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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 22.05.2008
Aktenzeichen: St 1/08
Rechtsgebiete: BremWG


Vorschriften:

BremWG § 55 Abs. 2
1. Die im Bremischen Wahlgesetz geregelten Fristen für das Wahlverfahren und das Wahlprüfungsverfahren sind Ausschlussfristen.

2. Mit dem Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in § 55 Abs. 2 BremWG hat der Gesetzgeber die Grenze seines Gestaltungsspielraums nicht überschritten.


STAATSGERICHTSHOF DER FREIEN HANSESTADT BREMEN

Urteil vom 22. Mai 2008

- St 1/08 -

in dem Wahlprüfungsverfahren betreffend die Wahl zur 17. Bremischen Bürgerschaft am 13. Mai 2007

Tenor:

Die Beschwerde der "B. H. V. unabhängige Wählervereinigung B.remer H. a V en e. V." gegen die Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts vom 19. November 2007 wird verworfen.

Gründe:

A.

Gegenstand des Verfahrens ist die Gültigkeit der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft (Landtag) vom 13. Mai 2007.

I.

1. Mit Schreiben vom 7. Februar 2007 zeigte die Beschwerdeführerin dem Landeswahlleiter an, dass sie sich an den Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft (Landtag) und zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bremerhaven am 13. Mai 2007 beteilige. Ihre Satzung in der Fassung vom Dezember 2002 fügte sie dieser Anzeige bei. Auf seiner Sitzung vom 16. März 2007 verweigerte der Landeswahlausschuss der Beschwerdeführerin die Anerkennung als Wählervereinigung für die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft (Landtag), weil sie in ihrer Satzung Bürgern aus dem Wahlbereich Bremen keine vollen Mitgliedschaftsrechte einräume. Zu der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft (Landtag) vom 13. Mai 2007 konnte sie deshalb keine Wahlvorschläge einreichen.

2. Nach der Bekanntmachung des endgültigen Ergebnisses der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft (Landtag) durch den Landeswahlleiter am 8. Juni 2007 (Brem.Abl. S. 611) legte die Beschwerdeführerin am 27. Juni 2007 beim Landeswahlleiter Einspruch gemäß § 38 BremWG ein. Der Einspruch wurde dem Wahlprüfungsgericht durch den Landeswahlleiter am 11. Juli 2007 vorgelegt. Zur Begründung führte die Beschwerdeführerin aus:

a) Sie sei einspruchsberechtigt, da sie sich durch ihre Beteiligungsanzeige vom 7. Februar 2007 an der Wahl beteiligt habe. Zur Wahl gehöre das gesamte Verfahren von der Beteiligungsanzeige über die Einreichung der Wahlvorschläge und den Abstimmungsvorgang bis zur Feststellung des Wahlergebnisses.

b) Die Zurückweisung der Beteiligungsanzeige für die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft (Landtag) durch den Landeswahlausschuss sei rechtswidrig gewesen. Ihre Satzung entspreche, anders als vom Landeswahlausschuss angenommen, demokratischen Mindestanforderungen, auch wenn sie nur für die Belange der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bremerhaven eintrete. Ihre Satzung schließe niemanden von der Willensbildung innerhalb der Wählervereinigung aus und sehe für nicht in Bremerhaven ansässige Bürger das Institut der Gastmitgliedschaft vor. Die Satzung stelle allerdings sicher, dass das vordringliche Anliegen der Beschwerdeführerin nicht durch Fremdbestimmung verwässert werden könne. Sie stehe damit weder zum Demokratiegrundsatz des Grundgesetzes und der Bremischen Landesverfassung noch zum Bremischen Wahlgesetz in Widerspruch. Ablehnungsgründe hätten sich ausschließlich auf nicht eingehaltene formale Kriterien zu beziehen. Die Nichtzulassung durch den Landeswahlausschuss sei politisch motiviert und willkürlich. Eine Prüfung der Satzung dahingehend, ob sie eine demokratische Grundlage für etwaige Wahlvorschläge im gesamten Wahlgebiet gewährleiste, sei in § 16 BremWG nicht vorgesehen. Die Entscheidung des Landeswahlausschusses vereitele überdies das durch Art. 75 BremLV geschützte Recht, sich als Partei oder Wählervereinigung nur in einem der beiden Wahlbereiche politisch zu betätigen. Die Beschwerdeführerin hat beantragt festzustellen, dass die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft (Landtag) vom 13. Mai 2007 für den Wahlbereich Bremerhaven ungültig ist. Die Beteiligten zu 1. und 2. beantragten, den Einspruch zurückzuweisen.

