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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.06.2004
Aktenzeichen: 1 B 455/04
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
Ein im Rahmen eines "Anforderungsprofils" aufgeführtes persönliches (Befähigungs-)Merkmal kann nicht zulässiger Bestandteil eines Anforderungsprofils im konstitutiven Sinne sein, wenn sein Vorliegen erst aufgrund eines persönlichkeitsbedingten Werturteils und (deshalb) in der Regel nur differenzierend beurteilt werden kann.
Tatbestand:

Der Antragsteller und der Beigeladene sind Ministerialräte (Besoldungsgruppe B 3) und in einer obersten Bundesbehörde beschäftigt. Sie bewarben sich hausintern um einen ausgeschriebenen Beförderungsdienstposten der Besoldungsgruppe B 6 beworben, den die Antragsgegnerin nach Durchführung von Auswahlgesprächen mit insgesamt neun Bewerbern mit dem Beigeladenen besetzen will. Der Antrag, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, den streitigen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen, bevor sie nicht über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des VG erneut entschieden hat, hatte Erfolg; die hiergegen von der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde wurde zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Für dessen Bestehen kommt es in Fällen der Konkurrenz von Bewerbern um die Übertragung eines Beförderungsdienstpostens darauf an, ob es nach dem gegenwärtig erkennbaren Sach- und Streitstand überwiegend wahrscheinlich ist, dass die von dem Dienstherrn getroffene Auswahl- oder Beförderungsentscheidung zu Lasten des jeweiligen Antragstellers rechtsfehlerhaft ist, weil dessen Bewerbungsverfahrensanspruch keine hinreichende Beachtung gefunden hat. Jener Anspruch enthält vor allem das Recht, dass der Dienstherr im Falle von Bewerbungskonkurrenzen um Beförderungen die Auswahl unter Beachtung des durch Art. 33 Abs. 2 GG verfassungskräftig verbürgten Grundsatzes der Bestenauslese (Leistungsgrundsatz) - materiell-rechtlich richtig - vornimmt. Die Ausrichtung der Auswahlentscheidung an diesen Grundsätzen schließt ein, dass jene Entscheidung - verfahrensrechtlich richtig - (in aller Regel) maßgeblich an Regel- oder Bedarfsbeurteilungen anknüpft, ggf. in Wahrnehmung des insoweit bestehenden Organisationsermessens aufgestellte Qualifikationsmerkmale (Anforderungsprofile) berücksichtigt und nachvollziehbar in Beachtung des Grundsatzes der Bestenauslese getroffen wird. Vor diesem Hintergrund ist der Bewerbungsverfahrensanspruch grundsätzlich nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig, ohne dass es darauf ankommt, ob der um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchende übergangene Bewerber zwingend seinem bzw. seinen Konkurrenten hätte vorgezogen werden müssen. Die Sicherungsfähigkeit jenes Anspruches ist allerdings nicht gegeben, wenn die Berücksichtigung des übergangenen Bewerbers aus Rechtsgründen außer Betracht bleibt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12.5.2003 - 1 A 1759/02 -, RiA 2003, 254 = ZBR 2004, 178 = NVwZ-RR 2004, 436, und vom 24.5.2002 - 1 B 751/02 -, NWVBl. 2003, 13 = NVwZ-RR 2003, 135.

Die Sicherungsfähigkeit des Bewerbungsverfahrensanspruchs im oben genannten Sinne ist hier gegeben. Der Antragsteller scheidet nicht aus Rechtsgründen aus dem Kreis derjenigen Bewerber aus, deren Bewerbungsverfahrensanspruch im Auswahlverfahren Beachtung verlangt. Namentlich fällt der Antragsteller nicht mit Blick darauf aus dem Kreis der so zu berücksichtigenden Bewerber heraus, dass er nach Einschätzung der Antragsgegnerin die in der Ausschreibung der zu besetzenden Stelle u. a. aufgeführte persönliche Anforderung des "diplomatischen Geschicks" und damit einen von der Antragsgegnerin für wesentlich erachteten Punkt des von ihr formulierten Anforderungsprofils nicht erfüllt.

