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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 13.04.2006
Aktenzeichen: 1 O 5/06
Rechtsgebiete: VwVfG M-V, GKG, BRAGO


Vorschriften:

VwVfG M-V § 80
GKG § 68 Abs. 1 Satz 1
GKG § 63 Abs. 3
GKG § 52 Abs. 1
BRAGO § 118
BRAGO § 119
1. Kosten des Ausgangsverfahrens sind nicht nach § 80 VwVfG M-V erstattungsfähig.

2. Auf die Kosten, die ein Beteiligter vor einer Verwaltungsentscheidung zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aufgewendet hat, ist § 80 VwVfG M-V weder unmittelbar noch entprechend anwendbar.

3. Zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühr muss in allen Fällen, in denen dem Vorverfahren unter Beteiligung desselben Rechtsanwalts ein (Ausgangs-)Verwaltungsverfahren vorangegangen ist, die - mit Blick auf § 119 Abs. 1 BRAGO - jeweils einheitlich entstandene Geschäftsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO aufgeteilt werden.

4. Erstattungsfähig als Kosten des Vorverfahrens im Sinne des § 80 Abs. 2 VwVfG M-V ist nur der Teil der einheitlichen Geschäftsgebühr, der auf das Vorverfahren entfällt, also nur der Teil der Gebühr, um den sich diese durch die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren erhöht hat.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az: 1 O 5/06

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten

hier: Streitwertbeschwerde

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 13. April 2006 in Greifswald durch als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten wird als unzulässig verworfen.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 28. November 2005 - 8 A 2384/04 - wird von Amts wegen geändert:

Der Streitwert wird auf bis zu 300, 00 € festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Senat entscheidet durch den Einzelrichter (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1, 2. Halbs. GKG).

1. Die nach Zustellung des angegriffenen Beschlusses am 08. Dezember 2005 innerhalb der Frist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbs. i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG am 21. Dezember 2005 eingelegte Beschwerde des Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht wie von § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG vorausgesetzt den Betrag von 200 EUR.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht nach der Differenz zwischen dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten und dem vom Beklagten für richtig erachteten Streitwert - hier: 609, 75 EUR -. Er ist vielmehr danach zu bestimmen, welche Auswirkungen die begehrte Streitwertfestsetzung auf die vom Beklagten nach Maßgabe der Kostenentscheidung im Urteil vom 26. Oktober 2005 von ihm zu tragenden Kosten bzw. auf die Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren hat. Maßgeblich ist also die Differenz zwischen einerseits der Summe der zu zahlenden Gebühren berechnet auf der Basis des vom Verwaltungsgericht festgesetzten und andererseits der entsprechenden Summe ermittelt auf der Grundlage des vom Beklagten für angemessen erachteten Streitwerts.

Hiervon ausgehend ist die Beschwerdesumme von 200, 00 EUR gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erreicht:

Unter Zugrundelegung des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwerts in Höhe von 899, 14 EUR werden voraussichtlich Gerichtsgebühren in Höhe von 135, 00 EUR (Gebührentatbestand Nr. 5110 Anlage 1 GKG) und Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 211, 70 EUR (Gebühren-/Auslagentatbestände Nr. 3100, 3104, 7002, 7008 Anlage 1 RVG i.V.m. § 61 Abs. 1 RVG), zusammen 346, 70 EUR, anfallen.

Unter Zugrundelegung eines Streitwertes in Höhe von 289, 39 EUR, wie ihn der Beschwerdeführer für richtig erachtet, fallen Gerichtsgebühren in Höhe von 75, 00 EUR und Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 87, 00 EUR, zusammen 162, 00 EUR, an.

Die Differenz zwischen beiden Summen beträgt folglich nur 184, 70 EUR.

2. Der Senat ändert jedoch den Streitwert gemäß § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen ab, weil sich die Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht in mehrfacher Hinsicht als unzutreffend erweist. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG kann die Streitwertfestsetzung von dem Rechtsmittelgericht u.a. dann von Amts wegen geändert werden, wenn das Verfahren wegen der Entscheidung über den Streitwert in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Die für eine solche Abänderung bestehende zeitliche Grenze von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat (§ 63 Abs. 3 Satz 2 GKG), ist eingehalten, da das Urteil den Beteiligten jeweils am 01. November 2005 zugestellt worden ist.

Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war die Frage der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 80 Abs. 2 VwVfG M-V bzw. der Anspruch der Klägerin auf eine entsprechende Feststellung im Widerspruchsbescheid unter Ziffer 5 des Tenors desselben. Die entsprechende Feststellung ist Voraussetzung dafür, dass die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren erstattungsfähig sind. Das Interesse der Klägerin ging folglich dahin, über die Herbeiführung der Feststellung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten eine entsprechende Kostenerstattung zu erlangen.

Das Verwaltungsgericht hat dieses Interesse ausgehend von der Gebührenrechnung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 07. März 2001 in Gleichsetzung mit dem dort ausgewiesenen Gesamtbetrag mit 899, 14 € (=1.758, 56 DM) bemessen.

Diese Bemessung kann jedoch aus mehreren Gründen keinen Bestand haben:

Zunächst sind Kosten des Ausgangsverfahrens nicht nach § 80 VwVfG M-V erstattungsfähig. Auf die Kosten, die ein Beteiligter vor einer Verwaltungsentscheidung zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aufgewendet hat, ist § 80 VwVfG M-V nach der Rechtsprechung des Bundes-verwaltunsgerichts weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.2005 - 7 C 14/04 -, BVerwGE 123, 7, zitiert nach juris; Beschl. v. 01.09.1989 - 4 B 17/89 -, NVwZ 1990, 59, jeweils zitiert nach juris). Daraus folgt zunächst, dass die im Hinblick auf die am 23. März 2001 erfolgte Beratung angesetzte Besprechungsgebühr in Höhe von 738, 00 DM für die Streitwertbemessung keine Berücksichtigung finden kann, weil die Beratung vor Erlass des (Ausgangs-)Festsetzungsbescheides vom 29. März 2001 stattfand und folglich kostenmäßig bzw. im Sinne von § 80 VwVfG M-V als Teil des Ausgangsverfahrens zu betrachten ist (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 11.03.1998 - 19 A 955/98 -, DÖV 1998, 654, zitiert nach juris). § 119 Abs. 1 BRAGO - die Vorschrift ist nach Maßgabe von § 61 Abs. 1 RVG anwendbar, weil der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG insoweit vor dem 01. Juli 2004 erteilt worden ist -, wonach das Vorverfahren zusammen mit dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren eine Angelegenheit ist, steht dem nicht entgegen. Diese Vorschrift sagt über die Pflicht der Verwaltungsbehörde zur Erstattung von Kosten, die der Widerspruchsführer als Kostenschuldner an seinen Rechtsanwalt zu zahlen hat, nichts aus. Sie trifft - wie sich aus § 13 Abs. 2 BRAGO ergibt, lediglich eine Regelung über den Umfang der Gebührenforderung, die der Auftraggeber als Kostenschuldner an den Rechtsanwalt zu begleichen hat (vgl. BFH, Urt. v. 02.12.1969 - VIIB 58/69 -, NJW 1970, 1567; OVG Münster, Beschl. v. 11.03.1998 - 19 A 955/98 -, DÖV 1998, 654; VG Dessau, Urt. v. 11.12.2002 -1 A 622/01 DE, 1 A 622/01 -, NVwZ-RR 2003, 908; jeweils zitiert nach juris). Der Betrag von 738, 00 DM für die Besprechungsgebühr hat demnach im Rahmen von § 80 VwVfG M-V vollständig außer Betracht zu bleiben.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühr in allen Fällen, in denen - wie hier - dem Vorverfahren unter Beteiligung desselben Rechtsanwalts ein (Ausgangs-) Verwaltungsverfahren vorangegangen ist, die - mit Blick auf § 119 Abs. 1 BRAGO - jeweils einheitlich entstandene Geschäftsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO aufgeteilt werden muss (vgl. BFH, Urt. v. 02.12.1969 - VIIB 58/69 -, NJW 1970, 1567; FG Köln, Urt. v. 11.07.2005 -10 Ko 6247/04 -, EFG 2005, 1645; Nds FG, Beschl. v. 28.04.1998 - IX 11/97 Ko; LSG Stuttgart, Urt. v. 07.06.1982 - L 11 Vs 2379/81 -; VG Dessau, Urt. v. 11.12.2002 -1 A 622/01 DE, 1 A 622/01 -, NVwZ-RR 2003, 908 mit umfangreichen weiteren Nachweisen; jeweils zitiert nach juris).

