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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 01.07.2009
Aktenzeichen: 10 A 2350/07
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO, BauO NRW, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 9 Abs. 2a
BauGB § 29 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 2
BauGB § 34
BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 2
BauGB § 34 Abs. 3
VwGO § 124a Abs. 3 Satz 4
BauO NRW § 71 Abs. 2
BauO NRW § 75 Abs. 1 Satz 1
BauNVO § 11 Abs. 3
1. Auch von nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben können in besonderen Fallgestaltungen schädliche Auswirkungen auf einen zentralen Versorgungsbereich zu erwarten sein (hier bejaht).

2. Ob von einem Einzelhandelsbetrieb schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei sind alle relevanten Umstände der konkreten städtebaulichen Situation zu berücksichtigen (Fortführung der Rechtsprechung).


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt einen planungsrechtlichen Vorbescheid zur Errichtung eines Lebensmittelmarktes mit weniger als 800 m² Verkaufsfläche an einer früheren, einspurig ausgebauten Bundesstraße. Ca. 800 m entfernt befindet sich das im Einzelhandelskonzept dargestellte Nachbarschaftszentrum L. Zu dessen Schutz beschloss der Rat der Stadt E. am 5.2.2009 einen Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a BauGB. Der Plan erlaubt in dem nur zum Teil erfassten Nachbarschaftszentrum Einzelhandelsnutzungen und gewerbliche Dienstleistungen. Im übrigen Plangebiet, zu dem das Grundstück der Klägerin gehört, ist der Handel mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten Sortimenten unzulässig, ebenso großflächiger Einzelhandel mit anderen Waren. Das VG gab der Klage mit der Begründung statt, schädliche Auswirkungen seien von dem Vorhaben für das Nachbarschaftszentrum nicht zu erwarten. Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig. Das von der Klägerin gerügte Fehlen eines ausdrücklichen Berufungsantrages in der Begründungsschrift führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung. Nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO muss die Berufung zwar einen bestimmten, nicht jedoch notwendig einen förmlichen Antrag enthalten. Es reicht vielmehr aus, dass die fristgerecht eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erkennen lassen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil des VG angefochten werden soll.

BVerwG, Beschlüsse vom 14.4.1961 - VII B 7.61 -, BVerwGE 12, 189, und vom 9.11.1976 - V B 80. 76 -, NJW 1977, 1465, sowie Urteil vom 9.3.2005 - 6 C 8.04 -, NVwZ 2005, 821; Seibert, in: Sodan /Ziekow, VwGO-Kommentar, 2. Aufl. 2006, § 124a Rdnr. 93.

Das ist hier der Fall. Die Berufungsschrift läßt keinen Zweifel daran, dass der Beklagte das Urteil des VG in seinem stattgebenden Teil anfechten wollte mit dem Ziel, die Klage insgesamt abzuweisen.

Im Berufungsverfahren hat somit eine umfassende Prüfung von Amts wegen zu erfolgen (§ 128 VwGO). Eine Bindung an den Vortrag der Beteiligten besteht auch nicht deshalb, weil ein ausdrücklicher Berufungsantrag nicht gestellt wurde.

Vgl. Seibert, a. a. O., § 124a Rdnr. 39.

Der Senat lässt offen, ob der Bauvorbescheidsantrag der Klägerin bereits deswegen abzulehnen war, weil er widersprüchliche und damit nicht prüffähige Bauvorlagen enthält. Während im Antrag selbst sowie in der Betriebsbeschreibung eine Verkaufsfläche von 699 m² angegeben wird, ist diese nach den vorgelegten Bauplänen größer. Denn zu den 699 m² Verkaufsfläche des Hauptraumes sind zumindest der Windfang mit ca. 5,85 m² sowie Teile des Pfandraumes mit mindestens 14,5 m² der Verkaufsfläche hinzuzurechnen. Denn zur Verkaufsfläche gehören jedenfalls alle Betriebsbereiche, die von Kunden betreten werden können und die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes in städtebaulicher Hinsicht prägen, wie etwa die Einpack- und Entsorgungszone.

BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 10.04 -, BRS 69 Nr. 71; Kuschnerus, Der standortgerechte Einzelhandel, 2007, Rdnr. 37.

Der Pfandraum ist für Kunden während der Geschäftszeit zugänglich. Er ist für den Geschäftsbetrieb, ebenso wie die Entsorgungszone, unabdingbar, da die Klägerin nur so den Anforderungen der Verpackungsverordnung genügen kann. Ohne einen Pfandraum dürfte sie wesentliche Teile des Getränkesortimentes nicht verkaufen. Er prägt damit die Wettbewerbssituation mit.

