Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 08.07.2009
Aktenzeichen: 3 M 84/09
Rechtsgebiete: VwGO, LBauO M-V, SOG M-V


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 3 Satz 1
LBauO M-V § 58 Abs. 2 S. 2
SOG M-V § 84 Abs. 1
SOG M-V § 70 Abs. 1 Satz 1
Es bleibt offen, ob eine Verweisung der Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO auf die Gründe eines anderen Bescheids möglich ist. Eine solche Bezugnahme scheidet jedenfalls dann aus, wenn der in Bezug genommene Bescheid selbst keine Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO enthält oder in der nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO gebotenen Abwägung andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, als sie Gegenstand des in Bezug genommenen Bescheids sind.

Ein Erbbauberechtigte ist nicht Rechtsnachfolger eines als Handlungsstörer in Anspruch Genommenen, sondern allenfalls des Eigentümers.

Die Zustandsverantwortlichkeit eines Erbbauberechtigten als Rechtsnachfolger des Eigentümers erstreckt sich nur dann auf ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude, wenn dieses wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

3 M 84/09

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Baurecht

hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 08.07.2009 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 31.03.2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner gab Herrn F. durch Bescheid vom 19.11.2003 auf, einen auf dem Flurstück 6/1 der Flur 3 Gemarkung G. errichteten Bungalow bis zum 30.04.2004 vollständig zurückzubauen. Das Grundstück steht in Eigentum der Stadt R... Zu Gunsten des Antragstellers war am 16.11.1998 eine Auflassungsvormerkung zur Bestellung eines Erbbaurechts eingetragen worden, das Erbbaurecht selbst am 18.03.2008.

Der Antragsgegner hatte den Bescheid vom 19.11.2003 nicht gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofortig vollziehbar erklärt; dies geschah auch nicht durch den Widerspruchsbescheid vom 21.04.2004. Im Rahmen der gegen die Verfügung vom 19.11.2003 gerichteten Anfechtungsklage erklärte der Antragsgegner, er werde hieraus bis zum 31.12.2007 nicht vollstrecken, wenn Herr F. seine Klage (VG Schwerin 2 A 3161/03, verbunden mit 2 A 3180/03 und 2 A 1405/04) zurücknehme. Dies geschah am 14.02.2006. Der Antragsteller oder die Stadt R. waren zu diesem Verfahren nicht beigeladen worden.

Mit Bescheid vom 05.11.2008 gab der Antragsgegner dem Antragsteller als Erbbauberechtigten an dem betroffenen Grundstück auf, die Beseitigung des Bungalows zu dulden. Zugleich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Weiter heißt es: "Die Gründe entnehmen Sie bitte der beigefügten Beseitigungsverfügung".

Das Verwaltungsgericht stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Duldungsverfügung des Antragsgegners vom 05.11.2008 wieder her. Zur Begründung führte es aus: Die Anordnung des Sofortvollzugs bestehe lediglich aus einem Verweis auf die (bestandskräftige) Beseitigungsverfügung vom 19.11.2003. Dieser Verweis genüge deswegen nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, weil die sofortige Vollziehung der Beseitigungsverfügung vom 19.11.2003 nicht angeordnet worden war. Auch sei die Begründung nicht ordnungsgemäß nachgeholt worden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegners.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgebenden Gründe, die der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 08.05.2009 vorträgt, geben keine Veranlassung, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern.

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht ist Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt ist. Der Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kommt eine "Warn- bzw. Signalfunktion" zu; sie soll der Behörde den auch von Verfassungs wegen bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (OVG Greifswald, B. v. 10.08.2005 - 1 M 74/05 - NordÖR 2006, 34; vgl. BVerwG, U. v. 18.09.2001 -1 DB 26/01 - und 31.01.2002 - 1 DB 2/02 - jeweils juris; ebenso OVG Bautzen, B. v. 07.04.2004 - 2 BS 91/04 - SachsVBl 2004, 238; VGH München, B. v. 14.02.2002 - 19 ZS 01.2356 - NVwZ-RR 2002, 646). Erforderlich ist grundsätzlich die Benennung konkreter Umstände des Einzelfalles, warum das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung zurücktreten soll (BVerwG, B. v. 31.01.2002 - 1 DB 2/02 - zit. nach juris). Die Begründung der behördlichen Vollziehungsanordnung ist allerdings nicht losgelöst von der Begründung des Bescheides, sondern im Zusammenhang mit ihr zu betrachten. Das besondere öffentliche Interesse kann durch das allgemeine, den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigende Interesse - bis hin zur Identität - vorgeprägt sein. Weisen beispielsweise die Gründe für den Erlass eines Verwaltungsaktes im Einzelfall einen so hohen Dringlichkeitsgrad und ein solches Gewicht auf, dass sie gleichzeitig das besondere Vollzugsinteresse einschließen bzw. mit diesem deckungsgleich sind, kann eine solche Identität angenommen werden (OVG Greifswald, B. v. 10.08.2005 - 1 M 74/05 - a.a.O.).

