach ihrem Umzug nach Nordhorn erhielten sie dort ab dem 14. Dezember 1999 Hilfe zum Lebensunterhalt, die vom Zeitpunkt der Geburt der Kläger zu 5. und 6. für diesen beiden Kinder ebenfalls gewährt wurde.

Im Dezember 2003 verzogen die Kläger nach Bremen, wo sie bis einschließlich September 2004 Leistungen nach dem BSHG bezogen. Ab Oktober 2004 wurden wegen übersteigenden Einkommens keine Leistungen mehr bewilligt.

Von Oktober 2005 an erhielten die Kläger wieder Leistungen nach § 3 AsylbLG. Die Klägerin zu 2., die mittlerweile vom Kläger zu 1. getrennt lebt, erhält seit dem 1. Mai 2009 für sich und die Kläger zu 3 bis 6. Leistungen nach dem SGB II.

Gegen den Bescheid des Amtes für Soziale Dienste vom 27. Januar 2006, mit dem den Klägern zu 1. bis 6. für den Zeitraum von Januar bis Juni 2006 Leistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt wurden, erhoben sie Widerspruch, mit dem sie geltend machten, sie hielten sich seit über 36 Monaten in der Bundesrepublik Deutschland auf und hätten die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Deshalb seien ihnen gemäß § 2 AsylbLG Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Den Widerspruch wies der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2006 als unbegründet zurück. Die Kläger erfüllten die Voraussetzungen für die Gewährung der Analog-Leistungen nicht, da sie nicht für die Dauer von 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten hätten.

Am 31. Juli 2006 haben die Kläger Klage erhoben. Das Recht auf Achtung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG, das auch Ausländern zustehe, beinhalte das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Dieses gewährleisteten die Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht. Es stelle zudem einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn ihnen als Ausländern Sozialleistungen vorenthalten würden, die im Inland ansässigen Personen gewährt würden. Diese Ungleichbehandlung sei auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht zu vereinbaren.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2006 zu verpflichten, ihnen Leistungen nach § 2 AsylbLG zu bewilligen und auszuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid abgewiesen und zu Begründung auf die im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ergangenen Beschlüsse vom 11. April 2006 (VG S5 V 507/06) und vom 20. Juni 2006 (OVG S3 B 187/06) Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung führen die Kläger Berufung, mit der sie auf die Ausführungen in der Klagebegründung verweisen. Im Übrigen machen sie geltend, dass die Versagung der AnalogLeistungen mit der Rechtsprechung des EGMR in den Verfahren N. gegen Deutschland und O. gegen Deutschland sowie im Verfahren P. gegen Frankreich nicht zu vereinbaren sei. Schließlich verstoße § 3 AsylbLG, der seit 1993 nicht mehr an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst worden sei, gegen Art. 1 Abs. 1 GG.

Die Kläger beantragen,

das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob §§ 2 und 3 AsylbLG mit Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 27 der UNO-Kinderrechtskonvention sowie mit Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG vereinbar sind,

den Rechtstreit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen über die Frage, ob die Leistungssätze nach § 3 AsylbLG mit dem Recht auf Eigentum aus Art. 1 Abs. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention i. V. m. dem Diskriminierungsverbot aus Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sind,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 5. Kammer für Sozialgerichtssachen - vom 07.03.2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.01.2006 und Widerspruchsbescheides vom 26.06.2006 zu verpflichten, ihnen Leistungen nach § 2 AsylbLG zu bewilligen und diese auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Gerichtsbescheid und auf ihren bisherigen Vortrag.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die Leistungsakten der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG für den mit dem angefochtenen Bescheid geregelten Zeitraum von Januar bis Juni 2006, denn sie erfüllen die Voraussetzungen der Vorschrift nicht. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) ist abweichend von den §§ 3 - 7 AsylbLG das XII. Buch Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten (ab 28. August 2007: 48 Monate; Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - BGBl. I S. 1970 - ) Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Kläger zu 1. bis 4. hatten am 1. Januar 2006 Leistungen nach § 3 AsylbLG lediglich für insgesamt 13 Monate und 24 Tage bezogen (08.10.1998 - 31.08.1999 und 01.10. - 31.12.2005) und die Kläger zu 5. und 6. lediglich für drei Monate (01.10. - 31.12. 2005).

