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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 10 D 43/03.NE
Rechtsgebiete: GG, BauGB, BauNVO, BImSchG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 14 Abs. 1
BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 5 Nr. 8
BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 214 Abs. 3 Satz 2
BauNVO § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
BauNVO § 4
BauNVO § 8
BauNVO § 15
BauNVO § 17 Abs. 1
BauNVO § 17 Abs. 2
BauNVO § 17 Abs. 3
BImSchG § 50
VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
1. Überplant die Gemeinde eine vorhandene Gemengelage aus Gewerbebetrieben und Wohnbebauung, so hat sie zur Ermittlung der abwägungserheblichen Belange eine sorgfältige Bestandsaufnahme durchzuführen, mit der sie die genehmigten Nutzungen und die zulässigen (Lärm-)Emissionen der Betriebe nachvollziehbar ermittelt.

2. Bei der Abwägung sind auch die privaten Interessen der Betriebsinhaber am Fortbestand bestehender baulicher Nutzungsrechte und -möglichkeiten zu berücksichtigen, die bislang auf Grund der Prägung der näheren Umgebung als faktisches uneingeschränktes Gewerbegebiet gegeben waren.

3. Allein die Gliederung von Gewerbegebieten nach Abstandsklassen des Abstandserlasses NRW ist zur Bewältigung der Konflikte zwischen Wohnen und Gewerbe ungeeignet, wenn die in der Abstandsliste angegebenen Abstände zu Wohngebieten gar nicht eingehalten oder deutlich unterschritten werden. In einem derartigen Fall ist das in § 15 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme zur nachgelagerten Konfliktlösung im späteren Baugenehmigungsverfahren ungeeignet, weil es nur eine "Nachsteuerung" im Einzelfall ermöglichen soll.


Tatbestand:

Die Antragstellerin wandte sich mit dem Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin, mit dem diese ein Gebiet südlich des Hafens überplant hat, das bereits mit - teils großflächigen - Gewerbebetrieben und getrennt durch eine Straße auch mit Wohngebäuden bebaut ist. Die Antragstellerin ist Eigentümerin mehrerer im Plangebiet gelegener Grundstücke, auf denen eine Firma für Maschinen- und Anlagenbau, ein Betrieb zur Herstellung von Kunststoffprodukten sowie ein Großhandel mit technischen Artikeln ansässig sind. Der Bebauungsplan trifft u.a. für die Grundstücke der Antragstellerin die Festsetzung Gewerbegebiet und nimmt zum Schutz der im südlichen Planbereich vorhandenen Wohnbebauung eine Gliederung der Gewerbegebiete nach den Abstandsklassen des Abstandserlasses vom 2.4.1998 ("Abstände zwischen Industrie- bzw. Gewerbegebieten und Wohngebieten im Rahmen der Bauleitplanung und sonstige für den Immissionsschutz bedeutsame Abstände", MBl. NRW. S. 744) vor. Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Gründe:

Der angegriffene Bebauungsplan ist mit materiellen Fehlern behaftet.

Es fehlt allerdings nicht an der städtebaulichen Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB für den Bebauungsplan, mit dem u.a. die Gemengelagesituation im Plangebiet neu geordnet und stadtstrukturelle Fehlentwicklungen in den Gewerbegebieten verhindert werden sollen. Hinweise darauf, dass die Planung als solche oder die Festsetzung der Gewerbegebiete ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, eine andere unerwünschte Nutzung zu verhindern, sind weder ersichtlich noch hat die Antragstellerin Entsprechendes substantiiert vorgetragen.

Fehlerhaft sind jedoch verschiedene Festsetzungen des Bebauungsplans. Die Festsetzungen der Gewerbegebiete sind abwägungsfehlerhaft (vgl. 1.). In den Mischgebieten liegen hinsichtlich der Festsetzungen zum Maß der bauliche Nutzung die Voraussetzungen für die Überschreitung der Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO nicht vor (vgl. 2.).

1. Sowohl die Festsetzung des Gewerbegebiets im Norden des Planbereichs zwischen X.-Straße und F.-Straße als auch des Gewerbegebiets im Osten des Plangebiets an der G.-Straße ist abwägungsfehlerhaft.

...

a) Die Antragsgegnerin hat bereits den maßgeblichen Sachverhalt als Grundlage der zu treffenden Abwägungsentscheidung nicht ausreichend ermittelt. Die Ermittlung aller abwägungsrelevanten Gesichtspunkte erfordert bei der Überplanung eines bebauten Gebiets eine erkennbare Bestandsaufnahme. Dieser allgemeine Grundsatz erlangt bei der Überplanung vorhandener Gewerbebetriebe in der Nachbarschaft zu vorhandener Wohnbebauung - wie hier - besondere Bedeutung. Die hier vorgenommene Aufteilung des Plangebiets in Wohngebiete und (eingeschränkte) Gewerbegebiete sowie die Nachbarschaft des Plangebiets zu den nördlich und westlich angrenzenden gewerblichen und industriellen Nutzungen machen eine sorgfältige Bestandsanalyse erforderlich, die auch das im Plangebiet vorhandene und auf das Plangebiet einwirkende Emissions- bzw. Immissionsgeschehen zu umfassen hat.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 8.3.1993 - 11a NE 53/89 -, BRS 55 Nr. 12 und vom 14.5.2004 - 10a D 2/02.NE -, BRS 67 Nr. 14.

