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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 06.09.2005
Aktenzeichen: 1 L 489/04
Rechtsgebiete: KAG, AO


Vorschriften:

KAG § 2 Abs. 1 Satz 2 (a.F. bzw. M-V)
KAG § 12 (a.F. bzw. M-V)
AO § 220 Abs. 2
Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald gehören zum Mindestinhalt, den nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG (M-V) eine Satzung enthalten muss, sechs Komplexe. Daran ist festzuhalten, zumal durch das Änderungsgesetz 2005 das KAG M-V in diesem Punkt durch die am 31. März 2005 in Kraft getretene Novelle nicht geändert worden ist.

Zum Entstehen der Gebühr: Die Satzung muss für Gebühren, die für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, das Zeitintervall festlegen, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen.

Zur Fälligkeit der Gebühr: Der Mindestinhalt einer Abgabensatzung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 KAG a.F. bzw. M-V) kann nicht über § 12 Abs. 1 KAG (a.F. bzw. M-V) durch eine entsprechende Anwendung des § 220 Abs. 2 AO vervollständigt werden, weil eine Regelungslücke - wegen der vorrangigen Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG (a.F. bzw. M-V) - gerade nicht besteht.


Az.: 1 L 489/04

Beschluss

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Wasser- und Abwassergebühren

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 06. September 2005 in Greifswald durch

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 17. September 2004 - 3 A 1512/00 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 1.851,67 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch Bescheid vom 19. Juli 2000 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für den Veranlagungszeitraum vom 08. Dezember 1998 bis 19. September 1999 Wasser- und Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 3.621,55 DM für das Grundstück D. in S. fest; hiervon wurde ein "Restbetrag" von 1.661,55 DM zur Zahlung angefordert. Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger Klage erhoben.

Durch Urteil vom 17. September 2004 hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit folgender Begründung der Klage stattgegeben: Sowohl die am 29. September 1994 beschlossene Satzung des Beklagten über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung - AGS 1994 - als auch die am selben Tage beschlossene Satzung des Beklagten über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung - WGS 1994 - seien unwirksam. Sie wiesen nicht den erforderlichen Mindestinhalt des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG auf. Beide Satzungen enthielten keine wirksamen Regelungen der Entstehung und der Fälligkeit der Gebühren.

Das Urteil ist dem Beklagten am 29. September 2004 zugestellt worden.

Mit seinem am 19. Oktober 2004 gestellten und am 29. November 2004 begründeten Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteiles sowie grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

Der Kläger tritt dem Vorbringen entgegen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber in der Sache unbegründet. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe liegt im Ergebnis vor.

1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO) ist zum einen nicht hinreichend dargelegt im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

Der Senat sieht diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift eine klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft und zu erwarten ist, dass die Entscheidung im künftigen Berufungsverfahren dazu dienen kann, Sach- und Rechtsfragen in über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu klären und dadurch die Weiterentwicklung des Rechts zu fordern. Die angesprochene Rechts- oder Tatsachenfrage muss zudem entscheidungserheblich sein. Eine solche als grundsätzlich anzusehende konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage ist nicht einmal benannt worden.

Zum anderen geht es im vorliegenden Fall um ausgelaufenes Recht, da der Beklagte rückwirkend zum 01. Januar 2001 neue Gebührensatzungen erlassen hat, sodass eine Zulassung der Berufung deshalb nicht mehr in Betracht kommen dürfte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124 Rn. 10, m.w.N.). Allein die Tatsache, dass noch drei Verfahren beim Verwaltungsgericht anhängig sein mögen, bei denen das alte Ortsrecht Anwendung finden kann, ist nach Auffassung des Senates nicht ausreichend, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu begründen.

2. Auch der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Der Senat sieht den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) in der Sache als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift - gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz - Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ist eine Entscheidung in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (vgl. BVerwG, 01. Februar 1990 - 7 B 19.90 -, Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 22; 10. Mai 1990 - 5 B 31.90 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 284 m.w.N.). Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (OVG Greifswald, 02. Juni 1998 -1 O 23/98 -, NordÖR 1998,306; 05. August 1998 - 1 L 74/97 -, NVwZ-RR 1999, 476).

a) Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang mit seiner Zulassungsbegründung vorträgt, dass nicht jeder Satzungsmangel zu einer Ungültigkeit der Satzung führe und dass eine Abgabensatzung im Wesentlichen nur den Abgabentatbestand, den Maßstab und den Abgabensatz so bestimmen müsse, dass die Entstehung und die Höhe der Abgabenschuld in gewissem Umfang für den Abgabenpflichtigen vorhersehbar sei, ist dem nicht zu folgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald, vgl. zum Beispiel Urteil vom 03. Juli 2002 - 4 K 33/00 -, gehören zum Mindestinhalt, den nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG (M-V) eine Satzung enthalten muss, sechs Komplexe. In der genannten Entscheidung hat das OVG Greifswald eine Verwaltungsgebührensatzung für unwirksam erklärt, in der der Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr nicht hinreichend geregelt war (vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 09. April 2002 -1 M 1/02 -, Juris M-V; ferner Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 2 Erl. 2.4). Daran ist im vorliegenden Fall festzuhalten, zumal auch durch das Änderungsgesetz 2005 das KAG M-V in diesem Punkt durch die am 31. März 2005 in Kraft getretene Novelle nicht geändert worden ist. Der Landesgesetzgeber hat also auch in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald keine Veranlassung gesehen, die Anforderungen an den Inhalt einer kommunalen Abgabensatzung zu reduzieren. Der Einwand der Beschwerdebegründung, die im vorliegenden Fall streitigen Satzungen genügten nach Auffassung des Beklagten den gesetzlichen Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz, greift somit zu kurz. Prüfungsmaßstab ist nicht der aus dem allgemeinen Verfassungsrecht abzuleitende Bestimmtheitsgrundsatz im Allgemeinen, sondern das Prüfungsprogramm bestimmt sich nach der landesrechtlichen Vorgabe des § 2 Abs. 1 KAG a.F. bzw. KAG M-V.

