Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: 10 A 1219/06
Rechtsgebiete: BauNVO


Vorschriften:

BauNVO § 3
BauNVO § 4
Die Vermietung möblierter, in der vom Vermieter bewohnten Wohnung gelegener Gastzimmer an Messegäste ist bauplanungsrechtlich als Beherbergung (§§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) und nicht als Nutzung für Wohnzwecke (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 BauNVO) einzustufen.
Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin eines in einer ehemaligen "Engländersiedlung" gelegenen Einfamilienhauses, das sie nach ihren Angaben selbst bewohnt. Zusätzlich vermietete sie bis Anfang 2005 Zimmer in dem Gebäude an Messegäste für eine Dauer von jeweils bis zu fünf Tagen; die Gäste durften Bad und Küche mitbenutzen, erhielten aber keine sonstigen Dienstleistungen wie z.B. Zimmerreinigung, Frühstück oder Bettwäschewechsel. Durch diese Vermietung waren nach Angaben der Klägerin jährlich Einnahmen in Höhe von bis zu 4.590,00 € zu erwirtschaften.

Der Beklagte untersagte der Klägerin die Nutzung ihres Wohnhauses zum Zwecke der gewerblichen Vermietung - insbesondere als Gästezimmer für Messegäste - durch Ordnungsverfügung vom 16.2.2005 und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld von 2.000,00 € an; zur Begründung stützte er sich darauf, dass die Klägerin nicht über eine Nutzungsänderungsgenehmigung verfügte.

Das VG wies die gegen die Ordnungsverfügung erhobene Anfechtungsklage ab. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach übereinstimmender Annahme der Beteiligten ist die nähere Umgebung des Wohnhauses der Klägerin als Allgemeines oder Reines Wohngebiet einzustufen, da alle Gebäude der ehemaligen "Engländersiedlung" ausschließlich zu Wohnzwecken errichtet und bisher auch genutzt wurden; ein Bebauungsplan besteht nicht. Deshalb ist die Annahme des Beklagten und des VG, die Klägerin bedürfe einer Nutzungsänderungsgenehmigung und habe infolgedessen bisher eine formell illegale Nutzung ausgeübt, nicht zu beanstanden. Denn die von dem Beklagten beanstandete Nutzung des Gebäudes durch die Klägerin ist nicht als Wohnnutzung, sondern als (gewerblicher) Beherbergungsbetrieb einzustufen. Ein solcher kann nach § 34 Abs. 2 BauGB auf dem Grundstück der Klägerin - sollte es Teil eines faktischen Reinen Wohngebiets sein - als "kleiner" Betrieb (§ 3 BauNVO) oder - sollte es sich um ein faktisches Allgemeines Wohngebiet handeln - ohne diese zusätzliche Einschränkung (§ 4 BauNVO) zwar ausnahmsweise zulässig sein, bedürfte aber der vorherigen Genehmigung (§ 63 Abs. 1 BauO NRW). Die Argumentation der Beschwerde, dass die tageweise Nutzung von Zimmern durch Messegäste als - wenn auch kurzfristiges - Wohnen einzustufen sei, trifft nicht zu.

Die tageweise Nutzung vollständig eingerichteter und mit Bettwäsche bzw. Handtüchern ausgestatteter Gastzimmer, die Bestandteil einer Wohnung oder eines Wohnhauses sind, durch Personen, die an einer der in Düsseldorf regelmäßig stattfindenden Fachmessen teilnehmen, ist schon nach dem natürlichen Wortsinn des Begriffs nicht als "Wohnen" zu bezeichnen; eine teleologische Auslegung der §§ 3 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 4 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 BauNVO unter Berücksichtigung der hierzu vorliegenden Rechtsprechung ergibt nichts anderes. Von "Wohnen" im Sinne der §§ 3 und 4 BauNVO kann nur die Rede sein, wenn die zu prüfende Nutzung durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, durch die Eigengestaltung der Haushaltsführung und die Freiwilligkeit des Aufenthalts geprägt ist.

BVerwG, Beschluss vom 25.3.1996 - 4 B 302.95 -, BRS 58 Nr. 56.

Gegenüber einer Beherbergung ist das Wohnen vor allem durch das Merkmal der Dauerhaftigkeit sowie durch die Möglichkeit einer Eigengestaltung der Haushaltsführung abzugrenzen: Eine Beherbergung stellt eine im Regelfall befristete Dienstleistung dar, die der Betroffene so entgegennimmt, wie sie angeboten wird; eine eigene "Häuslichkeit" begründet er damit nicht. Hinzu kommt, dass die Beherbergung auf einen wechselnden Kreis von Personen angelegt ist, die das Zimmerangebot annehmen, ohne dass Veränderungen an Ausstattung und Zuschnitt des Angebots vorgenommen werden. Das Wohnen ist demgegenüber typischerweise nicht - jedenfalls nicht tageweise - befristet und eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten, die genutzt werden können, aber nicht müssen. Der Zulassungsbegründung ist zuzugeben, dass jedes dieser Merkmale mannigfache Variationsmöglichkeiten bietet und dass sich - je nach Gestaltung im konkreten Fall - die Abgrenzung als schwierig erweisen kann. Dies gilt insbesondere für das Merkmal der Dauer, da auch kurzfristige und von vornherein befristete Wohnnutzungen denkbar sind; auch kann die Möglichkeit der Eigengestaltung bei der Inanspruchnahme möblierten Wohnraums zu Wohnzwecken stark eingeschränkt bzw. hinsichtlich der Ausstattung der Mieträume sogar ausgeschlossen sein.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.9.1984 - 4 N 3.84 -, BRS 42 Nr. 55; Urteil vom 29.4.1992 - 4 C 43.89 -, BRS 54 Nr. 53 ("wohnähnliche Nutzung eines Beherbergungsbetriebs" durch Überlassung an Montagearbeiter für einen Zeitraum von 2 bis 6 Monaten).