Durch die Bestimmung des sog. Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber für das jeweilige Auswahlverfahren verbindlich fest. Das geschieht durch die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens, die objektiv die Kriterien bestimmt, die der Stelleninhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten bemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.8.2001 - 2 A 3.00 -, a.a.O.

Welches Anforderungsprofil der Dienstherr für einen zu besetzenden Dienstposten vorsieht, liegt auch in Bezug auf sog. "Beförderungsdienstposten", deren Besetzung durch Beförderungsbewerber nach der insoweit zuvor getroffenen entsprechenden Organisationsentscheidung des Dienstherrn ein Auswahlverfahren nach den Grundsätzen der Bestenauslese vorauszugehen hat, in seinem - grundsätzlich weiten - organisatorischen Ermessen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.10.2003 - 1 B 1037/03 -, juris, m.w.N.; vgl. insoweit auch OVG NRW, Beschluss vom 16.12.2003 - 1 B 2117/03 -, NVwZ-RR 2004, 236; vgl. ferner OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 15.10.2002 - 10 B 11229/02 -, NVwZ-RR 2003, 762.

Ob der Dienstherr die von ihm selbst gesetzten Auswahlkriterien beachtet hat, unterliegt dabei der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung. (Nur) Unter dieser Voraussetzung bleibt es der - als Akt wertender Erkenntnis gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren - Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umstände er das größere Gewicht beimisst. Entspricht hingegen ein Bewerber nicht in allen Punkten dem nach der Ausschreibung vorgegebenen und rechtlich nicht zu beanstandenden - konstitutiven - Anforderungsprofil, so darf und muss er von vornherein aus dem unter Eignungsgesichtspunkten zu vergleichenden Bewerberfeld ausgeschieden werden - vgl. BVerwG, Urteil vom 16.8.2001 - 2 A 3.00 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschlüsse vom 15.1.2003 - 1 B 2230/02 -, a.a.O., vom 5.4.2002 - 1 B 1133/01 -, NVwZ-RR 2003, 52, und vom 14.5.2002 - 1 B 40/02 -, NWVBl. 2003, 14 - mit der Folge, dass der behauptete Bewerbungsverfahrensanspruch nicht sicherungsfähig ist.

Ein etwaiges Nichtvorliegen des hier von den Bewerbern verlangten "diplomatischen Geschicks" in der Person des Antragstellers führt indes nicht zum Ausschluss desselben aus dem Bewerberfeld und zur mangelnden Sicherungsfähigkeit seines Bewerbungsverfahrensanspruchs, weil dieser in der Stellenausschreibung angeführte Punkt weder zulässiger Bestandteil eines konstitutiven Anforderungsprofils noch von der Antragsgegnerin in dieser Weise tatsächlich verstanden worden ist.

Das Merkmal des "diplomatischen Geschicks" kann bereits kein zulässiges Element eines als konstitutiv im oben genannten Sinne verstandenen Anforderungsprofils sein. Die Frage, ob ein Bewerber diplomatisches Geschick aufweist, ist im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens aus Sachgründen vielmehr (erst) dem gegebenenfalls am Grundsatz der Bestenauslese orientierten - eigentlichen - Auswahlverfahren zuzuordnen und darf nicht schon bei der diesem eigentlichen Auswahlverfahren vorgelagerten Prüfung eine Rolle spielen können, ob der Bewerber das Anforderungsprofil vollständig erfüllt und deshalb überhaupt in das eigentliche Auswahlverfahren einzubeziehen ist.

Diese Zuordnung des Befähigungsmerkmals des diplomatischen Geschicks folgt daraus, dass die Frage seines Vorliegens nicht bloß verneinend oder bejahend und nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten, sondern erst auf der Grundlage eines persönlichkeitsbedingten, dieses Element der Befähigung in den Blick nehmenden Werturteils beantwortet werden kann, das der Dienstherr in der Regel in dienstlichen Beurteilungen oder diesen vergleichbaren Stellungnahmen abzugeben hat.

Vgl. auch VG Köln, Beschluss vom 20.4.2004 - 15 L 3198/03 -.