b) Die beiden im vorliegenden Fall streitigen Satzungen enthalten zwar Regelungen über das Entstehen der abstrakten Gebührenpflicht. So regelt § 16 Satz 1 WGS: "Die Gebührenpflicht entsteht, sobald das Grundstück an die öffentliche Wasserversorgungsanlage angeschlossen ist oder in den Fällen des § 14 mit der Herstellung der Einrichtungen." Nach § 13 Nr. 1a) AGS gilt: "Die Gebührenpflicht entsteht: für die Abwassergebühr A mit dem Tage des betriebsfertigen Anschlusses des Grundstückes an den Abwasserkanal bzw. der Inbetriebnahme der Grundstücksabwasseranlagen."

Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG (a.F.) ist in der Satzung zwar keine Regelung im Hinblick auf das Entstehen der konkreten Gebührenschuld erforderlich. Damit werden nicht die strengen Anforderungen übernommen, die in einigen anderen Bundesländern aufgestellt worden sind. Die Satzung muss aber bei Gebühren, die für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, das Zeitintervall festlegen, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen. Bei laufenden Jahresgebühren entsteht die Gebührenschuld grundsätzlich, d.h., wenn satzungsmäßig nicht abweichendes bestimmt ist, erst mit Ablauf des Kalenderjahres (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 25. Februar 1998 - 4 K 8/97 -, NordÖR 1998,256; OVG Greifswald, Beschluss vom 07. Juni 1999 -1 M 51/98-).

Eine hinreichende Regelung über das Zeitintervall enthalten die streitigen Satzungen aber nicht. § 15 Nr. 3 Satz 1 AGS lautet: "Die Gebühr wird nach Wahl des Zweckverbandes monatlich oder in anderen Zeitabschnitten, die jedoch zwölf Monate nicht wesentlich überschreiten dürfen, abgerechnet." Diese Vorschrift ist zu Recht ihrerseits vom Verwaltungsgericht als zu unbestimmt beanstandet worden. Die Vorgaben für die Verwaltung, für welche Zeitabschnitte Heranziehungen vorzunehmen sind, sind vom Ortsgesetzgeber, d.h. hier von der Zweckverbandsversammlung zu treffen. Die Satzung darf insoweit nicht Wahlmöglichkeiten in das Ermessen der Abgaben erhebenden Behörde stellen.

Das vorstehend Gesagte gilt in gleicher Weise für die Regelung des § 18 Nr. 3 Satz 1 WGS, der lautet: "Die Gebühr wird nach Wahl des Zweckverbandes monatlich oder in andern Zeitabschnitten, die jedoch 12 Monate nicht wesentlich überschreiten dürfen, abgerechnet." § 17 WGS ist insoweit gleichfalls keine den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG (a.F.) entsprechende Regelung über den Zeitpunkt des Entstehens der Abgabe. Diese Vorschrift lautet: "Erhebungszeitraum ist ein Zeitraum von rund einem Kalenderjahr. Im Einzelfall kann der Zweckverband bei Wassergroßabnehmern eine monatliche Abrechnung vornehmen." Zum einen ist die Formulierung "rund einem Kalenderjahr" zu unbestimmt. Ferner wird es in das Ermessen der Abgaben erhebenden Behörde gestellt zu bestimmen, wer ein "Wassergroßabnehmer" ist, um dann in einem solchen Fall gegebenenfalls einen anderen Erhebungszeitraum zugrunde zu legen.

c) In der Beschwerdebegründung räumt der Beklagte selbst - zutreffend - ein, dass die streitigen Satzungen Regelungen über die Fälligkeit von Gebühren nicht enthalten. Dies allein führt nach der o.g. ständigen Rechtsprechung des Gerichts dazu, die streitigen Satzungen insgesamt als unwirksam anzusehen. Die vom Verwaltungsgericht geprüften Regelungen des § 15 Nr. 3 AGS bzw. § 18 Nr. 3 WGS sind insoweit nicht hinreichend: Wenn eine Satzung die Regelung enthält, die Gebühr werde nach Wahl des Zweckverbandes monatlich oder in anderen Zeitabschnitten, die jedoch 12 Monate nicht wesentlich überschreiten dürften, abgerechnet, ist dies unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Bestimmtheit keine hinreichende Regelung der Fälligkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 KAG (a.F. bzw. M-V).

d) Im Hinblick auf den Mindestinhalt einer Abgabensatzung, wie er in § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG (a.F. bzw. M-V) geregelt worden ist, kann sich der Zulassungsantrag nicht mit Erfolg auf § 12 Abs. 1 KAG (a.F. bzw. M-V) berufen. Nach dieser Vorschrift ist die Abgabenordnung entsprechend anwendbar. § 220 Abs. 2 AO kommt im vorliegenden Fall deshalb nicht zur Anwendung, weil eine Regelungslücke - wegen der vorrangigen Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG (a.F. bzw. M-V) - gerade nicht besteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Mit der Ablehnung des Antrages wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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