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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.12.2002
Aktenzeichen: 1 A 600/98.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW


Vorschriften:

LPVG NRW § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1
LPVG NRW § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3
Zum Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW.

Allein das formale Vorliegen einer Beschäftigung auf der Grundlage des Normalvertrags Solo reicht für einen Ausschluss der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW regelmäßig aus; zusätzlich ist nicht erforderlich, dass der Beschäftigte ausschließlich künstlerisch tätig ist. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn nur deshalb eine derartige Vertragsform gewählt worden ist, um die Mitbestimmungsrechte des Personalrats auszuschließen.


Gründe:

Dem Antragsteller steht bei Personalmaßnahmen i.S.d. § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW, welche die als "dramaturgische Mitarbeiterin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit" beschäftigte Frau H. betreffen, kein Mitbestimmungsrecht zu.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein entsprechender Antrag der Beschäftigten vorliegt. Denn Mitbestimmungsrechte des Antragstellers sind bei derartigen Maßnahmen bereits durch § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW vollständig ausgeschlossen.

Nach dieser Bestimmung gilt § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW nicht für Beschäftigte an Theatern, die nach dem Bühnennormalvertrag beschäftigt werden. Diese Voraussetzungen sind in der Person der Frau H. erfüllt.

Frau H. ist an einem Theater i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW beschäftigt. (Wird ausgeführt).

Die Beschäftigung von Frau H. erfolgt auch nach dem Bühnennormalvertrag i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW. Das Landespersonalvertretungsgesetz selbst enthält keine Begriffsbestimmung des Bühnennormalvertrags, sondern greift damit auf das Bühnenrecht zurück. Allerdings gibt es auch auf diesem Rechtsgebiet nicht einen ausdrücklich festgelegten Begriff des Bühnennormalvertrags, jedoch zeigt ein Blick in das Recht der Bühnenangehörigen, dass "Bühnennormalvertrag" nicht ein umfassendes Vertragswerk für Bühnenkünstler ist, sondern die Sammelbezeichnung für die drei Normalverträge darstellt, die die einzelnen Sparten der Bühnenkünstler umfassen. Dementsprechend sind der Normalvertrag Solo, der Normalvertrag Chor und der Normalvertrag Tanz zu unterscheiden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, Buchholz 238.37 § 72 PersVG NW Nr. 5 = NJW 1982, 900 = PersV 1982, 284; BAG, Urteil vom 10.2.1999 - 7 AZR 733/97 -; Cecior/Vallendar/Lechtermann/ Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 72 Rn. 235.

Ausweislich des mit Frau H. abgeschlossenen Dienstvertrags wird diese nach dem Normalvertrag Solo beschäftigt. So sieht § 4 ausdrücklich vor, dass sich das Dienstverhältnis "nach dem Normalvertrag Solo in der jeweils gültigen Fassung und den ihn ändernden und ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen sowie nach den sonstigen zwischen dem Deutschen Bühnenverein - Bundesverband deutscher Theater und der Genossenschaft Deutscher Bühnenanhöriger für die auf Normalvertrag Solo Beschäftigten vereinbarten Tarifverträge" bestimmt. Damit haben die Vertragsparteien unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Beschäftigung von Frau H. auf der Grundlage des Normalvertrags Solo erfolgen soll.

Etwa anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass § 4 des Dienstvertrags mit der Wendung "Im Übrigen" eingeleitet ist. Insbesondere kann daraus nicht geschlossen werden, dass lediglich ergänzend die Bestimmungen des Normalvertrags Solo zur Anwendung kommen sollen. Denn die in den dem § 4 vorangehenden §§ 1 bis 3 getroffenen Vereinbarungen betreffen ausschließlich Regelungsgegenstände, die von dem Normalvertrag Solo nicht erfasst werden und einer einzelvertraglichen Bestimmung vorbehalten sind. So regelt § 1 des Dienstvertrags die Tätigkeit, für die Frau H. eingestellt ist. § 2 des Dienstvertrags bestimmt in Anknüpfung an § 2 Nr. 1 Buchst. b) des Normalvertrags Solo Beginn, Laufzeit und Ende des Beschäftigungsverhältnisses. In § 3 des Dienstvertrags ist schließlich in Ausfüllung von § 3 Nr. 1 des Normalvertrags Solo, der lediglich einen Mindestbetrag vorschreibt, das Gehalt der Frau H. festgelegt.