Die hier getroffenen Feststellungen erfassen die abwägungsrelevanten Tatsachen nicht hinreichend. Die Antragsgegnerin stützt sich im Rahmen der Abwägung auf das in ihrem Auftrag erstellte Gutachten der S.-GmbH vom 26.5.1998 zu den Geräuschimmissionen durch Straßen- und Schienenverkehr sowie Gewerbebetriebe im Bebauungsplangebiet. Darin werden u.a. auch Aussagen zu den Immissionen der in dem Gebiet zwischen X.-Straße und F.-Straße und in dem Gebiet an der G.-Straße vorhandenen Gewerbebetriebe, sowie des Schrottverwertungsbetriebs nordwestlich des Plangebiets getroffen. Mit diesem Gutachten werden die in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte jedoch nicht ausreichend erfasst.

Zunächst beruht die Beurteilung der Geräuschimmissionen offenbar allein auf den Angaben der Betriebsinhaber zu Gegenstand und Umfang der Betriebe im Rahmen der Betriebsbesichtigung durch das Sachverständigenbüro bzw. auf dessen tatsächlichen Feststellungen. Eine Ermittlung der Genehmigungslage und der danach zulässigen Nutzungen hat erkennbar weder hinsichtlich der Betriebe im Gewerbegebiet zwischen X.-Straße und F.-Straße noch für die Betriebe im Gewerbegebiet an der G.-Straße stattgefunden, was Unsicherheiten im Hinblick auf die von den Betrieben in den Gewerbegebieten ausgehenden Immissionen zur Folge hat. Dies betrifft u.a. den Betrieb für Maschinen- und Anlagenbau auf dem Grundstück der Antragstellerin. Das Gutachten sieht - wegen der im Wesentlichen in den Hallen stattfindenden Tätigkeiten - mögliche Konflikte durch die drei im Gewerbegebiet vorhandenen Betriebe nur in den Lkw-Fahrgeräuschen, hält diese aber für zu vernachlässigen, da die Fahrwege durch die in Dammlage verlaufende F.-Straße, den Lärmschutzwall südlich der F.-Straße sowie die Gebäude auf dem Betriebsgelände weitgehend abgeschirmt seien und die Fahrgeräusche durch die Geräusche vom Pkw- und Lkw-Verkehr auf der F.-Straße weitgehend überdeckt würden. Ob über die Lkw-Fahrgeräusche hinaus tatsächlich nicht mit weiteren Immissionen zu rechnen ist, kann ohne Überprüfung der konkreten Genehmigungssituation gerade nicht beurteilt werden. Insbesondere werden regelmäßig - möglicherweise von der Variationsbreite der Baugenehmigungen erfasste - Probeläufe der fertig montierten Maschinen im Freien auf der östlich der Werkhalle gelegenen Fläche durchgeführt. Nach der Vormontage innerhalb der Werkhalle werden die Anlagen zudem wegen ihrer erheblichen Höhe auch auf der Freifläche zusammengebaut. Dabei entstehende Lärmeinwirkungen für die etwa 60 m entfernte Wohnbebauung sind vollkommen außer Betracht geblieben.

Auch die Stellungnahme des Staatlichen Umweltamts vom 25.9.2001 gibt insoweit nichts her. Das Staatliche Umweltamt befasst sich nur mit dem ebenfalls auf den Grundstücken der Antragstellerin ansässigen kunststoffverarbeitenden Betrieb. Nach dem Schreiben handelte es sich nach den "dort vorliegenden Unterlagen" bei der Fa. T. um einen kunststoffverarbeitenden Betrieb, der der Abstandsklasse VII zuzuordnen sei. Davon sei unter Würdigung seiner baulichen Vorkehrungen, die dem Schallschutz zugute kämen, auch die Fertigung im kontinuierlichen Dreischichtbetrieb erfasst. Diese Beurteilung ist nicht hinreichend aussagekräftig, denn es ist nicht erkennbar, auf welchen konkreten Grundlagen die Einschätzung getroffen worden ist. Eigene Feststellungen hat das Staatliche Umweltamt offensichtlich nicht getroffen. Hinzu kommt, dass überhaupt keine Aussagen zu dem in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht ebenfalls relevanten Betrieb für Maschinen- und Anlagenbau gemacht worden sind.

Darüber hinausgehende eigene Feststellungen hat die Antragsgegnerin im Planaufstellungsverfahren nicht vorgenommen. Sind die Stellungnahmen fachkundiger Stellen jedoch nicht hinreichend aussagekräftig, darf sich der Plangeber nicht allein darauf verlassen.

Vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 11.11.1999 - 10a D 67/98.NE -.

b) Unabhängig von dem eben dargestellten Ermittlungsdefizit hat der Rat der Antragsgegnerin die von der Planung betroffenen Interessen der Antragstellerin nicht oder nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt.

Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob die oben beschriebenen Produktionstätigkeiten auf dem Freigelände der Antragstellerin von einer baurechtlichen oder sonstigen Genehmigung erfasst sind und infolgedessen möglicherweise bereits im Hinblick auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Bestand die Interessen der Antragstellerin nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingeflossen sind.

