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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 03.12.2008
Aktenzeichen: 10 A 2741/07
Rechtsgebiete: GG, BauO NRW


Vorschriften:

GG Art 14 Abs. 1
BauO NRW § 69 Abs. 2 Satz 3
1. Anspruch auf Bescheidung eines Bauantrages kann auch ein Antragsteller haben, der nicht Eigentümer des Baugrundstücks ist, denn das Recht zu bauen folgt nicht nur aus Art 14 Abs 1 GG, sondern auch aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG).

2. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen der Baugenehmigungsbehörde, ob sie von einem Bauantragsteller, der nicht Eigentümer des Baugrundstücks ist, nach § 69 Abs 2 Satz 3 BauO NRW die Zustimmung des Grundstückseigentümers zu dem Vorhaben verlangt. Sie muss von dieser Möglichkeit - insbe-sondere wenn das Vorliegen oder Fehlen des Sachbescheidungsinteresses auf andere Weise eindeutig festgestellt ist - keinen Gebrauch machen.

3. Ein Bauantragsteller hat kein Sachbescheidungsinteresse an der Bescheidung seines Bauantrags, wenn der Grundstückseigentümer, an den der Bauantragsteller das Grundstück veräußert hat, eine Verwirklichung des beantragten Vorhabens - etwa wegen abweichender eigener Bauwünsche - eindeutig ausschließt.


Tatbestand:

Die Klägerin war Eigentümerin eines Grundstücks. Einen aus diesem Grundstück herausgemessenen Teil mit einer Fläche von etwa 900 m² verkaufte sie an zwei Erwerber. Zuvor hatte sie für eine kleinere Teilfläche von etwa 650 m² einen Bauvorbescheid über ein Wohnbauvorhaben mit 280 m² Wohnfläche erhalten. In § 4 Abs. 2 des Kaufvertrages wurde folgende Regelung getroffen:

"Wird hinsichtlich des Kaufobjekts innerhalb der nächsten 5 Jahre eine Bebauung genehmigt oder ein entsprechender Vorbescheid erteilt, auf Grund dessen eine Bebauung von mehr als 280 qm Wohnfläche ... möglich ist, so ist der Käufer verpflichtet, an den Verkäufer für jeden vollen Quadratmeter zusätzlicher Wohnfläche über 280 qm bis 300 qm einen Ausgleichsbetrag von € 1.000,-- zu zahlen und für jeden vollen Quadratmeter zusätzlicher Wohnfläche ab 301 qm einen Betrag von € 750,-- zu zahlen. ... Der Käufer ist nicht verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass eine Baugenehmigung oder ein Vorbescheid erteilt wird, der eine bestimmte Größe der Bebauung vorsieht."

Die Erwerber verkauften das Grundstück an einen Dritten weiter; dieser ist als Vormerkungsberechtigter in das Grundbuch eingetragen. Einige Monate später stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids für die Bebauung des Grundstücks mit einem Doppelhaus und einer Gesamtfläche von ca. 700 m²; daraus leitete sie eine Kaufpreisnachforderung in Höhe von etwa 316.000 € ab. Der Beklagte lehnte die Prüfung des Vorbescheidsantrags unter Hinweis darauf ab, der Klägerin fehle das Sachbescheidungsinteresse; sowohl die Erwerber als auch der ihnen nachfolgende Vormerkungsberechtigte hätten der Baugenehmigungsbehörde gegenüber erklärt, dass eine Bebauung des Grundstücks mit einem Einfamilienhaus und einer Wohnfläche von höchstens 280 m² beabsichtigt sei. Das VG wies die auf Erteilung des Vorbescheids gerichtete Klage ab.