Die mithin formal vorliegende Beschäftigung auf der Grundlage des Normalvertrags Solo reicht für das Eingreifen des Ausschlusstatbestands des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW regelmäßig - wie hier - aus. Zusätzlich ist nicht erforderlich, dass Frau H. ausschließlich künstlerisch tätig ist. Dies ergibt sich aus der Auslegung des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW.

Schon vom Wortlaut her stellt § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW allein auf die rein formale Position einer Beschäftigung "nach dem Bühnennormalvertrag" ab. Weiter gehende Voraussetzungen für das Eingreifen des Ausschlusstatbestands, insbesondere solche, die inhaltlich an die auszuübende Tätigkeit anknüpfen, sind nicht zu finden.

Der gewählten Formulierung kommt besonderes Gewicht zu, wenn diese mit derjenigen des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW verglichen wird. Dort ist nämlich für den im vorliegenden Zusammenhang relevanten Bereich ausdrücklich auf den tatsächlichen Inhalt der Tätigkeit abgestellt worden, indem die Mitbestimmung des Personalrats u.a. für solche Beschäftigten von einem entsprechenden Antrag abhängig gemacht wird, die überwiegend künstlerisch tätig sind. Der Vergleich beider Bestimmungen spricht dafür, dass der Gesetzgeber sich in § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW bewusst für ein rein formales Kriterium entschieden hat.

Gestützt werden diese Erwägungen durch den Sinn und Zweck des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW. Zweck der Vorschrift ist es, die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgte Freiheit der Kunst zu gewährleisten. Insbesondere soll die künstlerische Gestaltungsfreiheit des Intendanten sichergestellt und dessen Alleinverantwortung Rechnung getragen werden.

Vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 72 Rn. 234; Havers, Landespersonalvertretungsgesetz NW, § 72 Anm. 39.

Denn der Intendant kann die künstlerische Konzeption der Bühne nicht allein verwirklichen. Er bedarf vielmehr der Unterstützung durch Mitarbeiter. In künstlerischer Hinsicht wesentlich an der Mitgestaltung der jeweiligen Produktionen beteiligt sind regelmäßig diejenigen Mitarbeiter, die formal auf der Grundlage der Normalverträge Solo, Chor und Tanz beschäftigt werden. Über die diesen Personenkreis betreffenden Personalmaßnahmen soll der Intendant nach der Zielrichtung des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW losgelöst von einer Einflussnahme des Personalrats entscheiden können, um so die von ihm angestrebte künstlerische Konzeption allein seinen Vorstellungen entsprechend umsetzen zu können. Wäre ihm dies nicht oder nicht uneingeschränkt möglich, weil die von ihm beabsichtigten Personalmaßnahmen jeweils der Zustimmung des Personalrats bedürften, wäre er in seiner künstlerischen Gestaltungsfreiheit erheblich betroffen. Dabei soll es nach der Zweckrichtung des Gesetzes allein formal auf die rechtliche Grundlage des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses ankommen. Denn ein zusätzliches Erfordernis einer ausschließlich künstlerischen Tätigkeit des einzelnen Beschäftigten würde mit Blick auf die praktischen Probleme bei der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen im Einzelfall sowie in Anbetracht dessen, dass jeweils dafür Sorge getragen werden müsste, dass von den Beschäftigten keinerlei nicht dem künstlerischen Bereich zuzuordnende Tätigkeiten ausgeübt werden, der angestrebten Gewährleistung der künstlerischen Gestaltungsfreiheit des Intendanten nicht gerecht.

Ihre Bestätigung findet diese Auslegung in der Entstehungsgeschichte des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW. Die Vorschrift geht zurück auf § 70 Satz 2 Buchst. d) LPVG NRW vom 28.5.1958 (GV. NRW. S. 209). Eine derartige Regelung war allerdings in dem Gesetzesentwurf der Landesregierung noch nicht vorgesehen. Dieser beschränkte sich darauf, eine antragsabhängige Mitbestimmung in Personalangelegenheiten u.a. für Bedienstete mit vorwiegend künstlerischer Tätigkeit vorzuschreiben.