Denn darüber hinaus hat in der Abwägung keine Berücksichtigung gefunden, dass mit der Festsetzung des eingeschränkten Gewerbegebiets im Plangebiet künftig Nutzungen ausgeschlossen sind, die bislang auf Grund der faktischen Prägung der näheren Umgebung - zumindest als uneingeschränktes Gewerbegebiet - materiell zulässig und damit genehmigungsfähig waren. Der normativen Entziehung oder Beschränkung eines bestehenden Baurechts kommt erhebliches Gewicht zu, das sich im Rahmen der Abwägung auswirken muss. Beim Erlass eines Bebauungsplans müssen daher im Rahmen der planerischen Abwägung das private Interesse am Erhalt bestehender baulicher Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interesse an einer städtebaulichen Neuordnung des Plangebiets abgewogen werden. Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug baulicher Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine (Teil-)Enteignung auswirken kann.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -, BRS 65 Nr. 6.

Neben den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsbelangen, die selbstverständlich und in hervorgehobener Weise zu den abwägungserheblichen Belangen öffentlich-rechtlicher Planungsentscheidungen gehören, verlangt die Beachtung der Belange der Wirtschaft (§ 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB a.F., jetzt § 1 Abs. 6 Nr. 8 BauGB) - über den durch Art. 14 Abs. 1 GG garantierten Bestandsschutz hinaus - bei der Abwägung zudem die Berücksichtigung etwaiger in den Blick genommener Kapazitätserweiterungen und Modernisierung von Anlagen, die zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit notwendig sind.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. 4.1971 - IV C 66.67 -, BRS 24 Nr. 166, und vom 8.9.1988 - 4 NB 15.88 -, BRS 48 Nr. 33; OVG NRW, Urteile vom 19.1.1988 - 7a NE 20/86 -, vom 5.10.1988 - 7a NE 38/87 -, vom 8.3.1993 - 11a 53/89 -, BRS 55 Nr. 12, und vom 18.4.1996 - 7a D 2/93.NE -.

Der Rat der Antragsgegnerin hat bei der Abwägung der durch die Planung berührten Belange nicht berücksichtigt, dass er mit dem Bereich zwischen X.- und F.-Straße ein Gebiet überplant hat, das sich jedenfalls als faktisches uneingeschränktes Gewerbegebiet darstellt und er mit der Festsetzung eines eingeschränkten Gewerbegebiets - allgemein zulässig sind nur Betriebe der Abstandsklasse VI - die bisherigen Nutzungsmöglichkeiten erheblich beschneidet.

Schon durch die Herabstufung eines jedenfalls uneingeschränkten Gewerbegebiets auf ein mit erheblichen Nutzungseinschränkungen versehenes Gewerbegebiet werden die Entwicklungsmöglichkeiten der vorhandenen Betriebe beschränkt und bislang materiell legale Nutzungen unzulässig. (wird ausgeführt)

c) Ein Abwägungsfehler ergibt sich ferner daraus, dass der Rat der Antragsgegnerin die Konfliktlage zwischen Wohnen und Gewerbe nicht bewältigt hat. Nach dem sog. Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG sind bei raumbedeutsamen Planungen die für eine bestimmungsgemäße Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete soweit wie möglich vermieden werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.1.1999 - 4 CN 5.98 -, BRS 62 Nr. 4.

Das Trennungsgebot, dem die Funktion einer Abwägungsdirektive zukommt, gilt allerdings nicht ausnahmslos und beansprucht gerade für die Überplanung einer bereits bestehenden Gemengelage keine strikte Geltung.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.1.1992 - 4 B 71.90 -, BRS 54 Nr. 18, und vom 13.5.2004 - 4 BN 15.04 -, Juris.

Selbst die Ausweisung eines Gewerbe- oder Industriegebiets neben einem faktischen oder festgesetzten Wohngebiet ist nicht von vornherein ausgeschlossen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 25.11.2004 - 7a D 11/04.NE -, ÖffBauR 2005, 54, und vom 7.11.2005 - 10 D 7/03.NE -.

Maßgeblich ist vielmehr, ob der Plangeber die möglichen Konflikte, die durch das Aneinandergrenzen von Wohngebiet und Gewerbegebiet entstehen können, abwägungsfehlerfrei entweder im Wege von Festsetzungen im Plan selbst gelöst oder die Konfliktbewältigung in zulässiger Weise auf nachfolgende Baugenehmigungsverfahren verlagert hat.

Die vom Plangeber für die Gewerbegebiete festgesetzten Nutzungseinschränkungen sind nicht geeignet, die Konflikte zwischen Wohnen und Gewerbe zu lösen. Nach der textlichen Festsetzung 1.3 werden die Gewerbegebiete nach der Abstandsliste des Abstandserlasses vom 2.4.1998 gegliedert.

Eine "Feingliederung" von Gewerbegebieten nach Abstandsklassen ist zwar auf der Rechtsgrundlage des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 BauNVO grundsätzlich zulässig. Auch bestehen im Hinblick auf die Bestimmtheit keine Bedenken. Weder die Bezugnahme auf die als Anhang 1 beigefügte Abstandsliste noch die Erwähnung von "Anlagen mit ähnlichem Emissionsgrad" ist rechtlich zu beanstanden.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 30.4.1996 - 10a D 76 und 77/96.NE -, vom 17. 11.1996 - 7a D 122/94.NE -, BRS 58 Nr. 30, und vom 30.9.2005 - 7a D 142/04.NE -.

