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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 17.03.2004
Aktenzeichen: 1 A 2426/02
Rechtsgebiete: LBG NRW, BBesO, MVergV, AZVOFeu, Richtlinie 93/104/EG, Richtlinie 98/391/EG, EGV


Vorschriften:

LBG NRW § 78 a Abs. 2
BBesO § 48 Abs. 1
MVergV § 2
MVergV § 3
AZVOFeu § 1 Abs. 1
Richtlinie 93/104/EG des Rates Art. 1
Richtlinie 93/104/EG des Rates Art. 2
Richtlinie 93/104/EG des Rates Art. 6
Richtlinie 98/391/EG des Rates Art. 2
EGV Art. 137
Die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach § 3 Abs. 1 MVergV stellt eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung des Dienstherrn darüber dar, ob ausnahmsweise und ggf. durch welchen Beamten und mit welchen Rechtsfolgen (Dienstbefreiung oder Mehrarbeitsvergütung) für einen eingegrenzten künftigen Zeitraum (kurzfristig) über die jeweils geltende regelmäßige Arbeitszeit hinaus Arbeit, also Mehrarbeit geleistet werden soll. Überhaupt nicht als Mehrarbeit erkannte und als solche auch nicht gewollte - sei es auch möglicherweise zu Unrecht abverlangte - regelmäßige Arbeitsleistungen können nicht nachträglich als Mehrarbeit eingestuft und genehmigt werden. (Fortführung von OVG NRW, Urteil vom 5.8.1998 - 12 A 3011/95 -).

Die nach Maßgabe nationaler Vorschriften erfolgende Festsetzung regulärer Arbeitszeit schlägt für den Fall ihrer fehlenden Übereinstimmung mit Vorrang beanspruchenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nicht - gewissermaßen automatisch - im Ausmaß ihrer Rechtswidrigkeit in eine Anordnung von Mehrarbeit um.

Europäisches Gemeinschaftsrecht gebietet es nicht, dem Beamten Mehrarbeitsvergütung für Bereitschaftsdienstzeiten zu gewähren, die der Dienstherr gemeinschaftsrechtswidrig nicht als Vollarbeitszeit gewertet hat.


Tatbestand:

Der Kläger stand als Oberbrandmeister (Besoldungsgruppe A 8) in den Diensten der beklagten Stadt und war im Feuerwehr-Schichtdienst eingesetzt. Er verrichtete dabei als multifunktionell einsetzbarer Mitarbeiter im regelmäßigen, grundsätzlich alle drei Wochen stattfindenden Wechsel sowohl Einsatzdienst (Brandschutz- und Rettungsdienst) als auch Dienst als Disponent in der von der Beklagten betriebenen Kreisleitstelle. Die Zuordnung zur Leitstelle erfolgte dabei rotierend unter Rückgriff auf den für die gesamte Wachabteilung allgemein geltenden Dienstplan. Jeder Disponent musste innerhalb von drei Wochen sieben Schichten leisten, die jeweils um 8.00 Uhr morgens begannen und 24 Stunden dauerten. Am 1.7.1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für seiner Ansicht nach von ihm im Zeitraum von Januar 1995 bis Juli 1999 während der Leitstellendienste geleistete und im einzelnen von ihm bezifferte Mehrarbeit. Zur Begründung führte er aus, dass er innerhalb der nach der Arbeitszeitverordnung Feuerwehr zulässigen Gesamtarbeitszeit von wöchentlich 54 Stunden aufgrund der Belastung des Leitstellenpersonals in jeder im Anspruchszeitraum gelegenen Schicht wesentlich mehr Arbeitsdienst als zulässig (mehr als durchschnittlich 20 bzw. - vom 1.1.1999 an - 23 Stunden wöchentlich) geleistet habe. Die Genehmigung dieser Mehrarbeit liege in der Aufstellung der jeweiligen Schichtpläne. Der gegen den versagenden Bescheid erhobene Widerspruch blieb ebenso ohne Erfolg wie Klage und Berufung.

