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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 10.12.2004
Aktenzeichen: 10a D 133/02.NE
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs 7
1. Setzt ein Bebauungsplan ein Sondergebiet mit der Zweckbestimmung "Großflächiger Einzelhandel (Bau- und Heimwerkermarkt mit Gartencenter/Baustoff-handel)" fest, ist eine weitere Festsetzung, nach der in dem Sondergebiet Gewerbebetriebe aller Art und Lagerhäuser gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO bis zu einer Bruttogeschossfläche von maximal 3.000 qm ausnahmsweise zugelassen werden können, mit der Zweckbestimmung des Sondergebiets nicht vereinbar.

2. Das öffentliche Interesse an einer Festsetzung, die die Bevorratung von Straßenland im Hinblick auf die spätere Umsetzung eines bestimmten Verkehrskonzeptes bezweckt, rechtfertigt den Eingriff in privates Eigentum jedenfalls dann nicht, wenn Konzeptvarianten zur Verfügung stehen, die ohne einen solchen Eingriff auskommen, und die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das bevorratete Straßenland tatsächlich gebraucht wird, in keiner Weise abgeschätzt worden ist.


Tatbestand:

Der Antragsteller zu 2) ist Eigentümer eines bebauten Grundstücks, auf dem eine Baustoffhandlung betrieben wird. Das Grundstück hat der Antragsteller zu 2) als Einlage in die Firma A. GbR Handelsgesellschaft, die Antragstellerin zu 1), eingebracht. Es liegt im Geltungsbereich des mit dem Normenkontrollantrag angegriffenen Bebauungsplans, der die zur Bebauung vorgesehenen Flächen im Plangebiet als Sondergebiet "Großflächiger Einzelhandel/Baustoffhandel" festsetzt. Das Grundstück des Antragstellers zu 2) ist in wesentlichen Teilen als öffentliche Verkehrsfläche überplant. Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Gründe:

Sowohl der Ursprungsbebauungsplan als auch seine 1. vereinfachte Änderung leiden an einem Ausfertigungsmangel. Während das Bundesrecht ungeregelt lässt, welche Anforderungen im Einzelnen an die Ausfertigung zu stellen sind, ist für das Landesrecht in Bezug auf die Ausfertigung von Bebauungsplänen geklärt, dass es mangels ausdrücklicher normativer Vorgaben für die Ausfertigung ausreicht, wenn eine Originalurkunde geschaffen wird, auf welcher der Bürgermeister als Vorsitzender des Rates zeitlich nach dem Ratsbeschluss und vor Verkündung der Satzung schriftlich bestätigt, dass der Rat an einem näher bezeichneten Tag "diesen Bebauungsplan als Satzung beschlossen" hat (vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.12.1991 - 7a NE 77/90 -, NWVBl. 1992, 357). Zwar enthalten die dem Senat in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Originale der ursprünglichen Planurkunde und der die 1. vereinfachte Änderung betreffenden Planurkunde jeweils eine solche schriftliche Bestätigung, doch sind diese schriftlichen Bestätigungen auf den 5.12.2000 beziehungsweise auf den 30.8.2002 datiert und liegen damit zeitlich nach den öffentlichen Bekanntmachungen der Satzungen am 27.11.2000 beziehungsweise 25.7.2002. Die Ausfertigungsvermerke genügen somit nicht der Anforderung, wonach aus rechtsstaatlichen Gründen die Satzung vor dem Bekanntmachungsakt ausgefertigt werden muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.1.1999 - 4 B 129.89 -, BRS 62 Nr. 29). Die gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgeschriebene ortsübliche Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses richtet sich nach der nordrhein-westfälischen Bekanntmachungsverordnung - BekanntmVO -. Der Bekanntmachungsakt, durch den der Bebauungsplan in Kraft gesetzt wird, ist hiernach nicht das Unterzeichnen der Bekanntmachungsanordnung nach § 2 Abs. 3 und 4 BekanntmVO, sondern die öffentliche Bekanntmachung beziehungsweise ihr Vollzug - hier nach § 4 Abs. 1 Buchstabe a, § 6 Abs. 1 Satz 1 BekanntmVO. Die Hauptsatzung der Antragsgegnerin vom 15.12.1994 sieht in § 15 Abs. 1 vor, dass Satzungen - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - durch einmaligen Abdruck im "Kreisblatt, Mitteilungsblatt des Kreises L. und seiner Städte und Gemeinden" bekannt gemacht werden. Das Erscheinen im Kreisblatt ist der maßgebliche Bekanntmachungszeitpunkt. Der Hinweis auf die jeweilige Bekanntmachung im Kreisblatt, der nach § 15 Abs. 2 Satz 1 der Hauptsatzung nachrichtlich in den örtlichen Tageszeitungen unter der Rubrik "Amtliche Bekanntmachungen" erfolgen soll, ist für den Bekanntmachungszeitpunkt ebenso ohne Bedeutung wie der nach § 15 Abs. 2 Satz 2 der Hauptsatzung vorgesehene zehntägige nachrichtliche Aushang an den amtlichen Bekanntmachungstafeln der Stadt. Bei den beiden letztgenannten Vorschriften handelt es sich jeweils lediglich um Soll-Vorschriften, die den bloß nachrichtlichen Charakter des Hinweises beziehungsweise des Aushanges ausdrücklich herausstellen. Somit ist der Satzungsbeschluss über den Ursprungsplan nicht etwa erst mit dem Hinweis in der örtlichen Presse am 9.12.2000 und damit nach der Ausfertigung bekannt gemacht worden. Vielmehr hat die Bekanntmachung - wie oben festgestellt - bereits mit der Veröffentlichung im Kreisblatt am 27.11.2000 stattgefunden.

