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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 02.11.2007
Aktenzeichen: 10 D 20/06.NE
Rechtsgebiete: VwGO, EMRK


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 5 Satz 1
EMRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK steht in einem Normenkontrollverfahren einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht entgegen, wenn das Grundstück des Antragstellers weder im Plangebiet liegt noch in anderer Weise von den Planfestsetzungen unmittelbar betroffen wird. Ob eine unmittelbare Betroffenheit in diesem Sinne vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.
Tatbestand:

Die Antragstellerin wendete sich gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Durch diesen Plan wird ein übergeleiteter Fluchtlinienplan der ehemaligen Stadt W. in einem Teilbereich aufgehoben. In dem betroffenen räumlichen Bereich ist inzwischen ein Heizkraftwerk im Bau, von dessen Emissionen die Antragstellerin erhebliche Beeinträchtigungen befürchtet. Das Grundstück der Antragstellerin befindet sich außerhalb des Plangebiets und des Gebiets des Fluchtlinienplans in einer Entfernung von ca. 350m nördlich der äußersten nördlichen Plangebietsgrenze.

Der Rat der Antragsgegnerin fasste den Beschluss, zwei Bebauungspläne aufzustellen. Zum einen sollten die im Bereich der Kraftwerksbaustelle bestehenden Straßen- und Baufluchtlinien sowie Festsetzungen von Grünflächen durch den im vorliegenden Verfahren allein streitgegenständlichen Bebauungsplan aufgehoben werden. Zum anderen sollte nach den Festsetzungen des anderen Bebauungsplanes die alte Straßenverbindung, die das heutige Kraftwerksgelände durchquerte, durch eine neue Straße ersetzt und südlich um das Kraftwerksgelände herum geführt werden. Das OVG verwarf den Normenkontrollantrag der Antragstellerin ohne mündliche Verhandlung als unzulässig.

Gründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Berichterstatter hat das Plangebiet und das Grundstück der Antragstellerin in Augenschein genommen und die Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert; der Sachverhalt und die relevanten Rechtsfragen sind geklärt. Nach Durchführung dieses Orts- und Erörterungstermins sind neue Umstände, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machen könnten, nicht aufgetreten. Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK begründet im vorliegenden Fall nicht die Notwendigkeit einer öffentlichen mündlichen Verhandlung. Nach dieser Vorschrift in der Auslegung, die sie durch den EGMR und das BVerwG gefunden hat - BVerwG, Urteil vom 16.12.1999 - 4 CN 9.98 -, BRS 62 Nr. 43; Beschluss vom 30.7.2001 - 4 BN 41.01 -, BRS 64 Nr. 56, jeweils m.w.N.; EGMR, Urteile vom 27.10.1987 - 12/1986/110/158 -, EuGRZ 1988, 452, und vom 25.11.1993 - 45/1992/390/468 -, EuGRZ 1995, 535 -, ist eine mündliche Verhandlung in einem Normenkontrollverfahren jedenfalls dann erforderlich, wenn das Grundstück des Normenkontrollklägers entweder im Plangebiet liegt und damit von den Planfestsetzungen ohne weiteres unmittelbar betroffen ist oder wenn es zwar außerhalb des Plangebiets liegt, aber von unmittelbaren Auswirkungen der planerischen Festsetzungen betroffen wird. Eine nur mittelbare Betroffenheit erfordert hingegen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Normenkontrollverfahren regelmäßig nicht. Ob eine in diesem Sinne unmittelbare oder mittelbare Betroffenheit des Eigentümers von außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücken vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insbesondere dann, wenn ansonsten in späteren Verfahren - etwa solchen gegen die Genehmigung von baulichen Anlagen im Plangebiet - einzelne Aspekte der Beeinträchtigung des Normenkontrollklägers als Vorfragen keiner Überprüfung mehr zugänglich wären.

Nach diesen Grundsätzen bedarf es einer mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren nicht. Das Grundstück der Antragstellerin liegt außerhalb des Plangebiets und ist von dessen Festsetzungen weder unmittelbar noch mittelbar betroffen. Sie macht im Kern drohende Beeinträchtigungen durch das ebenfalls außerhalb des Plangebiets im Bau befindliche Kraftwerk geltend. Alle im Zusammenhang mit diesem Gegenstand stehenden Einwände kann sie jedoch in vollem Umfang in einem immissionsschutzrechtlichen Verfahren gegen die für Errichtung und Betrieb des Kraftwerks erteilten Genehmigungen geltend machen. Der Inhalt des Bebauungsplans, der sich auf die Aufhebung eines Fluchtlinienplans beschränkt, führt in keinem denkbaren Sinne zu einer Einschränkung ihres Rechtsschutzes gegen die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerks, weil die Aufhebung der Straßen- und Baufluchtlinien sowie der Festsetzung von Grünflächen die Entscheidung über die Genehmigung und den Betrieb des Kraftwerks nicht präjudiziert.

Der Normenkontrollantrag ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin ihre Rechtsposition durch einen Erfolg in dem vorliegenden Normenkontrollverfahren in irgendeiner Weise - auch nur mittelbar - verbessern könnte. (wird ausgeführt)

Ende der Entscheidung

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