Dienstliche Beurteilungen und die in ihnen ausgewiesenen Abstufungen der Qualifikation können in einem Stellenbesetzungsverfahren jedoch erst dann Bedeutung erlangen, wenn der Bewerber das (zulässigerweise aufgestellte) konstitutive Anforderungsprofil erfüllt und deshalb in das eigentliche Auswahlverfahren einzubeziehen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.8.2001 - 2 A 3.00 -, a.a.O.

Die Frage nach dem diplomatischen Geschick eines Bewerbers schon im Rahmen der Prüfung zu stellen, ob dieser sämtliche Punkte des konstitutiven Anforderungsprofils erfüllt, wäre im Übrigen auch deshalb nicht systemgerecht, weil die Beachtung der im Anforderungsprofil genannten Auswahlkriterien in vollem Umfang gerichtlicher Kontrolle unterliegt, eine solche Vollkontrolle sich aber hinsichtlich eines persönlichkeitsbedingten Werturteils verbietet.

Abgesehen davon ist auch die Antragsgegnerin - ungeachtet ihres insoweit missverständlichen Vortrages - selbst nicht davon ausgegangen, dass der Antragsteller schon wegen der von ihr zugrunde gelegten Nichterfüllung des fraglichen Bestandteils des Anforderungsprofils aus dem Kreis derjenigen Bewerber ausscheidet, deren Bewerbungsverfahrensanspruch im Auswahlverfahren Beachtung verlangt. Ihr Vorgehen während des Stellenbesetzungsverfahrens verdeutlicht vielmehr, dass sie die in der Ausschreibung aufgeführten fachlichen und persönlichen Anforderungen nicht im Sinne konstitutiver, im Falle ihres Nichtvorliegens zur Nichtberücksichtigung des Betroffenen im Besetzungsverfahren führender Voraussetzungen verstanden hat, sondern (lediglich) die Eignungsbewertung der konkurrierenden Bewerber auf die Punkte des Anforderungsprofils ausrichten wollte. (Wird ausgeführt).

Steht mithin fest, dass der Einbeziehung des Antragstellers in das eigentliche Auswahlverfahren aus Rechtsgründen das in Rede stehende Anforderungsprofil nicht im Wege steht, so kommt es entscheidend nur noch darauf an, ob es überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers keine hinreichende Beachtung gefunden hat und die von der Antragsgegnerin zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung deshalb zu Lasten des Antragstellers rechtsfehlerhaft ist. Das ist hier zu bejahen.

Eine an dem Grundsatz der Bestenauslese orientierte Auswahlentscheidung genügt den Anforderungen an die Erfüllung des Bewerbungsverfahrensanspruchs regelmäßig u. a. nur, wenn der Dienstherr dementsprechend zur Ermittlung des Leistungsstandes der konkurrierenden Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückgreift.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - 2 C 16.02 -, NVwZ 2003, 1397 = ZBR 2003, 420.

Neben der - unverzichtbaren - Betrachtung der Leistung, d. h. der Würdigung der bisherigen Tätigkeit des Bewerbers müssen deshalb auch und gerade Eignung und Befähigung für die Wahrnehmung der Aufgaben eines Beförderungsdienstpostens regelmäßig auf der Grundlage zeitnaher dienstlicher (Regel- oder Bedarfs-)Beurteilungen bewertet, d. h. nachvollziehbar begründet und gewichtet werden; insbesondere muss die Eignungsbewertung folgerichtig aus dem Leistungs- und Befähigungsprofil entwickelt werden, um auf diese Weise - gerichtsfest - zu dokumentieren, dass dem Grundsatz der Bestenauslese ausreichend Rechnung getragen worden ist.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13.5.2004 - 1 B 300/04 -, vom 9.11.2001 - 1 B 1146/01 -, NVwZ-RR 2002, 291 = NWVBl. 2002, 266, und vom 27.6.1994 - 12 B 1084/94 -, NVwZ-RR 1995, 100 = ZBR 1995, 152; vgl. ferner Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2001, Rn. 63, m.w.N.