Auf Grund der vorstehend beschriebenen Ausfertigungsmängel ist der Bebauungsplan sowohl in der Fassung der 1. vereinfachten Änderung als auch in der Ursprungsfassung unwirksam. Allerdings können die Mängel durch erneute Bekanntmachung behoben werden (§ 215a BauGB a.F.) und zwar - selbst nach Jahren - grundsätzlich ohne erneuten Satzungsbeschluss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.4.1997 - 4 B 64.97 -, BRS 59 Nr. 33).

Der Bebauungsplan weist zudem - sowohl in seiner Ursprungsfassung als auch in der Fassung der 1. vereinfachten Änderung - materielle Fehler auf, die ebenfalls zu seiner Unwirksamkeit führen.

Soweit die textlichen Festsetzungen bestimmen, dass Gewerbebetriebe aller Art und Lagerhäuser gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO bis zu einer Bruttogeschossfläche von maximal 3.000 qm ausnahmsweise zugelassen werden können, ist diese Bestimmung unzulässig. Die ausnahmsweise Zulassung von "Gewerbebetrieben aller Art" und von beliebigen Zwecken dienenden "Lagerhäusern" ist mit der Zweckbestimmung des festgesetzten Sondergebiets nicht zu vereinbaren. Der Plangeber kann im Rahmen des § 11 Abs. 1 BauNVO einen Ausschnitt der für die typischen Baugebiete zulässigen Nutzungsarten zum alleinigen Gegen-stand eines Sondergebiets machen, wenn dieser Ausschnitt gerade nicht dem generellen Gebietscharakter der Baugebietstypen entspricht. Dies ist hier geschehen, indem der Plangeber ein Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel (Bau- und Heimwerkermarkt mit Gartencenter/Baustoffhandel) festgesetzt hat. Durch die ausnahmsweise Zulassung gänzlich anderer Nutzungstypen - das Spektrum der Gewerbebetriebe aller Art ist nahezu uferlos - verliert das Sondergebiet den ihm mit der Zweckbestimmung beigegebenen eigenen Charakter. Hintergrund dieser Festsetzung war nach den Ausführungen der Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung die Absicht der Firma L. KG, einen Teil der Sondergebietsfläche für eine anderweitige gewerbliche Nutzung zu verpachten.