Ausschlaggebend ist jedoch, dass die Nutzungskategorien der Baunutzungsverordnung eine für jede denkbare Erscheinungsform baulicher Nutzungen trennscharfe Unterscheidung nur mit Hilfe eines gewissen Maßes an Typisierung bieten können, die im Einzelfall jeweils wertend auszufüllen ist. Auch dem bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens in den §§ 3, 4 BauNVO liegt eine Typisierung zu Grunde, deren Variationsbreite am Zweck der Vorschriften zu bestimmen ist. Die Beschränkung der Regelnutzung in einem Reinen Wohngebiet auf das Wohnen bzw. in einem Allgemeinen Wohngebiet auf das Überwiegen der Wohnnutzung dient der Schaffung einer Umgebung, die durch Wohnruhe und Homogenität der Nutzung geprägt ist. Demgegenüber ist eine Beherbergung stets mit dem Eindringen eines wechselnden Personenkreises in die Umgebung verbunden und deshalb typischerweise durch ein gewisses Maß an Unruhe und Verkehr geprägt; dies soll in einem Reinen Wohngebiet durch die Beschränkung auf "kleine" Beherbergungsbetriebe stark eingeschränkt werden, während es in einem Allgemeinen Wohngebiet zwar ebenfalls nur ausnahmsweise, aber ggf. in größerem Umfang zulässig ist. Auch wenn häufige Wechsel der in einem Gebiet wohnenden Personen baurechtlich weder verhindert werden können noch sollen (Art. 2 Abs. 1 GG), ist es ein bauplanungsrechtlich zulässiges Ziel, in derartigen Gebieten zusätzliche Unruhe durch die tageweise Aufnahme von Beherbergungsgästen zu vermeiden oder zu reduzieren.

Gemessen an diesen Maßstäben bietet der vorliegende Fall keine Abgrenzungsschwierigkeiten. Die Klägerin hat Interessenten in ihrem Wohnhaus eine vorübergehende Beherbergung (vgl. §§ 701ff. BGB), nicht aber eine Wohngelegenheit (vgl. §§ 549 Abs. 2 Nr. 2, 575 BGB) angeboten. Die auf nur wenige Tage beschränkte Aufenthaltsdauer, der Adressatenkreis - Messegäste, die sich aus beruflichen Gründen einige Tage nicht "zu Hause" aufhalten und deshalb bei der Klägerin eine Übernachtungsmöglichkeit in Anspruch nehmen - sowie der Umstand, dass der Nutzerkreis ständig wechselt, schließt die Einstufung der vom Beklagten beanstandeten Nutzung als "Wohnen" aus. Hierfür spricht auch, dass die Klägerin sich der Dienste der Düsseldorf Marketing und Tourismus GmbH bedient, die nach dem zwischen den Vertragspartnern im Februar 2003 abgeschlossenen Vertrag die Vermittlung von "Übernachtungsleistungen" bzw. den Abschluss von "Beherbergungsverträgen" für das von der Klägerin angemeldete "Zimmerkontingent" zum Gegenstand haben. Auf den Umstand, dass die Klägerin ihren Gästen weder ein Frühstück zubereitet noch die tägliche Reinigung der Zimmer oder einen Wechsel der Bettwäsche anbietet, kommt es demgegenüber nicht an, unabhängig davon, ob der Vortrag der Klägerin zu diesen Aspekten im Hinblick auf den von ihr verlangten Zimmerpreis uneingeschränkt glaubhaft ist. Denn aus dieser Gestaltung des Beherbergungsverhältnisses ist nach der Verkehrsanschauung nicht abzuleiten, dass den Gästen der Klägerin eine Eigengestaltung der Haushaltsführung möglich ist bzw. dass sie in den Räumen der Klägerin eine eigene "Häuslichkeit" begründen könnten. Ohne Belang ist es auch, dass zwischen den einzelnen Beherbergungsanlässen jeweils Wochen oder Monate liegen. Denn zum einen entspricht dies der typischen Nutzungsform einer Zimmervergabe an Messegäste, zum anderen ändert es nichts daran, dass die Gäste an den in gewissen Abständen aufeinander folgenden Ereignissen jeweils wechseln. Auch die weiteren Ausführungen der Zulassungsbegründung, nach denen die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin eine bloße Wohnnutzung darstellt, vermögen nicht zu überzeugen.

Ende der Entscheidung

Zurück