3. Mit Beschluss vom 19. November 2007 hat das Wahlprüfungsgericht den Einspruch zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus, der Einspruch sei zwar zulässig aber unbegründet, weil die Beschwerdeführerin jedenfalls mit Blick auf die Wahl 2007 die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 BremWG nicht erfüllt habe. Wählervereinigungen müssten sich nach dieser Vorschrift auf das ganze Land Bremen beziehen, also auf die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven. Da sich die Beschwerdeführerin nach ihrer Satzung auf Bremerhaven beschränke, lägen die Voraussetzungen für eine Zulassung bei ihr nicht vor. Auf Wählervereinigungen seien nach § 19 Abs. 7 BremWG die für Parteien geltenden Regelungen anzuwenden. Für Parteien aber gelte mit Blick auf Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG die Verpflichtung, allen Wahlberechtigten einen gleichberechtigten Zugang zu eröffnen. Auf Art. 75 BremLV könne sich die Beschwerdeführerin nicht berufen. Zwar könne sich eine Partei oder Wählervereinigung durchaus auf einen der beiden Wahlbereiche beschränken; das gelte jedoch nur für Parteien und Wählervereinigungen, die die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BremWG erfüllten. Der Beschluss des Wahlprüfungsgerichts wurde der Beschwerdeführerin am 15. Dezember 2007 mit Rechtsbehelfsbelehrung versehen zugestellt.

II.

Am Freitag, dem 28. Dezember 2007 hat die Beschwerdeführerin einen hiergegen gerichteten und an das Wahlprüfungsgericht adressierten Beschwerdeschriftsatz als "Einschreiben National" bei der Deutschen Post AG in Bremerhaven aufgegeben (Sendungsnummer RT 1943 8779 6DE). Dieses Einschreiben wurde am 31. Dezember 2007 von einem Mitarbeiter der Deutschen Post AG eingescannt, da er es am selben Tag zustellen wollte. Da die Eingangsstelle des Fachgerichtszentrums der Freien Hansestadt Bremen am 31. Dezember 2007 jedoch wegen des "Brückentages" geschlossen war, führte er das "Einschreiben National" wieder an den Zustellpunkt zurück. Ausweislich des Eingangsstempels der Eingangsstelle des Fachgerichtszentrums der Freien Hansestadt Bremen ist der Beschwerdeschriftsatz erst am 2. Januar 2008 beim Staatsgerichtshof eingegangen.

1. Die Beschwerdeführerin hält die Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts für rechtswidrig.

a) Zur Begründung führt sie aus, die Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts verkenne den Regelungsgehalt von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BremWG, bedeute in der Sache eine unzulässige inhaltliche Überprüfung ihrer politischen Ziele und erschwere ihre demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten. Der insoweit parallelen Bestimmung in § 18 Abs. 4 BWahlG seien noch nie Anforderungen an die räumliche Ausdehnung einer Partei entnommen worden.

b) Wäre die Beschwerdeführerin zugelassen worden, hätte bereits eine verhältnismäßig geringfügige Änderung des Stimmenaufkommens Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) haben können. Ausweislich des amtlichen Endergebnisses hätten bei der DVU bereits ein Minus von 159 Stimmen, bei der Partei DIE LINKE ein Minus von 854 Stimmen, bei der FDP ein Minus von 1.683 Stimmen, bei den GRÜNEN ein Minus von 1.408 Stimmen, bei der CDU ein Minus von 2.062 Stimmen und bei der SPD ein Minus von 1.194 Stimmen ausgereicht, um eine Mandatsveränderung herbeizuführen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass eine Zulassung der Beschwerdeführerin solche Veränderungen bewirkt hätte. Bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bremerhaven am 13. Mai 2007 seien 271 Stimmen (0,61%) auf sie entfallen, bei der vorhergehenden Wahl vom 28. September 2003 waren es 848 Stimmen (1,92 %), und bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft (Landtag) am 25. Mai 2003, zu der sie im Wahlbereich Bremerhaven - anders als 2007 - zugelassen worden war, 789 Stimmen (1,71%).

