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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.11.2003
Aktenzeichen: 10 B 2177/03
Rechtsgebiete: GG, VwGO, BauO NRW, OBG NRW


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 123 Abs. 1
BauO NRW § 13 Abs. 1 Satz 1
BauO NRW § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 34
BauO NRW § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 35
BauO NRW § 75 Abs. 1 Satz 1
BauO NRW § 75 Abs. 5
OBG NRW § 39
Für die Erteilung einer "vorläufigen" Baugenehmigung ist nach der einschlägigen Rechtslage im Lande Nordrhein-Westfalen kein Raum. Sie kann auch nicht durch Erlass einer einstweiligen Anordnung der Bauaufsichtsbehörde aufgegeben werden.
Tatbestand:

Die Antragstellerin beantragte beim Antragsgegner die Erteilung einer Baugenehmigung für die Anbringung von Werbetransparenten an einem Baukran auf dem Grundstück H. -Platz 15 in D. . In der Baubeschreibung wird ausgeführt: "Bei dem vorliegenden Bauvorhaben handelt es sich um Werbeflächen an einem für die Baumaßnahme baubetrieblich erforderlichen Turmdrehkran. Die vier Werbeflächen bilden eine quaderförmige Hüllfläche um den Kran, mit einer Grundfläche von 6 m x 6 m x 12 m. Die vier Flächen werden aus Montagegründen getrennt montiert, sind jedoch als eine Fläche anzusehen. Die Werbeflächen bestehen aus PVC-Planen, die an einem Gerüst aus Stahl befestigt werden. Die somit kastenförmige Werbeanlage wahrt einen Abstand von 5 m zum Erdboden und erreicht eine Höhe von ca. 17 m. Jede der vier Aussichtsflächen hat eine Größe von 6 m x 12 m = 48 qm. Die Gesamtwerbefläche beträgt somit 48 qm x 4 = 192 qm. Nach ablehnender Stellungnahme des Polizeipräsidiums D. lehnte der Antragsgegner die Erteilung der beantragten Baugenehmigung mit der Begründung ab, die geplante Werbeanlage gefährde die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs auf dem H. -Platz. Den Widerspruch der Antragstellerin wies die Bezirksregierung D. nach erneuter ablehnender Stellungnahme des Polizeipräsidiums D. mit der Begründung zurück, die Werbeanlage gefährde die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs. Dagegen erhob hat die Antragstellerin beim VG D. . Verpflichtungsklage auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung erhoben. Die Antragstellerin beantragte weiterhin, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, ihr die beantragte Baugenehmigung, befristet für den Zeitraum vom 01.11.2003 bis zum 30.11.2004 zu erteilen.

Das VG lehnte den Antrag ab.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung. Sie hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 VwGO).

Für die Erteilung einer "vorläufigen" Baugenehmigung ist nach der einschlägigen Rechtslage im Lande Nordrhein-Westfalen kein Raum. Sie kann auch nicht durch Erlass einer einstweiligen Anordnung der Bauaufsichtsbehörde aufgegeben werden (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12.9.1988 - 7 B 1147/88 -, vom 23.1.1992 - 7 B 95/92 -, vom 22.10.1993 - 7 B 2598/93 - und vom 24.07.2001 - 7 B 962/01 - sowie Borddinghaus/Hahn/Schulte Bauordnung NRW, Loseblatt-Kommentar, Stand: Oktober 2003, § 75 Rdnrn. 117 und 175 m.w.N.).

Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Nach Abs. 5 derselben Vorschrift darf mit der Bauausführung vor Zugang der Baugenehmigung nicht begonnen werden. Hierdurch wird die Rechtsnatur der Baugenehmigung bestimmt. Sie enthält sowohl einen feststellenden als auch einen verfügenden Teil. Die Baugenehmigung stellt die Erklärung der zuständigen Behörde dar, dass dem beabsichtigten Vorhaben Hindernisse in dem zur Zeit der Entscheidung geltenden öffentlichen Recht nicht entgegenstehen. Mit der Baugenehmigung wird zugleich die Ausführung des genehmigten Vorhabens erlaubt, womit die Baufreigabe erklärt wird - § 75 Abs. 5 BauO NRW - (vgl. hierzu Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O. § 75 Rdnr. 1, 38 ff. und 145.).

