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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 14.05.2008
Aktenzeichen: 1 A 1088/07
Rechtsgebiete: BhV


Vorschriften:

BhV § 5 Abs. 1 Satz 3
Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Heilpraktikerbehandlungen in § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV wird der Fürsorgepflicht des Dienstherrn aktuell insoweit nicht mehr gerecht, als sie im Wege statischer Verweisung ausnahmslos an den jeweiligen Mindestsatz des Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker aus dem Jahre 1985 anknüpft.
Tatbestand:

Die Beteiligten stritten im Rahmen einer Klage auf Neubescheidung um die Rechtmäßigkeit eines beamtenrechtlichen Beihilfebescheides, in dem die Beihilfe in Bezug auf krankheitsbedingte Aufwendungen für Heilpraktikerleistungen streng nach Maßgabe der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV und des dort in Bezug genommenen Mindestsatzes des im April 1985 geltenden Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker berechnet und festgesetzt worden war. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass diese beihilferechtliche Regelung gegen höherrangiges Recht, u. a. die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, verstößt. Das VG wies die Klage ab. Das OVG gab der Berufung des Klägers statt und ließ die Revision an das BVerwG zu.

Gründe:

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich allerdings nicht unmittelbar in Anwendung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Beihilfevorschriften - BhV) in der Fassung vom 1.11.2001 (GMBl. S. 918), zuletzt geändert durch die 29. AVV vom 10.3.2004 (GMBl. S. 548). Insoweit ist der Beklagten zuzugestehen, dass ihre den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Vergleichsrechnung an dem ausgerichtet ist, was § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV in Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BhV) der Höhe der Aufwendungen für (Behandlungs-)Leistungen eines Heilpraktikers seit langem begrenzend festlegt. Dies geht dahin, dass die Aufwendungen nur angemessen sind in Höhe des Mindestsatzes des im April 1985 geltenden Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker, jedoch höchstens bis zum Schwellenwert des Gebührenrahmens der Gebührenordnung für Ärzte bei vergleichbaren Leistungen (in diesem Sinne bereits die Fassung 1985 der BhV).

Die betreffende Begrenzungsvorschrift ist hier nicht deswegen unanwendbar, weil die Beihilfevorschriften des Bundes gegen den Verfassungsgrundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verstoßen. Das BVerwG hat zwar einen derartigen Verstoß festgestellt, zugleich aber bestimmt, dass die in der Form von Verwaltungsvorschriften getroffenen Regelungen der Beihilfevorschriften für eine Übergangszeit noch fortgelten, um auf diese Weise zu gewährleisten, dass die fraglichen Leistungen noch weiterhin nach einem einheitlichen Handlungsprogramm erbracht werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2004 - 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103, 109 ff.

Diese erst mit dem Ergehen der vorgenannten Entscheidung einsetzende Übergangszeit ist im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen des Klägers (Oktober 2005) noch nicht abgelaufen gewesen.

Die durch § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV inhaltlich erfolgte Begrenzung der Höhe beihilfefähiger Heilpraktikerleistungen verstößt indes zumindest teilweise gegen höherrangiges Recht. Soweit sie im Wege statischer Verweisung seit langem unverändert an den Mindestsatz des Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker aus dem Jahre 1985 anknüpft, wird sie den an eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn zu stellenden rechtlichen Anforderungen zumal unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht gerecht.

Grundlage für die Gewährung von Beihilfeleistungen - wie auch für ihre nähere Ausgestaltung und Begrenzung - ist die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Dieser muss Vorsorge treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie bei Eintritt besonderer Belastungen wie (u. a.) durch Krankheit nicht gefährdet wird. Wie er diese Pflicht erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen. Nach dem im hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt und auch noch heute geltenden System (einem sog. "Mischsystem") erfüllt der Dienstherr seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten durch eine finanzielle Hilfeleistung aus öffentlichen Mitteln - nämlich die Beihilfe -, die zu der im Übrigen vorausgesetzten Eigenvorsorge des Beamten als ergänzende Leistung hinzutritt. Für den verbleibenden Teil der krankheitsbedingten Kosten muss also der Beamte aus seinen Mitteln selbst Vorsorge treffen. Hierzu stellt ihm der Besoldungsgesetzgeber im Rahmen der Bezüge einen Alimentationsteil zur Verfügung. Kürzungen bzw. Kappungsgrenzen im Beihilfebereich können sich insofern wechselbezüglich auch auf das Alimentationsniveau auswirken. Hierbei wird eine mit Blick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf amtsangemessene Alimentation kritische Grenze jedenfalls dann erreicht, wenn der Betroffene als Folge dieser Kürzungen etc. mit erheblichen, durch die gewährte Alimentation nicht zumutbar aufzufangenden Aufwendungen belastet bleibt.

