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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 28.11.2005
Aktenzeichen: 10 D 68/03.NE
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB a.F. § 1 Abs. 6
1. Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fordert, dass bei der Überplanung privaten Grundeigentums durch einen Bebauungsplan in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002, - 1 BvR 1402/01 -, BRS 65 Nr. 6).

2. Dem Bebauungsplan muss eine Erschließungskonzeption zu Grunde liegen, nach der das im Plangebiet anfallende Oberflächenwasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen diesseits und jenseits der Plangebietsgrenzen keinen Schaden nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.3.2002, - 4 CN 14.00 -, BRS 65 Nr. 17).


Tatbestand:

Der mit dem Normenkontrollantrag angegriffene Bebauungsplan dient der Änderung eines bereits in Kraft getretenen Bebauungsplans, der in erster Linie Festsetzungen für den zweiten Bauabschnitt einer Umgehungsstraße und die zugehörigen Lärmschutzmaßnahmen trifft. Grund für die Planänderung ist die beabsichtigte Anhebung der ursprünglich in Troglage geplanten Umgehungsstraße bei unveränderter Trassenführung. Die Antragstellerin ist Eigentümerin beziehungsweise Miteigentümerin mehrerer bebauter und unbebauter Grundstücke, die zum Teil im Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans und zum Teil in dessen unmittelbarer Nähe liegen. Eines dieser unbebauten Grundstücke, das durch den Änderungsplan erstmals überplant wird, ist als "Öffentliche Grünfläche - Grünanlage" festgesetzt. Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Gründe:

Gegenstand des Normenkontrollantrags ist ausschließlich der am 4.6.2003 beschlossene und am 12.7.2003 ortsüblich bekannt gemachte Bebauungsplan Nr. 2/96 "Ortsumgehung B. - 2. Bauabschnitt, von S.-Straße bis D.-Straße", 1. Änderung. Im Rahmen des Normenkontrollverfahrens prüft der Senat deshalb nur die Festsetzungen dieses Plans und nicht sämtliche Festsetzungen des Ursprungsplans. Die Wirksamkeit des Ursprungsplans ist allerdings als Vorfrage für die Gültigkeit der mit dem Normenkontrollantrag angegriffenen Planänderung zu prüfen, denn die bloße Änderung eines unwirksamen Bebauungsplans ohne vollständigen Neuerlass des gesamten Regelungswerks geht ins Leere, wenn sie nicht auf einer wirksamen Grundlage beruht. Insoweit besteht ein Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen dem Ursprungsplan und dem Änderungsplan (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1999 - 4 CN 7.98 -, BRS 62 Nr. 44).

Das Normenkontrollgericht hat deshalb inzident zu prüfen, ob der geänderte Ursprungsplan taugliche Grundlage des streitgegenständlichen Änderungsplans sein kann. Daran fehlt es, wenn der Ursprungsplan an Mängeln leidet, die auch in Ansehung des Grundsatzes der Planerhaltung zu seiner Gesamtunwirksamkeit führen. In einem solchen Fall ist der Änderungsplan mangels zureichender Grundlage unwirksam, es sei denn, er vermag für sich genommen - also unabhängig vom Ursprungsplan - für den überplanten Bereich eine vollständige städtebauliche Ordnung zu schaffen.

Darüber hinaus muss das Normenkontrollgericht prüfen, ob der Plangeber bei Erlass des Änderungsplans die Auswirkungen der Änderungen auf die Festsetzungen des zu ändernden Ursprungsplans, seine Erforderlichkeit, sein Verhältnis zu den Vorgaben der Raumordnung und die ihm zu Grunde liegende Abwägung bedacht und gegebenenfalls die erforderlichen Schlussfolgerungen für die Änderungsplanung gezogen hat. Fehlt es daran, kann der Änderungsplan, wenn beispielsweise das im Zusammenwirken von Ursprungs- und Änderungsplan neu entstehende Planungsrecht fehlerhaft ist, unwirksam sein.

Der Normenkontrollantrag ist zulässig. (Wird ausgeführt).

Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan Nr. 2/96, 1. Änderung, der Antragsgegnerin ist unwirksam.