Soweit wirksame dienstliche Beurteilungen im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung fehlen, hindert dies nicht, das Stellenbesetzungsverfahren durchzuführen. Von der Behörde sind dann jedoch die eignungs-, leistungs- und befähigungsrelevanten Merkmale des Bewerbers bzw. der Bewerber zu ermitteln, die einen Vergleich nach den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG ermöglichen, vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - 2 C 14.02 -, ZBR 2004, 101 = RiA 2004, 37 = NJW 2004, 870; OVG NRW, Urteil vom 28.4.2004 - 1 A 1721/01 -; sie sind zugleich in einer Weise zu dokumentieren, dass das niedergelegte Ermittlungsergebnis qualitativ einer (aktuellen) dienstlichen Beurteilung vergleichbar ist.

Der Eindruck, den die Bewerber in einem mit ihnen jeweils geführten Auswahlgespräch hinterlassen haben, kann in aller Regel nur zur Abrundung des sich aus dienstlichen Beurteilungen bzw. damit vergleichbaren Leistungsnachweisen ergebenden Bildes herangezogen werden. Ein Auswahlgespräch vermittelt nämlich anders als eine dienstliche Beurteilung, die sich regelmäßig auf einen längeren, meist sogar mehrjährigen Zeitraum bezieht, allenfalls eine - zudem von der jeweiligen "Tagesform" des Bewerbers abhängige - Momentaufnahme von der Persönlichkeit des Beamten. Wer sich in einem solchen Gespräch aufgrund rhetorischer Fähigkeiten am besten "verkaufen" kann, muss nicht unbedingt auch der leistungsstärkste und - gemessen am Anforderungsprofil - geeignetste Bewerber sein. Dies gilt jedenfalls in gewissem Maße auch für die sog. persönlichen Anforderungen an die Bewerber. Umgekehrt führt auch eine schlechte oder nicht genügend vorbereitete Selbstpräsentation im Auswahlgespräch noch nicht zwingend zu der Endbewertung, dass der Bewerber für die zu besetzende Stelle weniger geeignet ist als andere Bewerber. Zu bedenken ist außerdem, dass ein Auswahlgespräch nicht geeignet ist, die für die Eignungsbeurteilung wesentliche bisherige Leistung des Beamten zu erfassen. Insgesamt kann dem durch das Auswahlgespräch vermittelten Eindruck deshalb immer nur eine beschränkte Aussagekraft beigemessen werden.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19.12.2003 - 1 B 1972/03 -, vom 9.11.2001 - 1 B 1146/01 -, a.a.O., vom 26.2.1996 - 12 B 3547/95 -, und vom 27.6.1994 - 12 B 1084/94 -, a.a.O.; vgl. ferner OVG Berlin, Beschluss vom 8.12.2000 - 4 SN 60/00 -, NVwZ-RR 2001, 395 ; OVG Bremen, Beschluss vom 19.2.1999 - 2 B 11/99 -, ZBR 2001, 221 = DÖD 1999, 238; Hess. VGH, Beschluss vom 20.4.1993 - 1 TG 709/93 -, NVwZ-RR 1994, 350 = ZBR 1994, 82.

In Anwendung dieser Grundsätze ist eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers deshalb überwiegend wahrscheinlich, weil die Antragsgegnerin ihre Auswahlentscheidung, soweit sie sie in (allein zulässiger Weise) maßgeblich nicht auf die Eindrücke aus dem Auswahlgespräch, sondern auf sonstige Erkenntnisse gestützt hat, nicht erkennbar in einer verfahrensrechtlich richtigen, nämlich maßgeblich an (leistungsbezogenen) Beurteilungen oder diesen vergleichbaren Stellungnahmen anknüpfenden Weise getroffen hat und es deshalb an einer nachvollziehbaren und (gerichtlich) überprüfbaren Entscheidungsgrundlage fehlt.

Ein Rückgriff auf dienstliche Regel- oder Bedarfsbeurteilungen fehlt. Er ist bei Auswahlentscheidungen grundsätzlich und auch hier geboten, da bei der vorliegenden Auswahl zwischen hausinternen, in ihrer Berufserfahrung vergleichbaren Bewerbern mit dem gleichen statusrechtlichen Amt ein Ausnahmefall nicht erkennbar ist. Regelbeurteilungen standen der Antragsgegnerin nicht zur Verfügung, weil (u.a.) Beamte der Besoldungsgruppe B 3 nach der - hier nicht zu bewertenden - Praxis der Antragsgegnerin nicht (regel-)beurteilt werden, und auch Bedarfsbeurteilungen sind anlässlich des Stellenbesetzungsverfahrens nicht gefertigt wurden.