Vgl. zum Ganzen etwa BVerfG, Beschluss vom 2.10.2007 - 2 BvR 1715/03 -, ZBR 2007, 416, 419 f., m. w. N.

Zwar besteht - wie immer wieder betont wird - bei der näheren, grundsätzlich eine abschließende Konkretisierung der Fürsorgepflicht enthaltenden Ausgestaltung beihiferechtlicher Regelungen für den Dienstherrn ein weiter Gestaltungsspielraum, welcher prinzipiell auch generalisierende und typisierende Regelungen zulässt, die zwangsläufig im Einzelfall zu gewissen - in der Regel hinzunehmenden - Härten und Friktionen für die Betroffenen führen können. Der betreffende Gestaltungsspielraum des Dienstherrn ist allerdings nicht unbegrenzt und darf insbesondere nicht mit (inhaltlicher) "Beliebigkeit" verwechselt werden. Die Ausgestaltung im Einzelnen muss sich vielmehr auch selbst hinreichend an den Strukturen und Zielsetzungen des Beamtenverhältnisses als gegenseitiges Dienst- und Treueverhältnis und hier namentlich der dazu wesentlich zählenden Grundpflicht zur Fürsorge orientieren und sich daran zugleich messen lassen. Etwaige zusätzliche oder auch gegenläufige Belange und Regelungszwecke - wie hier etwa die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwendung öffentlicher Mittel oder auch die Verwaltungsvereinfachung - lassen dementsprechend auch im Beihilferecht nicht von vornherein jede denkbare Gestaltungsmöglichkeit zu. Sie sind vielmehr mit in einen erforderlichen Abwägungsvorgang einzustellen, welcher im Kern erst die Wahrnehmung des sich aus der Fürsorgepflicht im vorliegenden Zusammenhang ergebenden materiellen Gestaltungsauftrags ausmacht. Im Ergebnis dieser Abwägung darf dabei die positivrechtliche Verpflichtung des Dienstherrn zur Fürsorge (auch soweit deren verfassungsgeschützter Kern noch nicht betroffen ist) nicht unverhältnismäßig und mit für die Betroffenen unzumutbaren Folgen hintangestellt werden.

Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 14.5.2008 - 1 A 1701/07 -.

Diesen Anforderungen wird § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV indes nicht in vollem Umfang gerecht.

Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine ausdrückliche leistungsbegrenzende Reglung zur näheren Konkretisierung des Begriffs der "Angemessenheit" der Aufwendungen der Höhe nach, beschränkt auf einen bestimmten Leistungssektor, nämlich die Heilpraktikerleistungen. Derartige - ggf. auch abschließende - Konkretisierungen eines für den Beihilfebereich strukturellen Merkmals (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BhV) sind prinzipiell unbedenklich, vermögen auf der anderen Seite sogar zur Rechtsklarheit und -sicherheit beizutragen. Sie dürfen sich bei der näheren Ausgestaltung allerdings nicht zu weit von dem entfernen, was für das Merkmal als solches inhaltlich prägend ist. Dies gilt namentlich für pauschalierende Begrenzungen - etwa in Gestalt von Höchstbeträgen -, welche die Festsetzungsstelle einer (u. U. aufwändigen) Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall entheben sollen. Derartige Begrenzungen sind deshalb nur zulässig, wenn sie nach ihrem Umfang dem Gebot angemessener Fürsorge entsprechen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.1.1978 - 2 C 48.75 -, Buchholz 238.927, BVO NW Nr. 5; Mildenberger, Beihilfevorschriften in Bund, Ländern und Kommunen, § 5 BhV, Anm. 4 Abs. 2.

Solches vermag der Senat indes in Bezug auf den hier umstrittenen § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV nicht festzustellen, soweit dort die Angemessenheit der Aufwendungen - als einer von zwei maßgeblichen Bemessungsfaktoren - auf den Mindestsatz des im April 1985 geltenden Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker ohne ersichtliche Ausnahmemöglichkeit begrenzt worden ist, ohne im Übrigen die betreffende, ebenfalls seit 1985 bestehende beihilferechtliche Regelung im Laufe der Zeit in irgendeiner Weise an die allgemein gestiegene Preisentwicklung anzupassen.