Bei der Entscheidung über die Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, die zu begründen ist (Informationsfunktion), ist die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Garantie eines umfassenden und effektiven Rechtsschutzes zu beachten. Ihr kommt wesentliche Bedeutung bereits für den vorläufigen Rechtsschutz zu, dessen Versagung vielfach irreparable Folgen hat. Die nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgeschriebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und verwaltungsgerichtlicher Klage ist insoweit eine adäquate Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie und ein fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses. Andererseits gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe im Verwaltungsprozess nicht schlechthin. Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes ist daher nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Der Rechtsschutzanspruch des Bürgers ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (BVerfG 2. Senat 2. Kammer, B. v. 13.06.2005 - 2 BvR 485/05 - NJW 2005, 3275 = NVwZ 2005, 1053 = BVerfGK 5, 328).

Es kann offen bleiben, ob überhaupt eine Verweisung der Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO auf die Gründe eines anderen Bescheids möglich ist (vgl. OVG Saarland, B. v. 05.10.1983 - 3 W 1619/83 - zit. nach juris zur Bezugnahme auf eine frühere an den Betroffenen gerichtete Entscheidung).

Eine solche Bezugnahme scheidet jedenfalls dann aus, wenn der in Bezug genommene Bescheid selbst keine Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO enthält. Die Warnfunktion dieser Begründung geht über das Niederlegen eines bloßen - letztlich leerlaufenden - Verweises hinaus. Gefordert ist die Auseinandersetzung speziell mit dem Umstand, dass entgegen des Grundsatzes des § 80 Abs. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gerade des Adressaten des Bescheides beseitigt werden soll. Durch den Verweis auf den Bescheid vom 19.11.2003, der selbst keine Anordnung der sofortigen Vollziehung enthält, kann dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO nicht Rechnung getragen werden. Auf die von dem Antragsgegner in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Darlegung zur negativen Vorbildwirkung und zu einzelfallbezogenen Gründen, die in der Beseitigungsanordnung dargelegt seien, kommt es nicht an, da sie die Begründung des Bescheids als solchen, nicht die Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO betreffen. Nicht nachvollziehbar ist der weitere Vortrag des Antragsgegners, in dem Bescheid vom 19.11.2003 würden Gründe dargelegt, die über diejenigen hinausgehen, die den Verwaltungsakt selbst rechtfertigen.

Eine Bezugnahme scheidet im übrigen auch aus, wenn in der nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO gebotenen Abwägung andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, als sie Gegenstand des in Bezug genommenen Bescheids sind. Denn hieran hat sich die Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO zu orientieren. Auch dies ist hier der Fall. Die materielle Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Die angefochtene Duldungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58 Abs. 2 S. 2 LBauO M-V in der seit dem 01.09.2006 geltenden Fassung - LBauO M-V n.F. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden in Wahrnehmung der Aufgabe, bei der Errichtung, Änderung, Nutzung, Instandhaltung und dem Abbruch von baulichen Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlichrechtlichen Vorschriften und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, nach pflichtgemäßen Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Auf diese Vorschrift kann auch eine sogenannte Duldungsanordnung gestützt werden. Eine Duldungsanordnung ist erforderlich, wenn private oder andere Rechte der Vollstreckung einer (bau-)ordnungsrechtlichen Verfügung entgegenstehen. Durch eine solche Verfügung wird dem in Anspruch Genommenen die Pflicht auferlegt, die zwangsweise Durchsetzung des Gebotes hinzunehmen (BVerwG, U. v. 28.04.1972 - 4 C 42.69 - BVerwGE 40,101 = BRS 25 Nr. 205; B. v. 24.07.1998 - 4 B 69/98 - NVwZ-RR 1999, 147 = BRS 60 Nr. 170). Sie ist auch zulässig, wenn ein Vollstreckungsschuldner zivilrechtlich zur Ausführung der geschuldeten Handlung nicht mehr berechtigt ist, weil er nicht mehr Eigentümer des Gegenstands der Vollstreckung ist, und somit die Vollstreckung ohne eine Duldungsanordnung gegen den Eigentümer unzulässig wäre (VGH Mannheim, B. v. 06.04.1994 - 8 S 52/94 - NVwZ-RR 1995,120; Senat, B. v. 18.09.2006 - 3 M 92/06-NordÖR 2007, 171).