Die Antragsgegnerin hat ihre Auswahlentscheidung ferner nicht in erkennbarer Weise auf solche anderen nachvollziehbaren und (gerichtlich) überprüfbaren Grundlagen gestützt, die in ihrem Aussagegehalt einer dienstlichen Beurteilung qualitativ vergleichbar wären.

Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen, die den Ablauf und die Ergebnisse des von ihr gewählten Auswahlverfahrens dokumentieren, sind insgesamt nicht geeignet, die fehlenden Beurteilungen als Grundlage für die getroffene Entscheidung zu ersetzen.

Der Vermerk des Präsidenten und der Abteilungsleiterin Q, in dem diese die im Auswahlgespräch von dem Antragsteller gewonnenen Eindrücke zusammenfassen, beschränkt sich im Wesentlichen auf diesen Gegenstand. Schon deshalb kann er keine aus dem Leistungs- und Befähigungsprofil entwickelte umfassende Bewertung der (am Maßstab des nicht konstitutiven Anforderungsprofils zu messenden) Eignung des Antragstellers enthalten. Auch an den - wenigen - Stellen, an denen sich allgemein formulierte Einschätzungen u. a. zum Persönlichkeitsprofil finden, geht es lediglich um Schlussfolgerungen aus der Bewertung des Gesprächsverlaufs und damit der sich aus dem Auswahlgespräch ergebenden Momentaufnahme. So werden auf der einen Seite etwa die Fachkompetenz, der große Ideenreichtum und die breiten Erfahrungen des Antragstellers aus seinen verschiedenen bisherigen Tätigkeiten, auf der anderen Seite eine Weitschweifigkeit und der Drang zur Selbstdarstellung erwähnt; dies geschieht aber jeweils nur, um die Ausführungen des Antragstellers in dem Gespräch zu bewerten, beispielsweise zu erläutern, weshalb es dem Antragsteller im Gespräch gelungen sei, z. B. interessante Vorstellungen zur Thematik X zu entwickeln. Dass der Inhalt des Vermerks über eine Bewertung des Gesprächs nicht hinausgehen soll, folgt auch aus seinen beiden letzten Absätzen. (Wird ausgeführt). Die beiden dem Vermerk beigefügten Bewertungsraster belegen, dass ihr wesentlicher Bezugspunkt die Selbstpräsentation des Antragstellers während des Auswahlgesprächs gewesen ist. Insbesondere die jeweiligen "Bemerkungen" verdeutlichen dies. So werden z. B. die Benotungen zum "kooperativen Führungsstil" und zur "Überzeugungskraft" erkennbar an die Gesprächseindrücke anknüpfend damit erläutert, dass der Antragsteller bisweilen belehrend wirke und angesichts seiner Visionen besser sein könne, aber unter seinem Drang leide, ausführlich zu reden. Soweit die Bewertungselemente der Bewertungsraster notwendigerweise auch einen Vergangenheits- und damit einen Leistungsbezug aufweisen, fehlt den Benotungen jedenfalls jegliche Erläuterung dazu, auf wessen Beobachtungen und Einschätzungen diese Bewertungen maßgeblich beruhen und - vor allem - für welchen Zeitraum die Leistungsbewertung ggf. erfolgt ist. Gerade letzteres wäre indes erforderlich, um überprüfen zu können, ob die Antragsgegnerin einen aktuellen und zugleich hinreichend langen Beurteilungs- bzw. Bewertungszeitraum zugrunde gelegt hat und ob dieser Zeitraum dem bei dem Beigeladenen gewählten Zeitraum vergleichbar ist. Auch den beigefügten Übersichten über die - offenbar von dem Antragsteller verfassten - X-Mitteilungen lässt sich keine wenigstens in diesem Punkte nachvollziehbare und überprüfbare inhaltliche Aussage über dessen erbrachte Leistungen - etwa eine Aussage zur Arbeitsgüte und zur Arbeitsmenge - und einer daraus abgeleiteten Eignungsprognose entnehmen, weil diese Übersichten weder kommentiert noch (schriftlich) ausgewertet worden sind und die bloße Auflistung der X-Mitteilungen für den Senat keinerlei Aussagekraft hat. Auch die Benotungen der Leistungen des Antragstellers in Bezug auf X-Verfahren helfen insoweit letztlich nicht weiter, weil dem Vermerk zu ihrer nachträglichen Anhebung lediglich entnommen werden kann, dass die "zurückliegenden Jahre" betrachtet worden seien. Diese Angabe ist nicht nur denkbar unpräzise, sondern gestattet auch nicht die Überprüfung, ob bei dem Konkurrenten ein vergleichbarer Beurteilungs- bzw. Bewertungszeitraum zugrundegelegt worden ist. Gegen die Vergleichbarkeit der ggf. berücksichtigten Beurteilungs- bzw. Bewertungszeiträume spricht im Übrigen nachhaltig, dass die in den Übersichten aufgelisteten X-Mitteilungen im Falle des Antragstellers einen Zeitraum von Januar 1999 bis Juni 2003 abgreifen, während die im Falle des Beigeladenen offenbar herangezogenen X-Mitteilungen aus einem Zeitraum stammen, der von Januar 1991 bis September 2003 reicht und damit um ein Vielfaches länger ist als der bei dem Antragsteller gewählte Zeitraum.

