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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 06.04.2005
Aktenzeichen: 8 L 352/04
Rechtsgebiete: BPersVG, PersVG M-V


Vorschriften:

BPersVG § 28
PersVG M-V § 9
PersVG M-V § 21 Abs. 1
Zu den Voraussetzungen für den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Personalrat wegen Pflichtverletzung (hier: Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht)
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 8 L 352/04

In der Personalvertretungssache

wegen Ausschluss aus dem Hauptpersonalrat

hat der Fachsenat für Personalvertretungssachen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern auf Grund der mündlichen Verhandlung am 06. April 2005 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 7. Kammer - vom 10.06.2004 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, Hauptpersonalrat beim (zu 2.) beteiligten Ministerium, begehrt den Ausschluss eines Mitglieds, der Beteiligten zu 1., die bei der Oberfinanzdirektion X. beschäftigt ist. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Rahmen des sogenannten Monatsgesprächs wurde der Antragsteller am 19.04.2002 über Planungen zur Verlagerung von Teilen des Rechenzentrums der Oberfinanzdirektion X. nach Nürnberg informiert. Anlässlich der Sitzung des Antragstellers am 30.04.2002 stellte sich heraus, dass die Beteiligte zu 1. Informationen aus dem Monatsgespräch an eine Bedienstete der Oberfinanzdirektion weitergegeben hatte. Die Beteiligte zu 1. räumte dies ein und trug vor, der Meinung gewesen zu sein, mit der Bediensteten sprechen zu dürfen, da diese Mitglied des örtlichen Personalrats der Oberfinanzdirektion sei. Auf den Vorhalt, dass eine Verletzung der Schweigepflicht vorliege, sagte die Beteiligte zu 1., dass "es ihr leid" tue.

Auf der Grundlage eines am 15.05.2002 gefassten Beschlusses hat der Antragsteller am 02.07.2002 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet, um den Ausschluss der Beteiligten zu 1. zu erwirken.

Unter dem 15.04.2004 hat die fachliche Vorgesetzte der Beteiligten zu 1. gegenüber dem Gericht eine schriftliche Erklärung abgegeben, woraufhin der Antragsteller und die Beteiligten zu 1. übereinstimmend angegeben haben, sie gingen davon aus, dass im nachgeordneten Bereich der genannten Vorgesetzten das Angebot zur Verlagerung des Druckbereichs des Rechenzentrums bereits mindestens seit dem 17.04.2002 bekannt gewesen sei, dass das Mitglied des örtlichen Personalrats "von der endgültigen Entscheidung der Dienststellenleitung über die Verlegung des Druckzentrums nach Nürnberg durch die Beteiligte zu 1. erfahren" habe.

Durch Beschluss vom 10.06.2004 hat des Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt und zur Begründung u.a. Folgendes ausgeführt:

Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht stelle zwar objektiv in aller Regel eine grobe Pflichtverletzung dar. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles sei aber zweifelhaft, ob der Verstoß ein solches Gewicht habe, dass das Vertrauen in eine zukünftige ordnungsgemäße Amtsführung zerstört oder zumindest schwer erschüttert sei. Jedenfalls in subjektiver Hinsicht reiche aber das der Beteiligten zu 1. anzulastende Maß des Verschuldens nicht aus, um ihren Ausschluss zu rechtfertigen.

Gegen diese ihm am 23.06.2004 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller am 23.07.2004 Beschwerde eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 23.09.2004 begründet. Er verweist insbesondere darauf, dass über die Schweigepflicht wiederholt allgemein belehrt worden sei und dass bei dem Monatsgespräch am 19.04.2002 konkret darum gebeten worden sei, die Informationen über die Aufgabenverlagerung nicht weiterzugeben.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 7. Kammer - vom 10.06.2004 zu ändern und die Beteiligte zu 1. aus dem (antragstellenden) Hauptpersonalrat auszuschließen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Beteiligten zu 1. vorgelegen haben.

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Verfahren für erledigt zu erklären, weil die Neuwahl des Personalrats am 27.04.2005 stattfindet und eine Rechtskraft einer eventuellen Ausschlussentscheidung nicht mehr eintreten kann.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt u.a. vor, die vom Antragsteller vorgenommene Differenzierung zwischen dem (allgemein bekannten) günstigen Angebot aus Nürnberg und der endgültigen Entscheidung über die Annahme des Angebots sei kaum nachzuvollziehen.

Der Beteiligte zu 2. hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat den Ausschlussantrag zu Recht abgelehnt.

Das Beschwerdevorbringen führt nicht zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung. Auch der in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für den Ausschluss der Beteiligten zu 1. nicht gegeben sind. Ob außerdem das Rechtschutzinteresse des Antragstellers bereits jetzt zu verneinen ist, weil das (planmäßige) Ende der Amtszeit unmittelbar bevorsteht, kann der Senat danach offen lassen.

