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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.04.2004
Aktenzeichen: 11 A 2594/02
Rechtsgebiete: StrWG NRW, StVO


Vorschriften:

StrWG NRW § 14
StrWG NRW § 18
StrWG NRW § 19a
StVO § 12
1. Das Abstellen eines nicht zum Verkehr zugelassenen und damit aus Rechtsgründen nicht betriebsbereiten Kraftfahrzeuges ist kein Parken im straßenverkehrsrechtlichen Sinn und damit auch kein straßenrechtlicher Gemeingebrauch, sondern Sondernutzung.

2. Eine Sondernutzungssatzung kann bestimmen, dass für das Abstellen eines nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuges auf einer öffentlichen Straße Sondernutzungsgebühren in Höhe einer vollen Monatsgebühr je angefangenem Kalendermonat erhoben werden können.

3. Die Höhe der Sondernutzungsgebühren für das Abstellen nicht zum Verkehr zugelassener Fahrzeuge darf sich grundsätzlich an den - ortsüblichen - Aufwendungen für die Miete privater Garagen oder Stellplätze orientieren.

4. Derjenige, der die Sondernutzung ohne die vorgeschriebene förmliche Erlaubnis, also "illegal" ausübt, kann sich hinsichtlich einer nachträglichen Gebührenerhebung nicht auf Unkenntnis der gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorschriften berufen.


Tatbestand:

Der Kläger hatte sein nicht mehr zum Verkehr zugelassenes Kraftfahrzeug zumindest vom 20.5.1998 bis zum 22.6.1998 auf einer öffentlichen Verkehrsfläche im Bereich der Stadt H. abgestellt, die in die Gebietszone 2 des Gebührentarifs zu § 6 der Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen in der Stadt H. - Sondernutzungssatzung - fällt. Der Beklagte zog den Kläger zur Zahlung von Sondernutzungsgebühren für zwei Monate heran. Widerspruch und Klage, mit denen der Kläger insbesondere die Unverhältnismäßigkeit der Erhebung einer vollen Monatsgebühr für jeden angefangenen Kalendermonat rügte, hatten keinen Erfolg. Das OVG lehnte den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ab.

Gründe:

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO greift nicht durch. Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils bedarf im Lichte der vom Kläger vorgetragenen Einwände gegen die Anwendung und Auslegung des § 19a StrWG NRW i. V. m. mit den Bestimmungen der Sondernutzungssatzung jedenfalls im Ergebnis keiner weiteren Prüfung in einem Berufungsverfahren.

Das Abstellen eines nicht zum Verkehr zugelassenen und damit aus Rechtsgründen nicht betriebsbereiten Kraftfahrzeuges ist kein Parken i. S. d. § 12 StVO und damit auch kein Gemeingebrauch i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW, sondern Sondernutzung (OVG NRW, Urteil vom 4.12.2000 - 11 A 2870/97 -, NVwZ 2002, 218 [219]).

Eine solche Sondernutzung ist im Grundsatz nach § 18 Abs. 1 StrWG NRW erlaubnispflichtig. Für sie können nach § 19a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW i. V. m. den Regelungen der Gebührensatzung einer Gemeinde Sondernutzungsgebühren erhoben werden. Dass die Sondernutzung ohne Erlaubnis ausgeübt worden ist, steht der Erhebung von Sondernutzungsgebühren nicht entgegen. Sondernutzungsgebühren sind keine Verwaltungsgebühren für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis. Die Gebühren werden vielmehr für die Tatsache der Sondernutzung als solche geschuldet (Vgl. BVerwG, Urteile vom 21.10.1970 - IV C 38.69 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 3, S. 5, vom 28.9.1979 - 7 C 22.78 -, BVerwGE 58, 316 [320], und vom 26.6.1981 - 4 C 73.78 -, Buchholz 407.4 § 8 FStrG Nr. 17, S. 2).

Die Befugnis des Beklagten zur Erhebung von Sondernutzungsgebühren für das Abstellen eines nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuges auf öffentlichen Verkehrsflächen ergibt sich hier aus § 19a StrWG NRW i. V. m. § 6 Abs. 1 und 3 der Sondernutzungssatzung und der Nr. 6 lit. b) des Gebührentarifs zu § 6 der Sondernutzungssatzung. Entgegen der Auffassung des Klägers und den kritischen Ausführungen des VG im angefochtenen Urteil ist insbesondere die Bestimmung des § 6 Abs. 3 Satz 1 der Sondernutzungssatzung rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Sondernutzungssatzung kann bestimmen, dass für das Abstellen eines nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuges auf einer öffentlichen Straße Sondernutzungsgebühren in Höhe einer vollen Monatsgebühr je angefangenem Kalendermonat erhoben werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Gerichts steht dem Normgeber im Abgabenrecht bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen ein weites Ermessen zu, das nur auf die Einhaltung der Grenzen des sachlich Vertretbaren geprüft werden kann (Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 6.9.1974 - II A 1173/73 -, OVGE 30, 39 [42 f.], und Beschlüsse vom 25.2.2000 - 15 A 3495/96 -, NVwZ-RR 200, 825 [826], sowie vom 18.10.2000 - 15 A 4770/00 -).