Höherwertige Sozialleistungen sind auf die Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht anzurechnen. Der Senat hat wiederholt entschieden (Beschl. v. 18.12.2007 - S3 B 487/07; Beschl. v. 02.02.2008 - S3 B 435/07; Beschl. v. 27.03.2008 - S3 B 262/07 und vom 19.05.2008 - S3 B 168/08; Urt. v. 18.06.2009 - S3 A 165/08), dass wegen des eindeutigen Wortlauts des § 2 AsylbLG der Bezug erhöhter Leistungen nach § 2 AsylbLG einen 48 Monate dauernden Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG erfordert. Sinn und Zweck der Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG, deren Gesetzesentwicklung und die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 2 AsylbLG mit Wirkung vom 28.08.2007 (Anhebung der Vorbezugszeit auf 48 Monate) stehen einer den Wortlaut erweiternden Auslegung des § 2 AsylbLG entgegen, mit der Bezugszeiten anderer Leistungen als der nach § 3 AsylbLG - auch solcher nach § 2 AsylbLG - oder Zeiten ohne irgend einen Leistungsbezug gleichgestellt würden. Mit der Verlängerung der Vorbezugszeit sollten nach der Gesetzesbegründung Leistungsberechtigte des AsylbLG (auch) ermutigt werden, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern (BT-Drucksache 16, 5065, S. 155).

Die von den Klägern geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschriften der §§ 2 und 3 AsylVfG teilt der Senat nicht. Das Verfahren ist deshalb nicht - wie von ihnen beantragt -gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen.

Die Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Dieser Grundsatz gebietet dem Gesetzgeber unter steter Orientierung am Gleichheitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nur dann verletzt, wenn für die unterschiedliche Behandlung von ähnlichen Sachverhalten ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2006, Az: 1 BvR 1484/99 - juris). Er ist aber nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Unterscheidungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (vgl. BVerfG a. a. O.).

Der Gesetzgeber setzt für den Erhalt erhöhter Leistungen nach § 2 AsylbLG den tatsächlichen Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG über einen Zeitraum von 36 Monaten (nach der bis zum 27.08.2007 geltenden Rechtslage) oder 48 Monaten (nach der seit dem 28.08.2007 geltenden Rechtslage) und nicht nur einen bloßen Zeitablauf oder die Dauer der Leistungsberechtigung im Sinne des § 1 AsylbLG dem Grunde nach voraus. Der erhöhte Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG stellt gegenüber dem Leistungsbezug nach den §§ 1, 3 AsylbLG eine Sonderreglung dar. Mit dem Bezug abgesenkter Leistungen soll der Anreiz gemindert werden, aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu kommen (vgl. BT-Drucksache 12/508, 13). Der Sinn und Zweck der Norm gilt grundsätzlich auch schon bei langjährig in der Bundesrepublik lebenden und vorübergehend erwerbstätigen Ausländern wie dem Kläger zu 1., die erst später von staatlichen Sozialleistungen (wieder) abhängig werden.

Es steht im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Ausländer mit ungesichertem Aufenthaltsstatus ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen (BVerfG, Beschluss vom 11.07.2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. vom 20.01.2009 - L 11 AY 36/08 - juris). Die Regelungen im AsylbLG, wonach nicht alle Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG einen Anspruch auf Leistungen auf dem Niveau von Sozialhilfeleistungen haben und entsprechend dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus innerhalb des AsylbLG differenziert wird, verstoßen deshalb zur Überzeugung des Senates nicht gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes.

Das gilt auch, soweit die Kläger die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar halten. Verfassungsrechtlich ist das Existenzminimum in Art. 1 Abs. 1 GG dergestalt garantiert, dass es Aufgabe des Staates ist, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu schaffen. In Anwendung dieser Maßstäbe hatte bereits das BVerwG (Beschluss vom 29. September 1998 - 5 B 82/97 -, NVwZ 1999, 669 mit Bezug auf die Rechtsprechung des BVerfG) entschieden, dass der Umstand, dass die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG geringer ausfallen als vergleichbare Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (jetzt SGB XII), nicht die Annahme rechtfertigt, der Gesetzgeber gewährleiste mit den Leistungen nach dem AsylbLG nicht das verfassungsrechtlich Gebotene. Soweit die Kläger geltend machen, erst die Leistungen nach dem SGB XII stellten das sog. soziokulturelle Existenzminimum sicher, übersehen sie, dass die geringeren Leistungen nach § 3 AsylbLG mit der besonderen, regelmäßig nur auf absehbare Dauer angelegten Aufenthaltssituation und einem deshalb abweichenden Bedarf von Berechtigten nach dem AsylbLG gerechtfertigt werden.

