Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: 1 A 1483/00.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW, VO-DV II


Vorschriften:

LPVG NRW § 72 Abs. 3 Nr. 1
VO-DV II § 6
VO-DV II Anlage 3
Der Gesetzesvorbehalt aus dem Einleitungssatz des § 72 Abs. 3 LPVG NRW schließt das Mitbestimmungsrecht des Personalrats aus § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW nicht aus, wenn der Dienststellenleiter die private Telefaxnummer und die E-Mail-Adresse eines Lehrers im Rahmen eines neu eingeführten Softwareprogramms speichern will. Denn von dem in der Anlage 3 der Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten der Lehrerinnen und Lehrer (VO-DV II) vom 22.7.1996 (GV. NRW S. 310) genannten Begriff "Privatanschrift" werden diese Daten nicht erfasst.
Tatbestand:

Die Beteiligte entwickelte zur qualitativen Verbesserung der Arbeit der mit der Planung und Abwicklung von Lehrerfortbildungsmaßnahmen befassten Dezernate der Bezirksregierungen ein EDV-Programm, das im Rahmen der Teilnehmerverwaltung u. a. als Teil der sog. Stammdaten die Erfassung der privaten Telefaxnummer und der E-Mail-Adresse vorsah. Der Antragsteller machte an dieser Maßnahme ein Mitbestimmungsrecht geltend. Dies lehnte die Beteiligte unter Hinweis auf das Eingreifen des Gesetzesvorbehalts mit der Begründung ab, die private Telefaxnummer und die E-Mail-Adresse gehörten zu den von der Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten der Lehrerinnen und Lehrer aus dem Jahre 1996 erfassten Daten. Daraufhin leitete der Antragsteller ein personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren ein, das erstinstanzlich ohne Erfolg blieb. Auf die dagegen erhobene Beschwerde wurde dem Antrag stattgegeben.

Gründe:

Die Einführung des Programms "LeWin 45" im Rahmen des Projekts "Lehreraus- und -fortbildung im Dezernat 45" unterliegt nach § 72 Abs. 3 Nr. 1 LPVG NRW der Mitbestimmung des Antragstellers.

Nach dieser Bestimmung hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen in Rationalisierungs-, Technologie- und Organisationsangelegenheiten bei Einführung, Anwendung, wesentlicher Änderung oder wesentlicher Erweiterung von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten außerhalb von Besoldungs-, Gehalts-, Lohn-, Versorgungs- und Beihilfeleistungen sowie Jubiläumszuwendungen. Diese Tatbestandsmerkmale sind erfüllt.

Bei der Auslegung des Merkmals "Verarbeitung personenbezogener Daten" ist im Hinblick darauf, dass sich ein eigenständiger personalvertretungsrechtlicher Gehalt bisher nicht herausgebildet hat, weitgehend auf die datenschutzrechtlichen Begriffe des Datenschutzgesetzes NRW in der zurzeit der Novellierung des § 72 Abs. 3 LPVG NRW durch die Novelle 1984 geltenden Fassung vom 14.12.1978 (GV. NRW S. 640) - DSG NRW F. 1978 - zurückzugreifen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20.1.2000 - 1 A 128/98.PVL -, PersR 2000, 456 = PersV 2000, 542, und vom 15.12.1999 - 1 A 5054/97.PVL -, m.w.N.; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 72 Rn. 289a.

Gemäß § 2 Abs. 1 DSG NRW F. 1978 sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Darunter fallen auch die private Telefaxnummer und die E-Mail-Adresse.

Vgl. dazu Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, Stand: Februar 2002, § 3 BDSG Rn. 20 f. (insbesondere 21 und 29); Ordemann/Schomerus/Schomerus/ Gola, § 3 Anm. 2.

Diese Daten werden durch die Anwendung des Programms "LeWin 45" in der Form der Speicherung verarbeitet.

Mit der Einführung des Programms ist auch eine wesentliche Änderung von automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt, da die Datenverarbeitung derart geändert worden ist, dass sich neue Anwendungs- und Auswertungsmöglichkeiten von substantieller Bedeutung insbesondere auch mit Blick auf die in Rede stehende Verarbeitung der privaten Telefaxnummer und der E-Mail-Adresse eröffnen.

Vgl. dazu allgemein OVG NRW, Beschluss vom 20.1.2000 - 1 A 128/98.PVL -, a.a.O.

