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Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 27.02.2003
Aktenzeichen: 2 M 203/02
Rechtsgebiete: BBG, LEG M-V


Vorschriften:

BBG § 44
BBG § 46 a
LEG M-V § 45 Abs. 1
LEG M-V § 48
1. Ein amtsärztliches Gutachten im Sinne von § 48 Abs. 1 LEG M-V ist eine Stellungnahme des Amtsarztes zur Dienstfähigkeit des betroffenen Beamten; nicht nur das Ergebnis ist mitzuteilen, sondern auch die tragenden Feststellungen und Gründe, soweit deren Kenntnis für die vom Dienstvorgesetzten zu treffende Entscheidung erforderlich sind.

2. Zum vorläufigen Rechtsschutz bei Kürzung der Bezüge nach § 48 Abs. 4 LEG M-V.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 2 M 203/02

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Besoldung

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 27. Februar 2003 in Greifswald durch beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 6. Kammer - vom 22.10.2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.624,40 ? festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsgegner betreibt die vorzeitige Zurruhesetzung des Antragstellers wegen Dienstunfähigkeit. Die seine Versorgung übersteigenden Bezüge werden einbehalten. Der Antragsteller begehrt eine einstweilige Anordnung, um vorläufig weiterhin die volle Besoldung zu erhalten.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 22. Dezember 2002 abgelehnt. In den Gründen heißt es, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf volle Besoldung, nachdem sein Dienstvorgesetzter entschieden habe, das Zurruhesetzungsverfahren fortzuführen. Eine andere Beurteilung komme allenfalls in Betracht, wenn die Fortführung jeglicher sachlicher Grundlage entbehre, also willkürlich sei. So liege der Fall hier aber nicht. Die Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens beruhe auf einer gutachterlichen Stellungnahme des Amtsarztes, die sich auf eine Reihe vorangegangener Gutachten, Befundberichte und Ähnliches gründe. Ob die Dienstunfähigkeit des Antragstellers im Ergebnis zutreffend beurteilt worden sei, habe auf die Rechtmäßigkeit der Fortführungsentscheidung mit der gesetzlichen Folge der Kürzung der Bezüge keinen Einfluss.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerdebegründung (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigt keine für den Antragsteller günstigere Entscheidung.

Dem Verwaltungsgericht ist zunächst hinsichtlich des von ihm entwickelten Maßstabes zur Beurteilung der Fortführungsentscheidung zu folgen, zumal sich die Beschwerdebegründung mit dieser Frage auch nicht substantiiert auseinandersetzt. Die Einbehaltung der die Versorgung übersteigenden Bezüge ist danach eine gesetzliche Folge der Fortführung des Zurruhesetzungsverfahrens (vgl. § 48 Abs. 4 Satz 1 LEG M-V). Die Fortführungsentscheidung (vgl. § 48 Abs. 3 LBG M-V) ist kein (anfechtbarer) Verwaltungsakt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 C 26.89 -, E 88, 332). Rechtsschutz findet der Beamte grundsätzlich allein durch die Anfechtung der etwa ergehenden Versetzung in den Ruhestand, bei deren Erfolg der einbehaltene Teil der Bezüge nachzuzahlen ist (vgl. § 48 Abs. 6 LBG M-V). Den verbleibenden Nachteil, dass ihm der nachzuzahlende Betrag nicht zeitgerecht zur Verfügung steht, mutet das Gesetz dem Beamten grundsätzlich zu. Nur in Ausnahmefällen, etwa wenn die Fortführungsentscheidung ersichtlich rechtsmissbräuchlich ist und nur dem Zweck dient, die Rechtsfolge der Besoldungskürzung eintreten zu lassen oder wenn die Annahme der Dienstunfähigkeit aus der Luft gegriffen erscheint, kann dem Beamten ein Anspruch auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung - wie hier begehrt -zustehen (vgl. Plog/Wiedow, BBG, § 44 Rdn. 17). Entsprechendes könnte gelten, wenn der Dienstvorgesetzte sich widersprüchlich verhält, indem er etwa den Beamten weiterhin Dienst verrichten lässt, obwohl er ihn (erklärter Maßen) für dienstunfähig hält (vgl. GKÖD Band I, K § 44 Rdn. 17 a.F.; aM: OVG NW, Beschluss vom 11.05.1992 - 1 B 1167/92 -, ZBR 1993, 282). Ergänzend ist in diesem Zusammenhang allerdings anzumerken, dass es auf das Beschwerdevorbringen bereits im Ansatz nicht ankäme, folgte man der in der obergerichtlichen Rechtsprechung und auch in der Literatur vertretenen Auffassung, dass die Rechtsfolge der Einbehaltung eines Teiles der Besoldung derart zwingend eintrete, dass ein Hinausschieben vermittels einstweiliger Anordnung in jedem Falle ausgeschlossen ist (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 04.11.1988 - OVG 2 B 136/88 -, ZBR 1990, 27; OVG NW, a.a.O.; Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 47 Rdn. 6 mwN.), so dass es bei der Anfechtung der gegebenenfalls nachfolgenden Zurruhesetzung als einziger Rechtsschutzmöglichkeit verbliebe. Darauf kommt es hier aber nicht entscheidend an, denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung hier nicht vor.