Er genügt nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 6 BauGB (§ 1 Abs. 7 BauGB n.F.), wonach die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind.

Das so normierte Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis jedoch genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet.

Was den Umfang der Abwägung angeht, wenn, wie hier, der letzte Teilabschnitt einer Verbindungsstraße geplant werden soll, gilt Folgendes: Ob die Gemeinde nur die in diesem letzten Teilabschnitt widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen in die Abwägung einbeziehen muss oder ob sie auch rückschauend auf die bis dahin auf Grund rechtswirksamer Bebauungspläne realisierten Teilabschnitte zu prüfen hat, ob die Verwirklichung des Gesamtkonzeptes - etwa durch Zeitablauf oder wegen veränderter Verhältnisse - erneut zur Disposition steht, erschließt sich aus den Grundsätzen über eine mögliche rechtliche Verpflichtung zur Änderung von Bebauungsplänen. Eine solche Rechtspflicht folgt aus § 1 Abs. 3 BauGB nur bei einer erheblichen Abweichung der wirklichen Entwicklung von den ursprünglichen planerischen Vorstellungen. Liegt eine derartige Abweichung nicht vor, beschränkt sich die Abwägung auf den Lückenschluss und seine Ausstrahlungswirkungen auf die bereits ausgebauten Teilabschnitte (vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.8.1996 - 11a D 125/92.NE -, BRS 58 Nr. 17).

Der Senat kann bei der im Normenkontrollverfahren gebotenen objektiven Prüfung den Bebauungsplan auch auf solche Abwägungsfehler untersuchen, die die Antragstellerin mit ihrem Normenkontrollantrag nicht geltend gemacht hat, denn die Frist des insoweit noch maßgeblichen § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a.F., wonach Mängel der Abwägung unbeachtlich werden, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind, ist noch nicht abgelaufen. Die Unbeachtlichkeit eines Abwägungsfehlers gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a.F. hängt von zwei Voraussetzungen ab, nämlich dem Fristablauf und dem Nichtvorliegen einer Mängelrüge. Die Frist ist ein entscheidendes Element der Fehlerfolgenregelung. Erst nach Ablauf der festgelegten Zeit soll, wenn niemand eine Rüge erhoben hat, der an sich beachtliche Fehler unbeachtlich werden. Bis zum Fristablauf ist die uneingeschränkte Kontrolle eines Bebauungsplans auf Abwägungsfehler möglich und im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz auch geboten.

Bei Anlegung dieser Maßstäbe weist der Bebauungsplan sowohl Fehler im Abwägungsvorgang als auch im Abwägungsergebnis auf.

Die privaten Belange der Antragstellerin, die sich bereits im Beteiligungsverfahren ausführlich geäußert hatte, sind vom Plangeber zwar gesehen worden, doch hat er den Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verwirklichung der Ortsumgehungstrasse und dem von der Planung berührten Eigentumsinteresse der Antragstellerin in einer Weise vorgenommen, die zur objektiven Gewichtigkeit dieses Eigentumsinteresses außer Verhältnis steht.

Der Bebauungsplan bestimmt Inhalt und Schranken des Grundeigentums. Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte private Eigentum müssen daher aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein. Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fordert, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -, BRS 65 Nr. 6).