Der Antragsteller wird nicht als Rechtsnachfolger nach Herrn F. in Anspruch genommen. Nach § 80 Abs. 1 Satz 3 LBauO M-V a.F. gelten Beseitigungsanordnungen auch gegenüber den Rechtsnachfolgern; nunmehr bestimmt § 58 Abs. 2 LBauO M-V n.F., dass bauaufsichtliche Maßnahmen auch für und gegen Rechtsnachfolger gelten. In einem solchen Fall der Rechtsnachfolge in polizeiliche Pflichten bestimmt § 84 Abs. 1 des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern - SOG M-V -, dass der Vollzug gegen den Rechtsnachfolger erst beginnen darf, nachdem er von dem Verwaltungsakt Kenntnis erhalten hat und darauf hingewiesen worden ist, dass der Vollzug gegen ihn durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass der Rechtsnachfolger gegenüber der Bekanntgabe seiner Pflichtigkeit gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SOG M-V nur geltend machen kann, dass in seiner Person die Rechtsnachfolge nicht eingetreten sei oder in seiner Person als Rechtsnachfolger Gründe liegen, die im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen wären. Die Regelung des § 80 Abs. 1 Satz 3 LBauO M-V a.F. / § 58 Abs. 2 LBauO M-V n.F. soll es ausschließen, dass eine bauordnungsrechtliche Beseitigungsanordnung gegebenenfalls - wie hier - nach Durchführung eines Verwaltungsrechtstreits durch einen inzwischen eingetretenen Grundstücksübergang gegenstandslos wird, und die Behörde gezwungen ist, trotz unveränderter Sachlage nunmehr gegen den Rechtsnachfolger erneut eine Anordnung zu treffen und gegebenenfalls zu prozessieren (Senat, B. v. 18.09.2006 - 3 M 92/06 - NordÖR 2007, 171).

Diese Gesichtspunkte gelten aber nur für den Fall der Rechtsnachfolge. Der Antragsteller ist indes nicht Rechtsnachfolger von Herrn F.. Herr F. ist ausweislich des Widerspruchsbescheids des Antragsgegners vom 21.04.2004 als Bauherr verantwortlich gemacht worden. Der Antragsteller hat die Bauherreneigenschaft von Herrn F. nicht übernommen.

Auch aus der jetzigen Position als Erbbauberechtigter ergibt sich keine Rechtsnachfolge in die Verantwortlichkeit des Herrn F.. Geht von einer Sache eine Gefahr aus, sind die Maßnahmen zwar auch gem. § 70 Abs. 1 Satz 1 SOG M-V gegen den Eigentümer bzw. Erbbauberechtigten zu richten. Diese Zustandsverantwortlichkeit erstreckt sich nur dann auf ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude, wenn dieses wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Sinne der §§ 93,94 BGB geworden ist. Ob dies der Fall ist, kann hier offen bleiben. Ist das Gebäude wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, wäre der Antragsteller allenfalls gem. § 12 ErbbauVO insoweit Rechtsnachfolger der bisherigen Eigentümerin (zur Streitfrage von Oefele, Münchener Komm, zum BGB, Band 6, 4. Aufl. 2004, § 12 ErbbauVO Rn. 6). Die Stadt R. als Eigentümerin des Grundstücks ist aber nicht Adressat der Verfugung gewesen. Ist das Gebäude nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, entfiele ohnehin die Verantwortlichkeit des Eigentümers oder Erbbauberechtigten.