Nach der Bauzeichnung wäre darüber hinaus eine vollständige Einbeziehung des Pfandraumes mit 77,5 qm möglich. Durch die eingetragenen Türen ist er insgesamt für Kunden zugänglich und ermöglicht einen eigenen Zugang zum zentralen Verkaufsraum.

Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, § 71 Abs. 2 i. V. m. § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. Das Vorhaben ist planungsrechtlich unabhängig davon unzulässig, ob der Bebauungsplan Nr. 5282/018 vom 5.2.2009 gültig ist oder nicht. Diese Frage konnte der Senat deshalb offen lassen.

I. Ist der Bebauungsplan Nr. 5282/018 gültig, folgt die planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens daraus, dass die vorgesehene Einzelhandelsnutzung seinen textlichen Festsetzungen unter I.2.2. widerspricht. Für das im Plangebiet B liegende Grundstück ist ein Einzelhandelsbetrieb mit nahversorgungs- und zentrumsrelevantem Sortiment gemäß Sortimentsliste Nr. 1 und 2 unzulässig. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB scheidet aus, weil sie die Grundzüge der Planung berührte.

Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplanes bestehen allerdings wegen der Abgrenzung des Plangebietes. Eine Einbeziehung des gesamten Nahversorgungszentrums hätte zumindest nahe gelegen. Dagegen dürfte es nicht zu beanstanden sein, dass die Stadt E. nicht alle Bereiche im Umfeld des Nachbarschaftszentrums M. einbezogen hat, in denen sich Betriebe mit nahversorgungsrelevanten Sortimenten ansiedeln könnten. Insofern darf sich eine Kommune bei Festsetzungen nach § 9 Abs. 2 a BauGB grundsätzlich auf Bereiche beschränken, in denen sie einen aktuellen Handlungsbedarf sieht. Sollte sich ein vergleichbarer Bedarf später an anderer Stelle herausstellen, könnte sie erneut planerisch tätig werden.

Unabhängig davon bestehen Bedenken gegen die textlichen Festsetzungen unter I.2.1. Danach sind Einzelhandelsbetriebe mit nicht nahversorgungs- und zentrenrelevanten Sortimenten bis zur Grenze der Großflächigkeit zulässig. Wie sich aus der Begründung des Bebauungsplanes ergibt, sollen hierunter jedoch weder der vorhandene großflächige Autohandel noch ansiedlungswillige Autohändler fallen. Dies ergibt sich aus der Festsetzung "bis zur Grenze der Großflächigkeit gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO" selbst jedoch nicht. Ferner hält es der Senat für fraglich, ob die Ausnahmeregelung nach II.2.3. hinreichend bestimmt und städtebaulich gerechtfertigt ist. Wann die Summe an Verkaufs- und Ausstellungsfläche "deutlich" unter der Größe der Geschossfläche des jeweiligen Gewerbebetriebsteils liegt, ist unklar. Ob die Begrenzung der Verkaufsfläche in jedem Fall auf 100 m² je Betrieb städtebaulich gerechtfertigt ist, ist ebenfalls zweifelhaft.

Vgl. dazu Maidowski, Rechtssichere Einzelhandelssteuerung?, BADK - Informationen 2008, 168, 178; Kuschnerus, a. a. O., Rdnr. 539.

II. Ist der Bebauungsplan Nr. 5282/018 unwirksam, folgt die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens aus § 29 Abs. 1 i. V. m. § 34 BauGB. Das Vorhaben fügt sich zwar nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB ein (1.). Ihm steht aber § 34 Abs. 3 BauGB entgegen (2.).

1. Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.

Die nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, dass sowohl in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung als auch in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.5.1978 - IV C 9.77 -, BRS 33 Nr. 36.

Es kann offen bleiben, ob sich die Eigenart der näheren Umgebung aufgrund der vorherrschenden gewerblichen Nutzung als ein faktisches Gewerbegebiet oder aufgrund der auch bestehenden, zumindest teilweise aber betriebsbezogenen Wohnnutzung als faktisches Mischgebiet oder insgesamt als diffuse Bebauung darstellt. In beiden denkbaren Gebietstypen der BauNVO wäre das Vorhaben allgemein zulässig. In eine nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Umgebung fügte es sich schon deshalb ein, weil auf den unmittelbar benachbarten Grundstücken sowie auf dem Grundstück ... Einzelhandel (Kfz-Handel, Oberbekleidung, B.-Markt) stattfindet. Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche hält das Vorhaben den sich aus der näheren Umgebung hervorgehenden Rahmen ein. Ein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme ist nicht ersichtlich. Schädliche Auswirkungen auf die umgebende Wohnnutzung durch unzulässige Immissionen sind nach der von der Klägerin vorgelegten Immissionsprognose auszuschließen.