Die Fortführungsentscheidung des Dienstvorgesetzten des Antragstellers kann nicht als willkürlich bewertet werden; er hat sich seine Auffassung, der Antragsteller sei dienstunfähig, wie § 48 Abs. 1 LBG M-V vorschreibt, aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens gebildet. Dieses ist auch nicht völlig unbrauchbar.

Ein amtsärztliches Gutachten im Sinne von § 48 Abs. 1 LBG M-V ist eine (in der Regel schriftliche) Stellungnahme des Amtsarztes über die Frage der Dienstfähigkeit/Dienstunfähigkeit des betroffenen Beamten. Dem Antragsteller ist beizupflichten, dass zu einem Gutachten nicht nur das Ergebnis gehört, zu dem der Amtsarzt aufgrund seiner besonderen medizinischen Sachkunde gelangt ist. Im Gutachten sind auch die tragenden Feststellungen und Gründe mitzuteilen, soweit deren Kenntnis für die vom Dienstvorgesetzten zu treffende Entscheidung erforderlich sind (vgl. § 46 a Abs. 2 BBG).

Diesen Anforderungen genügt die Stellungnahme der Amtsärztin des Landkreises Nordvorpommern vom 26. Februar 2002. Sie beschränkt sich nicht auf die Feststellung, beim Antragsteller sei "von dauernder Dienstunfähigkeit" auszugehen. Vielmehr wird das diese Bewertung tragende "körperliche Leiden" des Antragstellers konkret beschrieben ("Sick-Building-Syndrom" mit außerordentlicher Empfindlichkeit des Beamten gegenüber auch unterschwelliger Schadstoffkonzentration in Innenräumen). Das Schreiben vom 26. Februar 2002 enthält daneben auch Hinweise über das Zustandekommen der geäußerten Auffassung (z.B. frühere amtsärztliche Gutachten, Arztberichte, Attestierungen). Außerdem wird erwähnt, dass der Antragsteller seit Februar 2000 dienstunfähig erkrankt sei. Ob im allgemeinen von einem amtsärztlichen Gutachten detailliertere Angaben zu erwarten sind, kann hier auf sich beruhen. Eine Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass der Antragsteller jedenfalls seit ca. 2 Jahren nahezu ständig unter fachärztlicher Kontrolle gestanden hat. Beispielhaft sei die vom Antragsteller selbst vorgelegte Fachtoxikologische Stellungnahme vom 07. Juni 2000, in der ihm bereits das "Sick-Building-Syndrom" attestiert worden ist, erwähnt. Auf das umweitmedizinische (Privat-)Gutachten vom 08. November 2001, das sich ähnlich äußert, kann ergänzend hingewiesen werden. Da die Amtsärztin sich offensichtlich auf allen Beteiligten bekannte ärztliche Befunde stützte, ist es jedenfalls nicht abwegig, in diesem Punkt auf detailliertere Ausführungen zu verzichten.