Die hier konkret getroffenen Festsetzungen sind jedoch weder im Hinblick auf das Gewerbegebiet zwischen X.- und F.- Straße noch auf das Gewerbegebiet an der G.- Straße zur Konfliktlösung geeignet.

Nach der textlichen Festsetzung 1.3.1 sind in den mit "N 1" bezeichneten Gewerbegebieten Betriebe und Anlagen der Abstandsklasse VI, ausnahmsweise auch der Abstandsklasse V zulässig. Der für Betriebe der Abstandsklasse VI in der Abstandsliste vorgesehene Abstand zu Wohngebieten beträgt 200 m. Bei Einhaltung oder Überschreitung der in der Abstandsliste angegebenen Abstände ist davon auszugehen, dass Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche beim bestimmungsgemäßen Betrieb der entsprechenden Anlage in den umliegenden Wohngebieten nicht entstehen, wenn die Anlage dem Stand der Technik entspricht (vgl. Ziffer 2.2.1. des Abstandserlasses). Mit der hier vorgenommenen Gliederung wird dieser Abstand erheblich unterschritten. Das am dichtesten zum Gewerbegebiet zwischen X.- und F.- Straße gelegene Wohngrundstück des allgemeinen Wohngebiets, G.-Straße 42/44, liegt weniger als 50 m zu den Werkhallen und weniger als 40 m zu den Fahrwegen und Anlieferungsbereichen - maßgeblich ist nach Ziffer 2.2.2.3 des Abstandserlasses die geringste Entfernung zwischen Umrisslinie der emittierenden Anlage und der Begrenzungslinie von Wohngebieten - entfernt.

Zwar macht die Unterschreitung der Mindestabstände nach der Abstandsliste die Festsetzung nicht zwangsläufig abwägungsfehlerhaft. Denn die Abstandsliste belässt einzelfallbezogene planerische Spielräume. Sie enthält lediglich Empfehlungen, von denen im Einzelfall bei sachgerechter Abwägung abgewichen werden kann.

Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 11.7.1995 - VerfGH 21/93 -, NVwZ 1996, 262; OVG NRW, Urteile vom 17.10.1996 - 7a D 122/94.NE -, BRS 58 Nr. 30, und vom 9.10.2003 - 10a D 71/01.NE -.

Die Abwägung der Antragsgegnerin genügt allerdings diesen Anforderungen nicht.

Der Rat der Antragsgegnerin geht bereits von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus. Er hat bei seiner Abwägung eine Entfernung von 130 m zwischen den gewerblichen Bauflächen des Gewerbegebiets zwischen X.- und F.- Straße und der Wohnbebauung südlich der F.-Straße zu Grunde gelegt. Dies ergibt sich aus dem Wertungsvorschlag der Verwaltung zu den Einwendungen der Antragstellerin, denen der Rat in seinem Beschluss vom 13.12.2001 ausdrücklich gefolgt ist. Tatsächlich liegen die Abstände zwischen den gewerblichen Bauflächen und den Wohngebäuden nördlich der G.-Straße sämtlich lediglich zwischen 60 m und 90 m. Die Entfernung zu den nach dem Abstandserlass maßgeblichen Wohngebieten beträgt durchweg lediglich etwa 60 m, der geringste Abstand zum Wohngebiet liegt - wie bereits ausgeführt wurde - sogar nur bei knapp 40 m.

Mit den Konflikten, die durch die erhebliche Unterschreitung der Abstände möglicherweise hervorgerufen werden, hat sich der Rat nicht in abwägungsgerechter Weise befasst. Vor dem Hintergrund, dass die im Gewerbegebiet allgemein zulässigen Nutzungen geeignet sind, Lärmimmissionen für die benachbarte Wohnbebauung herbeizuführen, musste der Rat prüfen, ob für die Wohngebiete auf Grund der Planung Lärmimmissionen zu erwarten sind, die über das als verträglich anzusehende Maß hinausgehen, und einen möglichen Konflikt ggf. lösen.

Dafür, dass sich der Plangeber im Planaufstellungsverfahren konkret mit der aus der Unterschreitung der Mindestabstände nach der Abstandsliste resultierenden Konfliktlage befasst hat, ist nichts erkennbar, obwohl das Staatliche Umweltamt in seiner Stellungnahme vom 10.8.1998 darauf hingewiesen hatte, dass sich "im Grunde genommen hier eine Anwendung des Abstandserlasses zur Gliederung der GE-Gebiete durch gänzlich vor Ort fehlende Mindestabstände zur Wohnbebauung" nicht empfehle. Eine Unterschreitung der Mindestabstände allein wäre allerdings unschädlich, wenn eine bewältigungsbedürftige Konfliktsituation wegen der Besonderheiten des Einzelfalles von vornherein nicht zu erwarten wäre oder die Konfliktlösung auf der Hand läge. Das ist hier jedoch nicht der Fall.

