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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 1 A 1503/03.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW


Vorschriften:

LPVG NRW § 2
LPVG NRW § 4
LPVG NRW § 39 Abs. 1
Zur Frage, ob die Personalvertretung in jedem Fall (ohne Ausnahme) berechtigt ist, einzelne Beschäftigte oder Gruppen von ihnen außerhalb von Sprechstunden oder (Teil-)Personalversammlungen an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit zu Besprechungen einzuladen, ohne die Einladung zuvor mit der Dienststellenleitung abzustimmen.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Recht des Vorsitzenden des Antragstellers, einzelne Beschäftigte oder eine Gruppe von Beschäftigten an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit zu einer Besprechung in seine Diensträume einzuladen, ohne dies zuvor mit dem Beteiligten abzustimmen.

Die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des VG lehnte, die Feststellung einer entsprechenden Benachrichtigung des Vorsitzenden des Antragstellers ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Der weiter geführte Antrag erster Instanz ist nicht begründet. Bei diesem Antrag handelt es sich um einen sog. Globalantrag.

Vgl. zu ihm allgemein OVG NRW, Beschluss vom 26. 8. 1998 - 1 A 2735/96.PVL -.

Mit ihm stellt der Antragsteller zur Entscheidung des Gerichts sinngemäß die Rechtsbehauptung, nach von ihm vorzunehmender terminlicher Festlegung einzelne Beschäftigte oder eine Gruppe von Beschäftigten zu einem Besprechungstermin einladen zu dürfen, in welchem Informationen ausgetauscht werden sollen, welche personalvertretungsrechtlich erhebliche Sachverhalte betreffen - dies alles ohne den Termin, die Anzahl der betroffenen Beschäftigten sowie die Dauer der Besprechung vorher mit der Dienststellenleitung abzustimmen. Um die Abhaltung einer Personalversammlung oder Teilpersonalversammlung soll es sich dabei nicht handeln. Nicht in Streit steht dagegen, dass der Dienststellenleiter nach einer entsprechenden Einladung rechtzeitig von dem Besprechungstermin informiert wird und als Ausfluss seines Direktionsrechts aus Sachgründen Einwände gegen die Durchführung der Besprechung erheben kann.

Der so verstandene Streitgegenstand betrifft einen zulässigen Antrag. Dieser knüpft hinreichend konkret an den streitanlassgebenden Fall an und betrifft Rechtsfragen, die zwischen dem Personalrat und der Dienststellenleitung weiterhin generell im Streit stehen.

Der Antrag ist indes nicht begründet.

Er bezieht sich auf Rechtsfragen, deren rechtliche Beurteilung (Beantwortung) den Ausgleich zwischen unterschiedlichen Rechtspositionen einerseits des Antragstellers andererseits der Dienststellenleitung betrifft. Wie das VG bereits zutreffend unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerwG vgl. Beschluss vom 9. 3. 1990 - 6 P 15.88 -, BVerwGE 85, 36, ausgeführt hat, kommen auf Seiten der Personalvertretung die Überwachungs- und Informationsrechte aus den §§ 64/65 LPVG NRW in Betracht, auf Seiten der Dienststellenleitung vor allem deren Direktionsrecht, hier insbesondere das Recht, in alleiniger Zuständigkeit darüber zu befinden, welcher Beschäftigte zu welcher Zeit und wie lange seinen Arbeitsplatz während der üblichen Arbeitszeit verlassen darf. Das Spannungsverhältnis zwischen diesen ggf. kontroversen Rechtspositionen wird durch den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit geprägt.

Vgl. BVerwG, a.a.O.

Bei dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 erster Halbsatz LPVG NRW geht es um die Art und Weise der bei Beteiligungsrechten und sonstigen personalvertretungsrechtlichen Aufgaben notwendigen Zusammenarbeit.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. 12. 1978 - 6 P 2.78 -, BVerwGE 57, 151 = Buchholz 238.3A § 75 BPersVG Nr. 6 = ZBR 1979, 240.

Der die Dienststellenverfassung beherrschende Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit beinhaltet nicht nur eine konkrete Auslegungsregel, sondern ein allgemeines Verhaltensgebot für den Dienststellenleiter und die Personalvertretungen. Beide müssen zu einer einvernehmlichen Lösung von Streitfragen bereit sein und gegenseitig ihren gesetzlichen Aufgabenbereich respektieren. Sie sind daher zur Erhaltung eines der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben und dem Wohl der Beschäftigten förderlichen Arbeits- und Betriebsklimas verpflichtet.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. 3. 1990 - 6 P 15.88 -, BVerwGE 85, 36 = Buchholz 251.8 § 68 RhPPersVG Nr. 2 = DÖV 1990, 928 = DVBl. 1990, 651 = NJW 1990, 2483 = PersR 1990, 177 = PersV 1990, 315 = RiA 1991, 40 = ZBR 1990, 398 = ZfPR 1990, 75 = ZTR 1990, 254; OVG NRW, Beschluss vom 18. 2. 1998 - 1 A 5728/95.PVL -, PersR 1998, 478.