2. Das Vorhaben der Klägerin verstößt gegen § 34 Abs. 3 BauGB. Nach dieser Vorschrift dürfen von Vorhaben nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Das ist hier jedoch der Fall. Auf das Vorhaben der Klägerin ist § 34 Abs. 3 BauGB anwendbar (2.1.). Das im Rahmenplan Einzelhandel der Landeshauptstadt E. 2007 dargestellte Nachbarschaftszentrum M. ist ein zentraler Versorgungsbereich im Sinne dieser Vorschrift (2.2.). Bei Verwirklichung des Vorhabens sind schädliche Auswirkungen auf diesen Versorgungsbereich zu erwarten (2.3.).

2.1 Der geplante Lebensmittelmarkt ist ein Vorhaben im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB. Dem steht nicht entgegen, dass es sich nicht um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb handelt. Die geplante Verkaufsfläche beträgt einschließlich Windfangs und Pfandraumes maximal 780 m² und unterschreitet damit die bei 800 m² liegende Schwelle zur Großflächigkeit.

Der von § 34 Abs. 3 BauGB beabsichtigte Schutz zentraler Versorgungsbereiche beschränkt sich jedoch nicht auf die Abwehr großflächiger Einzelhandelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO. Bei entsprechender Fallgestaltung kann jedenfalls im Einzelfall auch ein Vorhaben unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit schädliche Auswirkungen auf einen zentralen Versorgungsbereich haben und deshalb nach § 34 Abs. 3 BauGB unzulässig sein.

So bereits die amtliche Begründung zur Neuregelung des § 34 Abs. 3 BauGB durch das EAG Bau, BT-Drucks.15/2250 Seite 54; vgl. auch OVG NRW, Urteile vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 92, und vom 19.6.2008 - 7 A 1392/07 -, BauR 2008, 2025 f.

Ein solcher Fall wird um so eher eintreten, je kleinteiliger und damit empfindlicher der betroffene zentrale Versorgungsbereich ausgestaltet ist.

2.2. Das Nachbarschaftszentrum M. ist ein zentraler Versorgungsbereich im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB. Hierunter sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde zu verstehen, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7.07 -, BVerwGE 129, 307; OVG NRW, Urteile vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90, und vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 92.

Ein "Versorgungsbereich" bietet Nutzungen, die für die Versorgung der Einwohner der Gemeinde - gegebenenfalls auch nur eines Teils des Gemeindegebiets - insbesondere mit Waren aller Art von Bedeutung sind. "Zentral" sind Versorgungsbereiche, wenn die Gesamtheit der auf die Versorgung der Bevölkerung ausgerichteten baulichen Nutzungen in diesem Bereich auf Grund der verkehrsmäßigen Erschließung und verkehrlichen Anbindung die Funktion eines Zentrums mit einem bestimmten Einzugsbereich hat. Diese Funktion besteht darin, die Versorgung des Gemeindegebiets oder eines Teilbereichs mit einem auf den Einzugsbereich abgestimmten Spektrum an Waren des kurz-, mittel- oder langfristigen Bedarfs funktionsgerecht sicherzustellen. Zentrale Versorgungsbereiche können sowohl einen umfassenden als auch einen hinsichtlich des Warenangebots oder des örtlichen Einzugsbereichs eingeschränkten Versorgungsbedarf abdecken.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.10.2007 - 10 A 3914/04 -, BRS 71 Nr. 90, vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 92, und vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90; s. a. Bay. VGH, Urteil vom 5.2.2007 - 2 BV 05.1571 -, juris, Rz. 35; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 5.11.2007 - 1 A 10351/07 -, juris, Rz. 29; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Loseblattkommentar, Stand: 15.1.2009, § 34 Rn. 85.

