Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 31.03.2006
Aktenzeichen: 1 A 5195/04.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW


Vorschriften:

LPVG NRW § 16 Abs. 1
LPVG NRW § 22 Abs. 1
Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Grundsätze der freien und geheimen Wahl dadurch verletzt werden, dass ein Wahlbewerber (Brief-)Wahlunterlagen für eine Personalratswahl persönlich überbringt und Wahlberechtigte ihre Stimme in seiner Gegenwart bzw. der Gegenwart eines von ihm als Sprachmittler hinzugezogenen Dolmetschers abgeben (Bestätigung und Fortführung von OVG NRW, Beschlüsse vom 6.8.1962 - CB 10/62 -, ZBR 1962, 390, und vom 7.8.1998 - 1 A 777/97.PVL -).
Tatbestand:

Die Antragstellerin, eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft, erstrebte in einem Wahlanfechtungsverfahren die Feststellung der Ungültigkeit einer Personalratswahl. Dort ging es im Kern um die Frage, ob ein Wahlbewerber einer anderen Liste - zum Teil im Zusammenwirken mit einem Dolmetscher - gemessen an den Grundsätzen der freien und geheimen Wahl unzulässigen Einfluss auf die Stimmabgabe von Wahlberechtigten genommen hatte, indem er Wahlunterlagen persönlich überbracht hatte und die Stimmabgabe in seiner Anwesenheit erfolgt war. Das VG gab dem Antrag statt; die dagegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Gründe:

Der Wahlanfechtungsantrag des Antragstellers ist zulässig.

Gemäß § 22 Abs. 1 LPVG NRW kann u. a. jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft innerhalb von zwei Wochen nach dem Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses die Wahl beim VG anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

Der Antragsteller ist eine in der dem Beteiligten zu 2. zugeordneten verselbständigten Teildienststelle vertretene Gewerkschaft und damit antragsbefugt. Der Antrag wurde auch innerhalb der gesetzlich bestimmten Zwei-Wochen-Frist angebracht.

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2. bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass der Antragsteller seinen Antrag (von Anfang an) auf die Anfechtung der Wahl einer bestimmten Gruppe - hier derjenigen der Arbeiter - beschränkt hat. Solches ist gerade dann zulässig, wenn sich der geltend gemachte Fehler - wie hier - nicht notwendig auch auf die Wahl der anderen Gruppen ausgewirkt hat.

Vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 22 Rn. 10; Havers, LPVG NRW, 9. Aufl., § 22 Erl. 1.

Aus dem vom Beteiligten zu 1. zur Stützung seiner Auffassung angeführten Beschluss des BVerwG vom 6.6.1991 - 6 P 8.89 -, PersR 1991, 337= ZfPR 1991, 169 = PersV 1992, 76 = RiA 1992, 204, erschließt sich nichts Gegenteiliges.

Der Antrag ist auch begründet. Die in § 22 Abs. 1 LPVG NRW normierten sachlichen Voraussetzungen für einen Erfolg des Wahlanfechtungsantrags liegen vor.

Bei der streitgegenständlichen Wahl ist gegen zwingende - und insofern "wesentliche" - Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen worden.

Nach § 16 Abs. 1 LPVG NRW wird der Personalrat in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Darüber hinaus setzt das Personalvertretungsgesetz - obschon dort nicht ausdrücklich erwähnt - den Grundsatz der freien Wahl als selbstverständlich voraus, sodass dieser auch für Personalratswahlen gilt. Durch die Gewährleistung der freien Wahl soll eine dem wirklichen Willen der Wähler entsprechende Wahl sichergestellt werden. Der Grundsatz der geheimen Wahl hat im Gegensatz zu jenem Prinzip keine eigenständige, sondern nur eine zweckbestimmte Funktion. Er dient der Garantie der freien Wahl.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.8.1998 - 1 A 777/97.PVL -; ferner OVG NRW, Beschluss vom 6.8.1962 - CB 10/62 -, ZBR 1962, 390; Cecior/ Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 16 Rn. 22.

Mit dem Ziel, eine freie und unbeeinflusste Wahl zu sichern, die Wahlberechtigten insoweit namentlich auch vor Unzuträglichkeiten und Pressionen mit Blick auf den konkreten Inhalt ihrer Stimmabgabe zu schützen, verlangt der Grundsatz der geheimen Wahl in diesem Zusammenhang insbesondere ausreichende Vorkehrungen einer Sicherung gegen die Beobachtung durch dritte Personen beim eigentlichen Wahlvorgang, d.h. der Stimmabgabe. In den Schutz einbezogen ist dabei zugleich das subjektive Gefühl des Wählers, dass seine Stimmabgabe nicht beobachtet und nicht beeinflusst wird.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27.9.2000 - 1 A 1541/99.PVB -, PersR 2001, 257 = RiA 2002, 46, und vom 14.9.1977 - CB 23/77 -; Cecior/Vallendar/ Lechtermann/Klein, a.a.O., § 22 Rn. 11.