Vgl. LT-Drucks. 3/589 S. 28.

Mit dem Bericht des Ausschusses für Innere Verwaltung vom 19.3.1958 ist die Regelung dahingehend ergänzt worden, dass die die Mitbestimmung in Personalangelegenheiten regelnden Vorschriften u.a. nicht gelten sollten für Bedienstete an Theatern und in Orchestern mit vorwiegend künstlerischer Tätigkeit, soweit sie im Bühnennormalvertrag beschäftigt werden.

Vgl. LT-Drucks. 3/705 S. 38.

Das Erfordernis einer vorwiegend künstlerischen Tätigkeit ist in der Folgezeit mit dem Bericht des Ausschusses für Innere Verwaltung zur dritten Lesung des Gesetzentwurfs fallen gelassen worden.

Vgl. LT-Drucks. 3/749 S. 28.

Auch wenn sich den Gesetzesmaterialen nicht entnehmen lässt, aufgrund welcher Erwägungen von der Wendung "mit vorwiegend künstlerischer Tätigkeit" Abstand genommen worden ist, ist jedoch davon auszugehen, dass es dem Gesetzgeber bewusst war, mit dem Wegfall dieses - an die tatsächliche Tätigkeit anknüpfenden - Erfordernisses den - ausnahmslosen - Ausschluss der Mitbestimmung allein von dem Vorliegen eines formalen Kriteriums, nämlich desjenigen der Beschäftigung nach dem Bühnennormalvertrag abhängig zu machen, und dass die unter dem Vorbehalt eines Antrags stehende Mitbestimmung an die tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit anknüpfen sollte.

Diesem Auslegungsergebnis kann nicht unter Hinweis auf eine angebliche Gesetzessystematik mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW bei einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit die Mitbestimmungsrechte (nur) durch das Antragserfordernis eingeschränkt seien, und dass deswegen ein vollständiger Ausschluss der Mitbestimmungsrechte durch § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW nur bei einer ausschließlich künstlerischen Tätigkeit eingreifen könne. Denn dieser Hinweis führte auf eine in sich schlüssige Ableitung des mit ihm verfolgten Ergebnisses der Gesetzesauslegung nur dann, wenn dem Gesetz ein ausreichender Anhalt dafür zu entnehmen wäre, dass bei überwiegender künstlerischer Tätigkeit § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW gelten und dass nur bei ausschließlich künstlerischer Tätigkeit die Mitbestimmung ausnahmslos entfallen sollte. Eben diese inhaltliche Verknüpfung zwischen § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 und Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW besteht indes nach dem Wortlaut, dem Zweck und der dargelegten Entstehungsgeschichte der Vorschrift gerade nicht. Die dem widersprechende Auffassung des Antragstellers vernachlässigt die dem Wortlaut der genannten Regelungen zu entnehmenden unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für die unterschiedlichen Rechtsfolgen des Gesetzes. Die Auffassung des Antragstellers berücksichtigt vor allem aber nicht zureichend die unterschiedlichen Zielrichtungen der Regelungen in § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW einerseits und in § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW andererseits: Während § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LPVG NRW dem einzelnen Beschäftigten eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber den Einflussmöglichkeiten des Personalrats sichern soll, vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 72 Rn. 208, m.w.N., dient - wie bereits dargestellt - § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW vor allem der Gewährleistung der künstlerischen Gestaltungsfreiheit des Intendanten. Mit Blick darauf fehlen nachvollziehbare Gründe, die es rechtfertigen könnten, in § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW ein den Wortlaut des Gesetzes ergänzendes ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - ausschließlich künstlerischer Tätigkeit - als Voraussetzung für den Ausschluss der Mitbestimmung zu fordern.

Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des BVerwG entgegen. Zwar heißt es in dessen Entscheidung vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -: "Im Übrigen erfassen Normalverträge nur solche Bühnenmitglieder, die ausschließlich künstlerisch tätig sind." Bei dieser Formulierung handelt es sich jedoch offensichtlich nicht um einen entscheidungstragenden Rechtssatz, sondern vielmehr um eine (offenbar) fehlsame rechtliche Bewertung einer Tatsache, nämlich des Inhalts der Normalverträge, soweit es um den von ihnen erfassten Personenkreis geht. Denn es liegt auf der Hand, dass die in den Normalverträgen genannten Personenkreise nicht ausschließlich künstlerisch tätig sind. Sie haben vielmehr innerhalb der Dienststelle auch nicht künstlerische Aufgaben zu erfüllen, mögen diese auch in der Regel nur einen unwesentlichen Teil ihrer Beschäftigung ausmachen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang insbesondere an Aufgaben aus dem Bereich der Verwaltung, die etwa von den in § 1 Nr. 2 des Normalvertrags Solo genannten Kapellmeistern, Spielleitern, Dramaturgen, Singchordirektoren und Tanzmeistern wahrzunehmen sind.

Dem Vorliegen einer Beschäftigung auf der Grundlage eines Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW hält der Antragsteller zu Unrecht entgegen, die Vereinbarung der Geltung des Bühnennormalvertrags sei unzulässig gewesen. Mit der getroffenen Vereinbarung einer Beschäftigung nach dem Normalvertrag Solo haben die Vertragsparteien im Hinblick darauf, dass es an einer Tarifbindung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG fehlt, von der grundsätzlich unbedenklichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Arbeitsverhältnis durch Einzelarbeitsvertrag dem Tarifrecht zu unterstellen. Dabei ist den Parteien, jedenfalls soweit - wie hier - weder zwingendes noch tarifdispositives Gesetzesrecht umgangen wird, unbenommen, das Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag ihrer Wahl zu unterstellen. In der Regel liegt es nahe, auf den Tarifvertrag zu verweisen, der bei Tarifbindung beider Arbeitsvertragsparteien nach seinem örtlichen, zeitlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich Anwendung finden würde. Denkgesetzlich möglich und rechtlich zulässig ist aber auch die Verweisung auf einen anderen Tarifvertrag.

Vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl. 2002, § 208 Rn. 11, 15 und 16, unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 13.11.1959 - 1 AZR 320/57 -, BAGE 8, 219 = BB 1960, 133 = DB 1960, 296 = NJW 1960, 455.

Demgegenüber kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg darauf berufen, die Möglichkeit der einzelvertraglichen Vereinbarung der Geltung eines Tarifvertrags sei nach der Rechtsprechung des BAG vgl. Urteil vom 6.8.1997 - 7 AZR 156/96 -, BAGE 86, 190 = PersR 1998, 38, nur dann möglich, wenn dieser Tarifvertrag bei Tarifbindung Anwendung finden würde, woran es vorliegend fehle. Unabhängig davon, ob es tatsächlich an der Anwendbarkeit des Normalvertrags Solo fehlen würde, wenn eine Tarifbindung bestünde, greift der Hinweis des Antragstellers auf die Rechtsprechung des BAG nicht, weil es dort ausschließlich um die Möglichkeit der einzelvertraglichen Vereinbarung einer Schiedsklausel auf der Grundlage des § 101 Abs. 2 Satz 3 ArbGG ging. Wenn das BAG in dieser Entscheidung die Möglichkeit einer derartigen Vereinbarung auf solche Arbeitsverhältnisse beschränkt hat, bei denen nach § 101 Abs. 2 Satz 1 ArbGG auch bei Tarifbindung der Vorrang der Schiedgerichtsbarkeit hätte vereinbart werden können, betrifft dies eine andere Frage als die hier relevante. Denn die vom BAG vorgenommene Einschränkung findet ihre Grundlage darin, dass das Arbeitsgerichtsgesetz grundsätzlich von der Unzulässigkeit von Schiedsverträgen ausgeht (§ 4 ArbGG) und nur für bestimmte, im Einzelnen in § 101 ArbGG abschließend benannte Berufsgruppen eine Ausnahme zulässt. Eine vergleichbare Situation steht im vorliegenden Zusammenhang nicht in Rede.

Das formale Vorliegen einer Beschäftigung auf der Grundlage eines Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW - wie hier - vermag jedoch - ausnahmsweise - das Eingreifen des Ausschlusstatbestands dann nicht zu begründen, wenn nur deshalb eine derartige Vertragsform gewählt worden ist, um die Mitbestimmungsrechte des Personalrats auszuschließen. Für das Vorliegen eines derartigen, als rechtsmissbräuchlich und deshalb als rechtlich nicht schutzwürdig zu wertenden Verhaltens besteht hier indes kein Anhalt.

