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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 24.05.2002
Aktenzeichen: 1 A 5564/99
Rechtsgebiete: BeamtVG, HeilvfV


Vorschriften:

BeamtVG § 30 Abs. 1
BeamtVG § 30 Abs. 2 Nr. 2
BeamtVG § 33 Abs. 1
BeamtVG § 33 Abs. 5
HeilvfV § 1 Abs. 1
Die in dem für den Beihilfebereich im Bund auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV und im Land NRW auf der Grundlage des § 4 Nr. 9 Satz 1 BVO NRW erstellten Leistungsverzeichnis enthaltenen Höchstbeträge für eine ärztlich verordnete Heilbehandlung durch selbständige Angehörige von Heilhilfsberufen sind regelmäßig auch für die Frage der Angemessenheit von Heilbehandlungen im Rahmen der Unfallfürsorge zugrunde zu legen.
Tatbestand:

Der 1961 geborene Kläger wurde mit Ablauf des 30.9.1995 aus dem zum Beklagten bestehenden Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen. Am 20.6.1994 hatte er infolge seines Dienstes einen Unfall erlitten und sich ein Schädelhirntrauma sowie eine Unterschenkelfraktur links zugezogen. Dieser Unfall wurde als Dienstunfall i.S.d. § 31 BeamtVG anerkannt.

Im Oktober 1996 beantragte der Kläger Unfallfürsorgeleistungen für Behandlungen der Praxis für Krankengymnastik in Höhe von 2.163,72 DM. Ausweislich der Rechnung setzte sich der Rechnungsbetrag aus "12 x Krankengymnastik auf neurophysiologischer Basis als Doppelbehandlung à 75,78 DM" sowie "12 x gezielte Niederfrequenzstrom bei spastischen oder schlaffen Lähmungen à 28.75 DM" zusammen. Die Behandlungen erfolgten aufgrund einer ärztlichen Verordnung.

Im November 1996 beantragte der Kläger Unfallfürsorgeleistungen für weitere ärztlich verordnete Behandlungen durch die Praxis für Krankengymnastik in Höhe von 1.681,40 DM für "10 x Krankengymnastik auf neurophysiologischer Basis als Doppelbehandlung à 77,05 DM" sowie "10 x gezielte Niederfrequenzstrom bei spastischen oder schlaffen Lähmungen à 14,04 DM".

Nachdem der Kläger aufgefordert worden war, eine ärztliche Bescheinigung über die Gründe für die jeweils verordneten Doppelbehandlungen an Krankengymnastik vorzulegen, übersandte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung, nach der eine regelmäßige Fortführung der krankengymnastischen Therapie in Form von Doppelbehandlungen erforderlich sei, um weitere Schädigungen des Achsskeletts, bedingt durch die muskulären Dysbalancen, zu verhindern.

Mit Bescheid vom 4.12.1996 erstattete das LBV dem Kläger für die geltend gemachten Kosten einen Betrag in Höhe von 2.396,40 DM. Zur Erläuterung führte das LBV aus: Die in Rechnung gestellten Heilbehandlungen überschritten die vom Finanzministerium festgesetzten Höchstbeträge. Es seien deshalb lediglich die Kosten bis zu den höchstmöglichen beihilfefähigen Beträgen berücksichtigt worden.

Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos.

Gründe:

Als Anspruchsgrundlage für das vom Kläger geltend gemachte Begehren kommt allein § 30 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und § 33 Abs. 1 und 5 BeamtVG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 33 BeamtVG (Heilverfahrensverordnung - HeilvfV -) vom 25.4.1979, BGBl. I S. 502, in Betracht. Danach wird einem Beamten, der durch ein Dienstunfall verletzt wird, Unfallfürsorge gewährt. Die Unfallfürsorge umfasst das Heilverfahren, zu dem u. a. die notwendige ärztliche Behandlung gehört. Der Anspruch eines durch Dienstunfall Verletzten auf ein Heilverfahren wird dadurch erfüllt, dass ihm die notwendigen angemessenen Kosten erstattet werden, soweit die Dienstbehörde das Heilverfahren nicht selbst durchführt oder durchführen lässt.

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers scheitert vorliegend daran, dass die Kosten für die in Rechnung gestellten Heibehandlungen, soweit sie den vom Beklagten erstatteten Betrag überschreiten, nicht angemessen sind.

Die Begriffe der Notwendigkeit und Angemessenheit eines Heilverfahrens unterliegen der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, da es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.7.1966 - VIII C 134.63 -, Buchholz 232 § 134 BBG Nr. 2 = ZBR 1966, 370; OVG Berlin, Urteil vom 29.6.1999 - 4 B 46.96 -, Juris.

Während durch das Merkmal der Notwendigkeit der Anspruch auf ein Heilverfahren dem Grunde nach dahingehend begrenzt wird, dass notwendig ist, was getan werden muss, um den angestrebten Erfolg zu erreichen, also die Folgen des Dienstunfalls zu beseitigen oder soweit als möglich zu mindern, vgl. Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, BeamtR, § 33 BeamtVG Rn. 13; Stegmüller/Schmalhofer/ Bauer, BeamtVG, VO zu § 33 Rn. 2; jeweils m.w.N., wird der Anspruch durch den Begriff der Angemessenheit seinem Umfang nach beschränkt. Insofern handelt es sich der Sache nach nicht um ein zusätzliches tatbestandliches Erfordernis, sondern um einen klarstellenden Hinweis darauf, dass die getroffenen Maßnahmen nicht nur dem Grunde, sondern auch dem Umfang nach "notwendig" sein müssen.

Vgl. Schütz/Maiwald, a.a.O, § 33 BeamtVG Rn. 14.