Denn schon das Gefühl, dass dies anderes ist, kann ggf. Auslöser dafür sein, dass der Betroffene "Druck" verspürt, seine Stimme in dem einen oder anderen Sinne zu vergeben, also seine Wahlentscheidung nicht mehr wirklich "frei" zu treffen.

Der Gewährleistung einer solchen "freien" Wahl hat der Landesgesetzgeber auch für den Bereich der Personalratswahlen in einer Reihe von Vorschriften ausdrücklich Rechnung getragen. Zum einen kommt dieser Gesichtspunkt etwa in § 21 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW zum Ausdruck, wonach niemand die Wahl des Personalrats behindern oder in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise beeinflussen darf.

Vgl. Reinartz, Personalvertretungsgesetz NRW, § 16 Erl. 1; zu den inhaltlichen Anforderungen jener Norm jüngst OVG NRW, Beschluss vom 10.11.2005 - 1 A 5076/04.PVL -.

Zum anderen finden sich auch betreffend die persönliche Stimmabgabe einschlägige, darunter namentlich den Aspekt der geheimen Wahl berücksichtigende Vorschriften wie beispielhaft § 15 Abs. 1 Satz 1 der Wahlordnung zum Landespersonalvertretungsgesetz (WO-LPVG). Danach hat der Wahlvorstand zu gewährleisten, dass der Wähler den Stimmzettel im Wahlraum unbeobachtet kennzeichnen und in den Wahlumschlag legen kann.

Bei der schriftlichen Stimmabgabe im Rahmen der sog. Briefwahl Entsprechendes zu gewährleisten, gestaltet sich durch die Verlegung des Stimmvorgangs in die private Sphäre indes weit schwieriger und stößt dabei - namentlich hinsichtlich einer möglichen wirksamen Kontrolle - naturgemäß an Grenzen, etwa dann, wenn ein Wahlberechtigter aus eigenem freien Entschluss beim Ausfüllen des Stimmzettels die Anwesenheit einer dritten Person duldet. Wie sich aus § 16 Abs. 1 Satz 1 WO-LPVG ergibt, hat der Wahlvorstand einem Beschäftigten, der eine schriftliche Stimmabgabe wünscht, auf Verlangen den Stimmzettel und den Wahlumschlag sowie einen größeren Briefumschlag, der die Anschrift des Wahlvorstands und als Absender den Namen und die Anschrift des wahlberechtigten Beschäftigten sowie den Vermerk "Schriftliche Stimmabgabe" trägt, auszuhändigen oder zu übersenden. Im letzteren Fall kann der Wahlvorstand die Wahlunterlagen dem wahlberechtigten Beschäftigten auf dem Postweg oder u.a. durch eines seiner Mitglieder, Ersatzmitglieder bzw. durch Wahlhelfer übermitteln.

Vgl. entsprechend zum Bundespersonalvertretungsrecht: Lorenzen u.a., BPersVG, § 17 WO Rn. 6.