Mit der Festsetzung nahezu des gesamten Flurstücks 186 (etwa 1.300 qm) als "Öffentliche Grünfläche - Grünanlage" soll der Erbengemeinschaft, in deren Eigentum es steht und zu der auch die Antragstellerin gehört, letztlich die private Nutzung dauerhaft entzogen werden. Zwar kann der Plangeber die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelte Rechtsposition aus sachgerechten Erwägungen hinter andere überwiegende Belange zurückstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.8.1993 - 4 C 24.91 -, BVerwGE 94, 100 (106); Beschluss vom 3.6.1998 - 4 BN 25.98 -, NVwZ-RR 1999, 425), doch fehlt es für die hier in Rede stehende Festsetzung an jeglichen sachgerechten Erwägungen. Der Rat hat an keiner Stelle erkennen lassen, weshalb er das Flurstück 186, das vom Ursprungsplan nicht erfasst war, nunmehr fremdnützig überplant hat. Es ist zu vermuten, dass er das Flurstück 186 in den Geltungsbereich des Bebauungsplans einbezogen hat, um zwischen der Stichstraße "Am B." und der geplanten Ortsumgehungstrasse einen 9 m breiten und 70 m langen Geländestreifen, der auf einer Länge von etwa 25 m über das Flurstück 186 verläuft, als Fläche festzusetzen, die in Verbindung mit der textlichen Festsetzung Nr. 7 mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu Gunsten der Ver- und Entsorgungsträger zu belasten ist. Über diese Fläche soll das im Bereich der Ortsumgehungstrasse anfallende Niederschlagswasser in den öffentlichen Kanal geleitet werden, der in der Stichstraße "Am B." verlegt ist. Für die planungsrechtliche Sicherung des als Entsorgungsfläche gedachten Geländestreifens hätte es jedoch nicht der Festsetzung nahezu des gesamten Flurstücks 186 als "Öffentliche Grünfläche" bedurft. Soweit für eine solche Sicherung nicht schon die Festsetzung des besagten Geländestreifens als eine mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belastende Fläche ausgereicht hätte, hätte beispielsweise eine darüber hinausgehende Festsetzung des Flurstücks 186 als "Private Grünfläche" weiterhin dessen private Nutzung ermöglicht, ohne dass die Entwässerung über die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belastende Fläche gefährdet gewesen wäre. Die Inanspruchnahme nahezu des gesamten Flurstücks 186 für öffentliche Zwecke erweist sich daher als unverhältnismäßig und ist abwägungsfehlerhaft.

Die Erweiterung des Plangebiets im südwestlichen Randbereich und die damit zusammenhängende teilweise Überplanung von Flächen, die bisher zum Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 3/63 "S.-, T.- und K.-Straße" gehörten, stellt sich ebenso als eine Verletzung des Abwägungsgebots dar wie die Festsetzung der Straßenverkehrsfläche für die Verbindung zwischen L.-Straße und T.-Straße auf Flächen, die bereits vom Geltungsbereich des Ursprungsplans erfasst waren. Den Aufstellungsvorgängen lässt sich nicht entnehmen, dass sich der Rat im Hinblick auf diese Festsetzungen in irgendeiner Weise mit den möglicherweise gegenläufigen Interessen der jeweiligen Grundstückseigentümer befasst hat. Es ist bereits fraglich, ob er die Eigentumsverhältnisse überhaupt ermittelt hat. Auch in der mündlichen Verhandlung konnten die Vertreter der Antragsgegnerin trotz der vorausgegangenen Bitte des Senats, die konkrete Eigentumssituation im Bereich der südwestlichen Planerweiterung mitzuteilen, die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich des Flurstücks 213 (Gemarkung B., Flur 20) nicht befriedigend darlegen. Da der Bebauungsplan die besagten Flächen als "Straßenverkehrsfläche" beziehungsweise als "Öffentliche Grünfläche - Parkanlage" festsetzt, handelt es sich wie bei den Festsetzungen für das Flurstück 186 um eine Überplanung, die die private Nutzung der Flächen dauerhaft ausschließen soll.

Was die überplanten Teile des Flurstücks 213 angeht, waren diese zwar im bisher geltenden Bebauungsplan Nr. 3/63 von 1964 als "Öffentliche Grünfläche - Erholungsgebiet" festgesetzt, was eine private Nutzung ebenfalls ausschloss, doch hatte der Rat der Antragsgegnerin die fraglichen Flächen im Flächennutzungsplan von 1984 als "Gewerbliche Bauflächen" dargestellt und damit zum Ausdruck gebracht, dass er sie - jedenfalls langfristig - abweichend von den Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. 3/63 entwickeln will. Eine Bauleitplanung, die diesem Willen zuwiderläuft, bedarf daher einer eingehenden Begründung und einer abwägenden Bewertung der betroffenen Eigentümerinteressen.