Die Beschwerdeführerin beantragt,

die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft (Landtag) vom 13. Mai 2007 im Wahlbereich Bremerhaven für ungültig zu erklären;

hilfsweise,

festzustellen, dass die Nichtzulassung der B. H. V. unabhängige Wählervereinigung B.remer H. a V. en e. V. zur Wahl der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) vom 13. Mai 2007 rechtswidrig war.

2. Der Beteiligte zu 2. beantragt,

die Beschwerde zu verwerfen;

hilfsweise,

die Beschwerde zurückzuweisen.

a) Er ist der Auffassung, dass die Beschwerde am 2. Januar 2008 verspätet eingegangen sei und für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach der ausdrücklichen Regelung in § 55 Abs. 2 BremWG kein Raum bleibe.

b) Vorsorglich unterstützt er die Rechtsauffassung des Wahlprüfungsgerichts, wonach nur solche Wählervereinigungen zur Wahl der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) zuzulassen seien, die Vereinigungen von Wählern aus dem ganzen Lande Bremen darstellten. Das sei bei der Beschwerdeführerin nicht der Fall, da sie ausweislich ihrer Satzung als ordentliche Mitglieder und Funktionsträger nur Personen zulasse, die ihren Hauptwohnsitz in Bremerhaven hätten. Den demokratischen Anforderungen an die Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl (Art. 75 Abs. 1 BremLV), die nach Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG auch für die innere Ordnung der Parteien Geltung beanspruchten, werde dies nicht gerecht. Auf Art. 75 BremLV könne sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang nicht berufen.

c) Der Präsident der Bremischen Bürgerschaft hat sich nicht geäußert.

Der Senator für Justiz und Verfassung hat mit Schreiben vom 14. Februar 2008 mitgeteilt, dass er von einer Äußerung absehe.

3. Am 11. Januar 2008 hat der Präsident des Staatsgerichtshofes die Beschwerdeführerin auf die mögliche Verfristung der Beschwerde hingewiesen. Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. und 22. Januar 2008 Gegenvorstellung erhoben und dargelegt, dass sie alles Erforderliche getan habe, um für eine fristgerechte Einlegung der Beschwerde zu sorgen. Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2008 hat sie sodann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung beruft sie sich darauf, dass sie die Beschwerdeschrift am 28. Dezember 2007 so rechtzeitig auf den Weg gebracht habe, dass sie von einer fristgerechten Zustellung habe ausgehen können.

B.

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie verspätet erhoben worden ist (I.). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren (II.).

I.

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist (§ 39 Abs. 1 BremWG) angebracht worden.

Die Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts ist der Beschwerdeführerin am 15. Dezember 2007 zugestellt worden und war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Die von § 39 Abs. 1 BremWG bestimmte Frist von zwei Wochen lief daher am 31. Dezember 2007 ab, § 12 Abs. 1 BremStGHG in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 BremWG, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB (BremStGHE 7, 141, 150; Bethge in: Maunz u .a. [Hrsg.], Bundesverfassungsgerichtsgesetz, vor § 17 Rdnr. 13 ff.). Da die Wahlprüfungsbeschwerde erst am 2. Januar 2008 beim Fachgerichtszentrum der Freien Hansestadt Bremen eingegangen ist, ist sie verspätet.

II.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand findet nicht statt.

1. § 55 Abs. 2 BremWG schließt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausdrücklich aus.

a) § 55 Abs. 2 BremWG bezieht sich vom Wortlaut her unterschiedslos auf alle im Bremischen Wahlgesetz geregelten Fristen, und damit auch auf die Beschwerdefrist nach § 39 Abs. 1 BremWG.