Werden dem Beschäftigten die Wahlunterlagen mit der Post übersandt, ist die Freiheit der Wahl in der Regel nicht gefährdet. Die Übersendung mittels eines Boten (Wahlhelfers), der dem Beschäftigten die Wahlunterlagen aushändigt, wird hingegen dann problematisch, wenn der wahlberechtigte Beschäftigte den Stimmzettel sofort in Gegenwart des Überbringers ausfüllt und diesem den Freiumschlag, den Wahlumschlag und den ausgefüllten Stimmzettel wieder mitgibt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die schriftliche Stimmabgabe in jedem Fall einen Verstoß gegen die Grundsätze der freien und geheimen Wahl darstellt, wenn sie in der Anwesenheit des Überbringers der Wahlunterlagen erfolgt. Ein solcher Verstoß kann jedenfalls dann vorliegen, wenn besondere Umstände hinzukommen; vgl. OVG NRW, Beschuss vom 7.8.1998 - 1 A 777/97 - und vom 6.8.1962 - CB 10/62 -, a.a.O.; solche Umstände können vor allem in der Person bzw. Funktion des Überbringers begründet sein, sie können sich - insbesondere in Verbindung damit - aber auch aus der Art und Weise des Vorgehens wie z.B. des Ergreifens einer besonderen Initiative ("Stimmenfang") und ggf. auch aus einer besonderen Schutzbedürftigkeit der betroffenen Beschäftigtengruppe ergeben. Hiervon ausgehend besteht weitestgehende Einigkeit darüber, dass namentlich dann, wenn einer der Wahlbewerber der anstehenden Personalratswahl - zumal ein solcher derjenigen Gruppe von Beschäftigten, für die er bei der Wahl selbst kandidiert - nach ggf. vorheriger "Werbung" für eine schriftliche Stimmabgabe die betreffenden Wahlunterlagen den (bzw. einer Gruppe von) wahlberechtigten Beschäftigten selbst überbringt und sogleich wieder einsammelt, die sich aus den Grundsätzen der freien und geheimen Wahl ergebenden Grenzen überschritten sind und von einer freien, unbeeinflussten Wahl keine Rede mehr sein kann; dies gilt zumal dann, wenn die Stimmzettel von den Beschäftigten in seiner Gegenwart ausgefüllt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.8.1998 - 1 A 777/97 - und vom 6.8.1962 - CB 10/62 -, a.a.O.; VG Potsdam, Beschluss vom 22.1.2003 - 16 K 2353/02.PVL -, PersV 2003, 420; Cecior/Vallendar/ Lechtermann/Klein, a.a.O., § 16 Rn. 12 und 23; Lorenzen u.a., a.a.O., § 19 Rn. 11; Fischer/Goeres, GKÖD, Bd. V, K § 19 Rn. 7; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 10. Aufl., § 19 Rn. 6 und § 17 WO Rn. 6.

Ein solches Vorgehen stellt sich nach seinem objektiven Sinngehalt eindeutig als auf unzulässigen "Stimmenfang" zu Gunsten eben dieses einen Bewerbers gerichtet dar, ohne dass es zusätzlich noch darauf ankommt, inwieweit es dem als Boten fungierenden Bewerber im jeweiligen Einzelfall zugleich möglich gewesen ist, konkret zu beobachten, für welche Liste die Wähler ihre Stimme abgegeben haben.

Das hier in Rede stehende Verhalten des Wahlbewerbers N. stellt sich auf der Grundlage der Beweisaufnahme erster Instanz entsprechend dar; zumindest liegt ein mit dem Vorstehenden wesentlich vergleichbarer Fall vor. Die (teilweise) Einbindung eines Dolmetschers, des Zeugen B., in das Geschehen bewirkt keinen entscheidenden Unterschied zu einem Fall, in welchem ein Wahlbewerber allein handelt.