Das Begehren des Antragstellers bleibt in der Sache insgesamt erfolglos, weil die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 PersVG (vgl. auch: § 28 BPersVG) nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann das Verwaltungsgericht den Ausschluss eines Mitgliedes aus dem Personalrat auf Antrag eines Viertels der Wahlberechtigten, des Dienststellenleiters oder einer in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft wegen grober Vernachlässigung oder grober Verletzung gesetzlicher Befugnisse oder Pflichten beschließen. Der Personalrat kann aus den gleichen Gründen den Ausschluss eines Mitgliedes beantragen (§ 21 Abs. 1 Satz 3 PersVG M-V).

Verstöße im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 PersVG M-V sind dann als grob anzusehen, wenn sie ein mangelndes Pflichtbewusstsein des Personalratsmitglieds erkennen lassen. Sie müssen von solchem Gewicht sein, dass sie das Vertrauen in eine künftige ordnungsgemäße Amtsführung zerstören oder zumindest schwer erschüttern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.04.2004 - 6 PB 1/04 -, PersR 2004, 268 m.w.N.). Die Verwendung des Begriffs "grob" ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; der Verstoß muss also so gravierend sein, dass er die einschneidende Folge des Ausschlusses rechtfertigt. Auf leichtere Verstöße kann auf andere Weise reagiert werden, etwa mit einem Hinweis, einer Vorhaltung oder der Androhung der Einleitung des Ausschlussverfahrens im Wiederholungsfall. Auch ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht (vgl. § 9 PersVG M-V) kann den Ausschluss rechtfertigen, wobei allerdings die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (vgl. VGH München, Beschluss vom 08.12.1999 - 17 P/99.1582 -, PersV 2000, 173).

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass nur ein leichter Verstoß festzustellen ist.

Die Beteiligte zu 1. hat ihre Schweigepflicht verletzt, indem sie eine Information aus dem Monatsgespräch am 19.04.2002 weitergegeben hat. Nach den besonderen Umständen des Falles ist dieser Verstoß hier aber als leicht zu bewerten.

Die Information war nicht ihrer Natur nach geheimhaltungsbedürftig, wie dies etwa für bestimmte Details aus Personalakten gelten dürfte, von denen ein Personalratsmitglied im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens Kenntnis erlangen kann. Vielmehr war - worauf der Antragsteller selbst noch einmal mit Schriftsatz vom 23.09.2004 hinweist - für den 25.04.2002, also wenige Tage nach dem Monatsgespräch, eine "Informationsveranstaltung geplant", bei der die Beschäftigten über die Verlagerung des Druckbereichs in Kenntnis gesetzt werden sollten. Außerdem war - wie oben ausgeführt - das Problem der Verlagerung im allgemeinen den Betroffenen schon weitgehend bekannt. Die im Monatsgespräch geäußerte Bitte des Vertreters der Dienststelle, die Information über die Aufgabenverlagerung (vorerst) nicht weiterzugeben, rechtfertigt es danach nicht, dem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht ein besonderes Gewicht beizumessen, sondern führt erst zur Begründung einer Pflichtverletzung. Hierbei geht der Senat zugunsten des Antragstellers davon aus, dass jedenfalls im Allgemeinen eine Angelegenheit der Schweigepflicht unterliegt, wenn die Dienststelle sie als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet. Die Schweigepflicht besteht dagegen nicht für Angelegenheiten, die ihrer Natur nach keiner Geheimhaltung bedürfen oder die die Dienststelle als nicht geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat (vgl. § 9 Abs. 4 PersVG M-V).

Für das geringe Gewicht des Verstoßes spricht auch, dass eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligten zu 2. ersichtlich nicht eingetreten ist. Dem Vortrag des Antragstellers ist nicht zu entnehmen, dass es überhaupt zu irgendwelchen Reaktionen seitens des Beteiligten zu 2. gekommen ist. Dieser hat außerdem nicht nur darauf verzichtet, von sich aus ein Ausschlussverfahren einzuleiten, sondern hat auch das Ausschlussverfahren des Antragstellers nicht unterstützt. Der Senat deutet die ungewöhnlich umfassende Zurückhaltung der Dienststelle im vorliegenden Personalvertretungsrechtliehen Beschlussverfahren so, dass sie die Angelegenheit als ein internes Personalratsproblem betrachtet. Denn im Grunde hätte die Beteiligte zu 2. sich als in erster Linie von der vorzeitigen Weitergabe der Information betroffen ansehen können. Soweit der Antragsteller also auch die mutmaßlichen Interessen der Dienststelle wahrnehmen will, geht dieses Bemühen erkennbar ins Leere.

Schließlich ist bei der Gewichtung des Verstoßes noch zu berücksichtigen, dass die Beteiligte zu 1. die Information nicht allgemein veröffentlicht, sondern lediglich an ein Mitglied eines nachgeordneten Personalrats weitergegeben hat.

Da nach den vorstehenden Ausführungen der Verstoß schon objektiv nicht ausreicht, um die Beteiligte zu 1. aus der Personalvertretung auszuschließen, bedarf die Frage, ob - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - das Verschulden nicht ausreicht, keiner weiteren Prüfung.

Auf das Hilfsbegehren der Beteiligten zu 1. ist nicht mehr einzugehen, da sie bereits mit ihrem Hauptbegehren - der Zurückweisung der Beschwerde - erfolgreich ist.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen gem. §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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