Der Rat hat zur Ermittlung möglicher Immissionskonflikte auf das Gutachten der S.-GmbH vom 26.5.1998 zurückgegriffen und sich bei seiner Abwägung auf die dortige Beurteilung gestützt. Die Untersuchung kommt zwar zum Ergebnis, dass durch die Betriebe im Gewerbegebiet zwischen X.- und F.- Straße keine wesentlichen Geräuschemissionen aufträten, weil die geräuschverursachenden Tätigkeiten außerhalb der Hallen kaum wahrnehmbar seien und die Lkw-Fahrgeräusche durch die in Dammlage verlaufende F.- Straße und den Lärmschutzwall südlich der F.- Straße sowie durch Gebäude auf dem Betriebsgelände gegenüber der Wohnbebauung weitgehend überdeckt würden. Das Gutachten ist jedoch zur Einschätzung der Konfliktlage ungeeignet, da es die mit der Planung verbundenen Konflikte allenfalls zum Teil erfasst. Insbesondere gibt die Untersuchung hinsichtlich künftiger Entwicklungen im Plangebiet und den in diesem Zusammenhang zu erwartenden Immissionen nichts her. Eine Einbeziehung zulässiger künftiger Nutzungen wäre aber zwingend erforderlich gewesen, um die im Rahmen einer Angebotsplanung - wie hier - auftretenden Nutzungskonflikte sachgerecht abschätzen zu können. Aber auch hinsichtlich der bisherigen Situation bestehen Bedenken, ob das Gutachten diese zutreffend erfasst. Denn die Beurteilung beruht - wie oben bereits dargestellt - offenbar allein auf den Angaben der Betriebsinhaber und bezieht die Genehmigungslage nicht ein. Fraglich ist ferner die Einschätzung des Gutachtens, es könne damit gerechnet werden, dass die Lkw-Fahrgeräusche auch zur Nachtzeit von den Geräuschen des Pkw- und Lkw-Verkehrs auf der F.- Straße überdeckt werden. Denn ausweislich der Planbegründung wurde bei der Untersuchung noch der damalige Ausbauzustand der F.- Straße zu Grunde gelegt. Nach der Realisierung der geplanten Aus- und Rückbaumaßnahmen ist jedoch nach Auffassung der Antragsgegnerin mit einer Abnahme des Verkehrs auf den wohnungsnahen Straßen und demzufolge auch mit einer Verminderung der dadurch bedingten Immissionen auf die Wohnbebauung zu rechnen. Schließlich wird nicht berücksichtigt, dass der (unveränderte) Fortbestand der Hallen und damit auch deren schallschützende Wirkung mit der Planung langfristig nicht gesichert sind. Ohnehin werden die teilweise zwischen den Hallen verlaufenden Fahrwege nicht durch die Gebäude abgeschirmt.

Die Antragsgegnerin hat auch keine eigene, die Konfliktlage zutreffend erfassende Einschätzung vorgenommen. Entscheidet sich die Gemeinde - wie hier - für eine Angebotsplanung, so muss sie über den Bestand hinaus zumindest eine grobe Abschätzung hinsichtlich künftig möglicher Entwicklungen treffen. Entsprechende Überlegungen - insbesondere im Hinblick auf die hier in Rede stehende Unterschreitung der Abstände der Abstandsliste um etwa 75 % - lassen sich den Planaufstellungsvorgängen nicht entnehmen. Soweit die Antragsgegnerin wegen der Lärmimmissionen durch künftige Entwicklungen darauf verweist, dass dadurch keine wesentlichen Störungen in den MI- und WA-Gebieten aufträten, weil auf Grund der Festsetzungen Werkshallen geschlossen sein müssten (vgl. Ziffer 5.5 der Planbegründung), unterliegt sie zudem einer Fehleinschätzung. Denn eine entsprechende Regelung findet sich für die allgemein zulässigen Betriebe und Anlagen der Abstandsklasse VI in den textlichen Festsetzungen nicht. Lediglich für die ausnahmsweise zulässigen Betriebe und Anlagen der Abstandsklasse V verlangt die Festsetzung 1.3.1 ausdrücklich nach Süden geschlossene Hallenkörper auf den den Wohngebieten zugewandten Seiten. Die vom Rat offensichtlich angenommene Konfliktlösung leistet der Bebauungsplan mithin gerade nicht.

Schließlich ergibt sich auch aus sonstigen Umständen weder, dass trotz der erheblich unterschrittenen Abstände nach der Abstandsliste eine bewältigungsbedürftige Konfliktsituation wegen der Besonderheiten des Einzelfalles nicht zu erwarten ist, noch liegt eine Konfliktlösung auf der Hand. Allein die zweifellos gegebene deutliche Vorbelastung, die vorhandenen Geländeversprünge und die - allerdings nur abschnittsweise - existierenden Lärmschutzwände lassen dies nicht hinreichend erkennen.

Wirft ein Bebauungsplan durch seine Festsetzungen bewältigungsbedürftige Konflikte auf, so gehören diese Konflikte nicht nur zu den abwägungsbeachtlichen Belangen, die bei der Planung zu berücksichtigen sind; sie dürfen auch nicht einfach ungelöst bleiben. Ihre Lösung hat grundsätzlich im Plan selbst zu erfolgen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.2.1991 - 4 NB 25.89 -, BRS 52 Nr. 39.

Dies schließt indes eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bauleitplanverfahren auf das nachfolgende Verwaltungshandeln nicht zwingend aus. Einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan bedarf es ausnahmsweise nicht, wenn die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren in Form einer "Feinsteuerung" sachgerecht und hinreichend sichergestellt ist.

Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 14.7.1994 - 4 NB 25.94 -, BRS 56 Nr. 6, und Urteil vom 18.9.2003 - 4 CN 3.02 -, BRS 66 Nr. 21.

Es ist bereits unsicher, ob der Rat der Antragsgegnerin eine nachgelagerte Lösung der Immissionskonflikte überhaupt in seine Erwägungen einbezogen hat. Eindeutige Aussagen zu einer Konfliktverlagerung in ein Verwaltungsverfahren sind den Aufstellungsvorgängen nicht zu entnehmen. Soweit u.a. in den Wertungsvorschlägen der Verwaltung, denen der Rat gefolgt ist, auf das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme sowie darauf verwiesen wird, Neubebauungen und Nutzungsänderungen seien mit dem Staatlichen Umweltamt und der Baugenehmigungsbehörde abzuklären, könnte dies darauf hinweisen, dass der Rat möglicherweise davon ausging, auftretende Konflikte könnten im späteren Baugenehmigungsverfahren gelöst werden. Dafür hätte es jedoch einer prognostischen Einschätzung der Immissionen bedurft, die mit den planungsrechtlich zulässigen Nutzungen verbunden sein können. Nur auf diese Weise wäre dem Rat eine sachgerechte Abschätzung möglich gewesen, ob die Konfliktbewältigung durch späteres Verwaltungshandeln überhaupt gesichert oder wenigstens wahrscheinlich ist. Daran fehlt es hier. Das Gutachten der S.- GmbH ist ungeeignet, da es sich lediglich auf den aktuellen Bestand bezieht. Eigene Erwägungen hat die Antragsgegnerin nicht angestellt.

Unabhängig davon ist hier eine allgemeine Konfliktlösung über das in § 15 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme - selbst wenn die Gemeinde dies beabsichtigt haben sollte - ausgeschlossen. Wegen der erheblichen Unterschreitung der Abstände des Abstandserlasses sind schon bei der Aufnahme von nach den Festsetzungen allgemein zulässigen Nutzungen regelmäßig Immissionskonflikte zu befürchten. Unter diesen Umständen die Konfliktlösung über das Gebot der Rücksichtnahme zu suchen, ist nicht zulässig. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck des § 15 BauNVO, der im Baugenehmigungsverfahren nur eine "Nachsteuerung" im Einzelfall ermöglichen soll. Die Baugenehmigungsbehörde ist hingegen nicht befugt, mit Hilfe des § 15 BauNVO etwa fehlende oder nicht hinreichende Planungsentscheidungen bei der Festsetzung von Baugebieten und deren Gestaltung im Einzelnen "zu heilen".

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.3.1989 - 4 NB 8.89 -, BRS 49 Nr. 44, und auch BGH, Urteil vom 26.3.1981 - III ZR 171/79 -, BRS 45 Nr. 39.

Eine Ausweitung des aktiven Lärmschutzes im Rahmen nachfolgender Baugenehmigungsverfahren, mit dem unter Umständen ein verträgliches Nebeneinander von Wohnen und gewerblicher Nutzung erreicht werden könnte, ist ausdrücklich städtebaulich unerwünscht.

Auch hinsichtlich des Gewerbegebiets an der G.-Straße sind die durch die Planung hervorgerufenen Konflikte nicht bewältigt worden. In dem westlichen, mit "N 2" bezeichneten Teilbaugebiet sind nach der textlichen Festsetzung 1.3.2 Betriebe und Anlagen der Abstandsklasse VII, ausnahmsweise auch der Abstandsklasse VI zulässig. Der für Betriebe der Abstandsklasse VII in der Abstandsliste vorgesehene Abstand zu Wohngebieten beträgt 100 m. Nach der hier vorgenommenen Gliederung grenzt das Gewerbegebiet ohne Abstand an das allgemeine Wohngebiet. Zwischen den festgesetzten Baufenstern wird eine Entfernung von 6 m eingehalten. Wegen der erheblichen Unterschreitung der Mindestabstände ist die Gliederung nach der Abstandsliste - ohne weitere Maßnahmen - für diesen Bereich zur Konfliktbewältigung ebenfalls ungeeignet.

Das durch die Antragsgegnerin eingeholte Gutachten der S.- GmbH ist auch in diesem Zusammenhang zur Abschätzung und Bewältigung der Konfliktlage nicht hinreichend, da es nur den aktuellen Bestand erfasst und künftige, nach der Planung zulässige Entwicklungen vollkommen außer Betracht lässt.