Das Gutachten ist auch nicht deshalb völlig unbrauchbar, weil es nicht auf einer unmittelbar vorhergehenden eigenen Untersuchung durch die Amtsärztin basiert, auch wenn der Dienstvorgesetzte des Antragstellers - wie im Schreiben vom 23.11.2001, mit dem er das Gutachten eingeholt hat, anklingt - ursprünglich eine (weitere) Untersuchung für erforderlich gehalten hat. Dem Antragsteller ist allenfalls insoweit beizupflichten, dass in der Regel dem Gutachten eine Untersuchung vorangehen sollte. Zwingend vorgeschrieben ist dies aber weder in § 48 Abs. 1 LEG M-V noch ergibt es sich - wie der Antragsteller meint - aus § 45 Abs. 1 Satz 3 LEG M-V.

Diese Regelung normiert lediglich eine Verpflichtung des Beamten, sich unter bestimmten Voraussetzungen nach Weisung des Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt dies für erforderlich hält, auch beobachten zu lassen. Im vorliegenden Fall hat die Amtsärztin im Schreiben vom 26. Februar 2002 erläutert, weshalb sie eine persönliche Untersuchung des Antragstellers nicht für erforderlich gehalten hat. Wenn der Dienstvorgesetzte dem nicht entgegengetreten ist, so ist dies hier insbesondere deshalb nicht gänzlich unvertretbar, weil die Diagnose des beim Antragsteller gegebenen Leidens jedenfalls im Kern seit längerer Zeit feststand und - wie zum Teil bereits ausgeführt - auch von den vom Antragsteller eingereichten ärztlichen Stellungnahme bestätigt wird. Im wesentlichen ging es nunmehr lediglich noch um die Bewertung der Auswirkungen der Erkrankung auf die Frage der Dienstfähigkeit. Dass die Amtsärztin das ihr verbleibende Ermessen, wie sie sich ihre eigene Überzeugung bildet, derart fehlerhaft ausgeübt hätte, dass deshalb die Fortführungsentscheidung als willkürlich zu bewerten wäre, kann danach nicht festgestellt werden. In diesem Zusammenhang ist auf § 45 Abs. 1 Satz 2 LEG M-V hinzuweisen, wonach der Beamte auch dann als dienstunfähig angesehen werden kann, wenn er in Folge Erkrankung innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig ist. Die Drei-Monats-Grenze war im Falle des Antragstellers, der (wie erwähnt) zur Zeit der amtsärztlichen Begutachtung schon seit zwei Jahren keinen Dienst mehr versehen hatte, um ein mehrfaches überschritten. Außerdem ist anzumerken, dass der Beamte selbst nur dann verpflichtet ist, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, wenn über seine Dienstunfähigkeit "Zweifel" bestehen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 3 LEG M-V). Daraus lässt sich ableiten, dass auch der Amtsarzt nicht zu einer persönlichen Untersuchung verpflichtet ist, wenn er über die Dienstunfähigkeit keine Zweifel (mehr) hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Oktober 2002 tatsächlich eine Untersuchung stattgefunden hat und ein neues (ausführlicheres) amtsärztliches Gutachten unter dem 22. November 2002 erstellt worden ist. Dies hängt mit den verschiedenen Stufen zusammen, in denen das Zurruhesetzungsverfahren abläuft. Das Gutachten nach § 48 Abs. 1 LEG M-V, das der Fortführungsentscheidung zugrunde liegt, betrifft zunächst die erste Stufe. Weitere Stufen stellen dann die Mitteilung nach § 48 Abs. 1 LEG M-V, die Einwendungen nach § 48 Abs. 3 LEG M-V und die bereits erwähnte Fortführungsentscheidung dar. Danach soll - und in dieser Stufe befindet sich das Verfahren des Antragstellers derzeit - ein Beamter, der die Rechte und Pflichten eines Untersuchungsführers hat, tätig werden (vgl. § 48 Abs. 4 LEG M-V). Wenn dieser den Einwendungen des Beamten in der Weise nachgeht, dass er seinerseits ein amtsärztliches Gutachten in Auftrag gibt, so bedeutet dies nicht, dass in der ersten Stufe (§ 48 Abs. 1 LEG M-V) die Einholung des erforderlichen Gutachtens versäumt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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