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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 20.12.2002
Aktenzeichen: 2 L 8/01
Rechtsgebiete: GG, JAG M-V, JAPO M-V, VwGO, VwVfG M-V


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
JAG M-V § 7
JAG M-V § 13
JAG M-V § 17
JAG M-V § 28 Abs. 1 Ziff. 7
JAPO M-V § 25
VwGO § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
VwVfG M-V § 1 Abs. 3
Das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern ist nach § 7 JAG M-V zur Entscheidung über das Nichtbestehen der Prüfung und über den Widerspruch befugt.

Es hat die Prüfungsleistungen nicht losgelöst von der Widerspruchsbegründung umfassend neu zu bewerten.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluß

Az.: 2 L 8/01

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anfechtung einer Prüfungsentscheidung

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 20. Dezember 2002 in Greifswald durch

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald - 6. Kammer - vom 24.10.2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf ? 5.112,92 (entspricht DM 10.000,00) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Neubewertung ihrer im Ersten Juristischen Staatsexamen geschriebenen Aufsichtsarbeiten S I, die mit 3,5 Punkten (Erstkorrektur: 4 Punkte, Zweitkorrektur: 3 Punkte) und S II, die mit 3,0 Punkten (Erstkorrektur: 4 Punkte, Zweitkorrektur: 2 Punkte) bewertet worden sind.

Durch Bescheid vom 05.11.1997 eröffnete der Beklagte der Klägerin, sie habe die Erste juristische Staatsprüfung nicht bestanden. Sie könne nicht an der mündlichen Prüfung teilnehmen, da sie nur in drei Aufsichtsarbeiten und in keiner ihrer strafrechtlichen Aufsichtsarbeiten wenigstens vier Punkte erzielt habe. Der dagegen gerichtete Widerspruch, mit dem die Klägerin die Benotung der Aufsichtsarbeiten S I und S II durch die Zweitgutachter beanstandet hatte, wurde durch Widerspruchsbescheid vom 12.01.1998 als unbegründet zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Gerichtsbescheid vom 13.12.2000 abgewiesen und in den Gründen die Auffassung vertreten, der Bescheid sei vom Beklagten als oberster Landesbehörde zu erlassen gewesen. Dieser habe auch im Hinblick auf die zutreffende Bewertung der Einwendungen der Klägerin als unsubstantiiert im Widerspruchsverfahren nicht in eigener Zuständigkeit eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung der Bewertungen der Aufsichtsarbeiten im Sinne einer umfassenden Neubewertung und auch keine Zweckmäßigkeitsprüfung vornehmen müssen. Die Bewertungen der Aufsichtsarbeiten S I und S II wie auch die Nachbewertungen durch die Zweitgutachter seien auch in der Sache nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Problematik des § 113 Abs. 3 StGB habe der Zweitgutachter zutreffend darauf hingewiesen, daß eine von der herrschenden Ansicht abweichende Ansicht nur dann als vertretbar anerkannt werden könne, wenn die Lösung mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründet worden sei.