Hieraus folgt, dass die gegenseitige Rücksichtnahme u. a. mit Blick auf die Erhaltung des Friedens in der Dienststelle es je nach Sachlage geboten erscheinen lassen kann, dem Antragsteller die reklamierte Kompetenz zur Terminsfestlegung und Einladung ohne vorhergehende Abstimmung mit der Dienststellenleitung zuzugestehen, in anderen Fällen aber eine derartige Abstimmung zu fordern. Letzteres kommt immer dann in Betracht, wenn wie im streitanlassgebenden Fall eine ganze Gruppe von Beschäftigten vom Dienst abgezogen werden soll, die u. a. auch aus sicherheitstechnischen/haftungsrechtlichen Gründen nicht ohne weiteres in ihrer Gesamtheit am Arbeitsplatz fehlen darf. In solchen Fällen genügt es nicht der geschuldeten Rücksichtnahme, die Dienststellenleitung von der Terminsfestlegung und Einladung der Beschäftigten rechtzeitig zu unterrichten, sie also insoweit vor vollendete Tatsachen zu stellen, als sie auf die - unbestrittene - Möglichkeit verwiesen wäre, erst im Nachgang zur bereits ausgesprochenen Einladung aus Sachgründen Einwände gegen die Durchführung der Besprechung zu erheben.

In solchen oder anderen vergleichbaren Fällen, in denen von vornherein klar ist, dass ein umfänglicher Regelungsbedarf hinsichtlich Termin, Dauer und Personenzahl der Besprechung besteht, erscheint es dem erwähnten Rücksichtnahmegebot allein angemessen, die Dienststellenleitung in die Planung zum Zwecke der Abstimmung von vornherein einzubeziehen. Auf diese Weise kann dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit entsprechend zunächst dafür gesorgt werden, dass unterschiedliche Sichtweisen zur Notwendigkeit, Dauer und zum Umfang der geplanten Informationsveranstaltung nicht sofort dienststellenweit ausgetragen und einer Klärung zugeführt werden müssen, sondern zunächst der Versuch unternommen werden kann, intern (in kleinem Kreise) eine Einigung zu eventuell kontroversen Fragen herbeizuführen. Die Dienststellenleitung ist auf diese Weise in Fällen mit im obigen Sinne gesteigertem Regelungsbedarf nicht gezwungen, in der Rolle des auf die Pläne der Personalvertretung Reagierenden ggf. Abwehrmaßnahmen zu ergreifen und verteidigen zu müssen. Sie kann in solchen Fällen gerade mit Blick auf den im Aufgabenbereich von Dienststellenleitung und Personalvertretung geltenden Grundsatz der gleichberechtigten Teilnahme erwarten, vor der Herausgabe der jeweils in Rede stehenden (Einladungs-)Schreiben an die Beschäftigten ihrerseits unterrichtet zu werden, um einschlägige Prüfungen und Erörterungen von Sachproblemen zunächst intern mit der Personalvertretung abklären zu können.

Generelle Leitlinien, die eine handhabbare Unterscheidung aller Fälle ermöglichen würden, in denen die vorherige Unterrichtung der Dienststellenleitung erforderlich und in denen dies nicht der Fall ist, können der umfassenden Bedeutung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit entsprechend und mit Blick auf die vielfältigen denkbaren Fallgestaltungen nicht entwickelt werden. Der Globalantrag des Antragstellers verfällt der Bewertung als unbegründet danach also auch nur deswegen, weil es - wie der konkrete Ausgangsfall exemplarisch zeigt - jedenfalls Fälle geben kann, in denen die beanspruchte Kompetenz nicht besteht.

Eine abweichende Bewertung ergibt sich hier auch nicht aus den von dem Antragsteller zur Stützung seines Begehrens angeführten Erwägungen.

Wie die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des VG in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, lässt sich aus § 39 Abs. 1 LPVG NRW die von dem Antragsteller reklamierte Berechtigung nicht ableiten. Denn es geht weder um die Einrichtung von Sprechstunden noch die Durchführung von Sprechstunden im Sinne der genannten Vorschrift. Vielmehr geht es um die Einladung einzelner Beschäftigter oder Gruppen aus Anlass eines weitergehenden Informationsbedarfs des Antragstellers. Als regelmäßiges Instrument hierfür ist nach dem LPVG NRW neben der Einrichtung von Sprechstunden i.S.d. § 39 LPVG Abs. 1 LPVG NRW allein die Einberufung einer Teilpersonalversammlung vorgesehen (§ 45 Abs. 2 Satz 1 LPVG NRW). Hierauf bezieht sich das Feststellungsbegehren des Antragstellers allerdings - wie angeführt - ebenfalls nicht. Eine solche wäre im übrigen in jedem Falle dem Beteiligten mitzuteilen, der zugleich berechtigt wäre, beratend an ihr teilzunehmen (§ 49 Sätze 1 und 2 LPVG NRW).