Angesichts des Aufgabenkatalogs der Frau H. übertragenen Tätigkeiten ist ohne Weiteres ein eindeutiger Bezug zu den Aufgaben derjenigen Personen festzustellen, auf die der Normalvertrag Solo nach dessen § 1 Nr. 2 Anwendung finden soll. Dies liegt hinsichtlich der nach dem abgeschlossenen Dienstvertrag vorgesehenen Anstellung als dramaturgische Mitarbeiterin schon deshalb auf der Hand, weil nach der genannten Bestimmung des Normalvertrags Solo Dramaturgen zu den von dem Vertragswerk erfassten Bühnenmitgliedern zu zählen sind. Den weiterhin von Frau H. zu erfüllenden Aufgaben als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit kann ebenfalls nicht jeglicher künstlerischer Bezug abgesprochen werden. Auch wenn sich Frau H. bei der Erledigung dieser Aufgaben der Hilfe anderer bedient, kann die ihr obliegende und dem künstlerischen Bereich zuzurechnende Letztentscheidung über die Konzeption von Veröffentlichungen zu den jeweiligen Produktionen nicht verneint werden.

Hierfür sprechen vor allem auch die vom Fachsenat eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen, deren vom Antragsteller gerügte generalisierende Betrachtungsweise gerade belegt, dass von einer rechtsmissbräuchlichen Einordnung der Dienstaufgaben in den Normalvertrag Solo keine Rede sein kann.

Die Voraussetzungen einer Beschäftigung nach dem Bühnennormalvertrag - und damit gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW eines Ausschluss der Mitbestimmung des Personalrats bei Personalmaßnahmen i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW - sind in der Person der Frau H. auch nach dem für den 1.1.2003 vorgesehenen Inkrafttreten des neuen Tarifvertrags "Normalvertrag (NV) Bühne" (Entwurf vom 21.5.2002 - im Folgenden: Normalvertrag Bühne -) erfüllt.

Dieser Tarifvertrag kann zwar nicht uneingeschränkt unter den Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW subsumiert werden. Denn für die Auslegung des Begriffs "Bühnennormalvertrag" ist auf die Begriffsbestimmung zurückzugreifen, die bei der Aufnahme der Vorschrift in das Landespersonalvertretungsgesetz allgemein anerkannt war. Diesem Umstand kommt für die Auslegung des Begriffs Bedeutung zu, da der neu abgeschlossene Tarifvertrag "Normalvertrag Bühne" nicht nur die vormals vorhandenen Normalverträge Solo, Chor und Tanz zusammenfasst, sondern auch für den Personenkreis gelten soll, der bislang von dem - nicht dem Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW zugeordneten - Bühnentechniker-Tarifvertrag erfasst wird. Ausgehend von der Maßgeblichkeit des historischen Begriffsverständnisses werden deshalb von dem Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW trotz des nunmehr auf sie zur Anwendung kommenden Tarifvertrags "Normalvertrag Bühne" diejenigen Personen nicht erfasst, die nicht zu dem Personenkreis zu zählen sind, für den derzeit noch die Normalverträge Solo, Chor und Tanz Geltung haben.

Dieses Problem stellt sich jedoch im vorliegenden Zusammenhang nicht. Da Frau H. zurzeit bereits nach dem Normalvertrag Solo beschäftigt ist, zählt sie auch nach dem Inkrafttreten des neuen Tarifvertrags zu denjenigen Personen, für die § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 LPVG NRW die Mitbestimmung des Personalrats ausschließt. Soweit der neue Normalvertrag Bühne in § 1 Abs. 2 Pressereferenten und Referenten der Öffentlichkeitsarbeit nunmehr ausdrücklich erwähnt, handelt es sich nicht um eine Ausdehnung des von den derzeit noch maßgeblichen Normalverträgen erfassten Personenkreises, sondern lediglich um eine Klarstellung der schon zuvor maßgeblichen Rechtslage.

Ende der Entscheidung

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