Auf den Zulassungsantrag der Klägerin, mit dem diese sich ausschließlich gegen die Bescheidung durch den Beklagten, die fehlende Zweckmäßigkeitsprüfung und die Bewertung der Aufsichtsarbeit S II gewandt hat, hat der Senat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Bewertung der Aufsichtsarbeit S I leide unter einem Beurteilungsfehler, da die Prüferin zu Unrecht festgestellt habe, daß Ausführungen zum subjektiven Tatbestand des § 315 c StGB fehlen würden. Auch die Bewertung der Aufsichtsarbeit S II sei nicht rechtsfehlerfrei, da der Prüfer bemängelt habe, daß die BGH-Rechtsprechung in keiner Weise ausreichend gewürdigt worden sei und er dargelegt habe, daß diese Beurteilung der Verdeutlichung gedient habe, daß ein wesentliches Problem der Arbeit nicht erkannt und bearbeitet worden sei. In die gleiche Richtung gehe die Nachbewertung des Prüfers, daß die insoweit vertretene Rechtsauffassung der Klägerin unvertretbar sei, weil die Klägerin nicht argumentiert hätte. Ob eine Rechtsauffassung vertretbar sei, bemesse sich aber nach rein objektiven Kriterien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald - 6. Kammer - vom 24.10.2000 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 05.11.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.1998 zu verpflichten, die Klägerin hinsichtlich der von ihr in der Ersten Juristischen Staatsprüfung vorgelegten Aufsichtsarbeiten S I und S II unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und weist darauf hin, daß dem Prüfling zwar ein angemessener Antwortspielraum zu einer Fachfrage zustehe, er diesen aber nur nutze, wenn seine Lösung vertretbar und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründet sei. Daran aber habe es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Diensthandlung im Rahmen des § 113 Abs. 3 StGB durch die Klägerin gefehlt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der vom Beklagten übersandten Vorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung entscheidet der Senat gemäß § 130 a VwGO durch Beschluß, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Daß sich die Klägerin im Zulassungsverfahren nicht gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeit S I gewandt hat, steht der Geltendmachung einer fehlerhaften Bewertung dieser Arbeit im Berufungsverfahren nicht entgegen. Der Senat hat die Zulassung nicht auf diesen Streitgegenstand beschränkt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 124 Rdn. 3, § 132 Rdn. 32 a), sondern die Berufung insgesamt zugelassen. Somit prüft der Senat den Streitfall nach § 128 VwGO im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht.

Der Beklagte war - wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat - nach § 7 JAG M-V zur Entscheidung über das Nichtbestehen der Prüfung und über den Widerspruch befugt. Danach führt der Beklagte die Erste und Zweite Juristische Staatsprüfung durch. Weder das Landesjustizprüfungsamt noch dessen Präsident sind eine Behörde i.S.v. § 1 Abs. 3 VwVfG M-V, § 73 Abs. 1 VwGO. Das Landesjustizprüfungsamt stellt vielmehr eine organisatorisch unselbständige Abteilung des Beklagten dar, deren Leiter die Bezeichnung "Präsident" trägt. Insofern begründet § 13 JAG M-V, wonach der Präsident des Landesjustizprüfungsamtes alle Entscheidungen trifft, soweit nicht das JAG M-V oder aufgrund dieses Gesetzes erlassene Vorschriften etwas anderes bestimmen, keine Zuständigkeit des Präsidenten im Sinne eines Entscheidungsvorbehalts (a.A. zu § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 JAPG-B: OVG Bremen, Urteile vom 24.11.1999 - 1 A 254/99 -, NVwZ 2000, 944, 945, sowie - 1 A 185/99 - NordÖR 2000, 156, 157). Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte des JAG M-V. Nach den Gesetzgebungsmaterialien zum ehemaligen § 6 JAG M-V und heutigen § 7 JAG M-V ist das Landesjustizprüfungsamt dem Beklagten eingegliedert und keine selbständige Behörde i.S.v. § 1 Abs. 3 VwVfG M-V und kann deshalb auch nicht beklagte Behörde i.S.v. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 1 § 14 Abs. 2 GOrgG M-V sein (LT-Drs. 1/2199). Insofern war dem Gesetzgeber bei der Formulierung des § 13 JAG M-V bekannt, daß es sich bei dem Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes nicht um eine Behörde handelt. Daß der Gesetzgeber keinen Entscheidungsvorbehalt zugunsten des Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes begründet hat, zeigt sich auch an der Existenz des § 17 JAG M-V, der bestimmt, daß gegen Verwaltungsakte, denen eine Bewertung von Prüfungsleistungen zugrunde liegt, ein Widerspruchsverfahren stattfindet. Diese Bestimmung ist nur sinnvoll, wenn anderenfalls kein Widerspruchsverfahren stattfinden würde. Dies wäre indessen nach dem hier allein in Betracht kommenden § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO nur dann der Fall, wenn solche Verwaltungsakte, die nach der Argumentation der Klägerin zweifellos Entscheidungen i.S.v. § 13 darstellen, nicht vom Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes, sondern vom Beklagten erlassen werden. Nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO findet ein Vorverfahren nicht statt, wenn der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz - hier § 17 JAG M-V - die Nachprüfung vorschreibt. Nur bei dem Beklagten, nicht aber beim Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes handelt es sich um eine oberste Landesbehörde. Aus den Materialien ergibt sich, daß diese Vorschrift nach der amtlichen Begründung in das JAG M-V aufgenommen worden ist, weil nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO kein Widerspruchsverfahren gegen Entscheidungen des Landesjustizprüfungsamtes durchzuführen wäre, da dieses beim Beklagten eingerichtet ist, und unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17.04.1991 - 1 BvR 419/81 u.a. -, NJW 1991, 2005) die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens als sinnvoll angesehen wurde (LT-Drs. 1/2199).