Aufgrund seiner Fürsorgepflicht hat der Dienstherr die Beihilfe grundsätzlich nach den Aufwendungen zu bemessen, die dem Beamten bei der notwendigen Inanspruchnahme von Angehörigen der Heilberufe in Übereinstimmung mit der Rechtslage tatsächlich entstehen.

So ausdrücklich für die Inanspruchnahme eines Arztes: BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 2 C 34.03 -, ZBR 2005, 169, 170.

Wird dabei statt eines Arztes ein Heilpraktiker in Anspruch genommen, was nach dem hier zugrunde liegenden Beihilfeprogramm - insoweit dem Grundsatz der Wahlfreiheit des Betroffenen in Bezug auf Therapie und Person des Therapeuten durchaus Rechnung tragend - dem Grunde nach beihilfefähig ist (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV), mag es etwa aus den vom VG in dem angefochtenen Urteil niedergelegten Gründen (zu Unterschieden beim Berufsbild, der Ausbildung etc.) nicht von vornherein ausgeschlossen sein, zu auch vor dem Art. 3 Abs. 1 GG Bestand habenden unterschiedlichen Regelungen hinsichtlich der beihilferechtlichen Angemessenheit der Höhe der Aufwendungen zu gelangen.

Vgl. entsprechend zu möglichen Unterscheidungen bei der Liquidation von Ärzten und Diplom-Psychologen auch BVerwG, Urteil vom 29.8.1996 - 2 C 2.95 -, BVerwGE 102, 24.

Zum Schutz der betroffenen Beamten vor unzumutbaren Belastungen mit Eigenanteilen an den entstehenden Kosten muss aber auch für derartige Heilbehandlungen jedenfalls im Grundsatz gelten, dass die vom Heilpraktiker zivilrechtlich fehlerfrei abgerechneten Kosten - zumal wenn sie nicht über den durchschnittlich abgerechneten Kosten liegen - Richtschnur desjenigen sind bzw. bleiben, was der Beihilfegeber seinerseits als für die ergänzende Hilfeleistung des Dienstherrn angemessene Kosten der betreffenden Heilbehandlung einstuft, es sei denn, er hat besondere und hinreichend ersichtliche Gründe, hiervon abzuweichen. Mit anderen Worten: Ausgangspunkt der Angemessenheitsbewertung hat jeweils eine realistische Betrachtung dessen zu sein, zu welchen Konditionen der betroffene Beamte die betreffende Behandlungsleistung tatsächlich erlangen kann.

Vgl. in anderem Zusammenhang (Dienstunfallfürsorge): OVG Berlin, Urteil vom 29.6.1999 - 4 B 46.96 -, juris, Rn. 23 und 24.

Hier spricht aber bei lebensnaher Betrachtung überhaupt nichts dafür, dass zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (Oktober 2005) Heilpraktikerleistungen üblicherweise (noch) zu den Konditionen zu erlangen gewesen sind, die dem Mindestsatz des Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker aus dem Jahre 1985 entsprechen. Hierbei kommen im Wesentlichen zwei Gesichtspunkte zusammen: Zum einen handelt es sich bei dem in Rede stehenden Gebührenverzeichnis weder um ein Gesetz noch um eine Rechtsverordnung. Seine Inhalte gehen deswegen nicht auf einen für die Rechtssetzung typischen Gestaltungs- und Abwägungsvorgang eines Normgebers zurück und können von diesem folglich auch nicht für die Zukunft - mit Blick auf das Erkennen eines etwaigen Änderungs-/Anpassungsbedarfs - "unter Kontrolle gehalten" werden. Statt dessen beruht das Verzeichnis auf rein empirischen Daten, die auf der Grundlage einer Umfrage unter den in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassenen Heilpraktikern ermittelt worden sind.

Vgl. dazu die Einführung zum Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker (GebüH); ferner etwa Schröder/Beckmann/Weber, Beihilferecht des Bundes und der Länder (Bundeskommentar), § 5 BhV Anm. 6; OVG Berlin, Urteil vom 29.6.1999, a. a. O., Rn. 23.