Zu den zentralen Versorgungsbereichen können auch Bereiche für die Grund- und Nahversorgung zählen. Diese versorgen in der Regel nur bestimmte Stadtteile größerer Städte bzw. gesamte kleinere Orte mit Waren des kurzfristigen und mittelfristigen Bedarfs. In größeren und mittleren Städten dienen sie der Versorgung der Bevölkerung verschiedener Quartiere von zumeist einigen tausend Einwohnern vornehmlich mit Waren des kurzfristigen Bedarfs, die regelmäßig auch durch beschränkte Angebote von einzelnen Waren des mittelfristigen Bedarfs wie z.B. Bekleidung sowie von Dienstleistungen (Bank, Lottoannahmestellen, Friseur etc.) ergänzt werden. Häufig sind solche Grund- und Nahversorgungszentren dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen ein größerer Frequenzbringer - zumeist ein Vollsortimenter des Lebensmittelbereichs - vorhanden ist.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90, vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 92, und vom 19.6.2008 - 7 A 1392/07 -, BauR 2008, 2025; s. a. Kuschnerus, a. a. O., Rn. 155 ff.; Uechtritz, § 34 III BauGB - Klarstellungen und offene Fragen, NVwZ 2007, 660, 661; Gatawis, Die Neuregelung des § 34 III BauGB, NVwZ 2006, 272, 274; Nds. OVG, Urteil vom 17.1.2008 - 1 LB 154/07 -, ZfBR 2008, 482.

Dieses Verständnis des Begriffes "zentraler Versorgungsbereich" wird durch die Neuregelung des § 9 Abs. 2 a BauGB bestätigt. Nach der amtlichen Begründung zum Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte, BT-Drucks.16/2496, dient der Schutz zentraler Versorgungsbereiche besonders auch der Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung, die angesichts der demographischen Entwicklung und der geringeren Mobilität älterer Menschen besonderen Schutzes bedürfe. Damit erfasse der Begriff auch Grund- und Nahversorgungszentren in Stadt- und Ortsteilen.

So ausdrücklich die amtliche Begründung, BT-Drucks.16/2496, S. 10, 11; wie hier auch OVG NRW, Urteil vom 19.6.2008 - 7 A 1392/07 -, BauR 2008, 2025, 2026, und vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 92.

Wie der zentrale Versorgungsbereich räumlich abzugrenzen ist, beurteilt sich jedenfalls dann nach den konkreten örtlichen Verhältnissen, wenn eine verbindliche planerische Absicherung fehlt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers können sie sich nicht nur aus planerischen Festschreibungen, sondern auch aus eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen ergeben. Im Einzelfall auftretende Schwierigkeiten, zentrale Versorgungsbereiche an ihren Rändern gleichsam parzellenscharf abzugrenzen, rechtfertigen nicht die Schlussfolgerung, dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit von Normen werde § 34 Abs. 3 BauGB nur gerecht, wenn sein Anwendungsbereich auf die Fälle reduziert werde, in denen zentrale Versorgungsbereiche planerisch festgesetzt sind. Ob und in welchen räumlichen Grenzen eine Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben einen zentralen Versorgungsbereich darstellt, lässt sich anhand objektiver Kriterien regelmäßig so eindeutig bestimmen, das eine dem Normzweck entsprechende Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB möglich ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7.07 -, BVerwGE 129, 307, 309 f., und Beschluss vom 12.2.2009 - 4 B 5.09 -, BauR 2009, 946; OVG NRW, Urteile vom 17.10.2007 - 10 A 3914/04 -, BRS 71 Nr. 90, und vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90.

Unverbindlichen planerischen Instrumenten wie etwa einem Einzelhandelskonzept kommt bei der Bestimmung eines tatsächlich vorhandenen zentralen Versorgungsbereichs wegen der Auswirkungen auf die Grundstücksnutzung allenfalls eine Indizfunktion zu.

BVerwG, Beschluss vom 12.2.2009 - 4 B 5.09 -, BauR 2009, 946, 947; OVG NRW, Urteile vom 6.11.2008 - 10 A 1512/07 -, BauR 2009, 216, 218 f., und vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90; Uechtritz, a. a. O., S. 661 f.; Gatawis, a. a. O., S. 273 f.