Ob der Plangeber durch anders lautende und städtebaulich begründete Festsetzungen ein Sondergebiet mit dem von ihm beabsichtigten Nutzungsspektrum hätte planen können (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 24.8.2000 - 1 C 11457/99 -, BRS 63 Nr. 83), bedarf hier keiner Entscheidung. In dem besagten Verfahren hatte das OVG Rh.-Pf. über die Zulässigkeit eines Sondergebiets mit der Zweckbestimmung "Großflächiger Einzelhandel und sonstige Gewerbebetriebe" zu befinden. Städtebaulich begründet worden war jene Sondergebietsfestsetzung damit, dass eine teilweise durch bestehende Gewerbebetriebe genutzte Fläche überplant und das Brachliegen von Grundstücken bei fehlender Nachfrage für großflächigen Einzelhandel verhindert werden solle.

Im Übrigen wird die nach § 1 Abs. 7 BauGB erforderliche Abwägung der öffentlichen und privaten Belange den besonderen Anforderungen, die bei der Änderung eines Bebauungsplans zu erfüllen sind, insoweit nicht gerecht, als der Plan wesentliche Teile des Grundstücks der Antragsteller - einschließlich des zugehörigen Gebäudebestandes - als öffentliche Verkehrsfläche festsetzt.

Besteht - wie hier - ein Recht zur baulichen Nutzung, kommt der normativen Entziehung oder Beschränkung desselben erhebliches Gewicht zu, das sich im Rahmen der Abwägung auswirken muss. Beim Erlass wie bei der Änderung eines Bebauungsplans muss daher im Rahmen der planerischen Abwägung das private Interesse am Erhalt bestehender baulicher Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interesse an der gewollten städtebaulichen Neuordnung des Plangebiets abgewogen werden. Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug der baulichen Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine (Teil-)Enteignung auswirken kann. Eine Festsetzung, die als Folge des gewählten Standortes die Nutzbarkeit nur bestimmter Grundstücke empfindlich beschneidet, entspricht den Anforderungen einer gerechten Abwägung grundsätzlich nur dann, wenn für die Festsetzung gerade an dieser Stelle einleuchtende Gründe bestehen, wenn etwa die natürlichen Geländeverhältnisse die planerische Lösung mehr oder minder vorzeichnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 - BRS 65 Nr. 6 = NVwZ 2003, S. 727 = BauR 2003, S. 1338 = NuR 2003, S. 350).

Nach diesen Grundsätzen begegnet die fremdnützige Überplanung des Grundstücks der Antragsteller durchgreifenden Bedenken.

Der Plangeber hat keine hinreichend gewichtigen öffentlichen Interessen für den Eingriff in das private Eigentum der Antragsteller angeführt. Zur Grundlage für die Festsetzung der öffentlichen Verkehrsfläche im Bereich des Grundbesitzes der Antragsteller hat er die "Verkehrstechnische Untersuchung Baustoff-Centrum im Sondergebiet W." der Ingenieurgesellschaft G. vom Juni 1999 gemacht (Ziffer 11.1 der Planbegründung), die lediglich das Verkehrsaufkommen im Zusammenhang mit dem konkreten Vorhaben der Firma L. KG zum Gegenstand hat. Ob sie im Hinblick auf ihre Vorhabenbezogenheit überhaupt geeignet ist, dem vom Plangeber entwickelten Verkehrskonzept als Grundlage zu dienen, ist äußerst fraglich, da das Vorhaben der Firma L. KG nur eine von vielen denkbaren Nutzungen des Baugebiets darstellt. Aber auch auf der Grundlage der besagten Untersuchung lassen sich keine hinreichend gewichtigen öffentlichen Interessen für die Überplanung des Grundbesitzes der Antragsteller finden. Die Untersuchung gelangt zu dem Ergebnis, dass von insgesamt sechs entwickelten Lösungen zur Anbindung des Baugebiets an das übergeordnete Straßennetz grundsätzlich drei Vorschläge geeignet seien:

Variante 1: Kreisverkehrsplatz bei Haus W.-Straße Nr. 110 (ebenso die alternativen Lagen bei Haus W.-Straße Nr. 108 oder Haus W.-Straße Nr. 81);

Variante 2: Steuerung der Verkehrsströme mit Hilfe einer Lichtsignalanlage an der W.-Straße/D.-Straße;

Zusatzvariante 3: Ausbau des Knotenpunktes W.-Straße/D.-Straße mit Betrieb ohne Lichtsignalanlage.

Die Gutachter empfehlen unter Berücksichtigung der Tatsache, dass mit dem geplanten Umbau der Bundesstraße in etwa zehn Jahren bauliche und betriebliche Veränderungen im Bereich W.-Straße und D.-Straße zu erwarten seien, als kurzfristige Lösung eindeutig die Zusatzvariante 3. Die verlautbarten Gründe, aus denen sich der Rat trotz zweier von den Gutachtern aufgezeigten Lösungen, die keinen Eingriff in privates Eigentum erforderlich machen würden, gleichwohl für die Variante 1 und darüber hinaus für die Lage des Kreisverkehrsplatzes im Bereich des Hauses W.-Straße Nr. 81 entschieden hat, tragen die Abwägung nicht.

Nach der Stellungnahme der Verwaltung zu den von den Antragstellern im Aufstellungsverfahren erhobenen Einwendungen, der sich der Rat im Rahmen der Abwägung angeschlossen hat, berücksichtigt die Festsetzung der öffentlichen Verkehrsfläche im Bereich des Hauses W.-Straße Nr. 81 den Fall, dass die Verkehrsanbindung der Straße "G. S." (einschließlich der Anbindung des Baustoffmarktes) an die D.-Straße/W.-Straße überlastet sein sollte. Welche Wahrscheinlichkeit für eine solche Überlastung besteht, hat der Plangeber nicht ermittelt. Die Prognose der angesprochenen Verkehrstechnischen Untersuchung gibt für ein solches Überlastungsszenario nichts her, sondern geht im Gegenteil davon aus, dass die Verkehrsknoten in allen vorgeschlagenen Lösungen insoweit "leistungsfähig" sind, als sie sowohl den Grundverkehr als auch den zusätzlichen mit dem Baugebiet zusammenhängenden Verkehr bewältigen können. Im Hinblick auf die nach der oben zitierten Begründung nur "vorsorgliche" Festsetzung der öffentlichen Verkehrsfläche im Bereich des Hauses W.-Straße 81 ist in der Stellnahme der Verwaltung weiter ausgeführt, es sei zur Zeit nicht absehbar, ob die im Bereich des Grundbesitzes der Antragsteller als öffentliche Verkehrsfläche festgesetzten Flächen in absehbarer Zeit benötigt würden. Mittelfristig sei aber davon auszugehen, dass auf die Flächen zugegriffen werden müsse. Diese letzte Annahme stellt sich als bloße Behauptung dar und ist weder durch die Angabe tatsächlicher Umstände noch durch eine Prognose belegt.

Ebenso wenig bieten die in der Planbegründung enthaltenen Ausführungen gewichtige Gründe für die Inanspruchnahme des Grundbesitzes der Antragsteller. In Ziffer 1.1.2 der Planbegründung heißt es dazu, die am besten eingestufte Variante sehe einen Kreisverkehrsplatz im Bereich des Hauses W.-Straße 81 vor. Die Zufahrt des Baumarktes führe nicht direkt, sondern über die Straße "G. S." auf den Kreisverkehrsplatz. Dadurch werde eine eindeutige Verkehrssituation im Bereich des Knotenpunktes geschaffen. Die Qualität dieser Variante werde in der Verkehrstechnischen Untersuchung als gut bezeichnet. Die Vorzüge eines Ausbaus der Kreuzung zu einem Kreisverkehr seien in verkehrlicher Hinsicht die erheblich bessere Anbindung der Straße "G. S.", einschließlich der Zufahrt zu dem Baustoffzentrum, und in städtebaulicher Hinsicht die Erhaltung des W.-K. als Endpunkt der Sichtachse der W.-Straße.