Schließlich stellt auch der Auswahlvermerk keine geeignete Beurteilungsgrundlage dar. Die in ihm enthaltene Begründung legt sogar die Annahme nahe, dass der von dem Antragsteller im Gespräch vermittelte Eindruck - damit aber unzulässigerweise eine bloße Momentaufnahme - ausschlaggebend für das gefundene Ergebnis war. Denn zusammenfassend wird dort im Wesentlichen das während des Auswahlgesprächs gezeigte Kommunikationsverhalten des Antragstellers kritisiert, und gerade dieses Verhalten hat die Antragsgegnerin auch zum Anlass für die Vergabe schlechter Einzelnoten genommen (z. B.: "Präsentation im Gespräch", "Kooperativer Führungsstil", "Teamfähigkeit", "Verhandlungsgeschick", "ausgeprägte kommunikative Kompetenz", "diplomatisches Geschick").

Der Vortrag der Antragsgegnerin dazu, Grundlage ihrer (im eigentlichen Auswahlverfahren getroffenen) Bewertung, der Antragsteller erfülle die persönlichen Merkmale des Anforderungsprofils nicht in vollem Umfang, seien sämtliche über den Antragsteller vorhandenen Eindrücke gewesen und der Eindruck aus dem Vorstellungsgespräch habe nur der Abrundung und Ergänzung der bereits vorhandenen und lediglich anlässlich der Auswahlgespräche niedergelegten Erkenntnisse über Persönlichkeit, Werdegang und fachliche Leistung des Antragstellers gedient, ist vor diesem Hintergrund in dieser lediglich behauptenden Form unerheblich, weil es insoweit an der im gegebenen Zusammenhang unerlässlichen Offenlegung der "Erkenntnisse", ihrer Quellen und ihres Bezugsrahmens in zeitlicher und sachlicher Hinsicht fehlt. Das gilt auch für das Vorbringen des Beigeladenen, der im Wesentlichen betont, wie gut informiert sich der Präsident während des Auswahlgesprächs über den Werdegang und die Leistungen des Beigeladenen gezeigt habe und welche Erkenntnismöglichkeiten dem Präsidenten allgemein, d. h. in Bezug auf alle Kandidaten, zur Verfügung stünden. Denn in den vorgelegten Unterlagen über das Auswahlverfahren sind solche Erkenntnisse in verschriftlichter Form, die den qualitativen Anforderungen an eine dienstliche Beurteilung oder vergleichbare Stellungnahme entsprechen würden, eben nicht enthalten, weshalb nachvollziehbare und (gerichtlich) überprüfbare Entscheidungsgrundlagen insoweit nicht vorhanden sind. Der Senat hat bereits weiter oben ausgeführt, dass die Auswahlunterlagen insbesondere weder Angaben zu dem Beurteilungs- oder Bewertungszeitraum enthalten noch differenzierte Aussagen zu den gezeigten dienstlichen Leistungen des Antragstellers während des in den Blick genommenen Zeitraumes treffen. Unklar bleibt im Übrigen auch, in welchem Verhältnis bzw. mit welchem Gewicht die behaupteten - auch nicht spezifizierten - sonstigen Erkenntnisse im Vergleich zu den Eindrücken aus dem Auswahlgespräch in die Auswahlentscheidung eingeflossen sind.