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist das Nachbarschaftszentrum M. ein zentraler Versorgungsbereich im Sinne dieser Vorschrift. Er umfasst in etwa den Kreuzungsbereich O.-straße/B. G.-straße/M. Landstraße in einem Radius von ca. 150 bis 200m. Nach Osten endet er an der S-Bahn-Linie 79, im Süden etwa auf Höhe der O.-straße 61, im Norden etwa in Höhe der O.-straße 87-92. Eine trennscharfe Abgrenzung ist insoweit nicht erforderlich, da zumindest der Vorhabenstandort eindeutig nicht zu diesem Bereich gehört. Gleiches gilt für den B.-Markt und den ihm benachbarten Getränkemarkt. Nach der vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Bestandsaufnahme, von deren Richtigkeit sich der Berichterstatter im Ortstermin überzeugt und den dabei gewonnenen Eindruck den übrigen Mitgliedern des Senats vermittelt hat, weisen die in diesem Bereich gelegenen Nutzungen das für einen zentralen Versorgungsbereich erforderliche Gewicht auf. Vorhanden sind hier ein Vollsortimenter mit einer Verkaufsfläche von 550 m², ein Drogeriemarkt mittlerer Größe mit ca. 320 m² Verkaufsfläche sowie verschiedene kleinere Spezialanbieter mit Verkaufsflächen zwischen 25 und 80 qm, nämlich zwei Bäcker, ein Blumenladen, ein Damenmodegeschäft, ein Getränkemarkt, ein Einrichtungshaus mit Antiquitätenhandel, ein Fahrradgeschäft, ein Lampengeschäft sowie ein Weinkontor. In der B. G.-straße befindet sich darüber hinaus eine Apotheke. Daneben sind im fraglichen Gebiet zahlreiche Dienstleister (z. B. Ärzte, Änderungsschneidereien, Kunstwerkstätten, eine Fahr- und eine Sprachschule, ein Sonnenstudio, ein Reifenservice, mehrere Friseure, eine Poststelle mit Postbankservice sowie eine Sparkasse) und gemischte gewerbliche Nutzungen (Schuhmacher, Trinkhalle mit Verkauf) ansässig. Verschiedene Gastronomiebetriebe runden das Angebot ab. Diese Mischung von Einzelhandelsgeschäften deckt ein breites Spektrum von Waren vornehmlich des kurzfristigen, zum Teil aber auch des mittelfristigen Bedarfs ab. Dabei ergänzen sich die verschiedenen Betriebe in ihrem Angebot und bieten so dem Kunden in dichter räumlicher Nähe die Möglichkeit, bei einem einheitlichen Einkaufsvorgang verschiedene Bedarfsaspekte der Nahversorgung zu decken. Daneben werden die für eine umfassende Nahversorgung erforderlichen Dienstleistungen in diesem Bereich räumlich konzentriert angeboten.

Das Zentrum ist auch in einem städtebaulich gewichtigen Einzugsbereich integriert. Im fußläufig erreichbaren Umkreis des Nachbarschaftszentrum lebt der ganz überwiegende Teil der Bewohner des Ortsteils M. (ca. 4.000 bis 5.000 Einwohner). Von hier aus ist das Zentrum auch für nicht motorisierte Kunden problemlos zu erreichen. Die gewachsene Struktur zeigt sich nicht zuletzt dadurch, dass der kleinteilige Einzelhandel und die Dienstleistungen durchweg im Erdgeschoss stattfinden, während die oberen Geschosse zu Wohnzwecken genutzt werden. Die Qualifizierung als zentraler Versorgungsbereich wird schließlich dadurch gestützt, dass die Stadt E. diesen Bereich in ihrem Einzelhandelskonzept als Nachbarschaftszentrum dargestellt hat. Dies bestätigt, dass es die ihm tatsächlich zukommende Versorgungsfunktion auch nach den städtebaulichen Ordnungsvorstellungen des Plangebers erfüllen soll. Angesichts der gewachsenen Strukturen und des Versorgungsauftrags für einen für E. Verhältnisse kleinen Stadtteil steht auch die relativ geringe Verkaufsfläche von insgesamt ca. 1.400 m², die allerdings von einem breiten Spektrum von Dienstleistungs- und Gastronomieangeboten ergänzt wird, der Einstufung als zentraler Versorgungsbereich nicht entgegen. Sie verdeutlicht indes, dass es sich um einen sensiblen städtebaulichen Organismus handelt, dessen Funktion auch von vergleichsweise kleinen Veränderungen gestört werden kann.

2.3. Von dem Vorhaben der Klägerin sind bei seiner Verwirklichung schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB auf das Nachbarschaftszentrum M. zu erwarten.

Bei dem Begriff der schädlichen Auswirkungen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.

Vgl. OVG Urteil vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 92; Gatawis, a. a. O., S. 274.

Ein Vorhaben lässt schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche erwarten, wenn es deren Funktionsfähigkeit so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substanziell wahrnehmen können.

BVerwG, Urteile vom 11.10.2007 - 4 C 7.07 -, BVerwGE 129, 307, 311 f.; OVG NRW, Urteile vom 6.11.2008 - 10 A 1417/07 -, BauR 2009, 220 f., vom 19.6.2008 - 7 A 1392/07 -, vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 92, und vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90.