Es gibt in der Bauordnung NRW keinerlei Hinweise dafür, dass von den angeführten Regelungen des § 75 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 BauO NRW Ausnahmen für Werbeanlagen zulässig sein sollten, die nur zeitlich befristet im Zusammenhang mit Bautätigkeiten an Kränen oder Gerüsten angebracht werden. Die Genehmigungsfreistellungstatbestände in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 34 und 35 BauO NRW sind auf vorübergehende und zeitlich begrenzte Veranstaltungen an der Stätte der Leistung beschränkt.

Das Begehren der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr befristet in der Zeit vom 1.11.2003 bis 30.11.2004 die beantragte Baugenehmigung zu erteilen, würde zu einer Befugnis der Antragstellerin führen, das in Rede stehende Bauvorhaben errichten zu dürfen. Damit ist das Begehren der Antragstellerin nicht auf Sicherung ihres Anspruchs auf Erteilung der Baugenehmigung, das sie im Hauptsacheverfahren - notfalls im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage -. weiterverfolgen kann, sondern auf dessen endgültige Befriedigung ausgerichtet. Ein solches Begehren ist im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch nicht durchsetzbar. Das Verfahren nach § 123 VwGO dient nur der Sicherung, nicht der abschließenden Durchsetzung von Rechten und gestattet es dem Gericht nicht, endgültige Regelungen zu treffen.

Ein Fall, in dem nach der Rechtsprechung von diesem Grundsatz abgewichen werden darf, in dem also im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch eine endgültige Befriedigung des geltend gemachten Anspruchs zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, ist hier nicht gegeben.

Dies scheitert bereits daran, dass das Vorhaben der Antragstellerin offensichtlich materiell rechtswidrig ist. Der Senat schließt sich der Beurteilung des VG an, dass die geplante Werbeanlage an dem vorgesehenen Standort die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs gefährden würde. Insoweit wird auf die Ausführungen des VG verwiesen, die sich der Senat nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift können nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur von bewegten Werbeanlagen Gefährdungen für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs ausgehen, sondern auch dann, wenn statische Werbeanlagen besonders auffällig gestaltet sind (vgl. die Nachweise bei Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O. § 13 Rdnr. 45).

Dies trifft für die kastenförmig in einer Höhe von 5 m bis 17 m angebrachten Werbeanlage zu. Durch diese hohe Anbringung und ihre auffällige Form, die sich deutlich im Volumen von dem Standgittermast der Krananlage unterscheidet, lenkt sie besondere Aufmerksamkeit auf sich, die bei Dunkelheit durch Beleuchtung erhalten und verstärkt wird.

Abgesehen davon würde auch allein die wirtschaftliche Bedeutung der Einnahmeerzielung durch derartige oder vergleichbare Werbeanlagen für sich nicht einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz begründen. Auch bei nur kurzfristig anzubringenden Werbeanlagen ist es der Antragstellerin grundsätzlich zuzumuten, eintretende wirtschaftliche Schäden durch Schadensersatz auszugleichen. Ein solcher Schadensersatz stünde der Antragstellerin nach § 39 OBG - ohne das Beweiserfordernis eines Verschuldens - zu, falls die Behörde Baugenehmigungen rechtswidrig versagt. Da die Rechtsordnung damit in dieser Form einen Nachteilsausgleich vorsieht, bedarf es - jedenfalls in aller Regel - nicht zusätzlich des hier über § 123 VwGO beanspruchten Rechtsschutzes in Form einer endgültigen Befriedigung des geltend gemachten Anspruchs. Dies widerspräche zudem der Systematik der Bauordnung NRW.

Ende der Entscheidung

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