Dabei mag die Belastbarkeit der einzelnen ermittelten Werte dahinstehen. Für die hier anzustellende Betrachtung wesentlich ist nämlich schon, dass die für die einzelnen Leistungsarten festgestellten und in das Verzeichnis übernommenen Honorarwerte einen ("Gesamt-)Rahmen" der damals durchschnittlich angesetzten Vergütungen wiedergeben, wobei dieser Rahmen je nach Art der Leistung deutlich unterschiedlich bemessen ist, und zwar in der Weise, dass der obere Wert zum Teil nicht einmal das Doppelte des unteren Wertes beträgt (vgl. etwa Nrn. 4 und 9), er zum Teil aber sogar beim ca. Fünffachen (vgl. Nrn. 14.8 und 16.4) liegt. Das lässt den Schluss zu, dass bezogen auf die in das Verzeichnis übernommenen Honorarspannen Ausreißer nach oben bzw. nach unten jedenfalls nicht durchgängig zuvor eliminiert worden sind, sondern diese mit widerspiegeln. Wenn nun der Beihilfegeber wie geschehen für die Angemessenheit der jeweiligen Leistung ausschließlich an den "Mindestsatz" (genauer: die jeweilige absolute Untergrenze der für die betreffende Einzelleistung empirisch ermittelten Daten) anknüpft, hat er von Anfang an den bestehenden Gebührenrahmen als solchen vernachlässigt und damit nicht dasjenige zugrunde gelegt, was realistischerweise für die betreffende Leistung (durchschnittlich) als Vergütung zu entrichten gewesen ist. Soweit Leistungen sich nach Umfang und Schwierigkeiten im Bereich des Gewöhnlichen halten, wird der Beamte in der Rechtsbeziehung zu seinem behandelnden Heilpraktiker vielmehr in der Regel allenfalls erwarten und realisieren können, dass in etwa nach dem Mittelwert der im Gebührenverzeichnis vorgesehenen Spanne abgerechnet wird.

So auch OVG Berlin, Urteil vom 26.6.1999, a. a. O., Rn. 24.

Dabei ist noch unberücksichtigt gelassen, dass das Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker in nicht seltenen Fällen (z.B. Nrn. 3, 10 und 12) die Gebührenspanne lediglich in Form einer Obergrenze ("bis zu ...") festlegt; in diesen Fällen fehlt von vornherein eine Grundlage, den beihilferechtlich verwendeten Begriff des "Mindestsatzes" mit Inhalt zu füllen und in der Praxis sinnvoll anzuwenden.

Mit den vorstehenden Erwägungen hat es allerdings nicht sein Bewenden. Zum anderen kommt noch hinzu, dass die in Bezug genommene Untergrenze des Gebührenrahmens inzwischen völlig veraltet ist. Entsprechende empirische Untersuchungen aus jüngerer Zeit gibt es soweit ersichtlich nicht. Da sich 20 Jahre nach der 1985 erfolgten Einführung des Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker aber die Lebenshaltungskosten - zurückhaltend geschätzt - um ca. 35 bis 40 Prozent verteuert haben dürften, und das Gebührenverzeichnis ja keine normativen Wirkungen zeitigt - was andernfalls eine entsprechende Anhebung der Vergütung von Zeit zu Zeit jedenfalls in Höhe der Inflationsrate nahegelegt hätte -, wird mit dem weiteren statischen Festhalten an dem "Mindestsatz" von 1985 der angesprochene tatsächliche Gebührenrahmen inzwischen völlig verfehlt. Das hätte die Beklagte bei ihren im gleichen Zeitraum vorgenommenen zahlreichen Änderungen der Beihilfevorschriften in Rechnung stellen müssen. Darüber hinaus scheinen sich die Heilpraktiker mittlerweile, wie der Kläger unbestritten vorgetragen hat und auch durch die zu den streitigen Aufwendungen vorgelegte Heilpraktikerrechnung bestätigt wird, bei miteinander vergleichbaren Leistungen statt an ihrem eigenen Gebührenverzeichnis jedenfalls auch, wenn nicht vornehmlich, an dem Schwellenwert nach der Gebührenordnung für Ärzte zu orientieren, an die als zweites Begrenzungselement ja auch § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV anknüpft. Dies ist ein weiterer Anhalt dafür, dass der Beihilfegeber des Bundes in Bezug auf das vom Kläger angegriffene erste Begrenzungselement bei den Aufwendungen für Heilpraktikerleistungen zurzeit von einem völlig realitätsfernen Ansatz ausgeht.