b) Für dieses Ergebnis sprechen unter systematischen Gesichtspunkten nicht nur die Regelung des Ausschlusses der Wiedereinsetzung bei den Schlussbestimmungen des Bremischen Wahlgesetzes, sondern insbesondere auch das Verhältnis der beiden Absätze des § 55 BremWG zueinander. In § 55 Abs. 1 Satz 1 BremWG ist bestimmt, dass sich die "in diesem Gesetz" vorgesehenen Fristen, abweichend von den allgemeinen Regelungen (§ 222 Abs. 2 ZPO, § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG), nicht dadurch verlängern oder ändern, dass der letzte Tag der Frist auf einen Sonnabend, einen Sonntag oder einen staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag fällt. Für die Beschwerdefrist nach § 39 Abs. 1 BremWG ordnet § 55 Abs. 1 Satz 2 BremWG jedoch ausdrücklich eine Ausnahme von dieser Regelung an. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Frist des § 39 Abs. 1 BremWG zum Regelungsgegenstand des § 55 BremWG gehört. Dadurch, dass § 55 Abs. 2 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt, ohne für die Beschwerdefrist des § 39 Abs. 1 BremWG eine Ausnahme zu machen, bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass auch diese Frist eine Ausschlussfrist ist.

c) Diese Auslegung wird auch durch einen Vergleich mit der Ausgestaltung des Wahlrechts in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland gestützt. Der Bremische Gesetzgeber hat mit § 55 Abs. 2 BremWG eine Regelung getroffen, die auch im Bund und faktisch in allen anderen Ländern gilt. Auch wenn sich daraus nicht ohne weiteres eine Bindung der Freien Hansestadt Bremen ergibt, so ist der föderale Rechtsvergleich doch ein taugliches Instrument zur Interpretation landesrechtlicher Regelungen.

Ein Überblick über die vergleichbaren Regelungen im Bund und in den anderen Ländern ergibt, dass die verfassungsgerichtlichen Anfechtungsfristen gegen Wahlprüfungsentscheidungen durchgängig als Ausschlussfristen behandelt werden.

Im Bund ist nach Art. 41 Abs. 2 GG, § 1 Abs. 1 WahlprüfG gegen Entscheidungen des Bundestages die Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht eröffnet. Auf diese finden ausweislich des § 18 WahlprüfG die Vorschriften des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht Anwendung. § 48 Abs. 1 BVerfGG wiederum bestimmt, dass die Wahlprüfungsbeschwerde binnen einer Frist von zwei Monaten seit der Beschlussfassung des Bundestages zu erheben und innerhalb dieser Frist auch zu begründen ist. Die Frist wird vom Bundesverfassungsgericht als Ausschlussfrist behandelt, gegen die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt (BVerfGE 2, 300, 304 f.; 58, 172; Benda/Klein Verfassungsprozessrecht, 2. Aufl., 2001, § 33 Rdnr. 1175; Lechner/Zuck BVerfGG, 5. Aufl., 2006, § 48 Rdnr. 13). Begründet wird dies vor allem mit dem objektivrechtlichen Charakter der Wahlprüfungsbeschwerde. Sie diene in erster Linie dazu, "die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu gewährleisten" (BVerfGE 4, 370, 372; 22, 270, 280; 34, 201, 203; 40, 11, 29; 79, 173, 173 f.), nicht jedoch dazu, einer Beeinträchtigung des individuellen Wahlrechts abzuhelfen (BVerfGE 22, 277, 281; 28, 214, 219). Erst 1992 hat es der Bundesgesetzgeber noch einmal ausdrücklich abgelehnt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Zweimonatsfrist im Verfahren der Wahlprüfung zuzulassen. Die seinerzeit für das Verfahren der Urteilsverfassungsbeschwerde gemäß § 93 Abs. 2 BVerfGG eröffnete Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei bei der Wahlprüfungsbeschwerde nicht geboten. "Im Wahlprüfungsverfahren", so heißt es in der amtlichen Begründung, bedürfe "es rascher Gewissheit über die Gültigkeit einer Wahl, ohne daß es darüber hinaus zu Unsicherheiten über eine mögliche Fristversäumnis kommen sollte" (BT-Drucks. 12/3628, S. 12).