Gründe:

Als Rechtsgrundlage für die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung an Feuerwehrbeamte kommen nur die Regelungen in § 78 a Abs. 2 LBG i.V.m. § 48 Abs. 1 BBesG und der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte - MVergV - (letztere anwendbar in der zwar seither mehrfach geänderten, aber - soweit hier von Interesse - bis heute unverändert gebliebenen Fassung vom 27.12.1993, BGBl. I S. 2378) in Betracht. Nach § 78 a Abs. 1 Satz 1 LBG ist der Beamte verpflichtet, ohne Entschädigung über die regelmäßige Arbeitszeit - diese findet ihre Regelung in § 78 Abs. 1, Abs. 2 LBG - hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse es erfordern. Wird er durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, so ist ihm innerhalb von drei Monaten für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren (§ 78 a Abs. 1 Satz 2 LBG). Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können an ihrer Stelle Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern für einen Zeitraum von längstens 40 Stunden im Monat bzw. - seit dem 1.5.1999 - von längstens 480 Stunden im Jahr eine Mehrarbeitsvergütung erhalten (§ 78 a Abs. 2 Satz 1 LBG). Für die Gewährung der Mehrarbeitsvergütung gilt nach § 78 a Abs. 2 Satz 2 LBG § 48 BBesG. Durch § 48 Abs. 1 Satz 1 BBesG wiederum wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung für Beamte zu regeln, soweit die Mehrarbeit nicht durch Dienstbefreiung ausgeglichen wird.

Nach § 1 der in Ausübung dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte dürfen Vergütungen für Mehrarbeit nur nach Maßgabe dieser Verordnung gezahlt werden. Nach § 2 Abs. 1 MVergV kann Beamten mit Dienstbezügen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern u. a. im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr für Mehrarbeit eine Vergütung gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 MVergV). Nach Abs. 2 gilt Abs. 1 entsprechend auch in anderen Bereichen, soweit Mehrarbeit geleistet wird im Rahmen eines Dienstes in Bereitschaft oder eines Schichtdienstes (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1, 2 MVergV). Nach § 3 Abs. 1 der Verordnung wird die Vergütung nur gewährt, wenn die Mehrarbeit von einem Beamten geleistet wurde, der der Arbeitszeitregelung für Beamte unterliegt, und sie erstens schriftlich angeordnet oder genehmigt wurde, zweitens die sich aus der regelmäßigen Arbeitszeit ergebende jeweilige monatliche Arbeitszeit um mehr als fünf Stunden im Kalendermonat übersteigt und drittens aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung innerhalb von drei Monaten (bzw. - hier nicht interessierend - seit dem 1.7.2002: innerhalb eines Jahres) ausgeglichen werden kann.

1. In Anwendung dieser Vorschriften hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Mehrarbeitsvergütung.

a) Allerdings sind die Voraussetzungen des § 2 MVergV erfüllt. Der Kläger erhält Dienstbezüge aus einer Besoldungsgruppe mit aufsteigendem Gehalt. (wird ausgeführt)

Ferner verrichtete er seine Arbeit in den hier allein maßgeblichen Zeiten seines Dienstes als sog. Disponent in der von der Beklagten betriebenen Kreisleitstelle im Rahmen eines - im Übrigen auch ansonsten ausgeübten - Schichtdienstes (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 MVergV).

b) Auch die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 MVergV, nach der die Vergütung nur gewährt wird, wenn die Mehrarbeit von einem Beamten geleistet wurde, der der Arbeitszeitregelung für Beamte unterliegt, ist hier gegeben. Seine regelmäßige Arbeitszeit richtete sich für die Zeit vom 1.1.1995 bis zum 31.12.1998 nach der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen (AZVOFeu) vom 5.12.1988 (GV. NRW. S. 563) und für den Anspruchszeitraum danach (1.1.1999 bis 5.7.1999) nach der Fassung, die diese Verordnung durch die Änderungsverordnung vom 29.9.1998 (GV. NRW. S. 589) erfahren hatte. Denn der Kläger zählte auch dann, wenn er nicht im Einsatzdienst der Feuerwehr der Beklagten tätig war, sondern in der Kreisleitstelle eingesetzt wurde, zu den Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes im Sinne der Arbeitszeitverordnung Feuerwehr.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8.6.1995 - 12 A 2546/93 -; Schütz/Maiwald, BeamtR ES/C I 1.5 Nr. 9.

Dass der Kläger den Leitstellendienst in 24-Stunden-Schichten ohne regelmäßigen Wechsel des Zeitpunkts des Schichtbeginns geleistet hat, steht der Anwendbarkeit der Arbeitszeitverordnung Feuerwehr in ihrer bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung nicht entgegen, die anders als die nachfolgende Fassung in ihrem § 1 Abs. 1 Satz 1 nicht - hier zweifellos gegebenen - Dienst in Schichten, sondern Dienst in Wechselschichten verlangte. Denn auch 24-Stunden-Schichten, welche, ohne sich nach Anfang und Ende gegeneinander zu verschieben, den ganzen Tag erfassen, werden, wie insbesondere eine historische Auslegung belegt, von dem seinerzeit in § 1 Abs. 1 Satz 1 AZVOFeu verwendeten Begriff der "Wechselschicht" erfasst.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.1.1992 - 12 A 2675/88 -, RiA 1992, 209; ferner Urteil vom 5.8.1998 - 12 A 3011/95 -, RiA 2000, 147.

c) Ob der Kläger ausgehend von den für ihn geltenden arbeitszeitrechtlichen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung Feuerwehr in dem streitgegenständlichen Zeitraum - untechnisch gesehen - tatsächlich Mehrarbeit (i.S.v. Zuvielarbeit) geleistet hat, weil das in der Sollvorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 AZVOFeu vorausgesetzte Verhältnis zwischen Arbeits- und Ausbildungsdienst einerseits und Bereitschaftsdienst andererseits (20 von 54 Stunden bzw. - vom 1.1.1999 an - 23 von 54 Stunden) wegen tatsächlich 20 bzw. 23 Stunden überschreitender "Vollarbeitsleistung" nicht mehr gegeben war, kann der Senat offen lassen. Das gilt in gleicher Weise für die Frage, ob der Kläger im Anspruchszeitraum zeitlich gesehen deshalb zu viel gearbeitet hat, weil seine durch § 1 Abs. 1 Satz 1 AZVOFeu festgelegte regelmäßige Arbeitszeit einschließlich des Dienstes in Bereitschaft (54 Stunden wöchentlich) entgegen der Festlegung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 48 Wochenstunden in Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 1993 L 307, S. 18, im Folgenden: Richtlinie 93/104/EG), zu hoch festgesetzt worden sein könnte. Die Richtlinie entfaltet mangels ihrer fristgerechten Umsetzung und deshalb, weil sie hinreichend bestimmt und unbedingt ist, spätestens ab dem 23.11.1996 (vgl. Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 93/104/EG) im Verhältnis des Bürgers zum Staat - hierunter sind u. a. alle Gebietskörperschaften zu verstehen - unmittelbare Wirkung zugunsten des Bürgers.

Vgl. Franke, ZBR 2003, 329 (329 f.). und BAG, Beschluss vom 18.2.2003 - 1 ABR 2/02 -, PersR 2003, 454 (457 f.), m.w.N.; Plog/ Wiedow/Beck/ Lemhöfer, a.a.O., BBG § 72 Rn. 2 a; Bermig, ZfPR 2004, 53 (55).

Ein Verstoß gegen die genannte Arbeitszeitregelung könnte hier deshalb vorliegen, weil auch Zeiten des Bereitschaftsdienstes, während deren der Arbeitnehmer in Form persönlicher Anwesenheit in der Arbeitsstelle dem Arbeitgeber zu einem jederzeitigen unverzüglichen dienstlichen Einsatz zur Verfügung steht, nach der Rechtsprechung des EuGH als Zeiten voller Arbeitsleistung i.S.v. Art. 2 Nr. 1, Art. 6 Nr. 2 der Richtlinie 93/104/EG zu verstehen sind.

Vgl. EuGH, Urteil vom 3.10.2000 - C-303/98 - (Simap), EuZW 2001, 53, Beschluss vom 3.7.2001 - C-241/99 - (Sergas), JURIS, und Urteil vom 9.9.2003 - C-151/02 - (Jaeger), PersR 2003, 458.

Ebenso unentschieden kann bleiben, ob die Richtlinie 93/104/EG, die ihren Anwendungsbereich in Art. 1 Abs. 3 im Wesentlichen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 2 der Richtlinie 89/391/EG des Rates vom 12.6.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABL. 1989 L 183, S. 1) definiert, auf Beschäftigte in Leitstellen kommunaler (Berufs-)Feuerwehren überhaupt Anwendung findet.

Vgl. einerseits BAG, Urteil vom 29.5.2002 - 5 AZR 370/01 -, PersV 2002, 457 und VG Bremen, Urteil vom 29.4.2003 - 6 K 1470/02 - sowie andererseits VG Freiburg, Urteil vom 25.9.2003 - 9 K 511/03 -; vgl. ferner den Vorlagebeschluss des BVerwG vom 17.12.2003 - 6 P 7.03 -, Pers 2004, 106.

d) Offen gelassen werden können die aufgeworfenen Fragen deshalb, weil der geltend gemachte Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung hier bereits daran scheitert, dass die von § 3 Abs. 1 Nr. 1 MVergV - in Übereinstimmung mit § 78 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 LBG - für den Vergütungsanspruch als zwingend erforderlich vorausgesetzte schriftliche Anordnung oder Genehmigung etwaiger - im folgenden zugunsten des Klägers unterstellter - Mehrarbeit fehlt.

Die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit ist ein Verwaltungsakt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.3.1967 - VI C 79.63 -, ZBR 1967, 317; OVG NRW, Urteil vom 5.8.1998, a.a.O.; VG München, Beschluss vom 4.9.1986 - M 12 E 86.4558 -, DÖD 1986, 279.

Sie ist von der bloßen Anordnung von Arbeit, die durch innerdienstliche Weisung erfolgt, zu unterscheiden. Insbesondere schlägt die nach Maßgabe nationaler Vorschriften erfolgende Festsetzung regulärer Arbeitszeit, auch wenn sie in Dienstplänen näher konkretisiert wird, für den Fall ihrer fehlenden Übereinstimmung mit Vorrang beanspruchenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, d. h. für den Fall ihrer aus diesem Grunde fehlenden Rechtmäßigkeit, nicht - gewissermaßen automatisch - im Ausmaß ihrer Rechtswidrigkeit in eine Anordnung von Mehrarbeit um.

Vgl. ebenso für den Fall der Festsetzung der Arbeitszeit in fehlendem Einklang mit - richtig verstandenem - nationalen Recht: BVerwG, Urteil vom 28.5.2003 - 2 C 28.02 -, ZBR 2003, 383 = DVBl. 2003, 1552.

Bei der Anordnung oder Gewährung von Mehrarbeit hat der Dienstherr vielmehr nach geltendem nationalen Recht, das - wie darzulegen sein wird - durch vorrangige Vorschriften des Gemeinschaftsrechts insoweit nicht modifiziert wird, eine (einzelfallbezogene) Ermessensentscheidung zu treffen, und zwar auf der Grundlage und unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 2.4.1981 - 2 C 1.81 -, ZBR 1981, 317 = DÖD 1982, 23, und vom 28.5.2003, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 5.8.1998, a.a.O.; Plog/Wiedow/Beck/ Lemhöfer, a.a.O., BBG § 72 Rn. 20; Schwegmann/Summer, BBesG, Komm., Stand: November 2003, BBesG § 48 Rn. 11.

Vor dem Hintergrund, dass Mehrarbeit im Verhältnis zur Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit einen Ausnahmetatbestand darstellt, hat der Dienstherr bei seiner Ermessensentscheidung zu prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten Mehrarbeit überhaupt, ausnahmsweise und kurzfristig zwingend erforderlich ist und welchem Beamten sie auferlegt werden soll. Wegen des grundsätzlichen Vorrangs des Ausgleichs von Mehrarbeit durch Dienstbefreiung vor einem Ausgleich durch Zahlung von Mehrarbeitsvergütung (vgl. § 78 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 LBG, § 3 Abs. 1 Nr. 3 MVergV) ist es außerdem sachgerecht und geboten, bereits bei der Anordnung oder Genehmigung der Mehrarbeit zu prüfen, ob diese voraussichtlich durch Dienstbefreiung innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist von drei Monaten ausgeglichen werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2.4.1981, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 5.8.1998, a.a.O.

Dem trägt es Rechnung, wenn in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MArbVVwV) vom 6.8.1974 (GMBl. S. 386) in Nr. 1 Abs. 2 zu § 3 MVergV bestimmt ist, dass sich die Anordnung und Genehmigung von Mehrarbeit auf konkrete zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen müssen und dass allgemeine (pauschale) Anweisungen hinsichtlich künftiger oder bereits geleisteter Mehrarbeit allein nicht genügen.

So schon OVG NRW, Urteil vom 5.8.1998, a.a.O.

Davon, dass die Anordnung bzw. Genehmigung von Mehrarbeit diesen einschränkenden Voraussetzungen unterliegt, gehen Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend aus.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2.4.1981, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 5.8.1998, a.a.O.; VG München, Beschluss vom 4.9.1986, a.a.O.; Plog/Wiedow/ Beck/Lemhöfer, a.a.O., BBG § 72 Rn. 20; teilweise anders Bauschke, in: Fürst, GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Komm., Bd. I, Stand: Januar 2004, BGB § 72 Rn. 85 ff., insbesondere 87.

Diese einschränkenden Voraussetzungen beanspruchen eine noch stärkere Geltung, wenn Beamte nicht einmal pauschal zur Mehrarbeitsleistung angewiesen worden sind, sondern ihnen bzw. ihrem jeweiligen Dienstposten nur ein - grundsätzlich innerhalb der allgemein geltenden, also regulären Dienstzeiten zu erledigender - bestimmter Aufgabenkatalog generell oder im Einzelfall zugewiesen worden ist.

Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 5.8.1998, a.a.O.

Hinzu kommt, dass eine Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit von einem entsprechenden Willen des Dienstherrn getragen sein muss. Hieran fehlt es, wenn die in Betracht kommende schriftliche Verfügung über die Anordnung von Arbeitszeit keinerlei Anhaltspunkte dafür enthält, dass sich der Dienstherr dessen bewusst (gewesen) ist, dass er von dem bzw. den angewiesenen Beamten im Einzelfall ein Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit verlangt oder dass er solches zumindest billigend in Kauf nimmt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1998, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 28.7.1983 - 2 BA 62 und 66/80 -, DÖD 1983, 248.

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann eine schriftliche Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit durch die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht festgestellt werden.

Als schriftliche und zugleich hinreichend konkrete Anordnung kommen vorliegend nur die Dienstpläne in Betracht. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass speziell für die Leitstelle jedenfalls bis August 1999 und damit für den gesamten Anspruchszeitraum überhaupt keine Dienstpläne aufgestellt worden sind, um den Mitarbeitern eine eigenverantwortliche und bedarfsgerechte Arbeits- und Ruhezeitenregelung zu ermöglichen; die Zuordnung zur Leitstelle erfolgte stattdessen nach dem Rotationsprinzip aus dem Dienstplan, der für die gesamte Wachabteilung galt. Folglich kann insoweit allein auf den jeweiligen allgemeinen, für den jeweiligen Wochentag aufgestellten Dienstplan für die Wache insgesamt abgestellt werden. Diese Dienstpläne enthielten, wie das von der Beklagten beispielhaft vorgelegte Exemplar verdeutlicht, indes überhaupt keine zeitlichen Angaben und benannten lediglich die Personen, die an dem jeweiligen Tag in der Leitstelle Dienst zu leisten hatten. Sie enthielten deshalb auch keinesfalls eine (auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete, § 35 Satz 1 VwVfG) Anordnung konkreter Mehrarbeitsstunden oder -zeiten. Anderes ergibt sich auch nicht - mittelbar - aus der Festlegung des personellen Umfangs der Leitstellenbesetzung in Verbindung mit der Grundentscheidung für eine 24-Stunden-Schicht Denn ein Indiz dafür, dass die Beklagte auch in Ansehung dessen im Anspruchszeitraum zu keiner Zeit (regelmäßige) Mehrarbeit bewusst anordnen oder genehmigen wollte, ist die Tatsache, dass sie im Verwaltungsverfahren davon ausging, dass auch künftig nicht zu erwarten sei, dass der Kläger über die im Einzelfall anfallenden und dem sog. Überstundenkonto zu entnehmenden - auszugleichenden - Überstunden hinaus weitere Mehrarbeitsstunden zu leisten habe, und das Vorliegen von Mehrarbeit in ihrem Widerspruchsbescheid in Abrede stellte ("selbst bei Unterstellung von Mehrbelastungen an einzelnen Tagen").

Die Arbeitsleistung des Klägers ist für den hier in Rede stehenden Zeitraum schließlich nicht als Mehrarbeit genehmigt worden. Die Beklagte hat eine solche Genehmigung vielmehr ausdrücklich aus Sachgründen abgelehnt.

Dass dem Kläger ein Anspruch auf die nachträgliche Genehmigung der von ihm geltend gemachten Mehrarbeitsstunden zustehen könnte, ist nicht ersichtlich. Inwieweit ein solches Begehren noch als vom Klageanspruch mitumfasst angesehen werden kann, mag dabei auf sich beruhen.

Einer nachträglichen Genehmigung steht der bereits dargelegte Charakter der Anordnung bzw. Genehmigung als einer Ermessensentscheidung darüber entgegen, ob ausnahmsweise aus zwingenden dienstlichen Gründen und ggf. durch wen und mit welchen Rechtsfolgen (Dienstbefreiung/Mehrarbeitsvergütung) zukünftig Mehrarbeit geleistet werden soll. Schon dies steht der Möglichkeit entgegen, überhaupt nicht als Mehrarbeit im Rechtssinne erkannte und als solche auch nicht gewollte - sei es auch möglicherweise zu Unrecht abverlangte - regelmäßige Arbeitsleistungen nachträglich als Mehrarbeit einzustufen und zu genehmigen. Es besteht deswegen kein Anspruch des Beamten auf eine - wie hier auf Jahre - zurückwirkende, einen Zahlungsanspruch auslösende Genehmigung von Mehrarbeit, zumal der Dienstherr die in diesem Zusammenhang zu treffende Ermessensentscheidung sachgerecht regelmäßig nur in einem noch relativ engen zeitlichen Zusammenhang mit den Umständen treffen kann, die die Mehrarbeit zu einem bestimmten Zeitpunkt oder während eines bestimmten Zeitraums konkret rechtfertigen konnten.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2.4.1981, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 5.8.1998, a.a.O., m.w.N.

Zum anderen wäre eine - wie hier von dem Kläger geltend gemachte - in einem bestimmten Aufgabenbereich über viele Jahre hintereinander ohne Unterbrechung angefallene, gewissermaßen ständige Mehrarbeit (im Sinne von Zuvielarbeit) gar nicht genehmigungsfähig, weil sie nur angesetzt werden darf, wenn - wie dargelegt - zwingende dienstliche Gründe dies erfordern und sich die Mehrarbeit (im Rechtssinne) auf Ausnahmefälle beschränkt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2003, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 5.8.1998, a.a.O., m.w.N.

2. Europäisches Gemeinschaftsrecht gebietet nicht, dem Kläger abweichend von dem dargelegten Ergebnis - etwa im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des Begriffs der (schriftlichen) Anordnung oder Genehmigung - gleichwohl eine Mehrarbeitsvergütung zuzusprechen. Denn aus einer nach der bereits zitierten Rechtsprechung des EuGH gemeinschaftsrechtlich, nämlich durch die Richtlinie 93/104/EG gebotenen Zuordnung des Bereitschaftsdienstes zur Vollarbeit, die sich auf die zulässige Gesamtarbeitszeit auswirkt, folgt nicht zugleich ein Anspruch auf erhöhte (Mehr-)Arbeitsvergütung. Die Richtlinie 93/104/EG, die wie dargelegt ausnahmsweise unmittelbare Wirkung zugunsten des Bürgers in dessen Verhältnis zum Staat - und zwar auch in seiner Funktion als Dienstherr seiner Beamten - entfaltet, trifft nach ihrem insoweit maßgeblichen Wortlaut keinerlei Regelungen zur Vergütung der Arbeit. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Vorgabe von Mindestruhezeiten und angemessenen Ruhepausen und auf die Festlegung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit, um - ihrem Zweck entsprechend - die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft zu gewährleisten (vgl. den Vorspruch zu der Richtlinie, ABl. L 307, S. 18, rechte Spalte, drittletzter Absatz).

Die Richtlinie 93/104/EG könnte im Übrigen - rechtmäßig - eine vergütungsrechtliche Regelung auch gar nicht treffen, weil sie auf der Grundlage des Art. 118 a EGV a. F. erlassen worden ist, der den Rat zu Vergütungsregelungen nicht ermächtigt hat. Nach Art. 118 a Abs. 2 EGV a. F. erlässt der Rat als Beitrag zur Verwirklichung des Ziels gemäß Abs. 1 - Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt, um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen - Mindestvorschriften, die schrittweise anzuwenden sind. Unabhängig davon, wie weitgehend diese Handlungsermächtigung in sachlicher Hinsicht im einzelnen verstanden werden darf - dazu Willms, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Komm. zum EU-/EG-Vertrag, Bd. 3, 5. Aufl. 1999, Art. 118 a Rn. 32 bis 43 -, ist jedenfalls eindeutig, dass Regelungen über das Arbeitsentgelt nicht auf der Grundlage des Art. 118 a EGV a. F. getroffen werden können.

Vgl. Willms, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, a.a.O., Art. 118 a Rn. 42.

Auch die Nachfolgevorschrift - Art. 118 a EGV a. F. ist in Art. 137 Abs. 1 und Abs. 2 EGV aufgegangen, vgl. Langenfeld, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Komm., Bd. II, Stand: August 2003, Art. 137 EGV Rn. 10 - verdeutlicht dies, indem sie in ihrem Absatz 6 ausdrücklich klarstellt, dass der Artikel nicht für das Arbeitsentgelt gilt. Für die vergütungsrechtlichen Aspekte von Arbeitszeit verbleibt es bei der Alleinzuständigkeit der Mitgliedsstaaten.

Vgl. Langenfeld, in: Grabitz/Hilf, a.a.O., Art. 137 EGV Rn. 89; Eichenhofer, in: Streinz, EUV/EGV, Komm., 2003, Art. 137 Rn. 32 f.; Franke, ZBR 2003, 329 (330).

Dass die Richtlinie 93/104/EG der Begrenzung ihrer Ermächtigungsnorm Folge leistend keine vergütungsrechtlichen Regelungen trifft und insbesondere keine Vorgaben für die finanzielle Bewertung von Arbeit - auch von Arbeit, die im Bereitschaftsdienst geleistet wird - enthält, sondern diese Bewertung den Mitgliedsstaaten bzw. den innerhalb der Mitgliedsstaaten hierfür zuständigen Organe überlässt, ist - soweit ersichtlich - einhellige Auffassung.

Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 19.3.2003 - 2 A 10045/03 -, IÖD 2003, 176; BAG, Urteile vom 28.1.2004 - 5 AZR 530/02 - (zu diesem Urteil vgl. Bermig, ZfPR 2004, 53 (55 mit Fn. 9)) und vom 29.11.2001 - 4 AZR 736/00 -, BAGE 100, 35 = NZA 2002, 1288; Wurmnest, EuZW 2003, 511 (512); Bermig, ZfPR 2004, 53 (53 f., 55); Franke, ZBR 2003, 329 (330); vgl. ferner schon den Schlussantrag des Generalanwalts Saggio vom 16.12.1999 - C-303/98 -, Fn. 19, JURIS.

Mit Blick auf den Wortlaut der Richtlinie 93/104/EG sowie auf die dargelegte kompetenzrechtlich bedingte eingeschränkte Bedeutung dieser Richtlinie kann auch aus der - im Wege ihrer Auslegung - von dem EuGH vorgenommenen Gleichstellung von Bereitschaftsdienst und Vollarbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne keine Gleichstellung in vergütungsrechtlicher Hinsicht hergeleitet werden.

Vgl. Wurmnest, EuZW 2003, 511 (512); Franke, ZBR 2004, 98 (99).

In den Urteilen vom 3.10.2000 und vom 9.9.2003 heißt es jeweils u. a. (nur), dass die im Bereitschaftsdienst zugebrachte Arbeitszeit "gegebenenfalls als Überstunden im Sinne der Richtlinie 93/104/EWG anzusehen ist".

EuGH, Urteile vom 3.10.2000, a.a.O., Rn. 52, und vom 9.9.2003, a.a.O., Rn. 52.

Diesen Äußerungen, die etwaige finanzielle Konsequenzen aus Mehrarbeit bewusst ausgrenzen, kann entnommen werden, dass die vergütungsrechtliche Relevanz des Bereitschaftsdienstes nicht durch den normativen Gestaltungswillen des Richtliniengebers, sondern durch die Sachgesetzlichkeit des Arbeitslebens in den Mitgliedsstaaten bestimmt sein soll.

So auch OVG Rh.-Pf., Urteil vom 19.3.2003, a.a.O.; dazu, dass sich das Urteil des EuGH vom 3.10.2000 nicht mit der Frage befasst, wie Bereitschaftsdienst zu vergüten ist, vgl. auch schon BAG, Urteile vom 29.11.2001, a.a.O. und vom 22.11.2000 - 4 AZR 224/99 -, JURIS, und Plog/Wiedow/ Beck/Lemhöfer, a.a.O., BBG § 72 Rn. 3 d.

Soweit in dem Urteil des EuGH vom 9.9.2003 (a.a.O., Rn. 75) auch die Frage des "Ausgleichs" (für Mehrarbeit) erwähnt wird, ist dies dort nur in ganz allgemeiner Form geschehen, ohne dass erkennbar würde, dass insoweit gerade ein finanzieller Ausgleich angesprochen werden sollte.

Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass die "Anordnung oder Genehmigung" von Mehrarbeit eine generelle Voraussetzung für deren Vergütungsfähigkeit darstellt und insoweit nicht etwa die Frage betroffen ist, ob Zeiten des Bereitschaftsdienstes und sonstige Arbeitszeiten vergütungsmäßig unterschiedlich bewertet werden dürfen.

Ende der Entscheidung

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