Die Unvereinbarkeit von § 3 AsylbLG mit Art. 1 Abs. 1 GG können die Kläger auch nicht im Hinblick auf eine seit 1993 unterbliebene Anpassung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten mit Erfolg geltend machen. Insoweit beschränken sie sich auf eine allgemein gehaltenen Kritik und lassen nicht nur eine differenzierte Darlegung ihrer nicht gedeckten Bedarfe vermissen, sondern sie lassen insbesondere die in § 6 AsylbLG geregelten sonstigen Leistungen außer Betracht, die gewährt werden können, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich oder zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten sind. Dabei übersehen die Kläger, dass Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Gerichte zu einer umfassenden Prüfung verpflichtet, die beim untrennbaren Zusammenwirken gesetzlicher Einzelregelungen in einem Normengeflecht das gesamte einschlägige Regelwerk verfassungsrechtlich in den Blick zu nehmen hat (BVerfG, Beschl. vom 12.02.1992 - 1 BvL 21/88 - BVerfGE 85, 337, 340). Die Kläger hätten deshalb im Einzelnen darlegen müssen, aus welchen Gründen ihr wirtschaftliches Existenzminimum durch die ihnen zur Verfügung gestellten Leistungen und ggf. zusätzlich beantragte, aber abgelehnte Leistungen unterschritten worden sei.

Diese Darlegungen sind für die Kläger zu 3. bis 6. nicht im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts an das BVerfG vom 27.01.2009 (- B 14 AS 5/08 R-) entbehrlich, mit dem das BSG die Frage der Verfassungswidrigkeit von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II wegen der einheitlichen Festsetzung der Regelleistung für alle Kinder und Jugendlichen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres mit 60 v. H., ohne dabei weitere Altersstufen vorzusehen und ohne dass der für Kinder notwendige Bedarf ermittelt und definiert wurde, aufgeworfen hat.

Die Ausführungen des BSG in dem vorgenannten Vorlagebeschluss sind auf die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, die gemäß Abs. 1 als Sachleistungen und, soweit dies bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen nicht der Fall ist, in Form von Wertgutscheinen oder von Geldleistungen erbracht werden, nicht übertragbar. Denn die Grundleistungen beruhen auf den um 20 v. H. abgesenkten Regelsätzen für Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt. § 3 AsylbLG sieht ebenso wie früher § 2 Abs. 3 RegelsatzVO für Kinder und Jugendliche unterschiedliche Sätze bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres, von Beginn des 8. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und von Beginn des 15. Lebensjahres an vor. Diese Einteilung der Regelsatzgruppen ist mit der Einführung des Statistikmodells als Bemessungsgrundlage erfolgt und beruht auf der Gutachtlichen Äußerung des Deutschen Vereins zur Ableitung der Regelsätze für sonstige Haushaltsangehörige (vgl. W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 2 RegelsatzVO Rdnr. 1b). Anders als § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II liegt § 3 AsylbLG damit die für den Bedarf von Kindern notwendige Ermittlung und Definierung zugrunde.

Aus den vorstehenden Erwägungen ist deshalb auch ein Verstoß gegen Art. 27 UN-Kinderrechtskonvention zu verneinen.

