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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 4 K 20/03
Rechtsgebiete: VwGO, GG


Vorschriften:

VwGO § 47
VwGO § 92 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 103 Abs. 1
1. Innerhalb der dreimonatigen Betreibensfrist nach § 92 Abs. 2 VwGO a.F. ist erforderlich, dass sich der zur Äußerung aufgeforderte Beteiligte substanziiert äußert, sodass Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses beseitigt werden und der äußere Anschein einer Vernachlässigung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten entfällt.

2. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den Gründen für die Betreibensaufforderung und den vom Antragsteller konkret erbetenen Verfahrenshandlungen ab. Der Anforderung eines substanziierten Vorbringens genügt es jedenfalls nicht, wenn ein Kläger auf eine konkrete Anforderung hin lediglich mitteilt, er wolle das Verfahren weiterbetreiben, oder bei mehreren erbetenen Verfahrenshandlungen nur diejenige vornimmt, die zur Erfüllung seiner prozessualen Mitwirkungspflicht offensichtlich von nur untergeordneter Bedeutung ist.

3. Das Rechtsinstitut der Betreibensaufforderung mit der sich daran gegebenenfalls anschließenden Rücknahmefiktion nach § 92 Abs. 2 VwGO ist auch in einem Normenkontrollverfahren anwendbar.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

AZ.: 4 K 20/03

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Abwasserbeseitigungsbeitragssatzung

hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 30. September 2004 in Greifswald beschlossen:

Tenor:

Der Antrag gilt als zurückgenommen.

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Antragsteller haben am 30. Juni 2003 eine Normenkontrolle gegen die Schmutzwasserbeseitigungssatzung für Anlagen mit 3. Reinigungsstufe des Antragsgegners vom 04. Oktober 2001 i.d.P. der 1. Änderungssatzung vom 13. Dezember 2001 erhoben.

Am 22. Dezember 2003 hat der Antragsgegner neue Beitragssatzungen in Kraft gesetzt.

Durch Verfügung vom 16. Februar 2004 hat der Senat bei den Antragstellern angefragt, ob - im Hinblick auf die Satzungsänderungen - das Normenkontrollantragsverfahren fortgeführt werden soll und gegebenenfalls mit welchem Antrag. Eine Antwort auf diese Anfrage blieb aus.

Mit Verfügung vom 24. Juni 2004 hat der Senat die Antragsteller aufgefordert, das Verfahren zu betreiben, und zwar durch Erklärung zu der Frage, ob im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Satzungsänderung das Normenkontrollverfahren fortgeführt werden soll und gegebenenfalls mit welchem Antrag. Der gerichtlichen Verfügung ist ein Hinweis auf § 92 Abs. 2 VwGO beigefügt gewesen.

Mit Schreiben vom 24. September 2004, am gleichen Tage bei Gericht eingegangen, hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mitgeteilt:

"Die Rücksprache mit der Mandantschaft dauert noch bis zum 15.10.04 an.

Das Verfahren wird bis auf weiteres fortgeführt. Im Hinblick auf zwischenzeitlich erfolgte Satzungsänderungen, insbesondere aufgrund der Verbandsversammlung des Antragsgegners vom 27.10.03 mit nachfolgender Neubekanntmachung am 22.12.03, bleibt in diesem Verfahren eine volle oder teilweise verfahrensbeendende Erklärung und/oder eine Antragserweiterung ab dem 15.10. vorbehalten."

II.

Nachdem die Antragsteller das Normenkontrollverfahren trotz der Aufforderung des Gerichtes vom 24. Juni 2004 länger als drei Monate nicht betrieben haben, gilt der Normenkontrollantrag kraft Gesetzes als zurückgenommen (§ 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Dies ist durch Beschluss festzustellen (§ 92 Abs. 2 Satz 4 VwGO). Dementsprechend ist das Verfahren durch Beschluss einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Da es sich hierbei um eine Entscheidung im vorbereitenden Verfahren handelt, entscheidet der Normenkontrollsenat durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 VwGO).

Das Rechtsinstitut der Betreibensaufforderung mit der sich daran gegebenenfalls anschließenden Rücknahmefiktion nach § 92 Abs. 2 VwGO ist auch in einem Normenkontrollverfahren anwendbar (ebenso OVG Bautzen, Beschluss vom 12. Juni 2003 - 1 D 107/99 -, SächsVBl 2004, 7). Enthält § 47 VwGO keine besonderen Verfahrensregelungen, gelten die allgemeinen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, soweit wesentliche Unterschiede der Verfahrensarten dem nicht entgegenstehen. Dies ist mit Blick auf die Betreibensaufforderung nicht der Fall. § 92 Abs. 2 VwGO knüpft an den unterstellten Wegfall des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses in Verfahren an, für deren Fortführung der Rechtsschutzsuchende kein erkennbares Interesse mehr hat (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1987 - 9 C 259/86 -, NVwZ 1987, 605, für § 33 AsylVfG; OVG Bautzen, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 18. September 2002, - 1 B 103/02 -, Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 16). Eine solche Konstellation ist auch im Normenkontrollverfahren denkbar und im vorliegenden Einzelfall gegeben.