Auch die anderen Länder haben - soweit die Frage überhaupt gesetzlich geregelt oder von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung behandelt worden ist - die Fristen im Wahlprüfungsverfahren als Ausschlussfristen ausgestaltet. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Hessen und Schleswig-Holstein. In Hessen sehen Art. 78 HessLV, § 17 HessWPrG die Wahlprüfungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof als statthaften Rechtsbehelf vor, die nach § 52 Abs. 1 HessStGHG binnen eines Monats erhoben werden kann; eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist findet ausweislich von § 52 Abs. 2 HessStGHG nicht statt. Ebenso ist die Rechtslage in Schleswig-Holstein, wo gegen die Entscheidung des Landtags binnen zwei Wochen Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht erhoben werden kann (§ 43 Abs. 2 SchlHLWahlG). § 59 SchlHLWahlG enthält, wie § 55 Abs. 2 BremWG, eine Sonderregelung für die im Landeswahlgesetz vorgesehenen Fristen und Termine und bestimmt in Satz 2, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausscheidet. Auch die Rechtslage in Bayern dürfte dem entsprechen. Dort regelt Art. 48 BayVerfGHG die Wahlprüfungsbeschwerde gegen Entscheidungen des Landtags und bestimmt, dass sie binnen eines Monats beim Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes anzubringen ist. Zwar wird in den Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, anders als in den anderen Ländern, grundsätzlich zugelassen (Art. 17 Abs. 2 BayVerfGHG); für das Verfahren der Wahlprüfungsbeschwerde gilt das jedoch nicht. Hier bestimmt Art. 48 Abs. 4 BayVerfGHG vielmehr, dass der Antrag als unzulässig zurückzuweisen ist, wenn die Monatsfrist nicht eingehalten wird. Soll dies mehr als eine Banalität sein, und dafür sprechen nicht nur allgemeine Auslegungsgrundsätze, sondern auch der Umstand, dass sich im Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof vergleichbare Vorschriften für andere Verfahrensarten nicht finden, dann ist in dieser Bestimmung richtigerweise ebenfalls die Anordnung einer Ausschlussfrist zu sehen. In Rheinland-Pfalz ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die im Landeswahlgesetz enthaltenen Fristen ausgeschlossen (§ 87 RPfLWG), die Wahlprüfungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof jedoch in § 13 RPfWPG geregelt. Das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof enthält - wie im Bund - seit wenigen Jahren eine Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, allerdings nur für die Verfassungsbeschwerde (§ 46 Abs. 2 RPfVerfGHG). Daraus muss geschlossen werden, dass sie in anderen Verfahren nicht in Betracht kommt. Vergleichbare Regelungen finden sich auch in Sachsen und Thüringen. In den übrigen Ländern ist die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den Staats- und Verfassungsgerichtshofsgesetzen nicht geregelt. Soweit sie sich geäußert hat, geht die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung jedoch auch dort davon aus, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des öffentlichen Interesses an einer alsbaldigen Klärung der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl nicht in Betracht kommt (BbgVerfG, Urt. v. 12.10.2000 - 19/00 - juris, Rz. 20; Aderhold in: Umbach/Clemens/Dollinger [Hrsg.], Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl., 2005, § 48 Rdnr. 34; Schmidt-Bleibtreu in: Maunz u.a. [Hrsg.], Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 48 Rdnr. 35).

2. Der Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch § 55 Abs. 2 BremWG verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht.

Der Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beschränkt das demokratische Legitimationsniveau und die Effektivität der gerichtlichen Kontrolle und bedarf deshalb einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung (a). Er dient allerdings dem Interesse an einer zügigen Beendigung des Wahlverfahrens und der Legitimität des amtierenden Parlaments und kann deshalb als noch gerechtfertigt angesehen werden (b).

a) Das aktive und das passive Wahlrecht gehören zu den Grundlagen der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in der Freien Hansestadt Bremen (Art. 20 Abs. 1 und 2, 28 Abs. 1 GG, Art. 65 Abs. 1, 66 BremLV). In Art. 38 Abs. 1 GG und Art. 75 Abs. 1 BremLV verankert, verbürgt es den subjektiv-rechtlichen Kern des demokratischen Prinzips. Eine Parlamentswahl genügt demokratischen Anforderungen nur, wenn grundsätzlich jede Stimme Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments und die Bildung von Regierung und Opposition hat. Aus dem Demokratieprinzip folgt deshalb auch das Gebot einer dem Wählerwillen entsprechenden Sitzverteilung (BVerfGE 85, 148, 158).

Das Wahlprüfungsverfahren trägt zur Gewährleistung einer dem Wählerwillen entsprechenden Sitzverteilung bei. Das gilt für alle seine Stufen, auch für das vor dem Staatsgerichtshof durchzuführende Verfahren der Wahlprüfungsbeschwerde. Eine Beschränkung des Wahlprüfungsverfahrens begrenzt zugleich das verfahrensrechtliche Instrumentarium zur Gewährleistung einer dem Wählerwillen entsprechenden Sitzverteilung. Sie beschränkt das demokratische Legitimationsniveau und muss deshalb durch kollidierende Verfassungsgüter gerechtfertigt sein.