Die Inanspruchnahme der Flurstücke 314 und 316 (jeweils Gemarkung B., Flur 20) für die Verbindungsstraße zwischen L.-Straße und T.-Straße hätte ebenfalls einer eingehenden Befassung mit den Eigentümerinteressen bedurft. Gerade bei der fremdnützigen Überplanung privater Grundstücke mit Verkehrsflächen muss der Plangeber prüfen, ob gegebenenfalls anderweitige Möglichkeiten bestehen, das angestrebte Ziel zu erreichen. Insbesondere muss er prüfen, ob die Beeinträchtigung privaten Grundeigentums durch einen Zugriff auf Flächen der öffentlichen Hand vermieden oder doch zumindest minimiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.6.2002 - 4 CN 6.01 -, BRS 65 Nr. 78).

Eine alternative Führung der Verbindungsstraße über Flächen der öffentlichen Hand war hier nicht von vornherein ausgeschlossen. Nach der Planurkunde des Bebauungsplans Nr. 3/63 befindet sich das unmittelbar westlich des Flurstücks 213 gelegene Flurstück 211 (Gemarkung B., Flur 20) im Eigentum der Antragsgegnerin.

Abwägungsfehlerhaft ist auch die Entwässerungskonzeption, die dem Bebauungsplan zu Grunde liegt.

Der Planung muss eine Erschließungskonzeption zu Grunde liegen, nach der das im Plangebiet anfallende Oberflächenwasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen diesseits und jenseits der Plangebietsgrenzen keinen Schaden nehmen. Überschwemmungen und Wasserschäden als Folgen der Planverwirklichung müssen die Nachbarn des Plangebiets ebenso wenig hinnehmen wie die Bewohner des Plangebiets selbst. Planbedingte Missstände, die den Grad der Eigentumsverletzung erreichen und einer Rechtfertigung vor Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG nicht standhalten, setzen der bauleitplanerischen Abwägung strikte, mit einer "gerechten Abwägung" nicht überwindbare Grenzen. Bei Erlass des Satzungsbeschlusses muss der Plangeber davon ausgehen können, dass das für das Baugebiet notwendige Entwässerungssystem in dem Zeitpunkt tatsächlich vorhanden und funktionstüchtig sein wird, in dem die nach dem Plan zulässigen baulichen Anlagen fertig gestellt und nutzungsreif sein werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.3.2002 - 4 CN 14.00 -, BRS 65 Nr. 17).

Im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses war die Beseitigung des im Bereich der Ortsumgehung anfallenden Drainagewassers (Grund- und Sickerwasser) nicht geregelt. In einer Stellungnahme der Stadtentwässerung H. SEH zu der den Satzungsbeschluss vorbereitenden Ratsvorlage 600067/03 vom 8.5.2003 heißt es dazu:

"Die Drainage der Ortsumgehung B. ist nach Aussage des Bodengutachters ein wichtiger Bestandteil der bautechnischen Planung und Ausführung. Diese Drainage darf - wie schon mehrfach mündlich und schriftlich mitgeteilt - nicht an den öffentlichen Kanal angeschlossen werden. Für den Anschluss der Drainage an den B.-Bach gibt es [...] bisher keine fertige technische Planung, keine notariell abgeschlossene liegenschaftliche Regelung [und] keine Genehmigung nach § 7 WHG für die Einleitung der Drainage in den B.-Bach. Da die Lösung dieses Problems grundsätzlich möglich ist, stimmt die SEH unter dem Vorbehalt, dass das Problem abschließend gelöst wird, der Vorlage Rat 600067/03 zu. Sollte das Problem wider Erwarten nicht gelöst werden können, kann die SEH aus technischen Gründen keinem Anschluss der Drainage an den öffentlichen Kanal zustimmen".

Auf der Grundlage dieser fachlichen Stellungnahme konnte der Rat im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht davon ausgehen, dass bei Fertigstellung der Ortsumgehungstrasse und der Lärmschutzwälle das notwendige Entwässerungssystem in vollem Umfang tatsächlich vorhanden und funktionstüchtig sein werde. Die SEH hatte die Lösung des Drainagewasserproblems durch Einleitung in die Vorfluter B.-Bach und L.-Siepen zwar als grundsätzlich möglich angesehen, jedoch auch ein Scheitern dieser Lösung für möglich erachtet.