Dem Gesetzgeber kam es mit der Einführung des Absatzes 3 in § 34 BauGB maßgeblich darauf an, bei Zulassungsentscheidungen nach § 34 BauGB über die nähere Umgebung hinausgehende Fernwirkungen berücksichtigen und steuern zu können. Um Schutz vor Konkurrenz geht es dabei nicht. Das Gericht hat bei der Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB zur Feststellung der schädlichen Auswirkungen des Vorhabens eine Prognoseentscheidung zu treffen. Diese hat die ökonomischen Zusammenhänge zu ermitteln und im Hinblick auf ihre städtebauliche Relevanz zu bewerten. Dabei kann insbesondere der zu erwartende Kaufkraftabfluss als Kriterium dafür herangezogen werden, ob die ökonomischen Fernwirkungen des Vorhabens die Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereiches stören können. Zur Ermittlung der voraussichtlichen Umsatzumverteilung ist dabei im Wesentlichen auf baurechtlich relevante und vom Baurecht erfasste Vorhabenmerkmale abzustellen, die durch die für das Vorhaben zu erteilende Baugenehmigung gesteuert werden können. Hierzu gehört bei Einzelhandelsnutzungen insbesondere die Verkaufsfläche.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7.07 -, BVerwGE 129, 307, 313 ff.; OVG NRW, Urteile vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 92, und vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90.

Demgegenüber lassen sich objektive Aussagen über voraussichtliche Umsatzumverteilungen nur schwer treffen, wie etwa die im Verfahren vorgelegten, sich teilweise widersprechenden Gutachten zu dieser Frage belegen. Bereits zu erwartende Umsätze eines Betriebes können nur wenig verlässlich bestimmt werden. Zudem hängt die Frage, in welchem Ausmaß ein Unternehmen auf die bestehende Markt- und Versorgungssituation einwirkt, von verschiedenen baurechtlich nicht beeinflussbaren Faktoren der individuellen Betriebsgestaltung des Unternehmens und der Auswirkungen dieser Faktoren auf ein ebenfalls durch individuelle Besonderheiten anderer Betriebe geprägtes Marktgeschehen ab.

OVG NRW, Urteile vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 90, und vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90.

Bei der Beurteilung der Frage, ob schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, sind deshalb alle städtebaulichen Umstände des jeweiligen Einzelfalles in den Blick zu nehmen. Dazu zählt insbesondere die Größe des Vorhabens, d. h. seine Verkaufsfläche, und deren Verhältnis zu der im Versorgungsbereich vorhandenen Verkaufsfläche derselben Branche. Weiter spielen die räumliche Entfernung voneinander sowie alle weiteren im Einzelfall relevanten Umstände der konkreten städtebaulichen Situation eine Rolle. Von Bedeutung sein kann etwa, ob der außerhalb des zentralen Versorgungsbereiches anzusiedelnde Einzelhandelsbetrieb gerade auf solche Sortimente abzielt, die in dem Versorgungsbereich von einem "Magnetbetrieb" angeboten werden, dessen unbeeinträchtigter Bestand maßgebliche Bedeutung für die weitere Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereiches hat. Zu berücksichtigen ist auch, ob in der unmittelbaren Umgebung des Vorhabens bereits weitere Einzelhandelsangebote vorhanden sind, deren Auswirkungen auf den Versorgungsbereich durch das zu prüfende Vorhaben gesteigert werden könnten. Denn eine Schädigung kann sich auch daraus ergeben, dass ein gerade noch unbedenkliches Nebeneinander von Einzelhandelsangeboten an einem nicht integrierten Standort und in einem Versorgungsbereich durch das neu hinzukommende Vorhaben in eine unzulässige beachtliche Schädigung der Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereiches umschlägt.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12.2.2009 - 4 B 3.09 -, BauR 2009, 944, 945, und vom 18.2.2009 - 4 B 4.09 -, juris; OVG NRW, Urteile vom 17.10.2007- 10 A 3914/04 -, BRS 71 Nr. 90, vom 19.6.2008 - 7 A 1392/07 -, BauR 2008, 2025, 2028 f., und vom 6.11.2008 - 10 A 1417/07 -, BauR 2009, 220, 222.

Nach diesen Grundsätzen sind bei Verwirklichung des Vorhabens beachtliche Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit des Nachbarschaftszentrums M. bei der gebotenen umfassenden Wertung der städtebaulich relevanten Umstände zu erwarten.