Gründe:

Anspruch auf Bescheidung eines Bauantrages kann auch ein Antragsteller haben, der nicht Eigentümer des Baugrundstücks ist, denn das Recht zu bauen folgt nicht nur aus Art. 14 Abs. 1 GG, sondern auch aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 GG). Allerdings muss jeder Antragsteller, der durch seinen Antrag ein Verwaltungsverfahren mit dem Ziel einleitet, einen (stattgebenden) Bescheid über sein Begehren zu erhalten, hierfür ein Sachbescheidungsinteresse haben und dieses in Zweifelsfällen auch nachweisen. Aus diesem Grunde erlaubt § 69 Abs. 2 Satz 3 BauO NRW der Baugenehmigungsbehörde, die Zustimmung des Grundstückseigentümers zu einem Bauvorhaben einzuholen, das ein Nichteigentümer zur Genehmigung stellt. Die Behörde kann diese Möglichkeit nach ihrem Ermessen nutzen, muss dies - insbesondere wenn das Vorliegen oder Fehlen des Sachbescheidungsinteresses auch ohne ein Vorgehen nach § 69 Abs. 2 Satz 3 BauO NRW eindeutig festgestellt werden kann - aber nicht tun.

Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Stand 1.7.2008, § 69 Rn. 42-48 sowie zum Sachbescheidungsinteresse § 75 Rn. 55-59, jeweils m. w. N.

So liegt der Fall hier. Auf Grund der in den Akten vorliegenden Schreiben der Klägerin und Bauantragstellerin, ihrer Rechtsnachfolger und des vormerkungsberechtigten Vertragspartners dieser Rechtsnachfolger steht fest, dass die Klägerin für ihren Antrag auf Erteilung des Vorbescheids kein Sachbescheidungsinteresse hat. Denn sowohl die aktuellen Eigentümer des Grundstücks als auch der mit einer Vormerkung bereits ins Grundbuch eingetretene weitere Käufer des Grundstücks haben unmissverständlich erklärt, dass das Vorhaben der Klägerin, auf dem Grundstück insgesamt fast 700 m² Wohn-/Nutzfläche zu schaffen, keinesfalls zur Ausführung kommen werde, sondern dass lediglich die Errichtung eines Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von höchstens 280 m² geplant ist. Damit stehen dem Vorhaben der Klägerin Hinderungsgründe entgegen, die sich schlechthin nicht ausräumen lassen.

Ein Sachbescheidungsinteresse der Klägerin ergibt sich auch nicht - wie die Antragsbegründung meint - aus dem Umstand, dass der Kaufpreis für das Grundstück nach dem zwischen der Klägerin und ihren Rechtsnachfolgern geschlossenen Kaufvertrag teilweise von dem Ausmaß der Bebaubarkeit des Grundstücks abhängt. Auch wenn sich aus § 4 Abs. 2 des Kaufvertrages ein erhebliches Interesse der Klägerin an dem von ihr beantragten Vorbescheid ergeben mag, genügt dies nicht, ein Sachbescheidungsinteresse anzunehmen, da diese Zulässigkeitsvoraussetzung eine andere Funktion hat. Sie soll die Baugenehmigungsbehörde davor bewahren, die Zulässigkeit von Bauvorhaben in einem - ggf. aufwändigen - Verwaltungsverfahren zu prüfen, obwohl bereits fest steht, dass es zu einer Verwirklichung des Vorhabens nicht kommen wird. Denn in einem solchen Fall würde die Behörde entgegen § 61 BauO NRW in der Funktion eines Gutachters tätig werden und damit ihren gesetzlichen Auftrag überschreiten.

Auch bei einer zu Gunsten eines Bauantragstellers großzügigen Handhabung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung hat der Senat aus diesen Gründen keinen Zweifel daran, dass ein Sachbescheidungsinteresse der Klägerin auch aus dem genannten Vertrag nicht abgeleitet werden kann. Der von ihr gestellte Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids hat die ausschließliche Funktion, die Bebaubarkeit und damit den Wert des Grundstücks im Hinblick auf § 4 Abs. 2 des Kaufvertrages zu bestimmen; er zielt nicht darauf, gerade das zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben zu verwirklichen, weil es hierauf nach dem Vertrag überhaupt nicht ankommt. Die Klägerin hat es versäumt, entweder vor Abschluss des Kaufvertrages noch als Eigentümerin einen erweiterten Vorbescheid zu erwirken oder eine andere Regelung der Preisgestaltung - etwa unter Einschaltung eines Gutachters - zu vereinbaren. Dieses Versäumnis kann sie auf dem von ihr gewählten Weg nicht korrigieren.

Ende der Entscheidung

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