Auch nach den Materialien weist der ehemalige § 12 JAG M-V und jetzige § 13 JAG M-V dem Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes keinen Entscheidungsvorbehalt zu, sondern regelt lediglich allgemein, daß das Landesjustizprüfungsamt für die dort genannten Entscheidungen zuständig ist (LT-Drs. 1/2199). Danach trägt die Regelung dem Umstand Rechnung, daß die Organisation des Prüfungsgeschehens in engem Zusammenhang mit der eigentlichen Prüfertätigkeit stehe und es Sache der Leitung sei, innerhalb des Landesjustizprüfungsamtes die Zuständigkeiten im einzelnen festzulegen (LT-Drs. 1/2199). Insoweit erschöpft sich die Regelung des § 13 JAG M-V, worauf auch das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, in einer internen Zuständigkeitsverteilung innerhalb des Landesjustizprüfungsamtes, verhält sich aber nicht zur Entscheidungskompetenz nach außen. Insoweit müssen die Bescheide auch nicht vom Leiter des Amtes gefertigt werden, vielmehr kann dieser im Rahmen seiner Organisationsgewalt einen anderen Bediensteten hiermit beauftragen (vgl. Beschluß des Senats vom 26.10.1998 - 2 M 79/98 -, NordÖR 1999, 71, 72).

Der Beklagte hatte keine eigene umfassende Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Zwar ist dies grundsätzlich dem Widerspruchsverfahren immanent, wenn ein Ermessens- oder - wie vorliegend - Beurteilungsspielraum besteht. Allerdings ist eine von der Widerspruchsbegründung losgelöste Neubewertung der Prüfungsleistung durch § 28 Abs. 1 Ziff. 7 JAG M-V i.V.m. § 25 JAPO M-V ausgeschlossen. § 25 JAPO M-V konnte als Rechtsverordnung eine Ausnahmeregelung im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO schaffen, weil die Verordnungsermächtigung in § 28 Abs. 1 Ziff. 7 JAG M-V dafür eine ausreichende Grundlage bietet. Die Ermächtigungsvorschrift enthält zwar keine verfahrensrechtlichen Vorgaben. Daraus läßt sich jedoch nicht ableiten, daß der Verordnungsgeber den Grundsatz des § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO für das prüfungsrechtliche Widerspruchsverfahren nicht einschränken durfte (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.04.1991, a.a.O., 2006). Vielmehr ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, daß der Gesetzgeber es dem Verordnungsgeber überlassen wollte, festzulegen, ob ein förmliches oder formloses Überprüfungsverfahren durchzuführen ist (LT-Drs. 1/2199).