Hiernach ist es dem Satzungsgeber gestattet, bei der Regelung der Abgabenpflicht an typische Regelfälle eines Sachbereichs anzuknüpfen und die Besonderheiten des Einzelfalls außer Betracht zu lassen; eine derartige pauschalierende Regelung, die sich aus dem Gesichtspunkt der Praktikabilität rechtfertigt, verletzt als solche noch nicht den Gleichheitssatz. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung einer Regelung auf die Gebührenpflichtigen darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Die abgabenrechtlichen Vorteile der Typisierung müssen in einem rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen. Wirkt sich eine Abgabenregelung im Ergebnis dahin aus, dass ganze Gruppen von Abgabenpflichtigen wesentlich stärker belastet sind als andere, so können diese ungleichen Folgen in einem Missverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen stehen.

Ein solches Missverhältnis liegt hinsichtlich der angegriffenen Regelung nicht vor. Wenn der Sondernutzer für eine Sondernutzung der in Rede stehenden Art ordnungsgemäß eine Erlaubnis nach den § 18 Abs. 1 StrWG NRW i. V. m. der Sondernutzungssatzung beantragt, kann er selbst den entsprechenden Nutzungszeitraum bestimmen und abwägen, ob er eine volle Monatsgebühr für jeden angefangenen Kalendermonat entrichten will, obwohl er den Zeitrahmen - aus welchen Gründen auch immer - nicht in vollem Umfang ausnutzen kann oder will. Private Abstellmöglichkeiten, sei es in Garagen, sei es im Freien, werden in aller Regel auch nur monatsweise vermietet. Der volle Monatsmietzins ist unabhängig davon zu zahlen, ob der Mieter sein Kraftfahrzeug einen ganzen Monat oder auch nur einen Tag dort abstellt.

Derjenige, der - wie der Kläger - die Sondernutzung ohne die vorgeschriebene förmliche Erlaubnis, also "illegal" ausübt, kann sich hinsichtlich einer nachträglichen Gebührenerhebung nicht auf Unkenntnis der gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorschriften berufen. Es versteht sich vielmehr von selbst, dass ein solcher "illegaler" Nutzer gegenüber dem gesetzestreuen Nutzer keine Besserstellung beanspruchen kann. Das gilt um so mehr, als ein Nutzer, der seine beabsichtigte Sondernutzung der Behörde nicht durch die gebotene Beantragung einer Erlaubnis anzeigt, nahezu zwangsläufig schon den ungerechtfertigten Vorteil genießt, dass er der Behörde die Feststellung der Sondernutzung, vor allem aber ihrer Dauer, erschwert. Denn die Behörde kann die Gebührenbemessung erst von dem Zeitpunkt an vornehmen, zu dem sie die Sondernutzung feststellt und nachweisen kann. Angesichts der aus personellen wie finanziellen Gründen beschränkten Kontrollmöglichkeiten der Gemeinden kann dieser Zeitpunkt gegebenenfalls deutlich nach der tatsächlichen Aufnahme der Sondernutzung liegen. Gerade der Grundsatz der Typengerechtigkeit lässt damit keine Differenzierung zugunsten des - rechtlich - als Ausnahmefall zu wertenden illegalen Sondernutzers zu (ebenso zur Monatsgebühr für die unerlaubte Sondernutzung durch einen Verkaufsstand: Hamb. OVG, Urteil vom 30.1.1992 - Bf II 25/91 -, HmbJVBl. 1993, 111 [Ls.], Langtext in Juris). Im Gegenteil ermöglicht gerade die vom Kläger beanstandete Monatsgebühr hier eine praktikablere, gerechtere Erfassung des für die Gebührenberechnung maßgebenden Zeitraums.

Nicht gefolgt werden kann schließlich der Meinung des Klägers, die Gebührenerhebung für volle Kalendermonate verstoße gegen § 19a Abs. 2 Satz 3 StrWG NRW. Hiernach sind bei Bemessung der Gebühren Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen. Dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, hat bereits das VG unter Hinweis auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 15.7.1988 - 7 C 5.87 -, BVerwGE 80, 36 ff.) dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden. Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass insbesondere durch die Staffelung nach Gebietszonen - Gebietszone 1: 200,00 DM/mtl.; Gebietszone 2: 150,00 DM/mtl.; Gebietszone 3: 100,00 DM/mtl. - den Interessen des Gebührenschuldners hinreichend Rechnung getragen wird. Bei dem Abstellen eines nicht zugelassenen Fahrzeuges auf öffentlichem Straßenland in Ermangelung einer eigenen privaten Einstellmöglichkeit erspart sich der Sondernutzer die Miete für die Nutzung der Garage oder des Stellplatzes eines Dritten. Die Miete kann ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses eines Sondernutzers sein (BVerwG, Beschluss vom 25.10.2000 - 3 B 42.00 -, n. v., Langtext in Juris).

Der Senat sieht nach allen Erfahrungswerten keine Anhaltspunkte dafür, dass die - zumal gestaffelten - monatlichen satzungsmäßigen Sondernutzungsgebühren außer Verhältnis zu den für private Stellplätze in einer Großstadt mitten im Ruhrgebiet aufzuwendenden Kosten stehen.



Ende der Entscheidung

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