Die Betreibensaufforderung hat am 24. Juni 2004 ergehen können. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 GG und 103 Abs. 1 GG müssen im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung bestimmte, sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Antragsteller bestanden haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - 2 BvR 2662/95 -, DVBl 1999, 166; OVG Weimar, Beschluss vom 04. Mai 2001 - 3 KO 972/99 -, VwRR-MO 2001, 428; BVerwG, Beschluss vom 12. April 2001 - 8 B 2/01 -, NVwZ 2001, 918; BVerwG, Beschluss vom 18. September 2002, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1987 - 9 C 259/86 -, a.a.O.).

Im Zeitpunkt der Betreibensaufforderung haben konkrete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Antragsteller bestanden: Zum einen hat sie ihrer Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die gerichtliche Verfügung vom 16. Februar 2004 nicht genügt. Zum anderen hat sich eine gerichtliche Anfrage nach dem den Streitgegenstand konkretisierenden Antrag im vorliegenden Einzelfall gerade deshalb aufgedrängt, weil zwischenzeitlich ein neues Ortsrecht durch den Antragsgegner erlassen worden ist. Damit stellte sich die Frage, ob für eine Aufrechterhaltung der Normenkontrolle gegen das alte Ortsrecht noch ein Rechtsschutzinteresse besteht. Gleichfalls stellte sich als darlegungsbedürftig dar, ob sich die Antragsteller durch das nunmehr geltende Ortsrecht beschwert fühlen.

Innerhalb der dreimonatigen Betreibensfrist haben sich die Antragsteller lediglich mit dem am 24. September 2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz geäußert. Ein Betreiben im Sinne des § 92 Abs. 2 VwGO enthält dieser Schriftsatz nicht. Ein solches besteht im Regelfall in der Vornahme der konkret geforderten Handlung; die bloße Erklärung, das Verfahren solle (weiter-)betrieben werden, reicht nicht aus (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 92 Rn. 22 m.w.N.). Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich, dass sich der zur Äußerung aufgeforderte Beteiligte substanziiert äußert, sodass Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses beseitigt werden und der äußere Anschein einer Vernachlässigung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten entfällt (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1987 - 9 C 259/86 -, a.a.O.). Wann diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich naturgemäß nicht abstrakt umschreiben, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den Gründen für die Betreibensaufforderung und den vom Antragsteller konkret erbetenen Verfahrenshandlungen ab. Der Anforderung eines substanziierten Vorbringens genügt es jedenfalls nicht, wenn ein Kläger auf eine konkrete Anforderung hin lediglich mitteilt, er wolle das Verfahren weiterbetreiben, oder bei mehreren erbetenen Verfahrenshandlungen nur diejenige vornimmt, die zur Erfüllung seiner prozessualen Mitwirkungspflicht offensichtlich von nur untergeordneter Bedeutung ist (BVerwG, a.a.O.). So liegen die Dinge hier.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller erklärt, die Rücksprache mit der Mandantschaft dauere noch bis zum 15. Oktober 2004 fort, ist diese Erklärung nicht geeignet, die gesetzliche Dreimonatsfrist zu verlängern. Eine Beantwortung der gerichtlichen Fragen enthält diese Erklärung nicht.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mitteilt, das Verfahren werde bis auf weiteres fortgeführt, hat diese Erklärung keinen substanziellen Aussagewert im Hinblick auf den beabsichtigten Antrag. Dies gilt auch für den weiteren Hinweis darauf, dass sich der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller vorbehält, auch die Neufassung der Beitragssatzung anzufechten oder auch nicht. Die gerichtliche Verfügung vom 24. Juni 2004 hat erkennbar im Kern darauf abgezielt, durch die Stellung eines Antrages den Streitgegenstand zu konkretisieren, d.h. zu klären, ob eine oder gar mehrere Abgabensatzungen Gegenstand der Normenkontrolle sein sollen. Hierzu enthält der Schriftsatz vom 24. September 2004 keine Aussage. Aus dem prozessualen Kontext dieser Erklärung kann der Schriftsatz vom 24. September 2004 letztlich nur wie ein völliges Nichtbetreiben gewertet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 3, 155 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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