Der Rat hat das Konfliktpotenzial, das mit der zum Teil ungelösten Entwässerungsproblematik unter Umständen verbunden sein könnte, nicht hinreichend ermittelt. Er hat weder die Menge des zu erwartenden Drainagewassers noch die Folgen einer unzureichenden Ableitung dieses Drainagewassers für die hydraulische Situation des Plangebiets und der umliegenden Wohnbauflächen abschätzen lassen. Vielmehr hat er darauf vertraut, dass sich ein möglicher Konflikt durch auftretendes Drainagewasser im Nachhinein noch während des Trassenausbaus werde lösen lassen können.

Grundsätzlich hat jedoch bereits der Bebauungsplan die von ihm geschaffenen oder ihm sonst zurechenbaren Konflikte zu lösen. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf die Gemeinde nur dann Abstand nehmen, wenn die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.7.1994 - 4 NB 25.94 -, BRS 56 Nr. 6).

Von einer Sicherstellung der Problemlösung auf der Stufe der Planverwirklichung konnte bezüglich der Drainagewasserbeseitigung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses angesichts einer Vielzahl offener Fragen und der vom Bodengutachter offen gelegten besonderen Grundwassersituation im Plangebiet allerdings keine Rede sein. Neben der zu beseitigenden Wassermenge war auch der Weg der Ableitung unklar und weder die möglicherweise notwendige Inanspruchnahme privater Grundstücke noch die Einleitungsgenehmigung nach § 7 WHG gesichert. Unklar war des Weiteren, ob die beabsichtigten Einleitungen in die Vorfluter einen Gewässerausbau erfordern und welche Kosten damit verbunden sein würden oder ob das Drainagewasser letztlich doch - nach einem entsprechenden Ausbau - in das Kanalnetz hätte entsorgt werden müssen. Nach allem war mithin im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht geklärt, ob sich der offen gelassene mögliche Interessenkonflikt in einem nachfolgenden Verfahren sachgerecht würde bewältigen lassen.

Ob der Rat die Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz entsprechend § 1a Abs. 2 Nr. 2 BauGB (§ 1a Abs. 3 Satz 1 BauGB n.F.) in der Abwägung hinreichend berücksichtigt hat, vermag der Senat auf der Grundlage der Aufstellungsvorgänge sowohl des Ursprungsplans als auch des Änderungsplans nicht sicher festzustellen.

Sind auf Grund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines Bebauungsplans Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten, ist der Plangeber verpflichtet, zu ermitteln und zu entscheiden, ob vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen und ob und wie unvermeidbare Beeinträchtigungen auszugleichen oder durch Ersatzmaßnahmen zu kompensieren sind. Ermittlung und Entscheidung müssen den Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots entsprechen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.1.1997 - 4 NB 27.96 -, BRS 59 Nr. 8).

Soweit der Änderungsplan abweichend vom Ursprungsplan eine Verbindung zwischen der L.-Straße und der T.-Straße vorsieht, sind damit zusätzliche Versiegelungen, das heißt zusätzliche Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten.

Der Rat hat dementsprechend anlässlich der Planänderung durch das Grünflächenamt der Verwaltung eine Eingriffsbilanzierung "für die geplante Verkehrserschließung zwischen der L.-Straße und der T.-Straße" erstellen lassen. Die Eingriffsbilanzierung gelangt zu dem Ergebnis, dass diese Verkehrserschließung eine zusätzliche Kompensationsfläche von 2.501 qm erforderlich mache, jedoch wegen des bestehenden Kompensationsüberhanges von 5.105 qm im Zusammenhang mit den für den Ursprungsplan festgesetzten Ausgleichsflächen weitere Ausgleichsmaßnahmen entbehrlich seien. Der Rat ist dem gefolgt und in der 1. Ergänzungsbegründung (7.3) davon ausgegangen, dass sich aus dem für den Ursprungsplan erstellten Grünordnungsplan ein deutlicher Kompensationsüberhang ergebe, der den zusätzlichen Bedarf von etwa 2.500 qm Ausgleichsfläche abdecke.

Ob der Rat mit dieser Annahme allerdings von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist, ist zweifelhaft.