Die Verfügung an den Antragsteller dient daher dazu, ein - mögliches - zivilrechtliches Vollstreckungshindernis zu beseitigen. Voraussetzung einer derartigen Duldungsanordnung ist die Wirksamkeit der an einen anderen gerichteten (Beseitigungs-)Anordnung, die wegen fehlenden Einverständnisses des Adressaten der Duldungsanordnung nicht durchgesetzt werden kann. Eine solche Duldungsanordnung ist nur dann rechtmäßig, wenn die Ausgangsverfügung - hier also die Beseitigungsanordnung - ihrerseits rechtmäßig ist. Denn ein Duldungsverpflichteter wird durch die Beseitigungsanordnung nicht in seinen Rechten verletzt und kann diese deshalb nicht mit Erfolg anfechten. Das gilt auch dann, wenn die Ausgangsverfügung bereits bestandskräftig ist. Eine solche inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ausgangsverfügung wäre nur dann entbehrlich - mit der Folge, dass der Duldungsverpflichtete eine bestandskräftige Beseitigungsanordnung ohne weitere Prüfung gegen sich gelten lassen müsste - wenn der Adressat einer Duldungsanordnung in einem vom Ausgangsverpflichteten über die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung geführten Rechtsstreit beigeladen wurde und somit die Möglichkeit hatte, Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Ausgangsverfügung geltend zu machen (vgl. BVerwG, B. v. 24.07.1998 - 4 B 69/98 - NVwZ-RR 1999, 147; VGH München, B. v. 16.04.2007 - 14 CS 07.275 - zit. nach juris m.w.N.). Dies ist nicht der Fall. Weder der Antragsteller noch die Stadt R. als Eigentümerin waren an dem Verfahren gegen Herr F. beteiligt worden. Sie sind auch nicht in die Vereinbarung des Herrn F. mit dem Antragsgegner eingebunden gewesen. Daher geht die Argumentation des Antragsgegners fehl, das Verhalten des Antragstellers leiste einer negativen Vorbildwirkung Vorschub.

Es kann offen bleiben, ob der Antragsteller darauf beschränkt ist, nur etwaige mit der Beseitigungsanordnung verbundene rechtswidrige Eingriffe in seine schutzwürdigen Rechtspositionen geltend zu machen können oder etwaige Ermessensfehler, die der Duldungsanordnung selbst anhaften (vgl. OVG Berlin, B. v. 26.04.2005 - 2 L 54.04,2 S 60.04 -LKV 2005, 515 = BRS 69 Nr. 191).

Jedenfalls hat die zuständige Behörde eigenständige Ermessenserwägungen anzustellen, die insbesondere die Belange des zur Duldung zu Verpflichtenden umfasst. Dies schließt es aus, pauschal auf die Begründung des Bescheid zu verweisen, der gegenüber dem Bauherrn ergangen ist, wenn - wie hier - von seiner Interessenlage abweichenden Gesichtspunkte einzustellen sind. Namentlich die nach § 39 Abs. 1 S. 3 VwVfG in der Regel dazustellenden gerade den Duldungsverpflichteten betreffenden Ermessensgesichtspunkte können so nicht behandelt werden.

Diese Erwägungen gelten entsprechend für die Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO. Hier wiegt nicht - wovon der Antragsgegner offensichtlich ausgeht - das öffentliche Interesse an der Bereinigung baurechtswidriger Zustände von vornherein schwerer als das Privatinteresse des Antragstellers. Dies mag gelten, wenn ein Erwerber, der entweder von der bestandskräftigen Verpflichtung des Veräußerers zur Beseitigung der Anlagen Kenntnis hatte oder der sich jedenfalls vor dem Erwerb des Grundstücks gegen bauaufsichtliche Maßnahmen dadurch sichern kann, dass er sich bei dem Erwerb die Baugenehmigung oder gegebenenfalls die Bauanzeige für die auf dem Grundstück befindlichen baulichen Anlagen aushändigen lässt, zur Duldung verpflichtet wird, weil andernfalls die Gefahr besteht, dass das dolose Zusammenwirken zwischen Veräußerer und Erwerber eines Grundstücks mit Anlagen, für die eine bestandskräftig gewordene Beseitigungsverpflichtung besteht, auf gleichgelagerte Fälle eine Vorbildwirkung haben würde (so VGH Kassel, B. v. 25.07.1985 - 4 TH 1268/85 - BRS 44 Nr. 207). Ähnliches mag gelten, wenn der zur Duldung Verpflichtete die bestandskräftige Verfügung gegen sich gelten lassen muss. Alles dies ist hier aber - wie ausgeführt - nicht der Fall.