Soweit der Rat eigene Erwägungen anstellt, berücksichtigen diese den Immissionskonflikt ebenfalls nur unzureichend. Für den Rat war bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen der gewerblichen Betriebe einschließlich von Erweiterungen und Neubebauungen einerseits und der Wohnnutzung andererseits entscheidend, dass er durch das in Grenznähe vorhandene Gebäude auf dem Grundstück G.-Straße 9 bis 11 einen hinreichender Schallschutz als gewährleistet ansah. Das ergibt sich aus dem Wertungsvorschlag der Verwaltung zu den Bedenken der Grundstückseigentümerin der Liegenschaft G.-Straße 9 bis 11, , den der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 13.12.2001 übernommen hat. Darin heißt es: "Durch den zur Wohnbebauung hin geschlossenen vorhandenen Baukörper sind im Schallschatten dieses Riegels Betriebe und Anlagen der Abstandsklasse VII möglich." Den Interessenkonflikt zwischen der Gewährleistung eines ausreichenden Immissionsschutzes einerseits und der Sicherung des Bestandes sowie der Ermöglichung von Erweiterungen von Betriebsarten der Abstandsklasse VII andererseits hat der Rat damit zu Unrecht als sachgerecht gelöst angesehen. Denn der Bestand des Gebäudes ist nicht ausreichend gesichert. Weder der Antragsgegnerin noch der Bauaufsichtsbehörde steht eine Handhabe zur Verfügung, eine (teilweise) Entfernung des Gebäudes zu verhindern. Auch eine Zerstörung des Gebäudes durch einen Brand oder andere Ereignisse ist denkbar und würde den angenommenen Schallschutz entfallen lassen, da ein Wiederaufbau an gleicher Stelle und in gleicher Form nicht verlangt werden könnte.

Kann ein hinreichender Immissionsschutz durch das Gebäude auf dem Grundstück G.-Straße 9 bis 11 bereits aus den dargestellten Gründen nicht gewährleistet werden, bedarf es keiner Entscheidung, ob es - seinen dauerhaften Fortbestand unterstellt - tatsächlich geeignet ist, die Wohnbebauung hinreichend vor Immissionen durch die bereits existierenden sowie die nach den Festsetzungen künftig zulässigen gewerblichen Nutzungen zu schützen. Bedenken könnten insoweit bestehen, als es die dem Wohngebiet zugewandte Seite des Gewerbegebiets nicht vollständig abschirmt und Fenster zur Wohnbebauung hin aufweist.

Einer Fehleinschätzung unterliegt der Rat zudem, wenn er offenbar annimmt, dass "aus Lärmschutzgründen die dem Wohngebiet zugewandten Wände von Gebäuden, in denen Betriebsgeräusche erzeugt werden, keine Öffnungen aufweisen dürfen bzw. die vorhandenen Öffnungen geschlossen gehalten werden müssen". Eine entsprechende Regelung wird in den textlichen Festsetzungen weder im Hinblick auf die allgemein zulässigen Betriebe und Anlagen noch auf die ausnahmsweise zulässigen Nutzungen getroffen.

Eine Verlagerung der Konfliktbewältigung auf die nachfolgende Umsetzung des Bebauungsplans scheidet aus. Eine nachgelagerte Lösung der Konflikte ist insbesondere nicht hinreichend sichergestellt, weil - wie dargelegt - die Erhaltung des als Schallschutz fungierenden Gebäudes nicht gewährleistet ist. Infolgedessen kann es auch durch bereits existierende Betriebe zu nicht mehr hinnehmbaren Immissionen für die unmittelbar angrenzende Wohnnutzung kommen. Eine Konfliktbewältigung im Baugenehmigungsverfahren ist insoweit nicht möglich. Für künftige Vorhaben gilt das zum Gewerbegebiet zwischen Weseler und Emmericher Straße Ausgeführte entsprechend. Sollte der Rat auch hier eine Lösung der Konfliktlage über das Gebot der Rücksichtnahme angestrebt haben, wäre dies im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 15 BauNVO als Instrument einer "Nachsteuerung" in Einzelfällen unzulässig.

d) Die Fehler im Abwägungsvorgang sind offensichtlich und auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. (wird ausgeführt)

2. Die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung für einen Teil der Mischgebietsflächen im südlichen Planbereich sind unwirksam, weil sie die jeweiligen Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO überschreiten und die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 BauNVO für eine solche Überschreitung nicht vorliegen.

Nach der Tabelle des § 17 Abs. 1 BauNVO dürfen bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung für Mischgebiete eine Grundflächenzahl von 0,6 und eine Geschossflächenzahl von 1,2 nicht überschritten werden. Abweichend von diesen Obergrenzen ist in zwei Teilbaugebieten zwischen G.- und E.- Straße ein höheres Maß der baulichen Nutzung zulässig. Für die Grundstücke E.- Straße 184 bis 204 sind im Bebauungsplan eine Grundflächenzahl von 0,8 und eine Geschossflächenzahl von 2,0 festgesetzt. Für die weiter östlich gelegenen Grundstücke E.- Straße 160 bis 166 und G.- Straße 61 bis 67 wird die Geschossflächenzahl auf höchstens 1,7 festgesetzt.

Die Voraussetzungen für diese Überschreitungen liegen nicht vor. Die Zulässigkeit einer Überschreitung richtet sich hier nach § 17 Abs. 3 BauNVO, da nach den glaubhaften Angaben der Antragsgegnerin die Bebauungsbereiche am 1.8.1962 überwiegend bebaut waren. Nach dieser Vorschrift können in Gebieten, die zu dem genannten Zeitpunkt überwiegend bebaut waren, die Obergrenzen des Absatzes 1 überschritten werden, wenn städtebauliche Gründe dies erfordern und sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen.

Für die im Bebauungsplan jenseits der Höchstmaße des § 17 Abs. 1 BauNVO festgesetzten Grund- und Geschossflächenzahlen fehlt es bereits an städtebaulichen Gründen, die die Überschreitung der Obergrenze erfordern.