Entgegen der Auffassung der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen und der Beteiligten steht dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nicht der sich aus dem Einleitungssatz des § 72 Abs. 3 LPVG NRW ergebende Gesetzesvorbehalt entgegen.

Als vorrangige gesetzliche Regelung in Betracht kommt im vorliegenden Zusammenhang allein die Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten der Lehrerinnen und Lehrer (VO-DV II) vom 22.7.1996 (GV. NRW S. 310).

Zwar stellt diese Verordnung ein Gesetz im Sinne des Einleitungssatzes des § 72 Abs. 3 LPVG NRW dar, da darunter jedes materielle Gesetz und damit auch eine Rechtsverordnung zu verstehen ist.

Vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 72 Rn. 279.

Die Verordnung schließt jedoch ihrem Inhalt nach das in Rede stehende Mitbestimmungsrecht des Antragstellers - bezogen auf die Verarbeitung der Telefaxnummer und der E-Mail-Adresse - nicht aus.

So sieht die aufgrund des § 19 b Abs. 3 SchVG NRW erlassene Verordnung in § 6 vor, dass die Schulaufsichtsbehörden im Rahmen der ihnen übertragenen Zuständigkeiten personenbezogene Daten lediglich nach Maßgabe der Anlage 3 und der dort genannten Zwecke verarbeiten dürfen. Von dem in dieser Anlage im Einzelnen benannten Datenbestand kommt als einziger Gesichtspunkt, unter den die private Telefaxnummer und die E-Mail-Adresse subsumiert werden könnte, der unter Nr. I. 18. aufgeführte Begriff "Privatanschrift" in Betracht. Weder die private Telefaxnummer noch die E-Mail-Adresse lassen sich jedoch darunter fassen.

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter "Privatanschrift" die durch Benennung von Postleitzahl, Ort, Straße und Hausnummer gekennzeichnete Beschreibung der Örtlichkeit zu verstehen, unter der der Betroffene postalisch zu erreichen ist. Danach unterscheidet sich die Privatanschrift eindeutig von der privaten Telefaxnummer und der E-Mail-Adresse.

Für eine über den allgemeinen Wortsinn hinaus gehende erweiternde Auslegung des Begriffs der Privatanschrift besteht keine Grundlage. So ist das gesamte Regelungsgefüge der in den Anlagen zu der Verordnung bezeichneten Datenbestände dadurch gekennzeichnet, dass im Einzelnen äußerst präzise diejenigen Daten aufgeführt werden, für die eine Verarbeitungsmöglichkeit eröffnet sein soll. Im vorliegenden Zusammenhang fällt insbesondere auf, dass die Anlage 1 unter Nr. I. 27., die Anlage 2 unter Nr. I. 4., die Anlage 4 unter Nr. I. 8., die Anlage 5 unter Nr. I. 12. und die Anlage 6 unter I. 5. im Zusammenhang mit der Privatanschrift zusätzlich die Angabe "Telefon" enthält, wohingegen die Anlage 3 unter Nr. I. 18. lediglich von "Privatanschrift" spricht. Gerade dieser Umstand - der im Übrigen zeigt, dass auch die Speicherung der Telefonnummer nicht von der Verordnung gedeckt ist - belegt besonders deutlich, dass der Verordnungsgeber bei der Bezeichnung der einzelnen Daten besonderen Wert darauf gelegt hat, diese präzise zu benennen. Mit Blick darauf verbietet sich eine über das allgemeine Wortverständnis hinausgehende erweiternde Auslegung.

Wenn die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen zur Begründung ihrer Auffassung darauf abstellt, der Übermittlung von Mitteilungen über die normale Briefpost einerseits und der Übermittlung von Mitteilungen per Telefax oder E-Mail sei gemeinsam, dass der Empfänger über seine jeweils angegebene Anschrift identifizierbar und erreichbar sei, trägt dies dem den Anlagen zu der Verordnung zugrunde liegenden, auf eine präzise Bezeichnung der relevanten Daten ausgerichteten Regelungsgefüge nicht hinreichend Rechnung und vermag deshalb eine erweiterende Auslegung nicht zu rechtfertigen. Gleiches gilt auch für den Hinweis der Beteiligten, der Begriff "Privatanschrift" umfasse in der heutigen Kommunikations- und Technologiegesellschaft neben der Postadresse auch die E-Mail-Adresse und die Telefaxnummer.

Ende der Entscheidung

Zurück