Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 28.08.2002
Aktenzeichen: 10 B 1641/02
Rechtsgebiete: BauO NRW 1995, BauO NRW 2000


Vorschriften:

BauO NRW 1995 § 77 Abs. 1
BauO NRW 2000 § 77 Abs. 1
Die in § 77 Abs. 1 BauO NRW 1995 geregelte zweijährige Geltungsdauer von Baugenehmigungen, die auf der Grundlage der Bauordnung NRW 1995 erteilt worden sind, ändert sich nicht dadurch, dass § 77 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2000 in seiner ab dem 1.6.2000 geltenden Fassung eine dreijährige Geltungsdauer bestimmt.
Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Ordnungsverfügung das Interesse der Antragstellerin, von deren Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Aus den in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründen, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass die Ordnungsverfügung vom 12.6.2002, mit der der Antragstellerin der Beginn der Bauarbeiten zur Errichtung von 3 Windenergieanlagen (WEA) wegen Fehlens einer Baugenehmigung untersagt worden ist, entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung rechtswidrig ist.

Das VG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung vom 25.6.1999 im Zeitpunkt des für den 14.6.2002 angezeigten Baubeginns bereits erloschen war. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen greift nicht durch.

Nach § 77 Abs. 1 BauO NRW 1995 erlischt die Baugenehmigung, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Erteilung der Genehmigung mit der Ausführung des Bauvorhabens nicht begonnen wird. Die gesetzliche Befristung von Baugenehmigungen ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine bauordnungsrechtliche Bestimmung, nach der eine erteilte Baugenehmigung nach einer bestimmten Frist erlischt, wenn bis zu diesem Zeitpunkt das Vorhaben nicht verwirklicht wurde, stellt eine Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Die vom Landesgesetzgeber geschaffene Regelung über die zeitliche Begrenzung einer erteilten Baugenehmigung ist das Ergebnis einer sachgerechten Abwägung privater und öffentlicher Interessen. Die gesetzliche Frist will dem Bauherrn eine angemessene Zeit einräumen, um sein Vorhaben ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage verwirklichen zu können. Die Frist kann zudem nochmals auf Antrag um ein Jahr verlängert werden. Damit wird das Vorhaben des Bauherrn in die Zulässigkeit seines Vorhabens hinreichend geschützt. Ihm sind innerhalb der Fristen angemessene Dispositionen zur Verwirklichung seines Vorhabens möglich. Andererseits besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse daran, nach einer angemessenen Zeit die Übereinstimmung von noch nicht begonnenen Vorhaben mit den baurechtlichen Zulässigkeitsanforderungen erneut zu prüfen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.2.1991 - 4 CB 6.91 -, BRS 52 Nr. 152.

Somit ist die Baugenehmigung vom 25.6.1999 erloschen. Die Frist beginnt mit der Erteilung der Genehmigung. Diese ist erteilt, wenn sie gegenüber dem Bauherrn wirksam geworden ist. Sie wird ihm gegenüber nach § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm bekannt gegeben wird.

Vgl. Böddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW - Loseblatt-Kommentar, § 77 Rn. 5.

Nach den mit dem Beschwerdevorbringen nicht angegriffenen Ausführungen des VG in dem angefochtenen Beschluss ist die Baugenehmigung offenbar am 6.7.1999 an die Bauherrin abgesandt worden und dürfte an einem der folgenden Tage bekannt gegeben worden sein. Demzufolge war die Baugenehmigung jedenfalls im Zeitpunkt des von der Antragstellerin für den 14.6.2002 angekündigten Baubeginns erloschen.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist im vorliegenden Fall § 77 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 1995 mit der dort niedergelegten Zwei-Jahres-Frist maßgeblich und nicht die am 1.6.2000 mit der Bauordnung NRW 2000 in Kraft getretene Neuregelung des § 77 Abs. 1 BauO NRW 2000, die insoweit eine Drei-Jahres-Frist vorsieht. Denn die Geltungsdauer von Genehmigungen bestimmt sich grundsätzlich nach dem Recht, das jeweils im Zeitpunkt ihrer Erteilung galt.

Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 29.6.1987 - Nr. 14 B 86.02133 -, BRS 47 Nr. 143; Bauer in Simon, Bayr. Bauordnung - Loseblatt-Kommentar, Art. 77 III 5, S. 4.

Gesetzliche Vorschriften - wie § 77 Abs. 1 BauO NRW 1995/2000 -, nach denen ein Verwaltungsakt kraft Gesetzes (auflösend) befristet ist, haben nämlich zur Folge, dass der Verwaltungsakt als mit einer Befristung versehen gilt. Diese Befristung wirkt gegenüber dem Bauherrn selbst dann, wenn sie ihm nicht bekannt gegeben worden ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.10.1982 - 7 A 2080/81 -; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 6. Aufl. 2001, § 36 Rn. 9 g.

