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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 27.10.2004
Aktenzeichen: 8 L 231/03
Rechtsgebiete: BPersVG, PersVG M-V


Vorschriften:

BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 4
BPersVG § 76 Abs. 2 Nr. 8
PersVG M-V § 68 Abs. 1 Nr. 19
PersVG M-V § 68 Abs. 1 Nr. 22
1. Zum Begriff der "Lohngestaltung" in § 68 Abs. 1 Nr. 22 PersVG M-V bzw. § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG.

2. Zum Begriff der "Verwaltungsvorschriften über die personelle Auswahl" nach § 68 Abs. 1 Nr. 19 PersVG M-V bzw. § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 8 L 231/03 Az.: 8 L 232/03

In den Personalvertretungssachen

wegen Mitbestimmung

hat der Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern auf Grund der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2004 in Greifswald durch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgericht Greifswald - 7. Kammer - vom 10.07.2003 werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Antragsteller ist der bei dem beteiligten Justizminister gebildete Hauptpersonalrat. Im Streit sind Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit dem Projekt "Fortbildung zur Eingruppierung von Angestellten auf empirischer Grundlage".

Mit Schreiben vom 21.06.2001 informierte der Beteiligte den Antragsteller u.a. darüber, dass es Ziel des Projekts sei, "die Behördenleiter in die Lage zu versetzen, sachgerechte Tätigkeitsbeschreibungen für die Angestellten in den Serviceeinheiten bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften" zu erstellen und fortzuschreiben. In einem ersten Schritt würden "grobe Aufgabengliederungen vorbereitet", danach erfolge eine "Ist-Erhebung von Tätigkeiten an exemplarisch ausgewählten Arbeitsplätzen". Auf der Grundlage wissenschaftlich anerkannter Methoden würden sodann "Mengen und Zeiten betreffend die Tätigkeiten erfasst". Die Projektleitung liege bei der "X-GmbH". Diese legte unter dem 06.06.2002 eine "Dokumentation der Ergebnisses des Projekts Fortbildung zur Eingruppierung von Angestellten in Serviceeinheiten auf der Basis von REFA-Methoden" vor, die der Beteiligte auch dem Antragsteller zuleitete. Insbesondere geht es dabei um folgende Fragen:

a) Bei welchen Aufgaben handelt es sich um schwierige Aufgaben und wie sind diese im Rahmen von Stellenbeschreibungen auszuweisen?

b) Welchen prozentualen Anteil an der Regelarbeitszeit muss die Ausführungszeit für schwierige Aufgaben haben, damit sie vergütungsgruppenrelevant sind?

c) Zu welchen Vergütungsgruppen führen welche prozentualen Anteile der Ausführungszeit für schwierige Aufgaben an der Regelarbeitszeit?

Der Beteiligte wandte sich mit Erlass vom 30.07.2002 an die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes und übersandte ihnen ein "Musterformular Tätigkeitsdarstellung und -bewertung".

In den beiden im November 2001 und Januar 2002 eingeleiteten personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10.07.2003 folgende Anträge gestellt:

1. Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung des Projektes "Fortbildung zur Eingruppierung von Angestellten auf empirischer Grundlage bei den Serviceeinheiten bei Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes Mecklenburg-Vorpommern" ein Mitbestimmungsrecht zustand.

2. Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller im Zusammenhang mit dem Erlass "Eingruppierung von Angestellten in Serviceeinheiten" vom 30.07.2002 ein Mitbestimmungsrecht zustand.

3. Der Beteiligte wird verurteilt, die Mitbestimmung über den Erlass "Eingruppierung von Angestellten in Serviceeinheiten" vom 30.07.2002 nachzuholen.

4. Der Beteiligte wird verurteilt, die Mitbestimmung für das Projekt "Fortbildung zur Eingruppierung von Angestellten auf empirischer Grundlage" nachzuholen.

Der Beteiligte hat beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Durch Beschlüsse vom 10.07.2003 hat das Verwaltungsgericht die wiedergegebenen Anträge abgelehnt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die (auf Verurteilung gerichteten) Leistungsanträge seien wegen der Vorrangigkeit eines entsprechenden Feststellungsantrags unzulässig. Die Feststellungsbegehren hätten keinen Erfolg, weil die streitgegenständlichen Maßnahmen unter keinen der in Betracht zu ziehenden Mitbestimmungstatbestände (§§ 68 Abs. 1 Nr. 18 bzw. 19, 70 Abs. 1 Nr. 4 bzw. 8 PersVG M-V) fallen würden.

Gegen die ihm am 03.09.2003 zugestellten Entscheidungen hat der Antragsteller am 02.10.2003 jeweils Beschwerden eingelegt, die nach entsprechender Fristverlängerung am 02.12.2003 begründet worden sind. Er hält an seinem bisherigen Begehren fest, stützt es aber jetzt auf § 68 Abs. 1 Nr. 19 und 22 PersVG M-V.