Die Funktionsfähigkeit des aufgrund seiner kleinteiligen Struktur besonders empfindlichen Nachbarschaftszentrums wird maßgeblich geprägt durch den vorhandenen Vollversorger mit einer Verkaufsfläche von 550 m² sowie - in geringerem Umfang - durch den benachbarten Drogeriemarkt mit einer Verkaufsfläche von 320 m². Beide Betriebe stellen nicht zuletzt wegen ihrer - relativen - Größe die Frequenzbringer des Nachbarschaftszentrums dar. Die weiteren Einzelhandelsnutzungen und Dienstleister haben schon aufgrund ihrer geringen Größe eine untergeordnete Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Zentrums. Sie sind ersichtlich auf die Magnetfunktion des Frequenzbringers angewiesen, zugleich ergänzen sie aber deren Versorgungsfunktion und können sie damit verstärken. Allein wären sie auf Dauer voraussichtlich nicht überlebensfähig.

Gerade auf die Kundschaft des Lebensmittelmarktes - mit Einschränkungen aber auch auf die des Drogeriemarktes - zielt das umstrittene Vorhaben ab. Zwar besteht insoweit kein systemgleicher Wettbewerb. Jedoch ist in der Entwicklung der Einzelhandelslandschaft zu erkennen, dass Lebensmitteldiscounter zunehmend auch in Wettbewerb zu Vollsortimentern treten, indem sie beispielsweise verstärkt Markenware anbieten.

Vgl. dazu Maidowski, a. a. O., S. 170, 181.

Die neu hinzutretende Verkaufsfläche allein durch den geplanten M.-Markt übersteigt selbst bei einer - hier allerdings nicht eindeutigen - Beschränkung der Verkaufsfläche auf 700 m² die bei dem Vollsortimenter vorhandene Verkaufsfläche um mehr als 1/4. Bezogen auf die im gesamten Nachbarschaftszentrum für das Sortiment des beantragten Marktes zur Verfügung stehende Verkaufsfläche von weniger als 900 m² macht die neu hinzutretende Verkaufsfläche von mindestens ca. 630 m² im Bereich Nahrungs- und Genussmittel einen Anteil von etwa 72 % aus. Dass bei einem solchen Verkaufsflächenverhältnis schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, liegt nach den Besonderheiten des Einzelfalles auf der Hand.

Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90; BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7.07 -, BVerwGE 129, 307 ff.

Dies gilt hier um so mehr, als der unmittelbare Einzugsbereich des geplanten M.-Marktes nach den örtlichen Verhältnissen im Wesentlichen auf den Stadtteil M. zielt. Allein hier findet sich in der näheren Umgebung mit ca. 5.000 Einwohnern eine ausreichende Bevölkerungszahl, die das Vorhaben wirtschaftlich tragen kann. Außerhalb des Siedlungskerns besteht dagegen im Wesentlichen eine aufgelockerte Bebauung, die nur teilweise Wohnzwecken dient.

Hinzu kommt, dass in einer Entfernung von ca. 200 m zu dem Vorhaben bereits ein B.-Markt existiert. Ein "Käuferzug" in den nicht integrierten Standort würde durch die Zulassung des Vorhabens verstärkt und teilweise neu ausgelöst. Dies wird auch durch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten belegt. Dieses geht von positiven Agglomerationseffekten hinsichtlich des bestehenden B.-Marktes aus. Nach Lage der Dinge wird ein solcher Effekt im Wesentlichen zu Lasten des Nachbarschaftszentrums gehen. Die gemeinsame Verkaufsfläche beider Discountmärkte wäre fast doppelt so groß wie diejenige, die im Nachbarschaftszentrum in der Warenkategorie Nahrungs- und Genussmittel zur Verfügung steht und entspräche etwa dessen gesamter Einzelhandelsfläche.

Angesichts dessen können negative Auswirkungen auf das Nachbarschaftszentrum nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil dieses trotz der Errichtung des B.-Marktes vital geblieben ist, wie das VG angenommen hat. Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach ein Nachbarschaftszentrum, das einen Discounter an einem nicht integrierten Standort verkraftet, auch durch einen zweiten nicht geschädigt wird. Im Gegenteil ist hier zu berücksichtigen, dass ein nennenswerter Attraktivitätszuwachs für weiter entfernt wohnende Kunden durch einen zweiten Discountmarkt nicht entstünde, sich die insgesamt vorhandene Kaufkraft also kaum erhöhte.

Ebensowenig kann die Entfernung des geplanten Vorhabens von ca. 800 m zum Nachbarschaftszentrum und insbesondere zu dessen Ankerbetrieb die Erwartung schädlicher Auswirkungen entkräften. Auch insoweit kommt es maßgeblich auf die konkreten Umstände des Falles an. Schematische Abstandsregeln werden dem nicht gerecht.