Daß sich der Verordnungsgeber gegen eine umfassende Nachprüfung der Prüfungsentscheidung im Widerspruchsverfahren durch die Widerspruchsbehörde entschieden hat, ist nicht zu beanstanden. Nach Art. 12 Abs. 1 GG müssen zwar berufsbezogene Prüfungsverfahren so gestaltet sein, daß das Grundrecht der Berufsfreiheit effektiv geschützt wird. Prüflinge müssen deshalb das Recht haben, Einwände gegen ihre Abschlußnoten wirksam vorzubringen. Hingegen ist die Eröffnung einer zweiten Verwaltungsinstanz mit einer vollständigen Neubewertung umstrittener Prüfungsleistungen nicht geboten (BVerfG, Urteil vom 17.04.1991, a.a.O., 2006). Der verfahrensrechtliche Schutz der Berufsfreiheit gebietet keine vollständige Neubewertung von Prüfungsleistungen im Widerspruchsverfahren (BVerfG, Urteil vom 17.04.1991, a.a.O., 2006). Entscheidend ist nur, daß der betroffene Prüfling auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler rechtzeitig und wirkungsvoll hinweisen und damit ein Überdenken anstehender oder bereits getroffener Entscheidungen erreichen kann (BVerfG, Urteil vom 17.04.1991, a.a.O., 2006). Diesen Anforderungen genügt die Regelung in § 28 Abs. 1 Ziff. 7 JAG M-V i.V.m. § 25 JAPO M-V.

Auch sind die Bewertungen der Aufsichtsarbeiten S I und S II nicht zu beanstanden. Hinsichtlich des Umfangs gerichtlicher Kontrolle bei berufsbezogenen Prüfungen ist zwischen fachwissenschaftlichen Beurteilungen einerseits und prüfungsspezifischen Wertungen andererseits zu unterscheiden (BVerfG, a.a.O., 2007; Beschluß des Senats vom 23.04.1996 - 2 M 30/96 -). Nur die prüfungsspezifischen Wertungen bleiben wegen des, das Prüfungsrecht beherrschenden, Grundsatzes der Chancengleichheit der Letztentscheidungskompetenz der Prüfungsbehörde überlassen und sind nur insoweit überprüfbar, als die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Hingegen unterliegen fachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Prüfling der gerichtlichen Kontrolle (BVerfG, a.a.O., 2008; Beschluß des Senats vom 23.04.1996 - 2 M 30/96 -). So darf eine zutreffende und brauchbare Lösung nicht als falsch bewertet (BVerfG, a.a.O., 2008). Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum läßt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muß aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden (BVerfG, a.a.O., 2008). Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf daher nicht als falsch bewertet werden (BVerfG, a.a.O., 2008; Beschluß des Senats vom 23.04.1996 - 2 M 30/96 -). Die gerichtliche Überprüfung der Bewertung der Prüfungsleistung hat anhand der vom Prüfer zu erstellenden schriftlichen Begründung der Leistungsbewertung zu erfolgen (BVerwG, Urteil vom 09.12.1992 - 6 C 3/92 -, BVerwGE 91, 262, 267). Maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung ist dann, wenn der Prüfer seine Bewertung aufgrund von Einwendungen des Prüflings nochmals überprüft und die Begründung, nachholt, ändert oder ergänzt, die aktualisierte (letzte) Begründung (BVerwG, a.a.O.) .

Danach ist es nicht zu beanstanden, daß die Zweitgutachterin in ihrer Beurteilungsbegründung zur Prüfung des § 315 b Abs. 1 StGB in der Aufsichtsarbeit S I bemerkt hat, daß Ausführungen zum subjektiven Tatbestand gänzlich fehlen würden und die Verwendung des Wortes "riskierte" in diesem Zusammenhang keine eigenständige Gedankenleistung darstelle, da es sich insoweit um eine wörtliche Übernahme des Sachverhalts handele, und somit eine Strafbarkeit des A in diesem Tatkomplex lediglich behauptet worden sei. Daran wird deutlich, daß die Prüferin bemängelt, daß eine Prüfung des subjektiven Tatbestandes nicht stattgefunden hat. In der Verwendung des im Tatbestand enthaltenen Wortes "riskierte" brauchte die Prüferin keine Prüfung des subjektiven Tatbestandes zu sehen.