Der Senat hat die beiden Verfahren in der mündlichen Verhandlung verbunden.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Greifswald - 7. Kammer - vom 10.07.2003 zu ändern und den Beteiligten zu verurteilen,

1. die Mitbestimmung für das Projekt "Fortbildung zur Eingruppierung von Angestellten auf empirischer Grundlage" nachzuholen;

2. die Mitbestimmung über den Erlass "Eingruppierung von Angestellten auf empirischer Grundlage" nachzuholen,

hilfsweise, festzustellen, dass der Antragsteller bei dem o.g. Projekt und Erlass ein Mitbestimmungsrecht hat.

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzlichen Entscheidungen.

Außerdem vertreten die Verfahrensbeteiligten unterschiedliche Auffassungen zu der Frage, ob die umstrittenen Maßnahmen mittlerweile (endgültig) abgeschlossen sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

II.

Die Beschwerden sind unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Nachholung der von ihm geltend gemachten Mitbestimmung, weil weder das oben genannte Projekt noch der zitierte Erlass unter einen der in Betracht zu ziehenden Mitbestimmungstatbestände fällt, so dass auch dem Hilfsantrag nicht entsprochen werden kann.

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf die - mit § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG weitgehend übereinstimmende - Regelung des § 68 Abs. 1 Nr. 22 PersVG M-V berufen.

Danach erfolgt die Mitbestimmung bei Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden und deren Änderung sowie Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren. Hier kommt ersichtlich nur die erste Alternative in Betracht. Sie bezieht sich nicht nur auf Beschäftigte im Arbeits-, sondern auch auf Beschäftigte im Angestelltenverhältnis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.02.1987 - 6 P 8.84 -, E 75, 365; Fischer/Goeres, Band V, K 75 Rdn. 84 a mwN.). Bei dem Mitbestimmungstatbestand geht es um ein umfassendes Beteiligungsrecht in allen Fragen der Lohngestaltung ohne Beschränkung auf formelle Arbeitsbedingungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.03.2000 - 6 PB 23.99 -, zitiert nach juris). Was unter "Lohngestaltung" fällt, ist beispielhaft, aber nicht abschließend ("insbesondere") im Gesetz erläutert, so zählt unter anderem die "Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen" dazu. Der Tatbestand ist aber unabhängig davon, ob es um einen im Gesetz aufgeführten Beispielsfall geht, nur dann zu bejahen, wenn tatsächlich auf die Entlohnung (gestalterisch) Einfluss genommen wird. Dies ist aber (noch) zu verneinen, solange eine derartige Einflussnahme nur vorbereitet wird oder eine Grundlage für weitere - eventuelle ihrerseits mitbestimmungsbedürftige - Maßnahmen geschaffen werden soll, etwa eine Höhergruppierung bzw. Rückgruppierung (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 5 PersVG M-V.

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass der Tatbestand des § 68 Abs. 1 Nr. 22 PersVG M-V nicht vorliegt. Ob er zu bejahen wäre, wenn in dem umstrittenen Projekt bzw. Erlass die Aufforderung enthalten wäre, den Angestellten in den Serviceeinheiten Aufgaben so zuzuweisen, dass ihnen eine bestimmte Vergütungsgruppe zusteht oder nicht zusteht, bedarf hier keiner abschließenden Klärung, da sich nicht feststellen lässt, dass der Fall so liegt. So wie er sich nach dem Vortrag der Beteiligten bzw. dem Inhalt der vorgelegten Akten darstellt, geht es allerdings nicht nur um eine "Fortbildung", sondern auch um eine Leistungsbewertung. Die einzelnen Tätigkeiten der Angestellten in den Serviceeinheiten bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sollen auf ihren Schwierigkeitsgrad hin überprüft werden und zwar vor dem Hintergrund, dass sich ein bestimmter Anteil schwieriger Aufgaben auf die Eingruppierung der Betroffenen auswirkt. Damit ist wohl ein Zusammenhang mit Fragen der Entlohnung gegeben; denn je nach dem welche Aufgaben die Behördenleiter den Angestellten zuweisen, haben diese entweder Anspruch auf eine höhere oder eine niedrigere Eingruppierung. Ob der Beteiligte eine bestimmte Absicht verfolgt, etwa dass Angestellten schwierige Aufgaben gerade nur in einem Umfang zugeteilt werden, dass eine Höhergruppierung vermieden wird, lässt sich aber nicht feststellen. Nur auf Grund einer vermuteten Einflussnahme kann aber das Mitbestimmungsrecht nicht bejaht werden.

Der Antragsteller kann das geltend gemachte Beteiligungsrecht auch nicht auf § 68 Abs. 1 Nr. 19 PersVG M-V stützen. Danach erfolgt die Mitbestimmung bei Erlass von Verwaltungsvorschriften über die personelle Auswahl unter anderem bei Höher- und Umgruppierungen.