Restriktionen für eine Überschreitung der Obergrenzen ergeben sich vor allem daraus, dass § 17 Abs. 3 BauNVO eine Ausnahme zulässt und damit auch städtebauliche Ausnahmegründe für die Abweichung von § 17 Abs. 1 BauNVO voraussetzt. Die Einhaltung der Maße des § 17 Abs. 1 BauNVO ist der städtebauliche Regelfall. Die Maßüberschreitung setzt eine - städtebauliche - Situation und eine durch den Bebauungsplan zu lösende Problematik voraus, die nicht alltäglich und nicht in beliebiger örtlicher Lage anzutreffen ist. Mit dem Hinweis auf die Erforderlichkeit aus städtebaulichen Gründen stellt § 17 Abs. 3 BauNVO klar, dass auch die Ausnahme nur aus Gründen gestattet ist, die sich einer Erforderlichkeit für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB zuordnen lassen. Es muss sich um eine städtebauliche Ausnahmesituation handeln. Reguläre städtebauliche Gründe in einer Standardsituation reichen nicht aus.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.11.1999 - 4 CN 17.98 -, BRS 62 Nr. 26, und vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 -, BRS 63 Nr. 1.

Den Ausnahmecharakter der Absätze 2 und 3 des § 17 BauNVO hat auch der Verordnungsgeber mit der letzten Novellierung der Baunutzungsverordnung im Jahr 1990 herausgestellt, indem er die nach früherem Recht geltende Formulierung "wenn (besondere) städtebauliche Gründe dies rechtfertigen" durch die Formulierung "wenn (besondere) städtebauliche Gründe dies erfordern" ersetzt hat. Damit solle klargestellt werden, dass es sich bei den Bestimmungen des § 17 Abs. 2 und 3 BauNVO um Ausnahmeregelungen handele, bei denen aus ökologischen Gründen eine restriktive Handhabung vorzusehen sei.

Vgl. BR-Drucks 354/89 - Beschluss - zu Nr. 7.

Dementsprechend sind an die städtebauliche Erforderlichkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 und 3 BauNVO - was die Maßüberschreitung angeht - höhere Anforderungen zu stellen, als beispielsweise die Merkmale "städtebaulich vertretbar" oder "städtebaulich gerechtfertigt" dies vorgeben. Der Begriff der Erforderlichkeit ist vielmehr im Sinne eines "vernünftigerweise Gebotenseins" auszulegen. Das bedeutet einerseits, dass damit nicht eine Unabweisbarkeit gemeint ist, dass aber andererseits das Ausgleichsgebot (§ 17 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauNVO) und das Verbot des Entgegenstehens öffentlicher Belange die städtebauliche Erforderlichkeit nicht wieder auf den früher geltenden Maßstab "städtebaulich gerechtfertigt" zurückführen dürfen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.1.1994 - 4 NB 7.96 -, BRS 59 Nr. 72, und OVG NRW, Urteil vom 9.10.2003 - 10a D 55/01.NE -.

Für die Erforderlichkeit der städtebaulichen Gründe, die eine Überschreitung der Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO rechtfertigen können, kommt es wegen Planungshoheit und planerischer Gestaltungsfreiheit der Gemeinde maßgeblich auf die von ihr mit der jeweiligen Planung verfolgte städtebauliche Konzeption an.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.11.1999 - 4 CN 17.98 -, BRS 62 Nr. 26, und vom 31.8.2000 - 4 CN 6/99 -, BRS 63 Nr. 1.

Insoweit ist auf die Begründung des Bebauungsplans abzustellen, in der die jeweils einschlägigen "städtebaulichen Gründe" schlüssig darzulegen sind.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.1.1994 - 4 NB 42.93 -, Buchholz 406.12 § 17 BauNVO Nr. 5.

Die vom Rat der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Überschreitung der zulässigen Grund- und Geschossflächenzahl werden den vorgenannten Anforderungen nicht gerecht. Der Rat führt zur Begründung aus, die gemischt genutzten Baustrukturen mit Wohngebäuden und sonstigen wohnverträglichen Gewerbebetrieben seien historisch gewachsen und markierten den "Eingangsbereich" zum T.- Kernbereich. Planungsziel sei es, die Baugebiete zur Stützung der Kernbevölkerung sowie der gewerblichen Strukturen des Teilraumzentrums zu erhalten. Eine städtebauliche Ausnahmesituation ist damit nicht dargetan. Gerade bei der Überplanung eines Bestands handelt es sich nicht selten um gewachsene Gebiete. Auch eine Überschreitung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung ist im Altbaubestand häufig festzustellen. Weshalb es erforderlich ist, zur Stützung der Kernbevölkerung - unklar bleibt zudem, was die Antragsgegnerin unter diesem Begriff versteht - sowie der gewerblichen Strukturen die Überschreitungen über den Bestandsschutz hinaus planungsrechtlich festzuschreiben, wird mit dieser Begründung nicht deutlich, zumal hinsichtlich der "Erhaltungswürdigkeit" der stark verdichteten Bebauung gerade Bedenken bestehen. Die Antragsgegnerin geht selbst davon aus, dass in den Mischgebieten durch einen erheblichen Mangel an Freiflächen die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse nicht überall erfüllt werden können.

Ende der Entscheidung

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