So bereits OVG NRW, Urteile vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 92, vom 17.10.2007 - 10 A 3914/04 -, BRS 71 Nr. 90, und vom 19.6.2008 - 7 A 1392/07 -, BauR 2008, 2025, 2028 f.

Die konkrete städtebauliche Situation ist hier durch ein vergleichsweise kleines Zentrum mit einem ebenfalls kleinflächigen Magnetbetrieb einerseits und zwei jeweils in der Verkaufsfläche größeren Discountmärkten im Abstand von 600 bis 800 m gekennzeichnet. Zudem deckt sich aufgrund der das Vorhaben umgebenden, vorwiegend gewerblich genutzten und aufgelockerten Bebauungsstruktur der wesentliche Kundenkreis des Vorhabens mit dem des Nachbarschaftszentrums. Auch die Lage des geplanten Marktes an der O.-straße ändert hieran nichts. Zwar hat sie auch eine überörtliche Verbindungsfunktion, ihr zweispuriger Ausbauzustand hebt sie aber gegenüber anderen Verbindungsstraßen nicht hervor. Im Gegenteil tritt sie hinter die hier parallel verlaufende vierspurige Bundesstraße erkennbar zurück. Zudem sind beide Frequenzbringer des zentralen Versorgungsbereiches ebenfalls auf die O.-straße ausgerichtet. Ihre Marktlage ist auch insofern der des Vorhabens und des vorhandenen Discounters vergleichbar.

Zu diesen Aspekten vgl. OVG NRW, Urteil vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BRS 71 Nr. 92.

Weitere Einkaufsflächen in vergleichbarer Entfernung zum Vorhaben, die seine Bedeutung für die konkrete Marktsituation relativieren könnten, gibt es nicht. Zudem wird der Stadtteil M. durch das Flughafengelände, dessen Zubringerautobahnen und den Rhein vom übrigen Stadtgebiet weitgehend abgetrennt.

Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 17.10.2007 - 10 A 3914/04 -, BRS 71 Nr. 90.

Naheliegend ist damit, dass die Kunden zumindest teilweise die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs im neu entstehenden Discount-Zentrum und nicht mehr im zentralen Versorgungsbereich - konkret im dortigen Vollsortimenter - decken würden. Zumindest Teile des Kundenkreises, die ihre Einkäufe derzeit noch im Nachbarschaftszentrum (auch fußläufig) erledigen, werden deshalb nur noch den B.- bzw. M.-Markt anfahren. Ein verstärkter Abwanderungseffekt ist um so wahrscheinlicher, als für beide Märkte mehr als ausreichende Parkflächen zur Verfügung stehen, während sich im Nachbarschaftszentrum die Parkplatzsituation eher beengt darstellt.

Vgl. zu diesem Aspekt OVG NRW, Urteil vom 17.10.2007 - 10 A 3914/04 -, BRS 71 Nr. 90.

Eine Verlagerung der Kaufströme mit schädlichen Auswirkungen auf das Nachbarschaftszentrum bei Realisierung des Vorhabens liegt schließlich deshalb nahe, weil zwar der vorhandene B.-Markt, nicht jedoch der neu hinzutretende M.-Markt in noch fußläufiger Entfernung zum Nachbarschaftszentrum liegt. Ist dementsprechend die Errichtung des B.-Marktes, auf den sich der Markt eingestellt hat, nicht zwangsläufig mit einer grundlegenden Abwanderung aus dem Nachbarschaftszentrum verbunden, wäre dies bei dem geplanten Vorhaben nicht mehr der Fall. Zugleich würde damit diese in Teilbereichen noch ergänzende, zumindest aber parallele Funktion des B.-Marktes für das Nachbarschaftszentrum reduziert zugunsten einer gegenseitigen Stärkung der benachbarten Discounter. Deshalb kann dahinstehen, ob eine Entfernung zwischen dem zentralen Versorgungsbereich und einem nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieb von 800 bis 1000 m grundsätzlich eine Vermutung gegen schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB begründen würde, wenn allein ein solcher Markt hinzuträte. Jedenfalls für den hier vorliegenden Fall, dass zwischen dem zentralen Versorgungsbereich und dem geplanten Markt noch ein weiterer Discountmarkt vorhanden ist, muss auch dies in die Prognose schädlicher Auswirkungen eingestellt werden.

Ende der Entscheidung

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