Als angemessen gelten die Kosten, die zum einen zu dem angestrebten Heilerfolg in einem den Aufwand rechtfertigenden vernünftigen Verhältnis stehen, so ausdrücklich und in Anlehnung an die frühere Rechtslage die amtliche Begründung in BR-Drucks. 42/79, abgedruckt in Stegmüller/ Schmalhofer/Bauer, a.a.O., VO zu § 33 vor Rn. 1, und die zum anderen den üblichen Liquidationsrahmen nicht übersteigen.

Vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, a.a.O., VO zu § 33 Rn. 2.

Bestehen im Rahmen der Unfallfürsorge Zweifel an der Notwendigkeit und Angemessenheit von Kosten kann zum Vergleich vom Grundsatz her das Beihilferecht herangezogen werden, da die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen ebenfalls deren Notwendigkeit und Angemessenheit voraussetzt (so für den Bundesbereich § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV und für den Bereich des Landes NRW § 3 Abs. 1 BVO NRW).

Vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, a.a.O., VO zu § 33 Rn. 2.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Beihilfe eine nach der ihr zugrunde liegenden Konzeption die Alimentation des Beamten lediglich ergänzende Fürsorgeleistung darstellt - vgl. BVerfG, Urteil vom 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89 = DÖV 1991, 245 = DVBl. 1991, 201 = NJW 1991, 743 = ZBR 1991, 82 - und der Beamte wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe Härten und Nachteile hinnehmen muss, die sich aus der pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht durch die Beihilferegelungen ergeben und keine unzumutbare Belastung bedeuten.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.6.1980 - 6 C 19.79 -, BVerwGE 60, 212 = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 75 = DÖV 1981, 101 = ZBR 1980, 349.

Demgegenüber ist Zweck der Unfallfürsorge, den Beamten rechtlich und wirtschaftlich bei solchen Schadensfällen zu sichern, die im Dienst ihren Ursprung haben. Die dem Dienstherrn obliegende Pflicht, die Folgen der durch den Unfall herbeigeführten Schädigung im Rahmen des objektiv Möglichen zu beheben, findet ihre Grundlage unmittelbar in dem Alimentationsprinzip. Der diesbezügliche Anspruch des Beamten ist rechtstechnisch als beamtenrechtlicher Versorgungsanspruch gestaltet und trägt der Tatsache, dass der Beamte den Gesundheitsschaden bei Ausübung des Dienstes erlitten hat, durch eine verhältnismäßig großzügige Ausgestaltung Rechnung. Dies ist auch bei der Prüfung der Frage zu beachten, ob im Einzelfall die Kosten notwendig und angemessen sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.7.1966 - VIII C 134.63 -, a.a.O.

Auf der Grundlage dieser Erwägungen begegnet es keinen Bedenken, hinsichtlich der Frage der Angemessenheit der Kosten für eine ärztlich verordnete Heilbehandlung durch selbständige Angehörige von Heilhilfsberufen auf das Leistungsverzeichnis zurückzugreifen, das für den Beihilfebereich im Bund auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV und im Land NRW auf der Grundlage des § 4 Nr. 9 Satz 1 BVO NRW angewandt wird.

Das Leistungsverzeichnis enthält eine Festschreibung der beihilfefähigen Höchstbeträge für Heilbehandlung durch selbständige Angehörige von Heilhilfsberufen. Mit diesen Höchstbeträgen soll - wie es in dem das Leistungsverzeichnis einführende Rundschreiben des BMI vom 7.6.1983 - D III 5 - 213103 - 2/1 - (GMBl. 1983 S. 287) ausdrücklich heißt - insbesondere auch ein angemessener Ausgleich des Kostengefälles zwischen Landgemeinden und Großstädten gewährleistet werden. Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass das Leistungsverzeichnis in Abstimmung mit dem Verband Physikalischer Therapie und dem Zentralverband der Krankengymnasten erstellt worden ist, belegt dieser Gesichtspunkt, dass beihilfeberechtigte Beamte regelmäßig Heilbehandlungen zu Entgelten erhalten können, die die im Leistungsverzeichnis festgeschriebenen Obergrenzen nicht überschreiten.

Mit Blick auf diese Tatsache begegnet es keinen Bedenken, die in dem für den Beihilfebereich erstellten Leistungsverzeichnis enthaltenen Höchstbeträge auch für die Frage der Angemessenheit von Heilbehandlungen im Rahmen der Unfallfürsorge zugrunde zu legen. Denn es besteht kein Anhalt für die Annahme, dass es einem Beamten für eine infolge eines Dienstunfalls notwendig gewordenen Heilbehandlung nicht möglich sein könnte, diese für dasselbe Entgelt zu erhalten, wie es erhoben würde, wenn die Heilbehandlung sich nicht als Folge eines Dienstunfalls darstellen würde.

Es besteht auch keine Veranlassung zu weiter gehenden gerichtlichen Aufklärungsmaßnahmen, ob eine günstigere Behandlungsmöglichkeit für den Kläger vorhanden gewesen ist. Angesichts des Erfahrungssatzes, dass es beihilfeberechtigten Beamten regelmäßig möglich ist, Heilbehandlungen zu einem Entgelt zu erhalten, das die im Leistungsverzeichnis festgeschriebenen Obergrenzen nicht überschreitet, obliegt es dem Kläger, überhaupt Umstände darzutun, die Anlass geben könnten, eine Behandlungsmöglichkeit zu einem solchen Entgelt für den Fall in Zweifel zu ziehen, dass es sich um eine Maßnahme im Rahmen der Unfallfürsorge handelt. Daran fehlt es jedoch angesichts des nicht näher substantiierten Vorbringens des Klägers.

Ende der Entscheidung

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