Das bestätigt letztlich auch der vorliegende Fall, in welchem dem Kläger für verschiedene Behandlungsleistungen eines Heilpraktikers in einem Zeitraum von ca. 3 Monaten Kosten in Höhe von 352,65 Euro entstanden sind. Daraus hat die Beklagte in formal "korrekter" Anwendung der von ihr in vollem Umfang für rechtsgültig gehaltenen Begrenzungen in § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV beihilfefähige Aufwendungen in Höhe von (nur) 202,70 Euro errechnet. Damit ist nahezu die Hälfte der Aufwendungen (ca. 150 Euro) hier von vornherein der Beihilfegewährung entzogen. Das sich daraus - auf das Jahr gerechnet - erhebliche von den Betroffenen selbst aufzubringende Beträge ergeben können, die bei dem u.a. im Jahr 2005 festzustellenden Zusammentreffen einer degressiven Einkommensentwicklung mit einer progressiven Entwicklung bei Kürzungen etwa im Beihilfebereich im Gesamtergebnis die amtsangemessene Alimentation gefährden, liegt auf der Hand.

Vgl. in diesem Zusammenhang - dort betreffend den Ausschluss der Beihilfefähigkeit für nicht verschreibungspflichtige Medikamente - auch OVG NRW, Urteil vom 14.5.2008 - 1 A 1701/07 -, m. w. N.

Es sind hier schließlich auch keine in Abwägung mit den fürsorgerischen Gesichtspunkten überwiegenden sonstigen Belange des Dienstherrn ersichtlich, welche die hier insbesondere streitige Begrenzung der Angemessenheit der Aufwendungen für Heilpraktikerleistungen im ersten Halbsatz des § 5 Abs. 3 Satz 1 BhV sachlich rechtfertigen könnten. Soweit es - worauf sich auch das VG bezieht - vom Beihilfegeber als nicht vertretbar angesehen worden sein mag, Heilpraktikern höhere Gebühren zuzubilligen als Ärzten, vgl. in diesem Zusammenhang Mildenberger, a. a. O., § 5 BhV Anm. 6b Abs. 1, was als solches gut nachvollziehbar ist, erforderte dies keine (generelle) Orientierung am Mindestsatz des Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker. Vielmehr greift, um dieses Ziel zu erreichen, im Kern schon die im Halbsatz 2 der Regelung vorgesehene weitere Begrenzung der Angemessenheit, welche sich daran orientiert, dass der Schwellenwert des Gebührenrahmens nach der Gebührenordnung für Ärzte nicht überschritten werden darf. Die im vorliegenden Fall von der Beklagten zur Errechnung des beihilfefähigen Betrages vorgenommene Vergleichsberechnung zeigt im Übrigen, dass es jedenfalls nicht den Regelfall darstellt, dass der Mindestsatz nach dem Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker im selben Bereich wie der Schwellenwert nach der Gebührenordnung für Ärzte - oder sogar über diesem - liegt. Nur dann aber hätte das zusätzliche Abheben auf diesen Mindestsatz keine wesentliche eigenständige beschränkende Wirkung und könnte evtl. vernachlässigt werden. Gründe der Verwaltungspraktikabilität im "Massengeschäft" Beihilfe lassen es hier ebenso wenig zwingend erscheinen, gerade (nur) auf einen Mindestsatz abzustellen und überdies keine Anpassungsmöglichkeiten dieses Satzes vorzusehen bzw. im Laufe der Zeit vorzunehmen. Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung sind schließlich - wie schon an anderer Stelle allgemein dargelegt - ebenfalls nicht per se vorrangig und können sich deswegen nicht in jedem Falle gegenüber (wie hier) ihrerseits bedeutsamen fürsorgerischen Belangen durchsetzen. Dass und inwieweit diesbezüglich mit Blick auf § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV überhaupt eine materielle Abwägung stattgefunden hat, ist nicht ersichtlich.

Dass die vom Kläger angegriffene Begrenzungsregelung - anders als § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV in Bezug auf ärztliche Leistungen - auch bei vorliegender besonderer Begründung des Behandlers von vornherein keinerlei Abweichungsmöglichkeit nach oben - auch nicht für besonders schwierige und zeitaufwändige Fälle - vorsieht, erscheint mit Blick auf die gebotene hinreichende Orientierung der Beihilfegewährung an der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ebenfalls sehr problematisch. Denn es spricht nichts dafür, dass der Heilpraktiker im Verhältnis zu seinem Patienten rechtlich gehindert wäre, derartige besondere Umstände bei der Festlegung der Gebührenhöhe im Einzelfall zu berücksichtigen. Dies muss dann aber auch der Beihilfegeber bei der Festlegung von Angemessenheitsgrenzen abwägend in die Betrachtung mit einstellen. Da schon die bisher angeführten Gründe darauf führen, dass die angegriffene Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV zumindest mit ihrem (vom Kläger soweit ersichtlich allein beanstandeten) ersten Halbsatz höherrangiges Recht verletzt und deswegen insoweit nicht angewendet werden darf, braucht dies allerdings hier nicht weiter vertieft zu werden.