Die genannten Gründe treffen ausnahmslos auch auf die Verkehrskonzepte zu, die der Variante 2 oder der Zusatzvariante 3 entsprechen würden. Nichts anderes würde für die Anlage eines Kreisverkehrsplatzes im Bereich des Hauses W.-Stra-ße 108 gelten, die nach der Verkehrstechnischen Untersuchung auch an dieser Stelle als Lösung in Betracht kommen würde.

Schließlich verlieren die für die Inanspruchnahme des Grundbesitzes der Antragsteller angeführten Gründe dadurch an Gewicht, dass der Rat die Kreisverkehrsvariante für sein Verkehrskonzept gar nicht als zwingend erforderlich angesehen hat, sondern sich mit der umstrittenen Festsetzung diese Lösung nur vorsorglich - nämlich für den Fall einer möglichen verkehrlichen Überlastung des Knotenpunktes "G. S."/W.-Straße/D.-Straße - offen halten wollte. Das Interesse an einer derartigen Bevorratung von Straßenland rechtfertigt den Eingriff in privates Eigentum jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - gleichwertige Verkehrskonzepte zur Verfügung stehen, die ohne einen solchen Eingriff auskommen, und die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das bevorratete Straßenland tatsächlich gebraucht wird, in keiner Weise abgeschätzt worden ist. Abgesehen davon, dass der Rat keine gewichtigen öffentlichen Interessen für den Eingriff in das private Eigentum der Antragsteller dargelegt hat, fehlt es auch an Erwägungen dazu, dass der Bestandssicherung grundsätzlich Vorrang vor der Entschädigung einzuräumen ist. Dass der Rat konkrete Vorstellungen zu einer Umsiedlung des Betriebes entwickelt oder eine Bestandssicherung in anderer Form erwogen hat, ist nicht ersichtlich. Möglicherweise erforderliche Entschädigungszahlungen an die Antragsteller sind in Ziffer 20 der Planbegründung - Realisierung und Kosten - nicht berücksichtigt.

Abwägungsfehlerhaft ist desweiteren die Behandlung der sich aus der Planung ergebenden Lärmproblematik.

Der Senat kann bei der im Normenkontrollverfahren gebotenen objektiven Prüfung den Bebauungsplan auch auf solche Abwägungsfehler untersuchen, die der Antragsteller mit seinem Normenkontrollantrag nicht geltend gemacht hat, denn die Frist des insoweit noch maßgeblichen § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a.F., wonach Mängel der Abwägung unbeachtlich werden, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind, ist noch nicht abgelaufen. Die Unbeachtlichkeit eines Abwägungsfehlers gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a.F. hängt von zwei Voraussetzungen ab, nämlich dem Fristablauf und dem Nichtvorliegen einer Mängelrüge. Die Frist ist ein entscheidendes Element der Fehlerfolgenregelung. Erst nach Ablauf der festgelegten Zeit soll, wenn niemand eine Rüge erhoben hat, der an sich beachtliche Fehler unbeachtlich werden. Bis zum Fristablauf ist die uneingeschränkte Kontrolle eines Bebauungsplans auf Abwägungsfehler möglich und im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz auch geboten.