Erstattungsfähig als Kosten des Vorverfahrens im Sinne des § 80 Abs. 2 VwVfG M-V ist nur der Teil der einheitlichen Geschäftsgebühr, die auf das Vorverfahren entfällt, also nur der Teil der Gebühr, um den sich diese durch die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren erhöht hat (vgl. BFH, Urt. v. 02.12.1969 - VIIB 58/69 -, NJW 1970, 1567; FG Köln, Urt. v. 11.07.2005 -10 Ko 6247/04 -, EFG 2005, 1645, m.w.N.; LSG Stuttgart, Urt. v. 07.06.1982 - L 11 Vs 2379/81 -; jeweils zitiert nach juris).

Da der Bevollmächtigte für die Tätigkeit im (Ausgangs-)Verwaltungsverfahren nach § 118 BRAGO in jedem Fall 5/10 einer Gebühr verlangen kann (vgl. FG Köln, Urt. v. 11.07.2005 - 10 Ko 6247/04 -, EFG 2005, 1645; BFH, Urt. v. 02.12.1969 - VII B 58/69 -, NJW 1970, 1567; jeweils zitiert nach juris), verbliebe nach Maßgabe der in der Gebührenrechnung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugrunde gelegten 8/10 Gebühr nur eine 3/10 Gebühr, die auf die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren entfiele. Legte man mit dem Vorbringen des Beklagten die Mittelgebühr von 7, 5/10 für das gesamte Verwaltungsverfahren zugrunde, verbliebe lediglich eine 2, 5/10 Gebühr.

Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen, dass die Klägerin nach Maßgabe der Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides unter 3. ein Drittel der Kosten selbst zu tragen hat. Folglich kann ihr Interesse auch höchstens auf die Erstattung von zwei Dritteln ihrer nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen nach § 80 Abs. 2 VwVfG M-V erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten gerichtet sein.

Nach alledem ergeben sich - soweit ersichtlich - erstattungsfähige Rechtsanwaltskosten wie folgt:

Bei einer auf das Widerspruchsverfahren entfallenden 3/10 Gebühr:

Geschäftsgebühr gemäß §§ 11, 118 Abs. 1 Nr. 1, 134 Abs. 1 BRAGO i.V.m. Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchst, a Einigungsvertrag (BGBl. II1990, 889, 936, 941), § 1 KostGErmAV (BGBl. 11996, 604):

3/10 von 922, 50 DM =|276, 80 DM zzgl. gemäß § 26 BRAGO|40, 00 DM Zwischensumme:|316, 80 DM zzgl. 16% Umsatzsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO|50, 69 DM Gesamtbetrag:|367, 49 DM 2/3 des Gesamtbetrages:|244.99 DM = 125.26 € Bei einer auf das Widerspruchsverfahren entfallenden 2.5/10 Gebühr:

Geschäftsgebühr gemäß §§ 11, 118 Abs. 1 Nr. 1, 134 Abs. 1 BRAGO i.V.m. Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 Buchst, a Einigungsvertrag, § 1 KostGErmAV:

 2, 5/10 von 922, 50 DM =230, 63 DM
zzgl. gemäß § 26 BRAGO40, 00 DM
Zwischensumme:270, 63 DM
zzgl. 16% Umsatzsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO43, 30 DM
Gesamtbetrag:313, 93 DM
2/3 des Gesamtbetrages:209.29 DM = 107.01 €

Im Hinblick darauf, dass egal welchen dieser beiden Gesamtbeträge man für die Streitwertfestsetzung zugrundelegt, weder nach GKG noch RVG unterschiedliche Gebühren anfielen, kann der Senat offen lassen, ob auf das Widerspruchsverfahren eine 3/10 Gebühr oder eine 2, 5/10 Gebühr entfällt. Entsprechend hat der Senat den Streitwert begrenzt auf die jeweilige Mindestgebühr bzw. auf bis zu 300, 00 EUR festgesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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