Im Wesentlichen schon aufgrund der eigenen Aussagen der Zeugen B. und N. im Anhörungstermin vor der Fachkammer steht zur Überzeugung des Fachsenats im Kern fest, dass der Wahlbewerber N. in einer nicht geringen, wenn auch nicht genau bezifferbaren Zahl von Fällen - zum Teil gemeinsam mit dem Dolmetscher B., in anderen Fällen aber auch allein - (u.a.) in den Schulen Reinigungsfrauen aufgesucht hat, um diesen die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe zu übergeben. Zumindest ein Teil der Frauen hat dabei sofort an Ort und Stelle den Stimmzettel ausgefüllt. Dies geschah in der Regel in Anwesenheit des Dolmetschers im selben Raum, bei den ohne den Dolmetscher aufgesuchten Reinigungsfrauen in Anwesenheit des Wahlbewerbers N. selbst. Dass Letzterer seiner Aussage zufolge in ca. 15 bis 20 Metern Entfernung gestanden und sich der Dolmetscher beim eigentlichen Wahlvorgang umgedreht haben will, vermag unbeschadet der Frage der Glaubhaftigkeit dieser Angaben dem Gesamtgeschehen nach den obigen Ausführungen des Senats kein maßgeblich anderes Gepräge zu geben. Entscheidend bleibt die unbeschadet dessen aufrecht erhaltene Präsenz eines der Wahlbewerber in Form eines Abwartens bis zur Beendigung des Wahlvorgangs unter Wiedermitnahme der ausgefüllten Unterlagen. Dabei erschien der Dolmetscher in den Fällen, in denen er hinzugezogen wurde, aus der Sicht der wahlberechtigten Beschäftigten, hier der Reinigungsfrauen, lediglich als Hilfsperson, nämlich als Sprachmittler, für den Wahlbewerber N. als eigentlichen Initiator und Beherrscher des Geschehens. Letzteres zeigt sich auch daran, dass der Zeuge N. schon vorab - nach seiner Aussage ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers - aus eigener Initiative vorbereitete Anträge auf Briefwahlunterlagen an die Reinigungsfrauen in den Schulen überbracht und wieder mitgenommen hatte. Das sich daran anschließende Überbringen der Wahlunterlagen selbst bedeutete lediglich die Fortsetzung eines (Gesamt-)Geschehens, welches eindeutig als vom Zeugen N. gelenkt und bestimmt wahrgenommen werden musste. Aus der (maßgeblichen) Sicht der Wählerinnen kam es deshalb für das nach den hier vorliegenden Fallumständen ohne weiteres nachvollziehbare subjektive Gefühl, bei der unmittelbaren Stimmabgabe vor Ort "unter Druck" zu stehen, den Bewerber N. zu wählen, nicht entscheidend darauf an, ob dieser selbst oder aber allein der von ihm mit hinzugezogene Dolmetscher B. bei der Stimmabgabe im selben Raum anwesend gewesen ist. Auch das vom Zeugen B. bei seiner Vernehmung eingeräumte, den zuvor angeführten "Druck" noch verstärkende Verhalten, etlichen Frauen vor dem Wahlvorgang erklärt zu haben, wo sie das Kreuz machen müssten, wenn sie Herrn N. wählen wollten, stellte sich in diesem Zusammenhang als ein nur aus Gründen der Sprachmittlung von einem Dolmetscher geleistetes, der Sache nach aber dem Wahlbewerber N. zurechenbares Verhalten dar, und zwar zweifellos ein solches Verhalten, welches dem Grundsatz der Wahlfreiheit widerspricht. Mit Blick auf die fortbestehende "Präsenz" des Bewerbers N. - sei es auch nicht im selben Raum - als Initiator und Organisator der betreffenden Briefwahlaktion handelte es sich bei den betreffenden Erläuterungen des Dolmetschers ersichtlich nicht mehr um bloße "neutrale" Hinweise zum technischen Verfahren des Ausfüllens des Stimmzettels. Ob auch Herr N. selbst bei den vom ihm allein aufgesuchten Schulen den wahlberechtigten Reinigungskräften konkret gezeigt hat, wo sich das Kreuz machen müssen, um ihn zu wählen, kann dahinstehen, denn sein den Grundsätzen der geheimen und freien Wahl bei einer Gesamtbetrachtung widersprechendes Verhalten hängt nicht von diesem einzelnen Umstand ab.

Was die Grundzüge des Geschehensablaufs betrifft, werden diese zusätzlich durch die Aussagen weiterer Zeuginnen bestätigt. Dabei verdeutlicht namentlich die Aussage der Zeugin P. zugleich, dass die betroffenen Reinigungsfrauen schon beim ersten Erscheinen des Herrn N. im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Verfahrensweise der schriftlichen Stimmabgabe einen gewissen Druck verspürt haben, dieser Verfahrensweise nachzukommen, d.h. zu unterschreiben, "obwohl sie nicht wollten". Dass die genannte Zeugin es in ihrem Fall beim zweiten Erscheinen des Herrn N. zur Übergabe der Wahlunterlagen abgelehnt hat, sofort an Ort und Stelle zu wählen, und dies ihr auch nicht verwehrt worden ist, besagt nichts darüber, dass in anderen Fällen die Reinigungsfrauen - ggf. auch unter subjektiv empfundenen Druck - anders reagiert und sofort ihre Stimme abgegeben sowie die Unterlagen Herrn N. sogleich wieder mitgegeben haben. Dass es auch derartige Fälle gegeben hat, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen N. selbst ("....Briefwahlunterlagen überbracht und mitgenommen hatte").

Soweit die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des VG in dem angefochtenen Beschluss, um eine besondere "Dominanz" des Herrn N. gegenüber den weiblichen ganz überwiegend türkischen Reinigungskräften herauszustellen, (lediglich) ergänzend auf dessen Rolle "als Mann" abgestellt hat, kommt es darauf für die Annahme eines Verstoßes gegen die hier in Rede stehenden wesentlichen Wahlvorschriften nicht maßgeblich an. Es bedarf deshalb auch keiner Feststellungen des Fachsenats in die Richtung, ob die Fachkammer in jenem - auch betreffend die erstinstanzliche Entscheidung nicht isoliert zu sehenden - Begründungszusammenhang ein sachlich zutreffendes "Rollenverständnis" der türkischen Frau zugrunde gelegt hat.