Die Unanwendbarkeit des ersten Begrenzungsmerkmals in § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV wirkt sich auf das zweite dort enthaltene (selbständige) Begrenzungsmerkmal - den Schwellenwert nach der Gebührenordnung für Ärzte - nicht unmittelbar aus. Dessen weitere Anwendbarkeit bleibt deswegen hiervon grundsätzlich unberührt. Das bedeutet auf der anderen Seite aber - anders als wohl der Kläger meint - nicht zwingend, dass dieses Merkmal, unter dessen Zugrundelegung nach dem Willen des Beihilfegebers die hier in Rede stehenden Angemessenheitsfragen gerade nicht abschließend beurteilt werden sollten, nunmehr stets alleiniger ("starrer") Beurteilungsmaßstab sein muss. Vielmehr bleibt letztlich der - auch unter Einbeziehung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles näher zu konkretisierende - Begriff der Angemessenheit als solcher Grundlage der Beihilfegewährung für Heilpraktikerleistungen.

Daraus ergibt sich für die gebotene Neubescheidung des Beihilfeantrags des Klägers:

Die Beklagte wird sich vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 BhV zunächst einmal daran zu orientieren haben, ob und inwieweit die vorliegende Heilpraktikerrechnung Vergütungsbeträge enthält, die - bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen - über dem Schwellenwert der Gebührenordnung für Ärzte für vergleichbare Leistungen gelegen haben und die ausgehend von der im Halbsatz 2 vorgenommenen Bewertung in diesem Umfang als grundsätzlich nicht mehr angemessen einzustufen sind. Schon der Wortlaut ("höchstens bis zum ...") verdeutlicht indes, dass auch unterhalb dieser Grenze noch ein gewisser Spielraum besteht. Diesen nutzend stünde es der Beklagten beispielsweise auch frei, in unmittelbarer Konkretisierung des beihilferechtlichen Angemessenheitsbegriffs den Gebührenrahmen, den das Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker für die einzelnen Leistungen dieser Berufsgruppe zur Verfügung stellt, unter Fortschreibung der Werte aus dem Jahre 1985 einzelfallbezogen (aber nicht nur am unteren Rande) näher auszuschöpfen, um auf diese Weise möglichen Besonderheiten der jeweiligen Behandlung besser Rechnung tragen zu können, als dies mit einer allzu schematischen Anlehnung allein an den Schwellenwert nach der Gebührenordnung für Ärzte gelingen kann. Das vom Senat für § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV ausgesprochene Anwendungsverbot bezieht sich in diesem Zusammenhang allein auf die vom Text des § 5 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 BhV vorgegebene starre Orientierung am "Mindestsatz" dieses Gebührenverzeichnisses sowie zugleich auf das statische Festhalten an den tatsächlichen Verhältnissen aus dem Jahre 1985.

Da der gegenüberstellenden Berechnung im Widerspruchsbescheid vom 17.3.2006 zufolge hier allein solche Heilpraktikerleistungen in Rede stehen, für welche die Gebührenordnung für Ärzte eine festgelegte Gebühr und damit auch einen Schwellenwert des Gebührenrahmens enthält, gibt das vorliegende Verfahren keinen Anlass zu umfassenden Überlegungen, wie die Angemessenheit der Leistungen eines Heilpraktikers derzeit näher zu bestimmen ist - etwa bezogen auch auf solche Leistungen, für die es eine vergleichbare ärztliche Leistung nicht gibt. Insoweit könnte eventuell mit dem OVG Berlin, a. a. O., der Mittelwert der üblichen Gebührenspanne einen geeigneten Ansatz für Leistungen üblichen Umfangs und durchschnittlicher Schwierigkeit bieten, wofür allerdings - wie schon gesagt - das bestehende Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker aus dem Jahre 1985 schwerlich noch eine aktuelle Beurteilungsgrundlage bieten kann. Die dort ausgewiesenen Gebührenspannen wären vielmehr entsprechend der durchschnittlichen Inflationsrate fortzuschreiben.

Ende der Entscheidung

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