Der besagten Eingriffsbilanzierung lässt sich nämlich nicht entnehmen, ob mit der Berücksichtigung der geplanten Verkehrserschließung zwischen L.-Straße und T.-Straße tatsächlich alle Auswirkungen der Planänderung auf die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Beachtung gefunden haben.

Beispielsweise können die Änderung der Höhenlage der Ortsumgehungstrasse und die Veränderung der Flächen für die geplanten Lärmschutzwälle bereits für sich genommen solche Auswirkungen haben. Der Erläuterungsbericht zum Grünordnungsplan - Ortsumgehung B. -, der Gegenstand des Ursprungsplans ist, geht bei der Berechnung der zusätzlichen Kompensationsflächen unter Ziffer 3.2.2.1.2 davon aus, dass für die Seitenräume der Ortsumgehungstrasse in den Bereichen 50 bis 100 m und 100 bis 150 m keine erhebliche Störung mehr zu erwarten sei, da durch die massiven Lärmschutzwälle und die Trog- und Einschnittsführung eine abschirmende Wirkung erreicht werde. Diese Einschätzung hat im Ergebnis dazu geführt, dass für die besagten Bereiche keine Eingriffe in Natur und Landschaft angenommen und keine Kompensationsmaßnahmen vorgesehen wurden, obwohl dafür in der tabellarischen Übersicht unter Ziffer 3.2.1.1.1 Beeinträchtigungsintensitäten von 7 % beziehungsweise 5 % vorgesehen sind. Ob es bei dieser Eingriffsbewertung für die Seitenräume der Ortsumgehungstrasse im Bereich von 50 bis 150 m bleiben kann, obwohl die Abschirmungswirkung der Trogführung wegfällt und auch die Festsetzungen für die geplanten Lärmschutzwälle hinsichtlich Lage, Ausdehnung und Höhe wesentliche Änderungen erfahren haben, hat die Verwaltung offensichtlich nicht geprüft. Jedenfalls hat sie die Prüfung und deren Ergebnis nicht in der Eingriffsbilanzierung dokumentiert, sodass nicht erkennbar ist, ob und in welcher Größenordnung insoweit ein zusätzlicher Kompensationsbedarf entstehen würde und ob dieser noch durch den vom Rat angenommenen Kompensationsüberhang - dessen Bestehen der Senat nicht näher geprüft hat -, gedeckt wäre.

Eine weitere Unsicherheit im Hinblick auf eine beanstandungsfreie Behandlung der Umweltbelange ergibt sich im Zusammenhang mit den geänderten Festsetzungen der für die Lärmschutzwälle vorgesehenen Flächen. Unter Ziffer 3.3 des Erläuterungsberichts zum Grünordnungsplan heißt es:

"Die für den Lärmschutz erforderlichen Erdwallflächen gelten nicht als Eingriff. Sie sind bei der Eingriffsregelung als neutral zu bewerten, da sie durch die mehrschichtig aufgebauten Gehölzpflanzungen und Anreicherungen mit Einzelbäumen und Baumgruppen eine gleichwertige ökologische Funktion erreichen werden".

Die Bewertung der Lärmschutzwallflächen als "neutral" fußt mithin auf der Annahme, dass sie intensiv bepflanzt und durch die Bepflanzung eine höherwertige ökologische Funktion wahrnehmen werden. Eine intensive Bepflanzung ist jedoch für die westlich der Ortsumgehungstrasse festgesetzten Lärmschutzwallflächen im nördlichen und mittleren Planabschnitt nicht gesichert. Für diese Flächen fehlt die für die übrigen Lärmschutzwallflächen getroffene textliche Festsetzung Nr. 5, die je 100 qm eine Bepflanzung mit einem Baum und 50 Sträuchern näher bestimmter Gehölzarten vorschreibt. Es spricht daher vieles dafür, dass wegen der Nichtberücksichtigung der westlich der Ortsumgehungstrasse festgesetzten Lärmschutzwallflächen im nördlichen und mittleren Planabschnitt sowohl die Ermittlung des Umfangs der Eingriffe als auch die Berechnung der zusätzlich erforderlichen Kompensationsflächen fehlerhaft ist.