Die Regelung ist an § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG angelehnt, so dass auch auf die hierzu vorhandene Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden kann. Auswahlrichtlinien bezwecken, dass die auf ihnen beruhenden und durch Ermessens- und Beurteilungsspielräume gekennzeichneten Einzelentscheidungen ihrem Inhalt nach durch Festlegung bestimmter Vorgaben versachlicht und zugleich für die davon Betroffenen besser durchschaubar werden. Die durch die Vorgaben gesteuerten Entscheidungen sollen also im gesetzlich vorgegebenen Rahmen "gerechter" ausfallen, und zwar sowohl in ihrer Sachbezogenheit als auch in ihrer Rücksichtnahme auf die jeweilige individuelle Betroffenheit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.09.1990 - 6 P 27.87 -, Buchholz 250 § 76 Nr. 20). Es handelt sich dabei um Grundsätze, die für eine Mehrzahl künftiger Personalentscheidungen positiv wie negativ vorwegnehmend Kriterien festlegen, was in fachlicher, persönlicher und sozialer Hinsicht für die personelle Einzelmaßnahme zu berücksichtigen ist (vgl. Fischer/Goeres, aaO. K § 76 Rdn. 50 mwN.).

Dabei geht es aber nicht um Maßnahmen aller Art, sondern nur um die im Gesetz abschließend aufgezählten, d.h. Einstellungen, Versetzungen, Beförderungen, Höhergruppierungen, Umgruppierungen und Kündigungen. Nicht erfasst sind dagegen Umsetzungen bzw. die Übertragung von zusätzlichen Aufgaben oder der Entzug von Aufgaben. Dies gilt auch für den Fall, dass die Einzelmaßnahme selbst der Mitbestimmung unterliegt, wie etwa die Umsetzung im Sinne von § 68 Abs. 1 Nr. 9 PersVG M-V. Der Tatbestand des § 68 Abs. 1 Nr. 19 PersVG M-V ist nicht so weit gefasst, dass schon allgemein Richtlinien zu mitbestimmungsbedürftigen Maßnahmen mitbestimmungsbedürftig wären. Zu einer anderen Betrachtung würde man auch dann nicht gelangen, wenn man - wie dies der Antragsteller tut - davon ausgeht, dass der Richtlinie eine besondere Wichtigkeit für die von ihnen unmittelbar oder mittelbar betroffenen Beschäftigten zukommt. Da das Gesetz abschließend die Fälle aufzählt, in denen der Erlass von Richtlinien über die personelle Auswahl mitbestimmungsbedürftig ist, sind Richtlinien für andere Sachverhalte mitbestimmungsfrei (vgl. Grabendorff u.a., BPersVG, 9. Auflage, § 76 Rdn. 48 mwN.).

Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmen des Beteiligten, um die es hier geht, nicht als Richtlinie im Sinne von § 68 Abs. 1 Nr. 19 PersVG M-V angesehen werden können. Dem Antragsteller mag noch insoweit in seiner u.a. in der Beschwerdebegründung geäußerten Auffassung, dass sich das vom Beteiligten in Gang gesetzte Projekt auf die Eingruppierung von Beschäftigten auswirken könne, beizupflichten sein. Dies dürfte etwa dann gegeben sein, wenn sich in einem konkreten Einzelfall auf Grund der vorgenommen Tätigkeitsbeschreibung herausstellen sollte, dass der Beschäftigte, der die Tätigkeit ausübt, höhergruppiert werden muss. Auch wenn dieser Einzelfall dann nach § 68 Abs. 1 Nr. 5 PersVG M-V der Mitbestimmung unterliegt, würde dies für die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 Nr. 19 PersVG M-V nichts hergeben; darin geht es nicht um personelle Maßnahmen, die sich irgendwie auf Höhergruppierungen auswirken können, sondern - wie ausgeführt - unter anderem um die personelle Auswahl bei Höhergruppierungen. Dass für solche Auswahlentscheidungen Regeln aufgestellt würden, ist aber dem Vortrag der Beteiligten bzw. dem Inhalt der vorgelegten Akten nicht zu entnehmen. Zu einem anderen Ergebnis würde man auch dann nicht kommen, wenn man mit dem Antragsteller davon ausginge, dass die im Rahmen des Projekts durchgeführten Erhebungen geeignet sind, Höhergruppierungen zu verhindern, indem der Bestand an höherwertigen Tätigkeiten "strukturell und organisatorisch innerhalb der Serviceeinheiten" verschoben wird. Sofern das Projekt im Einzelfall dazu führen würde, dass einem Beschäftigten eine (höher oder) niedriger zu bewertende Tätigkeit übertragen wird, dürfte darin zwar ein mitbestimmungsbedürftiger Vorgang liegen (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 6 PersVG M-V). Eine Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 Nr. 19 PersVG M-V ließe sich daraus aber nicht ableiten; insofern kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. In dem umstrittenen Projekt bzw. Erlass kann - wenn überhaupt - allenfalls eine Vorbereitung für derartige Verwaltungsvorschriften erkannt werden.

Hinsichtlich der weiteren in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlagen kann auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden, denen im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten worden ist.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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