Dieser Mangel kann mit der Formulierung, daß "Ausführungen zum subjektiven Tatbestand gänzlich fehlen", umschrieben werden. Dies alles bewegt sich innerhalb des Beurteilungsspielraums. Auch die Klägerin räumt ein, eine Strafbarkeit insoweit nicht geprüft, sondern aus Zeitgründen lediglich behauptet zu haben.

Soweit allerdings der Zweitgutachter zur Prüfung des § 113 Abs. 3 StGB in der Aufsichtsarbeit S II ausgeführt hat, die entgegen der herrschenden Ansicht im Tatbestand durchgeführte Prüfung der Rechtmäßigkeit der Diensthandlung stelle keine vertretbare Lösung dar, da aus der Arbeit keinerlei Argumentation hervorgehe, erweist sich dies für sich betrachtet als beurteilungsfehlerhaft. Eine von der herrschenden Meinung abweichende vertretbare Meinung kann nicht aufgrund einer fehlenden Subsumtion als nicht vertretbar gewertet werden. Die vom Beklagten und vom Verwaltungsgericht unter Berufung auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts vertretene Rechtsauffassung, eine andersgeartete Ansicht könne nur dann als vertretbar anerkannt werden, wenn sie mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründet worden ist, geht fehl. Ein solcher Rechtssatz ist weder vom Bundesverfassungsgericht noch vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellt worden. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht lediglich ausgeführt, eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung dürfe nicht als falsch bewertet werden (BVerfG, a.a.O., 2008). Dem ist das Bundesverwaltungsgericht gefolgt (vgl. z.B. Beschluß vom 12.03.1998 - 6 B 94/97 -, zit. nach juris). Daß aber eine Vertretbarkeit nur unter diesen Voraussetzungen angenommen werden kann, läßt sich diesen Entscheidungen nicht entnehmen. Diese verhalten sich nur dazu, daß unter diesen Voraussetzungen keine andere Bewertung erfolgen kann, als bei Beschreitung des vom Prüfer vorgesehenen Lösungswegs. Daher ist der vom Beklagten und vom Verwaltungsgericht vorgenommene Umkehrschluß unzulässig. Vielmehr wäre eine solche Sichtweise - wie erwähnt -beurteilungsfehlerhaft.

Eine gerichtliche Korrektur von Prüfungsnoten kommt indessen nur dann in Betracht, wenn sich ein Bewertungsfehler auf die Notengebung ausgewirkt haben kann. Ist die Ursächlichkeit des Fehlers auszuschließen, kann das Gericht den Prüfungsbescheid nicht aufheben (BVerfG, a.a.O., 2008). Der vorstehend hinsichtlich der Bewertung der Klausur S II festgestellte Beurteilungsfehler hat sich nicht auf die Notengebung ausgewirkt. Bei genauer Betrachtung der Bewertung ergibt sich, daß der Prüfer bei der Prüfung des § 113 Abs. 3 StGB durch die Prüferin nicht nur bemängelt hat, daß es nicht vertretbar sei, die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung ohne nähere Begründung im Tatbestand zu prüfen, sondern der Prüfer die Bewertung - auch und vor allem - darauf gestützt hat, daß die (vertretbare) Lösung nicht ausreichend dargestellt und begründet gewesen sei. Diese Erwägungen vermögen das Prüfungsergebnis zu tragen. In der Tat kann auch eine - vertretbare - Mindermeinung falsch und unvollständig begründet und angewendet werden (vgl. BVerfG, a.a.O., 2008). Es ist nicht zu beanstanden, dann, wenn dies geschieht, dies dem Prüfling als nicht ausreichende Darstellung und Lösung des Problems anzulasten und deswegen eine Abwertung vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG.

Die Revision ist nicht zuzulassen gemäß § 132 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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