Der Rat hat Maßnahmen zur Lärmminderung im Hinblick auf die Wohnbebauung nördlich der Straße "G. S." für erforderlich gehalten (Ziffern 12.1.1 und 12.2 der Planbegründung). Die gutachterlichen Untersuchungen im Aufstellungsverfahren tragen jedoch die in diesem Zusammenhang erfolgte Festsetzung eines immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegels (IFSP) nicht. Der IFSP ermöglicht und bezweckt eine Lärmkontingentierung innerhalb eines Baugebiets. Welches Lärmkontingent auf welche Fläche innerhalb des Plangebiets entfallen soll, lässt sich jedoch weder den konkreten Festsetzungen noch den Aufstellungsvorgängen entnehmen. Die Schalltechnische Untersuchung des Ingenieurbüros B. vom 14.7.1999, die in Ziffer 12.1 der Planbegründung als Grundlage für die Behandlung der Lärmproblematik im Bebauungsplanverfahren bezeichnet wird, ist für die Lärmabschätzung und die daraus vom Rat zu ziehenden Folgerungen gänzlich ungeeignet, da sie sich ausschließlich mit dem von dem Vorhaben der Firma L. KG zu erwartenden Lärm befasst. Die Untersuchung legt im Hinblick auf die künftige Nutzung des Baugebiets eine bestimmte Stellung der Baukörper, eine bestimmte Lage der Zufahrt und der Stellplätze sowie bestimmte Betriebsabläufe zu Grunde. Dass diese von den Gutachtern angenommenen Voraussetzungen bei der späteren Nutzung des Baugebiets tatsächlich und dauerhaft vorliegen werden, ist bei der gewählten Form der Planung - Angebotsplanung statt eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans - in keiner Weise gewährleistet. In Ziffer 11 der Planbegründung geht der Rat beispielsweise davon aus, dass aus Gründen des Lärmschutzes auf den Bau von Stellplätzen zwischen der Straße "G. S." und dem Gebäude - gemeint ist der von der Firma L. KG entlang der Straße "G. S." geplante Baukörper - verzichtet werden solle. Die getroffenen Festsetzungen stellen diese Forderung aber keineswegs sicher. Die überbaubare Grundstücksfläche entlang der Straße "G. S." ist nicht etwa durch eine Baulinie bestimmt, die die Stellung der Baukörper vorgibt. Vielmehr können die Gebäude hinter der parallel zur Straßenbegrenzungslinie verlaufenden Baugrenze zurücktreten und Raum für die Anlage von Stellplätzen schaffen, die innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen überall im Plangebiet zulässig sind. Die Anlage von Grundstückszufahrten, die zur Straße "G. S." orientiert sind, ist ebenfalls nicht ausgeschlossen.

Ein weiterer Abwägungsfehler ist hinsichtlich des Wegfalls der für die Baukörper zunächst festgesetzten Höhenbegrenzungen im Rahmen der 1. vereinfachten Änderung des Bebauungsplans festzustellen. Mit den ursprünglich festgesetzten Höhenbegrenzungen wollte der Rat - wie sich aus Ziffer 9.2 der Planbegründung ergibt - im öffentlichen Interesse und im Interesse der Angrenzer eine städtebauliche Einbindung in die umliegende Bebauung und in die Landschaft erreichen. Den Wegfall der Höhenbegrenzungen durch die 1. vereinfachte Änderung des Plans begründet der Rat - ohne das mit den Höhenbegrenzungen angestrebte Ziel ausdrücklich aufzugeben - damit, dass durch die enge Festsetzung der Baumassenzahl ohnehin bei späteren Erweiterungen keine an dieser Stelle unverträglichen Gebäudehöhen erreicht werden könnten. Diese Begründung, die sich wiederum unzulässigerweise ausschließlich am Zuschnitt des von der Firma L. KG geplanten Baukörpers orientiert, trägt angesichts einer Baugebietsfläche von mehr als 5 ha und einer zulässigen Baumasse von mehr als 200.000 cbm nicht.

Die vorstehend festgestellten Abwägungsmängel sind auch erheblich im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB a.F., denn sie sind offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. (Wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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