Die Rechtswirkungen der gesetzlichen Befristung unterscheiden sich nicht von denen einer der Baugenehmigung als Nebenbestimmung beigefügten Befristung, sodass es keiner Entscheidung bedarf, welchen Rechtscharakter der ausdrückliche Hinweis auf die zweijährige Geltungsdauer in der angefochtenen Baugenehmigung vom 25.6.1999 hat. Die gesetzliche Befristung gemäß § 77 Abs. 1 BauO NRW 1995 ist deshalb untrennbarer Bestandteil dieser Baugenehmigung und hat deren Geltungsdauer ab deren Bekanntgabe bestimmt. Diese bestehende gesetzliche Befristung ist durch das Inkrafttreten des § 77 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2000 am 1.6.2000, vgl. Art. III Abs. 1 Satz 1 des 2. Gesetzes zur Änderung der Landesbauordnung vom 9.11.1999 (2. ÄndG), GV.NRW. S. 622, nicht geändert und durch die dort vorgesehene Befristung nicht ersetzt worden. Dies wird durch die systematische Stellung des § 77 BauO NRW im "3. Abschnitt. Verwaltungsverfahren" im Anschluss an die - ebenfalls in diesem Abschnitt geregelte - Erteilung der Baugenehmigung bestätigt. Denn dies bringt zum Ausdruck, dass für die Baugenehmigung die Fristregelung maßgeblich ist, unter deren Geltung die Baugenehmigung verfahrensrechtlich zustande gekommen ist. § 77 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2000 bezieht sich deshalb nur auf solche Baugenehmigungen, die unter seiner Geltung erlassen worden sind. § 77 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2000 kann daher frühestens für Baugenehmigungen gelten, die - anders als die hier in Rede stehende Baugenehmigung vom 25.6.1999 - nach der Verkündung der Bauordnung NRW 2000 am 7.12.1999 erlassen worden sind. Denn nach Art. III Abs. 3 2. ÄndG können die Verfahrensvorschriften und unter Umständen auch die materiell-rechtlichen Vorschriften der Bauordnung NRW 2000 allenfalls ab deren Verkündung angewandt werden.

Vgl. dazu Mampel, Der Übergang zum neuen Bauordnungsrecht, NWVBl. 2000, 81.

Bei Verkündung der Bauordnung NRW 2000 am 7.12.1999 war das Verfahren auf Erteilung der Baugenehmigung vom 25.6.1999 nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des VG jedoch schon abgeschlossen.

Auch aus den Übergangsregelungen für das Inkrafttreten der Bauordnung NRW 2000 folgt nicht, dass für die Baugenehmigung vom 25.6.1999 die Drei-Jahres-Frist des § 77 Abs. 1 BauO NRW 2000 maßgeblich wäre. Nach Art. III Abs. 2 des 2. ÄndG sind vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeleitete Verfahren nach den bisherigen Verfahrensvorschriften weiterzuführen. Dabei können die materiellen Vorschriften dieses Gesetzes auf Verlangen der Antragstellerin oder des Antragstellers insoweit angewendet werden, als sie für diese eine günstigere Regelung enthalten als das bisher geltende Recht. Aus dieser Bestimmung ergibt sich für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht die Geltung des § 77 Abs. 1 BauO NRW 2000, weil Art. III Abs. 2 des 2. ÄndG nur für Verfahren gilt, die nach dem Inkrafttreten der Bauordnung NRW 2000 am 1.6.2000 noch anhängig waren.

Vgl. Mampel, a.a.O., 30.01, S. 12.

Nach Art. III Abs. 3 des 2. ÄndG kann die Antragstellerin oder der Antragsteller unbeschadet des Abs. 2 Satz 2 auch verlangen, dass die Verfahrensvorschriften dieses Gesetzes angewandt werden, wenn nach der Verkündung, jedoch vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Antrag auf Erlass eines nach der Landesbauordnung vorgesehenen Verwaltungsaktes gestellt wird. Diese Vorschrift ist ebenfalls nicht einschlägig, weil der Bauantrag bereits am 12.1.1999 und damit schon vor der Verkündung der Bauordnung NRW 2000 am 7.12.1999 gestellt und zudem das Genehmigungsverfahren vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden ist.

Nach alledem kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht darauf an, ob die Antragstellerin ungeachtet der Frage nach der Geltungsdauer der Baugenehmigung im Zeitpunkt des beabsichtigten Baubeginns für die Errichtung der 3 WEA nicht ohnehin einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 19 BImSchG bedurfte.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.5.2002 - 10 B 671/02 -.

Ende der Entscheidung

Zurück