Die Befristung von Rechtsbehelfen im Wahlprüfungsverfahren (§ 39 Abs. 1 BremWG), und erst recht die Ausgestaltung der Beschwerdefrist als Ausschlussfrist ohne die Möglichkeit der Wiedereinsetzung (§ 55 Abs. 2 BremWG), bedürfen deshalb verfassungsrechtlicher Rechtfertigung.

Das Wahlprüfungsverfahren dient zum einen der objektiven Gewährleistung einer dem Wählerwillen entsprechenden Sitzverteilung im Parlament, zum andern aber auch der Verwirklichung des subjektiven aktiven und passiven Wahlrechts (BVerfGE 85, 148, 159; BbgVerfG, DVBl. 2001, 67 ff.). Wird dieses Recht verletzt, so steht den Bürgern - vorbehaltlich spezieller verfassungsunmittelbarer Zuweisungen wie in Art. 41 GG in Verbindung mit § 49 BWahlG (BVerfGE 11, 329; 14, 154, 155; 16, 128, 130; 22, 277, 281; 29, 18, 19; 74, 96, 100; Benda/Klein aaO, Rdnr. 1172; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl., 2004, Rdnr. 344 f.) - grundsätzlich ein Recht auf effektiven Rechtsschutz zu (Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 141 Satz 1 BremLV).

Wie alle vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte wird auch Art. 19 Abs. 4 GG bzw. Art. 141 Satz 1 BremLV nur durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt. Schrankenziehungen durch den einfachen Gesetzgeber im Bereich solcher Grundrechte bedürfen einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

Als dermaßen rechtfertigungsbedürftige Schrankenziehungen durch den einfachen Gesetzgeber lassen sich sowohl die Beschränkung von Rechtsbehelfen als auch die Einführung prozessualer Fristen qualifizieren (BVerfGE 85, 148, 159; BbgVerfG, DVBl. 2001, 67 ff.), mithin alle gesetzlichen Vorkehrungen, die die Durchsetzung subjektiver öffentlicher Rechte ausschließen oder erschweren. Das gilt konsequenterweise auch für Regelungen, die die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließen und den Betroffenen Rechtsschutz auch dann vorenthalten, wenn sie ohne Verschulden daran gehindert waren, vom Gesetz vorgesehene Fristen für die Anbringung von Rechtsbehelfen einzuhalten.

b) Die Beschränkung des demokratischen Legitimationsniveaus und der Garantie effektiven Rechtsschutzes durch den Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in § 55 Abs. 2 BremWG sind durch Belange gerechtfertigt, die ihrerseits verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Sie dienen der effektiven Durchführung des Wahlverfahrens, das als Massenverfahren auf klare und für jedermann transparente Termine und Fristen angewiesen ist, und darüber hinaus der Legitimität der gewählten Bremischen Bürgerschaft (Landtag), die durch das Wahlprüfungsverfahren so kurz wie möglich in der Schwebe gehalten werden soll (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 65 Abs. 1, 66 lit. b BremLV).

3. Ob diese Belange für alle Stufen des Wahlprüfungsverfahrens in gleicher Weise Geltung beanspruchen und ob sich der Gesichtspunkt der Bewältigung eines Massenverfahrens mit festen Terminen und Fristen auch im Rahmen der das Wahlprüfungsverfahren abschließenden Entscheidung des Staatsgerichtshofes zu Lasten des Interesses an der Gewährleistung einer dem Wählerwillen entsprechenden Sitzverteilung durchsetzt, ist eine Entscheidung, die zuvörderst der Gesetzgeber zu treffen hat. Es ist in erster Linie seine Aufgabe, durch die Herstellung "praktischer Konkordanz" einen Ausgleich zwischen den in einem Spannungsverhältnis stehenden Verfassungsgütern herzustellen. Bei seiner Entscheidung hat der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum, den der Staatsgerichtshof bis zur Grenze der Unangemessenheit zu respektieren hat.