Die Antragsgegnerin hat die in alledem begründeten Defizite ihrer Auswahlerwägungen auch nicht während des laufenden gerichtlichen (Eil-)Verfahrens durch Vorlage aussagekräftiger, d. h. einen nachvollziehbaren Vergleich der Konkurrenten nach Maßgabe des Prinzips der Bestenauslese erlaubender Leistungs-, Befähigungs- und Eignungsnachweise - z. B. für den Antragsteller und den Beigeladenen gefertigter Bedarfsbeurteilungen - ergänzt und vervollständigt.

Zur Zulässigkeit einer weiteren Plausibilisierung sowie Ergänzung und Vervollständigung der tatsächlichen Auswahl- und Entscheidungsgrundlagen noch im gerichtlichen (Eil-)Verfahren vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13.5.2004 - 1 B 300/04 -, m.w.N., und vom 19.12.2003 - 1 B 1972/03 -.

Eine diesen Anforderungen genügende Bedarfsbeurteilung muss mindestens den gewählten Beurteilungszeitraum und die währenddessen von dem Beamten wahrgenommenen Tätigkeiten angeben, Bewertungen zu im Einzelnen benannten Einzelleistungs- und Befähigungsmerkmalen, entsprechende Gesamturteile sowie ein (Eignungs-)Endurteil enthalten und hinsichtlich der Bewertungen ihren Bezugsrahmen (Vergleichsgruppe) und das verwendete Notensystem offen legen, um so jedenfalls die Vergleichbarkeit der Leistungen und Befähigung und die an sie geknüpften unterschiedlichen Bewertungen zur Eignung nachvollziehbar zu machen. Dem dient auch die Offenlegung der Quellen (Vorgesetzten), aus denen die Bewertungsgrundlagen stammen. Eine Einschätzung vom Hörensagen ist in diesem Zusammenhang nicht akzeptabel, weil der aus ungezählten, nicht benannten Umständen gewonnene Gesamteindruck zwar im Ergebnis zutreffend sein kann. Wegen fehlender Offenlegung jener Umstände kann er indes nicht das - notwendige - Ergebnis nachvollziehbarer Darlegungen der Gründe für eine Auswahlentscheidung sein.

Alledem können auch Einzelinformationen genügen, die dem Beurteiler (hier dem Präsidenten) durch Vorgesetzte der Bewerber in mündlichen Gesprächen gegeben werden und die der Sache nach den Mindestinhalt einer Bedarfsbeurteilung betreffen sowie etwa in einem Besetzungsbericht oder -vermerk zu einer nachvollziehbaren Gegenüberstellung der Leistungen der Bewerber geführt haben. Anhand des Besetzungsberichts bzw. -vermerks muss ebenso nachvollziehbar sein, aus welchen Gründen dem ausgewählten Bewerber der Vorzug vor seinem Konkurrenten gegeben worden ist. Dies können bei gleich leistungsstarken Kandidaten selbstverständlich auch persönlichkeitsbezogene Merkmale wie soziale Kompetenz, diplomatisches Geschick usw. sein. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin lediglich ihren bisherigen, nach den vorstehenden Ausführungen indes unerheblichen Vortrag dazu wiederholt und bekräftigt, dass sämtliche über den Antragsteller vorhandenen Eindrücke maßgeblich in die Auswahlentscheidung eingeflossen seien.

Ende der Entscheidung

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