Weiter ist nicht entscheidend, ob das Vorgehen des Personalratsmitglieds und Wahlbewerbers N. bei der Organisation und Durchführung der Briefwahl mit dem Wahlvorstand abgestimmt gewesen ist. Unabhängig davon stellt es sich nämlich jedenfalls seinem Schwerpunkt nach als ein seine eventuelle Stellung als Wahlhelfer gezielt ausnutzendes, im konkreten Vorgehen stark von Eigeninitiative geprägtes Verhalten eines (Spitzen-)Wahlbewerbers einer bestimmten Liste dar, der insoweit die nötige Zurückhaltung nicht an den Tag gelegt hat.

Schließlich kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass durch den in einer Vielzahl von Fällen vorgekommenen Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen und freien Wahl im Sinne des § 16 Abs. 1 LPVG NRW, hinsichtlich dessen eine Berichtigung nicht erfolgt ist, das Wahlergebnis betreffend die Gruppe der Arbeiter geändert oder beeinflusst werden konnte. Wie die Fachkammer des VG zutreffend ausgeführt hat, wäre es dann zu einer anderen Sitzverteilung gekommen, wenn in der Gruppe der Arbeiter 65 Wahlberechtigte statt der Liste X. die Liste Y. gewählt hätten. Schon angesichts der Angaben des Zeugen N. bei seiner Vernehmung erster Instanz zur Zahl der besuchten Schulen (ca. 150, davon etwa 25 bis 30 gemeinsam mit dem Zeugen B.) und der dabei angetroffenen Reinigungskräfte (zwischen 1 und 4, manchmal auch 5) entspricht es jedenfalls einer gewissen, in konkreten Fallumständen gründenden Wahrscheinlichkeit, dass bei mindestens 65 Wahlberechtigten der Vorgang der schriftlichen Stimmabgabe in der zuvor dargelegten, rechtlich zu beanstandenden Weise stattgefunden hat. Das gilt selbst dann, wenn ein Teil der aufgesuchten Reinigungskräfte letztlich nicht am Briefwahlverfahren teilgenommen bzw. den Stimmzettel erst zu Hause ausgefüllt hat. Die Angaben des Zeugen B., es seien "mindestens 30 bis 40 Frauen" gewesen, beziehen sich offenbar allein auf die Fälle seiner Hinzuziehung und stehen insofern mit den Angaben des Zeugen N. nicht notwendig in Widerspruch. Davon abgesehen folgt aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 letzter Halbsatz LPVG NRW ("es sei denn ...") eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass durch einen nachgewiesenen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften das in Rede stehende Kausalitätserfordernis - Beeinflussung des Wahlergebnisses - zunächst einmal erfüllt ist. Im Wahlanfechtungsverfahren braucht die antragstellende Partei demgemäß nicht zu behaupten und trägt auch nicht die objektive Beweislast dafür, dass durch den jeweils in Rede stehenden Verstoß das Wahlergebnis tatsächlich (in dem konkret erforderlichen Stimmenumfang) beeinflusst worden ist. Es ist vielmehr Sache der Personalvertretung, das Gegenteil darzutun; sie trägt die entsprechende objektive Beweislast.

Vgl. etwa Lorenzen u.a., a.a.O., § 25 Rn. 18, m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerwG.

Unter den gegebenen Umständen ist es dem Beteiligten zu 1. hier ersichtlich nicht gelungen, Entsprechendes darzutun und zu belegen. Darauf, ob bei Verstößen gegen die Grundsätze der geheimen und freien Wahl eine derartige Beweisführung überhaupt nötig ist oder aber ein Verstoß gegen diese elementaren Wahlgrundsätze bereits für sich genommen zu einer erfolgreichen Wahlanfechtung führt, vgl. hierzu - Letzteres bejahend - etwa OVG NRW, Beschluss vom 27.9.2000 - 1 A 1541/99.PVB -, a.a.O.; Lorenzen u.a., a.a.O., § 25 Rn. 18 unter Hinweis auf den Hess. VGH in GewerkPrax 1967, 144, kommt es nicht einmal an.

Weil die Wahlanfechtung bereits aus den genannten Gründen Erfolg hat, bedarf es keiner Befassung und ggf. weiteren Aufklärung, ob im Zusammenhang mit den erstinstanzlich angesprochenen Einzelfällen sonstige durchgreifende und nachweisbare Verstöße gegen das Wahlrecht vorgelegen und diese sich möglicherweise ebenfalls auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben.

Ende der Entscheidung

Zurück