Mit dem Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in § 55 Abs. 2 BremWG hat der Gesetzgeber diese Grenze nicht überschritten.

a) Das gilt zunächst für das Wahlverfahren selbst, das final auf den Wahltermin hin zeitlich strikt abgestimmt ist. Auch geringfügige Verzögerungen durch den Aufschub des Endes von Fristen durch die allgemeinen Regelungen des Verfahrensrechts (Fristende an Sonntagen, Feiertagen und am Sonnabend) und gegebenenfalls durch erforderliche Wiedereinsetzungsentscheidungen während des laufenden Wahlverfahrens wären geeignet, den vor der Wahl festgelegten Termin des Wahltages zu gefährden. Die Abweichung von den allgemeinen Fristregelungen ist deshalb insoweit während des Wahlverfahrens gerechtfertigt.

b) Dies gilt aber im Ergebnis auch für das sich an das Wahlverfahren anschließende Wahlprüfungsverfahren. Zwar gibt es in diesem Verfahrensabschnitt keinen feststehenden Endtermin, der durch die Veränderung von Fristen gefährdet werden könnte. Auch schließt die Versagung der Wiedereinsetzung möglicherweise begründete Einwände gegen die Richtigkeit des Wahlergebnisses aus, gefährdet so die materielle Richtigkeit der Zusammensetzung des Parlaments und lässt Zweifel an der Legitimität des Parlaments ungeprüft im Raume stehen. Diesen beachtlichen Einwänden stehen jedoch schwerwiegende Gründe gegenüber, denen der Gesetzgeber entscheidendes Gewicht beimessen durfte.

aa) Er durfte bei der Ausgestaltung der Beschwerdefrist als Ausschlussfrist berücksichtigen, dass das Wahlprüfungsverfahren ungeachtet seiner auch dem individuellen Rechtsschutz dienenden Dimension vor allem ein "objektives" Verfahren ist, bei dem es nicht allein um die Durchsetzung des (passiven) Wahlrechts geht, sondern um das im Gemeinwohl liegende Interesse an einer ordnungsgemäßen Durchführung der Wahlen (BVerfGE 22, 277, 281; 28, 214, 219; Benda/Klein aaO, Rdnr. 1170; Schlaich/Korioth aaO, Rdnr. 344) und an der gesetzmäßigen Zusammensetzung des Parlaments (BVerfGE 85, 148, 158).

bb) Er durfte sich auch den vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Gesichtspunkt zu eigen machen, im Interesse der Funktionsfähigkeit der repräsentativen Demokratie eine rasche und verbindliche Klärung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Parlaments sicherzustellen (BVerfGE 85, 148, 159 unter Hinweis auf BVerfGE 40, 11, 30 ff.; 59, 119, 123 f.; 79, 50, 50). Das gilt selbst für die Wahlprüfungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof. Ließe man bei unverschuldeter Versäumnis der Beschwerdefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch nur an dieser Stelle zu, könnte das für die Bremische Bürgerschaft (Landtag), ihre Legitimität und die Akzeptanz ihrer Beschlüsse überragende Anliegen, Diskussionen über die gesetzmäßige Zusammensetzung des Parlaments möglichst rasch zu beenden, auf unbestimmte Zeit nicht erreicht werden.

cc) Der Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren der Wahlprüfungsbeschwerde entspricht damit zwar keinem verfassungsrechtlichen Gebot. Mit Blick auf die in Rede stehenden Verfassungsgüter - das im Demokratieprinzip wurzelnde Interesse an der Gewährleistung einer dem Wählerwillen entsprechenden Zusammensetzung des Parlaments und die Garantie effektiven Rechtsschutzes - besitzt er jedoch nicht das Gewicht, um die Einhaltung der dem Gesetzgeber insoweit allein gesetzten Grenze der Unangemessenheit in Zweifel zu ziehen.

4. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Anwendung des § 55 Abs. 2 BremWG im konkreten Fall aus rechtsstaatlichen Gründen schlechthin unerträglich wäre und mit anderen grundlegenden Werten des Rechtsstaats in Konflikt geriete. Das wäre etwa anzunehmen, wenn die Einhaltung der Frist durch den Staat bewusst vereitelt worden wäre. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.

C.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren gebührenfrei ist und Auslagen nicht erstattet werden (§ 39 Abs. 3 BremWG, § 19 Abs. 1 Satz 1 BremStGHG).

D.

Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.

Ende der Entscheidung

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