Die Bestimmungen des AsylbLG verstoßen weiter nicht gegen das in Art. 14 EMRK niedergelegte Diskriminierungsverbot. Danach ist der Genuss der in der Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ist eine unterschiedliche Behandlung im Sinne von Art. 14 der Konvention, der auch im Rahmen der Gewährung von Sozialleistungen angewandt wird, diskriminierend, wenn es für sie "keine objektive und angemessene Rechtfertigung gibt", d.h. wenn mit ihr kein "legitimes Ziel" verfolgt wird oder "die eingesetzten Mittel zum angestrebten Ziel nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen". Die Vertragsstaaten haben einen gewissen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Frage, ob und inwieweit Unterschiede bei ansonsten ähnlichen Situationen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl. EGMR, Urteil vom 25. Oktober 2005 - 59140/00 (O.)-, Nr. 33 des Urteils, - juris -, mit Verweis u. a. auf Urteil vom 11. Juni 2002 - 36042/97 (W.), Nr. 39 des Urteils). Der EGMR hat bezüglich der Gewährung von Sozialleistungen an Ausländer nicht entschieden, dass es generell verboten ist, zwischen Inhabern verschiedener Arten von Aufenthaltsgenehmigungen zu unterscheiden (vgl. u. a. EGMR, Urteil vom 25. Oktober 2005 (O.) Nr. 34, a. a. O.). Er hat die Frage, ob gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK verstoßen wird, jeweils unter besonderer Berücksichtigung der konkreten Sozialleistung und der gesetzgeberischen Konzeption entschieden. So hat der EGMR jeweils ganz konkret und einzelfallbezogen z. B. im Verfahren O. zu der deutschen Kindergeldregelung (Urteil vom 25. Oktober 2005 - 59140/00 -), im Verfahren P. zu einer österreichischen Urlaubsgeldregelung (Urteil vom 27. März 1998 - 20458/92 -), im Verfahren P. zu der französischen Behindertenhilfe (Urteil vom 30.09.2004 - 40892/98 -) und im Verfahren W. zu einer britischen Beihilferegelung (Urteil vom 11. Juni 2002 - 36042/97 -) entschieden. Unter Berücksichtigung der im o. a. Urteil des EGMR vom 25. Oktober 2005 dargelegten Maßstäbe gibt es unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber einzuräumenden gewissen Ermessensspielraumes eine objektive und angemessene Rechtfertigung dafür, bestimmte Gruppen von Ausländern durch die Regelung in § 1 Abs. 1 AsylbLG dem Leistungskonzept des AsylbLG zu unterstellen. Es handelt sich bei diesen Gruppen von Ausländern nämlich regelmäßig um Personen, die sich üblicherweise nur vorübergehend in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Andere Personen fallen nicht in den Anwendungsbereich des AsylbLG. Dieses gilt auch für die von § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG erfassten Ausländer mit den dort genannten Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 Abs. 1 oder § 24 AufenthG wegen Krieges in ihrem Heimatland oder nach § 25 Abs. 4 Satz 1 oder § 25 Abs. 5 AufenthG. Nicht alle Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 23, 24 AufenthG werden erfasst, sondern nur diejenigen, die "wegen Krieges in ihrem Heimatland" erteilt worden sind, d.h. wegen eines typischerweise vorübergehenden Ereignisses. Gleiches gilt für die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 4 und 4a AufenthG, die schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift für einen vorübergehenden Aufenthalt erteilt werden. Auch die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wird vom Konzept her nicht für einen Daueraufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erteilt, denn die Ausländer sind vollziehbar ausreisepflichtig. Auch wenn Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist, dass die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, wird diese Aufenthaltserlaubnis gemäß § 26 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich jeweils nur für längstens sechs Monate, nach einem mindestens 18-monatigen rechtmäßigen Aufenthalt nur für jeweils längstens drei Jahre erteilt. Aus § 26 Abs. 2 AufenthG wird deutlich, dass jeweils zu prüfen ist, ob das Ausreisehindernis entfallen ist. Sollte der Aufenthalt mit Bezug von Sozialleistungen entgegen den mit dem jeweiligen Aufenthaltsstatus verbundenen Erwartungen eine bestimmte Dauer (36 Monate nach der Rechtslage bis zum 27. August 2007 bzw. 48 Monate nach der seit dem 28. August 2007 geltenden Rechtslage) übersteigen, hat der Gesetzgeber dem dadurch Rechnung getragen, dass sodann gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG grundsätzlich Leistungen entsprechend dem allgemeinen Sozialhilfeniveau gewährt werden. Aufgrund dieser nicht sachwidrigen Differenzierungen liegt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK nicht vor (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. vom 18.12.2007 - L 11 AY 60/05).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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