Ferner kann der Antragsteller die von ihm beanspruchte Kompetenz nicht auf eine wirksame Dienstvereinbarung stützen, die nur eingeschränkt einseitig gelöst werden könnte. Dabei mag unterstellt werden, dass die bisherige Praxis des Antragstellers bzw. seines Vorsitzenden ihren Ausgangspunkt darin hatte, dass es 1975 zwischen dem Antragsteller in seiner damaligen Zusammensetzung bzw. seinem Vorsitzenden und dem damaligen Dienststellenleiter zu einer mündlichen Vereinbarung darüber gekommen ist, dass der Vorsitzende des Antragstellers uneingeschränkt - d.h. unabhängig von der konkreten Fallkonstellation - einzelne Beschäftigte oder Gruppen von ihnen zu Besprechungen in seine Diensträume bitten darf, ohne dies zuvor mit dem Beteiligten abzustimmen. Rechte kann der Antragsteller aus einer solchen Vereinbarung heute nicht mehr herleiten. Insbesondere hat die Verabredung keine wirksame nur eingeschränkt der Aufhebung unterliegende Dienstvereinbarung begründet. Eine wirksame Dienstvereinbarung setzte schon im Jahre 1975 die Einhaltung der Schriftform voraus. Bereits nach § 62 Abs. 1 Satz 2 LPVG NRW i. d. F. vom 28. 5. 1958 (GV NRW 1958, 216) waren Dienstvereinbarungen schriftlich niederzulegen, von beiden Seiten zu unterzeichnen und in geeigneter Weise bekannt zu machen. § 70 Abs. 1 Satz 2 LPVG NRW in der Neufassung vom 3. 12. 1974 lautete entsprechend. Zudem waren Dienstvereinbarungen nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig (§ 62 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW 1958 i.V.m. §§ 67 bis 69 LPVG NRW 1958; § 70 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW 1974 i.V.m. § 70 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW 1974). Die Regelung von Besprechungen und Sprechstunden gehörte hierzu nicht. Im übrigen stellt auch heute eine Dienstvereinbarung nach § 70 LPVG NRW allein eine Handlungsform zur Ausübung von Mitbestimmungsrechten dar.

Vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 70 Rn. 10.

Zudem kann nach § 4 LPVG NRW das Personalvertretungsrecht durch eine Dienstvereinbarung nicht abweichend von den Regelungen des LPVG NRW geregelt werden. Das hat zur Folge, dass ein Dienststellenleiter auf die Ausübung der ihm nach den Regelungen des LPVG NRW belassenen Direktionsrechte und die sich für ihn daraus im Zusammenhang mit dem Rücksichtnahmegebot ergebenden Rechte - wie sie hier nach den vorstehenden Ausführungen in Rede stehen - schon von daher nicht wirksam im Rahmen einer Dienstvereinbarung i.S.d. § 70 LPVG NRW für die Zukunft verzichten könnte.

Die Kompetenz des Antragstellers lässt sich schließlich nicht aus einer langjährigen Übung herleiten. Der Antragsteller ist als Teil der Dienststelle ein an Recht und Gesetz gebundenes Dienststellenorgan, das dem Dienststellenleiter nicht als Vertragspartner gegenübersteht. Seine Kompetenzen können sich deswegen lediglich aus dem Gesetz ergeben. Aus diesem Grunde konnte weder 1975 noch später ein Dienststellenleiter im Verhältnis zum Antragsteller auf die Ausübung seines Direktionsrechts einschließlich der sich daraus für ihn unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots ergebenden Rechte mit Wirkung für die Zukunft verzichten.

Nach alledem kann es sich bei der von dem Antragsteller angeführten Vereinbarung lediglich um eine solche handeln, mit der die Gepflogenheiten zwischen dem damaligen Dienststellenleiter und dem damaligen Personalrat verabredet werden sollten, auf die sich der heutige Antragsteller gegenüber der heutigen Person des Beteiligten nicht mehr berufen kann. Eine weitergehende Wirkung als die einer antizipierten Festschreibung einer bis dahin noch nicht herausgebildeten Praxis ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Eine solche Vereinbarung kann, wie jede andere sich in diesem Zusammenhang rein tatsächlich herausgebildete Gepflogenheit in der Dienststelle jederzeit für die Zukunft einer anderen Regelung zugänglich gemacht werden. Dies gilt vorliegend um so mehr als hier - wie bereits ausgeführt - im Grunde unverzichtbare Direktionsrechte des Beteiligten in Rede stehen.

Ende der Entscheidung

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