Die festgestellten Abwägungsmängel sind im Sinne des § 214 Abs. 3 BauGB erheblich und erfassen den Bebauungsplan insgesamt.

Hinsichtlich der Bestimmtheit der die vorgesehenen Lärmschutzwälle betreffenden Höhenfestsetzungen - "maximal + 5,00 m "- bestehen wegen der Verwendung des Zusatzes "maximal", der nach allgemeinem Verständnis eine beliebige Wallhöhe unterhalb von 5 m zulässt, erhebliche Zweifel. Nach der Rechtsprechung fehlt einer Bebauungsplanfestsetzung die gebotene Normenklarheit und Bestimmtheit allerdings nicht schon deshalb, weil sie der Auslegung bedarf. Es ist vielmehr ausreichend, wenn der Norminhalt durch Auslegung ermittelt werden kann, wobei die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut beschränkt wird. Ausschlaggebend ist vielmehr der objektive Wille des Gesetzgebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.12.1995 - 4 N 2.95 -, BRS 57 Nr. 57).

Möglicherweise sind die in der Planurkunde eingetragenen Höhen der geplanten Lärmschutzwälle in Verbindung mit der textlichen Festsetzung Nr. 3 so auszulegen, dass jeweils Lärmschutzwälle von 5 m Höhe über der geplanten Gradiente der Ortsumgehungstrasse festgesetzt sind, diese Lärmschutzwälle aber nicht höher ausgeführt werden dürfen. Es kann aber auch gemeint sein, dass die Lärmschutzwälle - ohne eine Höhe von 5 m zu überschreiten - jeweils so hoch aufgeschüttet werden sollen, wie es der Lärmschutz an der jeweiligen Stelle erfordert.

Ob und wenn ja welche dieser Auslegungsvarianten dem wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck gekommenen Willen des Plangebers entspricht, vermag der Senat nicht eindeutig festzustellen. Die Beantwortung dieser Fragen ergibt sich jedenfalls nicht ohne weiteres aus Nr. 7.2 der Planbegründung, wonach die Lärmschutzwälle nach dem der Begründung als Anlage beigefügten akustischen Gutachten - gemeint ist die Schalltechnische Untersuchung der M.-BBM GmbH vom 13.1.2003 - dimensioniert werden sollen. In dieser Schalltechnischen Untersuchung heißt es dazu unter Ziffer 1 lediglich: "Für die Neubaustrecke sind Wallanlagen mit einer Höhe von 5 m über Fahrbahnoberkante der Neubauplanung bereits festgelegt worden. Diese Erdwälle werden zur Fahrbahn hin als Steilwälle mit einem Neigungsverhältnis von 1:0,6 ausgebildet". Die Untersuchung geht mithin fälschlich von einer bereits konkret festgesetzten Höhe der Lärmschutzwälle aus, ohne selbst die ihr in der Planbegründung zugewiesene Dimensionierung dieser Wälle vorzunehmen.

Letztlich braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die die vorgesehenen Lärmschutzwälle betreffenden Höhenfestsetzungen unwirksam sind und ob diese Unwirksamkeit zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans führen würde, da sich letztere bereits aus den oben festgestellten Abwägungsmängeln ergibt.

Im Hinblick auf die Bedeutung des streitgegenständlichen 2. Bauabschnitts der Ortsumgehung B. für die mit dieser Ortsumgehung insgesamt und der nachfolgenden Umgestaltung des Ortskerns verbundenen Konzeption ist damit zu rechnen, dass der Rat der Antragsgegnerin die oben angesprochenen Mängel des Bebauungsplans beheben und ihn erneut als Satzung beschließen wird. Da eine solche Fehlerkorrektur als durchaus möglich erscheint, sieht sich der Senat zur Vermeidung künftiger Rechtsstreitigkeiten veranlasst, zu den von den Beteiligten angesprochenen und diskutierten Gesichtspunkten, die die Wirksamkeit des Bebauungsplans betreffen und auch für einen neuen Bebauungsplan von Bedeutung sein können, Folgendes auszuführen: (Wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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