Für die sofortige Vollziehung der Verpflichtung des Eigentümers oder Erbbauberechtigten eines Grundstücks, auf dem eine bauliche Anlage beseitigt werden soll, zur Duldung der Beseitigung, die einem anderen geboten worden ist, gilt im Grundsatz das Gleiche wie für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Abbruchgebots. Die sofortige Vollziehung eines Abbruchgebots kann regelmäßig deshalb nicht angeordnet werden, weil weder das öffentliche Interesse noch das überwiegende Interesse eines Beteiligten hierfür vorliegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass regelmäßig mit der Beseitigung von Bauwerken Endgültiges bewirkt wird (VGH Kassel, B. v. 30.05.1984 - 4 TH 61/83 - BRS 42 Nr. 220). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer rechtmäßigen Beseitigungsanordnung ist aber grundsätzlich dann zulässig, wenn (1.) die Beseitigung ohne Substanzverlust und andere hohe Kosten zu bewerkstelligen ist, (2.) die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung befürchten lässt, so dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss, (3.) ein beharrlicher und notorischer Schwarzbauer nur auf diese Weise erfolgversprechend an der Fortsetzung seiner rechtswidrigen Betätigung gehindert werden kann, oder (4.) wenn die von dem Bauwerk ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein sofortiges Einschreiten erfordert (Senat, B. v. 06.02.2008 - 3 M 9/08 - DÖV 2008, 874 = NordÖR 2008, 450).

Diese Gesichtspunkte müssten in der Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO in Abwägung mit den entgegenstehenden Interessen des Antragstellers gewürdigt werden.

Wenn der Antragsgegner sich auf den Beschluss des Senats vom 12.11.1993 - 3 M 89/93 - NVwZ 1995, 608 bezieht, missversteht er die dortigen Ausführungen. Es ging hier darum, ob im Rahmen der materiellen Abwägung der gegeneinander widerstreitenden Interessen die Anordnung des Sofortvollzugs der Beseitigungsanordnung für die hier betroffene Blockhütte zu billigen war (vgl. aber insoweit auch den oben zitierten Beschluss des Senats vom 06.02.2008 - 3 M 9/08 -). Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügende Begründung vorliegt.

Der Antragsgegner kann sich für die Frage, ob durch Schriftsatz vom 20.11.2008 die Begründung nachgeholt worden ist, nicht auf den Beschluss des Senats vom 20.11.1998 - 3 M 67/98 - NVwZ-RR 1999,409 beziehen. Die Ausführungen des Schriftsatzes vom 20.11.2008 nehmen nicht auf die besonderen Belange des Antragstellers Bezug. Vielmehr machen sie deutlich, dass der Antragsgegner allein von der Verantwortlichkeit des Herrn F. her die öffentlichen Belange beurteilt. Bei objektiver Betrachtung dieser Äußerungen können sie sich nicht auf den Antragsteller beziehen. Weder hat er den Vergleich vor dem Verwaltungsgericht geschlossen, noch ist der Antragsteller "ein Schwarzbauer", der die Baulichkeit errichtet hat. Der Antragsgegner hätte vielmehr berücksichtigen müssen, dass der Antragsteller bereits in dem zitierten Schreiben vom 23.01.2004 seine spezifischen Interessen in das Verfahren eingebracht hat. Wenn der Antragsgegner unter diesen Umständen davon abgesehen hatte, den Antragsteller in jenem Verfahren weiter zu beteiligen, rechtfertigt dies nicht, ihn für die lange Dauer des Bestandes des Gebäudes auf der Grundlage des Vergleiches, die immerhin der Antragsgegner abgeschlossen hat, verantwortlich zu machen.

Soweit der Antragsgegner sich schließlich auf die Bestandskraft der Beseitigungsverfügung vom 19.11.2003 bezieht, ist oben bereits dargelegt worden, dass dies nicht zutrifft. Es wird daher zu prüfen sein, ob die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit jenes Bescheids, die der Antragsteller geltend macht, durchgreifen.

Ob in einem Fall, in dem die Begründung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO nicht genügt, die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO wiederhergestellt wird mit der Folge, dass eine Nachholung in einem Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO geltend zu machen wäre, oder ob lediglich die Anordnung des Sofortvollzugs aufgehoben wird (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rn. 1031 ff.) muss offen bleiben, da sich der Antragsgegner gegen den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gewandt hat (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück