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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 24.05.2006
Aktenzeichen: 1 A 3706/04
Rechtsgebiete: BBG, BhV


Vorschriften:

BBG § 79
BhV § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
BhV § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
BhV Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1
Zur Gewährung von Beihilfeleistungen für implantologische Leistungen eines Zahnarztes trotz fehlenden Vorliegens der Indikationen nach Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV unter unmittelbarer Anknüpfung an die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (Einzelfall).
Tatbestand:

Der Kläger, ein Ruhestandsbeamter, beantragte für seine als Angehörige beihilfeberechtigte Ehefrau eine Beihilfe betreffend eine Zahnarztrechnung über implantologische Leistungen. Die zugrundeliegende Behandlung betraf im Kern Folgendes:

Der Zahnarzt hatte als Ersatz für den Zahn 33 (dritter Zahn im Unterkiefer links) ein Implantat eingesetzt, um auf diesem Unterbau und dem noch vorhandenen Zahn 37 (siebter Zahn im Unterkiefer links) - Zahn 38 fehlte - einen schon vorhandenen Zahnersatz (betreffend die dazwischen liegenden - fehlenden - Zähne 34, 35 und 36) in Gestalt einer Teleskopbrücke neu befestigen zu können.

Die zuständige Postbeamtenkrankenkasse lehnte die Gewährung einer Beihilfe ab, weil nach Maßgabe der Beihilfevorschriften des Bundes implantologische Leistungen nur beim Vorliegen bestimmter Indikationen beihilfefähig seien; von diesen sei hier keine erfüllt. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Im Berufungsverfahren berief sich der Kläger insbesondere auf die den vorliegenden Fall prägenden Umstände des Einzelfalles. Namentlich seien die verbleibenden Frontzähne zur Verankerung eines Brückengliedes ungeeignet, weshalb diese Alternative schon aus medizinischen Gründen (drohender Zahnverlust) ausscheiden müsse. Darüber hinaus sei die durchgeführte Implantatbehandlung in diesem speziellen Fall deutlich kostengünstiger als die sog. konservative Behandlung gewesen, werde mithin hier durch den Ausschluss von Beihilfeleistungen der Regelungszweck der Indikationslösung verfehlt. Das OVG gab der Berufung statt.

Gründe:

Der Kläger hat - was sinngemäß hier allein im Streit ist - dem Grunde nach einen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für die Implantatversorgung am Zahn (regio) 33 im Unterkiefer seiner Ehefrau lt. Rechnung des Zahnarztes Dr. N. vom 21.2.2002. Die diesbezüglichen Aufwendungen sind hier ausnahmsweise nicht mit Blick auf Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV von einer beihilferechtlichen Erstattung ausgeschlossen.

1. Der Kläger kann indes seinen Anspruch nicht mit Erfolg unmittelbar auf die von der Beklagten angewendete Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts - und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV), hier anwendbar in der Fassung vom 1.11.2001 (GMBl. S. 918), stützen. Allein auf der Grundlage der dort enthaltenen Bestimmungen in den Grenzen ihres Wortlauts ergibt sich für die im Streit stehende Fallkonstellation noch kein Anspruch auf die hier begehrten Beihilfeleistungen.

Dem steht allerdings nicht entgegen, dass die betreffenden Beihilfevorschriften des Bundes, die in der Gestalt einer Verwaltungsvorschrift erlassen worden sind, nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts genügen, wie das BVerwG im Urteil vom 17.6.2004 - 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103 = DVBl. 2004, 1420 = DÖV 2005, 24 = ZBR 2005, 42 (Juris Rn. 16 ff.), ausgeführt hat. Für Aufwendungen, die - wie hier - in der Zeit vor dem Ergehen des genannten Urteils entstanden sind, kann dies nicht zum Nachteil der Beihilfeberechtigten berücksichtigt werden; um dem Gesetzgeber Gelegenheit zu geben, seiner Normierungspflicht nachzukommen, sind die Beihilfevorschriften sogar für die Zeit nach dem Erlass des Urteils des BVerwG noch für einen Übergangszeitraum anzuwenden (BVerwG, a.a.O., und Juris Rn. 20). Da die Beihilfevorschriften grundsätzlich ein einheitliches, geschlossenes Handlungsprogramm darstellen, kann sich diese vorübergehende Fortgeltung auch nicht etwa nur auf die "begünstigenden" Regelungen beziehen, sodass Ausschluss- und Begrenzungsregelungen von ihr nicht ausgenommen sind.

Ferner ist der Kläger auch grundsätzlich beihilfeberechtigt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BhV) und geht es um Aufwendungen einer berücksichtigungsfähigen Angehörigen, nämlich seiner Ehefrau (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BhV).

Jedoch ist die Beihilfefähigkeit der konkret in Rede stehenden Aufwendungen nach Maßgabe der Behilfevorschriften vom Vorliegen bestimmter Indikationen abhängig, die hier bei einer Auslegung unter Beachtung der insoweit durch den Wortlaut gesetzten Grenzen nicht gegeben sind.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BhV sind Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit u.a. auch zahnärztliche Leistungen prinzipiell beihilfefähig. (U.a.) für zahnärztliche und kieferorthopädische Leistungen enthält der Satz 2 der Vorschrift indes eine wesentliche Ergänzung und zugleich Begrenzung. Danach bestimmen sich "Voraussetzungen" und "Umfang" der Beihilfefähigkeit der diesbezüglichen Aufwendungen nach (der) Anlage 2 (zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV). Diese Anlage 2 enthält in seiner Nr. 4 spezielle Maßgaben für "Implantologische Leistungen". Zum einen werden die diesbezüglichen (einschließlich aller damit verbundenen weiteren) zahnärztlichen Leistungen vom Vorliegen einer der nachfolgend unter a) bis c) bestimmten Indikationen abhängig gemacht (Satz 1). Zum anderen wird zusätzlich bestimmt, dass Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kiefer, einschließlich vorhandener Implantate, nur bei Einzelzahnlücken oder mit besonderer Begründung zur Fixierung von Totalprothesen beihilfefähig sind; Aufwendungen für mehr als vier Implantate pro Kiefer, einschließlich vorhandener Implantate, sind von der Beihilfefähigkeit (ganz) ausgeschlossen (Satz 2). Vorliegend kommt dabei allein dem Satz 1 Bedeutung zu; die zahlenmäßige Begrenzung der Implantate ist im Fall der Ehefrau des Klägers unstreitig nicht überschritten.

Die Indikation der "Fixierung einer Totalprothese" (Alternative c) liegt ersichtlich nicht vor, weil das Implantat der Verankerung lediglich einer - einen bestimmten Bereich des Gebisses - abdeckenden Teilprothese (Teleskopbrücke) dienen sollte. Darauf, ob die betreffende Indikation voraussetzt, dass überhaupt kein (natürlicher) Zahn im gesamten Gebiss mehr vorhanden ist, oder ob nach Sinn und Zweck der Regelung auch das Vorhandensein (nur) eines einzigen Zahnes eine Zuordnung des Falles zu dieser Indikation nicht hindert, vgl. dazu VG Braunschweig, Urteil vom 1.7.2005 - 7 A 151/03 -, Juris, kommt es vorliegend nicht an, da eine hinreichende Vergleichbarkeit mit der letztgenannten Konstellation nicht besteht.

Ferner lag bei der Ehefrau des Klägers auch eine "Freiendlücke, wenn mindestens die Zähne acht und sieben fehlen" (Alternative b) nicht vor. Eine solche Freiendlücke ist eine Zahnlücke am freien Ende der jeweiligen Zahnreihe einer Kieferhälfte, wobei mindestens die beiden letzten Zähne (8 und 7), ggf. aber auch weitere daran anschließende fehlen (also 6, 5 etc.).

Vgl. zum Begriff etwa VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 26.10.1999 - 4 S 1700/98 - und vom 11.12. 2000 - 4 S 2017/00 -, jeweils Juris; ferner Mildenberger, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Loseblatt-Kommentar (Stand: Februar 2004), § 6 BhV Anmerkung 5 Ziffer 11.

Da bei der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der in Rede stehenden Behandlungsmaßnahme der Zahn 37 unten links noch vorhanden war, scheidet diese Indikation aus. Darauf, ob dieser Zahn - wie vom Zahnarzt Dr. N. in seiner Begründung vom 14.3.2002 angegeben - "langfristig nicht gehalten werden kann", kommt es nicht an. Zum einen ist diese Prognose inhaltlich wie auch in zeitlicher Hinsicht sehr vage. Zum anderen - und das ist entscheidend - haben die Beihilfefestsetzungsstellen bei der Subsumtion eines Falles unter die beihilferechtlichen Vorschriften grundsätzlich von den tatsächlichen Gegebenheiten auszugehen, welche im Zeitpunkt der Behandlung bestanden. Das gilt namentlich auch für die Beurteilung, ob einer Behandlung bestimmte beihilferechtlich geforderte medizinische Indikationen zugrunde gelegen haben. In die Zukunft gerichtete Prognosen (etwa in Bezug auf die Weiterentwicklung von Zuständen oder eines Krankheitsbildes) können beihilferechtlich allenfalls dort Bedeutung erlangen, wo in bestimmten Vorschriften ausdrücklich an sie angeknüpft wird. Letzteres ist hier indes nicht der Fall.

Schließlich kann hier auch nicht die Indikation einer "Einzelzahnlücke" (Alternative a) bejaht werden, bei der hinzu kommen muss, dass "beide benachbarten Zähne intakt und nicht überkronungsbedürftig sind". Die durch einen fehlenden Zahn verursachte Lücke zwischen zwei Nachbarzähnen darf bei dieser Indikation dementsprechend nicht mehr als eine Zahnregion ausmachen, also namentlich nicht zwei oder mehr nebeneinander liegende fehlende Zähne umfassen.

Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 6.5.2004 - 1 A 1160/03 -, Juris.

Hier fehlt es ersichtlich an einer solchen Einzellücke zwischen intakten Nachbarzähnen. An die in Rede stehende Region des fehlenden Zahnes 33 grenzt auf der einen Seite zwar der intakte Schneidezahn 32 an; auf der anderen Seite (regio 34) fehlt es indes bei der Ehefrau des Klägers an noch vorhandenem natürlichen Zahnbestand. Eine bloße, fehlenden Zahnbestand ersetzende Zahnprothese (Brückenglied) ist insoweit nicht als intakter Nachbarzahn berücksichtigungsfähig. Dies gilt unabhängig davon, ob ggf. ein schon überkronter Zahn diese Voraussetzung sowie zugleich diejenige fehlender Überkronungsbedürftigkeit erfüllen kann, wenn er etwa als langfristig nicht versorgungsbedürftig eingestuft wird.

Vgl. zu Letzterem etwa Nds. OVG, Beschluss vom 16.6.2004 - 2 LA 84/03 -, Juris; Mildenberger, a.a.O., § 6 BhV Anm. 5 Ziff. 10.

Ist keine der Indikationen der Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV erfüllt, so scheidet die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für implantologische Leistungen grundsätzlich und in aller Regel aus. Es besteht insbesondere anders, als der Kläger meint, nicht der Weg, gewissermaßen auf einer zweiten Stufe der Prüfung den Fall zusätzlich an den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV zu messen und einen Anspruch zuzuerkennen, wenn nur dessen generelle Voraussetzungen - die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen - erfüllt sind. § 5 Abs. 1Satz 1 BhV enthält eine (gewissermaßen vor die Klammer gezogene) "Generalklausel" für die spezielleren nachfolgenden Vorschriften der BhV betreffend die einzelnen Leistungsarten. Die Konkretisierung dessen, was der Dienstherr mit Blick auf die verschiedenen Leistungsarten jeweils für notwendig und insbesondere für angemessen erachtet, wird i.d.R. abschließend in den §§ 6 ff. BhV bestimmt. Soweit der Gesichtspunkt der Notwendigkeit dort keine nähere Konkretisierung erfahren hat, ist er zwar zusätzlich zu prüfen, aber nicht in dem Sinne, dass er einer nach den §§ 6 ff. BhV von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenen Maßnahme unmittelbar und allein am Ende doch zur Anerkennung der Beihilfefähigkeit verhelfen könnte. Das "Programm" der Beihilfeleistungen wird dementsprechend nicht allein durch die in § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV niedergelegten allgemeinen Grundsätze - mag diesen auch eine hervorgehobene Bedeutung zukommen -, sondern letztlich durch die jeweils anwendbaren Beihilfevorschriften in ihrer Gesamtheit bestimmt. Es widerspricht diesem "Programm" insbesondere nicht von vornherein, wenn von bestimmten Leistungsausschlüssen und -begrenzungen auch solche Aufwendungen erfasst werden, die medizinisch erforderliche Behandlungen betreffen. Dies gilt jedenfalls solange, wie derartige Ausschlüsse und Begrenzungen nicht insgesamt gesehen einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichen, dass auch bei typisierender Betrachtung die Beihilfegewährung den Vorgaben des höherrangigen Rechts wie insbesondere der Fürsorgepflicht des Dienstherrn als solche nicht mehr gerecht würde. Diese Frage bedarf indes aus Anlass der Würdigung des sehr begrenzten Bereichs der Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für implantologische Leistungen, um den es hier allein geht, keiner grundsätzlichen und abschließenden Klärung.

2. Auch nach neuerlicher Überprüfung hält der Senat im Übrigen an der mit Beschluss vom 6.5.2004 - 1 A 1160/03 - geäußerten Rechtsauffassung fest, dass die im Rahmen der Indikationen nach Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV erfolgte Begrenzung der Beihilfefähigkeit ggf. auch medizinisch notwendiger Aufwendungen prinzipiell mit höherrangigem Recht vereinbar ist und insbesondere weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verstößt. Mit Blick auf die nachfolgend dargestellten - im Ergebnis durchgreifenden - Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens, bedarf dies hier keiner vertiefenden Begründung.

Vgl. zu der Problematik allgemein auch OVG NRW, Urteil vom 24.5.2006 - 1 A 3633/04 -.

3. Wenn sich somit auch aus den Bestimmungen der Beihilfevorschriften nicht unmittelbar eine Grundlage für den geltend gemachten Anspruch des Klägers ergibt, steht ihm dieser Anspruch letztlich gleichwohl zu. Entscheidend hierfür sind Besonderheiten gerade dieses Einzelfalles, welche es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen, mit Blick auf ein ansonsten der Fürsorgepflicht grob widersprechendes Ergebnis den Anspruch unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 79 BBG herzuleiten.

Zwar enthalten Beihilfevorschriften des Dienstherrn eines Beamten im Grundsatz eine abschließende Konkretisierung dessen, was der Dienstherr für diesen Rechtsbereich aufgrund seiner Fürsorgepflicht an - den diesbezüglichen Anteil in der Besoldung ergänzenden - Leistungen u.a. in Krankheitsfällen für geboten und angemessen ansieht. Auch verlangt die Fürsorgepflicht keine "lückenlose" Erstattung sämtlicher krankheitsbedingter Aufwendungen des Beamten und seiner berücksichtigungsfähigen Angehörigen. Unbeschadet dessen kann es jedoch in gewissen Einzelfällen geboten sein, einen "Beihilfeanspruch" unmittelbar auf der Grundlage der Fürsorgepflicht zu gewähren, wenn nämlich diese ansonsten in ihrem Wesenskern verletzt würde.

Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, z.B. Urteile vom 10.6.1999 - 2 C 29.98 -, ZBR 2000, 46 = DÖD 2000, 39 (Juris Rn. 21, 22), und vom 31.1.2002 - 2 C 1.01 -, ZBR 2002, 401 = DÖD 2002, 172 (Juris Rn. 17); zu implantologischen Leistungen etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.9.2003 - 4 S 1869/02 -, IÖD 2004, 22 (Juris Rn. 13, 14); OVG Rh.-Pf., Urteil vom 30.10.1998 - 10 A 10692/98 -, IÖD 1999, 128 (Juris, Rn. 34 ff.).

Einen solchen Fall hält der Senat hier für gegeben. Dabei verkennt er nicht, dass schon aus Gründen grundsätzlich gebotener Gleichbehandlung aller einem bestimmten Dienstherrn zugehörigen Beihilfeberechtigten die Abweichung von im Rahmen der Beihilfevorschriften typisierend vorgenommenen Leistungsausschlüssen bzw. -begrenzungen zugunsten einzelner Beihilfeberechtigter unter unmittelbarer Anknüpfung an den Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht höchstens in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen kann, in denen sich - atypischerweise - die Verweigerung der Beihilfeleistung aufgrund ganz besonderer Fallumstände schlechterdings als grob fürsorgepflichtwidrig darstellen würde.

Dass die letztgenannten Voraussetzungen hier vorliegen, leitet der Senat in einer Gesamtschau insbesondere aus folgenden Umständen ab:

In die Betrachtung einzustellen ist zunächst, dass eine Implantatversorgung hier nicht nur wegen deren etwaigen allgemeinen Vorteilen im Verhältnis zu einer konservativen zahnärztlichen Versorgung einen medizinischen Nutzen bot, sondern dass hier besondere Umstände vorgelegen haben, die schon aus medizinischen Gründen gegen die behandlungsmäßig allein denkbare Alternative einer konservativen Versorgung mittels einer großen Brücke sprachen. Da es neben dem an der hinteren Seite des Kiefers für die Verankerung einer Brücke in Betracht gekommenen Zahn 37 im linken Unterkiefer der Ehefrau an anderen Zähnen außer den beiden Vorderzähnen 32 und 31 gefehlt hat, hätte die nötige Verankerung an der vorderen Kieferseite notwendig an diesen Zähnen vorgenommen werden müssen. Wie Zahnarzt Dr. N. für den Senat nachvollziehbar in seiner medizinischen Begründung - bestätigt in einer weiteren Stellungnahme - ausgeführt hat, waren diese Zähne für einen so ausgedehnten Zahnersatz indes denkbar ungeeignet. Wie es in dem Schreiben des Zahnarztes vom 28.11.2002 heißt, hätten die erhöhten unter der Mastikation auftretenden Kaukräfte "sicherlich" einen frühzeitigeren Zahnverlust zur Folge als bei der durchgeführten Versorgungsform. Die Versorgungsform einer vier fehlende Zähne überspannenden Brücke ist hier somit nicht lediglich weniger vorteilhaft als diejenige des Implantats; sie hätte vielmehr die konkrete Gefahr des Verlusts für bestimmte weitere, bisher noch intakte Zähne der Ehefrau des Klägers bedeutet. Gerade wegen der Betroffenheit des Bereichs der Vorderzähne ist dies für die Betroffene ein Umstand von Gewicht, der sich nicht ausschließlich auf ästhetische Gesichtspunkte - vgl. dazu, dass derartige Gesichtspunkte für sich genommen eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht in aller Regel nicht begründen können, etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.9.2003 - 4 S 1869/02 -, a.a.O. (Juris Rn. 16) - reduzieren lässt, sondern - neben der mit dem Zahnverlust drohenden physischen Beeinträchtigung - nachvollziehbar etwa auch zu psychischen Belastungen führen kann. Auf den Punkt gebracht, ging es hier deshalb nicht (allgemein) um eine "optimale" zahnärztliche Versorgung, sondern (konkret) um die medizinisch indizierte Vermeidung der mit gewichtigen Nachteilen - hier den Verlust wesentlicher Zähne betreffend - für den Patienten verbundenen (konservativen) Alternativversorgung, die allerdings zur Erhaltung der Kaufähigkeit erforderlich gewesen wäre. Der Ehefrau des Klägers war es namentlich nicht zuzumuten, ganz auf eine zahnärztliche Versorgung ihres linksseitigen Unterkiefers zu verzichten, d.h. dort nur noch mit einem einzigen Zahn (Zahn 37) auszukommen, wegen der fehlenden Zähne 33, 34, 35 und 36 aber im Übrigen nur mit dem (insoweit zahnlosen) Kiefer zu kauen.

Mit diesen schon gewichtigen Gründen hat es allerdings nicht sein Bewenden. Hinzu kommt, dass in dem konkreten Fall die Implantatversorgung auch unter Kostengesichtspunkten deutlich die "schonendste" Versorgungsvariante dargestellt hat. Unter Berücksichtigung dessen würde es geradezu eine "Verkehrung" der wesentlichen Ziele und Zwecke der durch die Indikationen der Nr. 4 der Anlage 2 zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV geschaffenen Beihilfebegrenzungen "in ihr Gegenteil" bedeuten, wenn dem Kläger für die geltend gemachten Aufwendungen eine Erstattung verwehrt bleiben müsste.

Die Alternativversorgung wäre hier schon deshalb wesentlich "aufwändiger" gewesen, weil die vorhandene Teleskopbrücke zwischen den Zähnen 33 und 37 keine Verwendung mehr hätte finden können. Es hätte unter Überkronung eines oder mehrerer Vorderzähne als Ankerzähne eine neue, noch längere Brücke über vier fehlende Zähne angefertigt werden müssen. Auf der Grundlage der Alternativberechnung (Kostenschätzung) des Zahnarztes Dr. N. hätte die Versorgung ca. das Sechsfache der hier im Streit stehenden Kosten für die implantologischen Leistungen am Zahn 33 gekostet. Grundgedanke der mit den Indikationen in Nr. 4 der Anlage 2 geschaffenen Begrenzung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen ist es aber namentlich gewesen, auf diese Weise vor dem Hintergrund eines stetigen Anstiegs implantatversorgter Patienten eine allgemeine Begrenzung der Kosten bezogen auf die betreffende, grundsätzlich kostenintensive Art der Behandlung zu erzielen.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 6.5.2004 - 1 A 1160/03 - (Juris Rn. 6); VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.10.1999 - 4 S 1700/98 - (Juris Rn. 6)

Auch bezogen auf diese Zielsetzung handelt es sich mithin vorliegend um einen völlig atypischen Fall, in dem es dem Kern der Fürsorgepflicht nicht mehr entspricht, Beihilfe für eine notwendige, schon medizinisch nicht durch eine sinnvolle Alternative ersetzbare Behandlungsart unter Rückgriff auf hier gerade nicht gegebene allgemeine Kostenersparnis- und Leistungsbegrenzungsgesichtspunkte im Ergebnis zu versagen. Darauf, ob der umstrittene Beihilfebetrag, der sich immerhin (unter Berücksichtigung der Selbstbehalte) auf mehr als 500 EUR bezieht, für sich genommen ggf. nicht ausreichen mag, um allein unter finanziellen Aspekten eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht zu rechtfertigen, kann es in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden nicht entscheidend ankommen. Im Vordergrund steht vielmehr, dass der Ehefrau des Klägers zum einen - wie dargelegt - nicht angesonnen werden konnte, auf die - auch wegen des Zusammenhangs mit den verbliebenen Zähnen bzw. vorhandenen Prothesen dringend benötigte - Versorgung der regio 33 für die (existenzielle) Kaufunktion des Unterkiefers ganz zu verzichten, und dass für sie zum anderen keine im Verhältnis zur Einbringung eines Implantats sinnvolle alternative (vom Dienstherrn beihilferechtlich unterstützte) Behandlungslösung zur Verfügung gestanden hat. In einer solchen Konstellation erweist es sich bereits als grob fürsorgepflichtwidrig, die Bezüge des (Ruhestands-)Beamten ergänzende Beihilfeleistungen dem Grunde nach zu verweigern.

Der Senat hat in diesem Zusammenhang schließlich noch berücksichtigt, dass es auch in Rechtsprechung und Literatur zumindest zum Teil für möglich gehalten wird, aus besonderen Gründen des Einzelfalles Beihilfeleistungen ausnahmsweise auch dann zu gewähren, wenn an sich infolge der fehlenden Erfüllung von grundsätzlich abschließend gemeinten Indikationen ein (Total-)Ausschluss der Beihilfefähigkeit die Folge sein müsste.

Vgl. etwa VG Minden, Urteil vom 2.2.2000 - 4 K 1056/98 -; OVG NRW, Beschluss vom 26.2.2002 - 6 A 1436/00 -; ähnlich argumentierend Mildenberger, a.a.O., Anm. 5 Ziff. 16 (dort betreffend implantatgestützte prothetische Leistungen); ferner - dort die Frage der Beihilfefähigkeit eines Hilfsmittels betreffend - Saarl. OVG, Urteil vom 11.3.2002 - 1 R 11/00 -, DÖD 2002, 227.

Geeigneter rechtlicher Anknüpfungspunkt bleibt hierfür allein die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. In deren Rahmen bedarf es im gegebenen Fall aus sich aufdrängenden Gründen der Einzelfallgerechtigkeit einer (eng begrenzten) "Durchlässigkeit" des relativ starren, keine Ausnahmen kennenden Systems enumerativer Beihilfebegrenzungen durch bestimmte medizinische Indikationen, die selbst keinen genügenden Raum für die Beurteilung völlig atypischer Fälle lassen.

Das so begründete Ergebnis dieses Einzelfalles ist vor dem Hintergrund der Funktion der Beihilfe, die Bezüge des (Ruhestands-)Beamten zu ergänzen, auch allein interessengerecht. Denn im gegebenen Einzelfall hatte der betroffene Patient aus Gründen der Zumutbarkeit keine medizinisch vertretbare Alternative, um seine Behandlungsbedürftigkeit zu beheben. Insbesondere brauchte die Beklagte nicht zu befürchten, der Patient könnte nunmehr in Ansehung der Ablehnung von Beihilfeleistungen zu der sechsfach teureren Behandlung übergehen. Dies schon aus Gründen der Zumutbarkeit nicht, namentlich aber auch deswegen nicht, weil mit der strittigen Maßnahme die Behandlungsbedürftigkeit sechsfach billiger behoben worden ist, dem Übergang auf die konservative Lösung also beihilferechtlich der Einwand fehlender Notwendigkeit entgegengehalten werden könnte. Ein Ergebnis, das in Ansehung der dargestellten Besonderheiten nur grob unbillig wäre.

Die Höhe der (Beihilfe-)Leistungen hat sich dabei an den insoweit für vergleichbare Leistungen in den Beihilfevorschriften - in allgemeiner Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn - grundsätzlich bestimmten Vorgaben (einschließlich dort geregelter Selbstbehalte) zu orientieren. Es geht vorliegend nicht um eine "allgemeine Besserstellung" des Betroffenen im Verhältnis zu den Regelungen der Beihilfevorschriften. Vielmehr gelangt ausschließlich ein bestimmter, als Indikationenregelung ausgestalteter Leistungsbegrenzungstatbestand der Beihilfevorschriften in einem Einzelfall (im Ergebnis) nicht zur Anwendung, weil der Senat hier ausnahmsweise das Bestehen eines Anspruchs unmittelbar unter Rückgriff auf die Fürsorgepflicht anerkannt hat. Auswirkungen auf die allgemeine Berechnung der Leistungshöhe hat dieser Umstand nicht.

Ende der Entscheidung

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