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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 29.04.2009
Aktenzeichen: 11 A 3502/06
Rechtsgebiete: StrWG NRW, KrW-/AbfG


Vorschriften:

StrWG NRW § 2
StrWG NRW § 17
StrWG NRW § 22
KrW-/AbfG § 3
KrW-/AbfG § 10
Ein Grundstück unter einer Brücke, die Teil einer öffentlichen Straße im Sinne des § 2 StrWG NRW ist, kann als Nebenanlage zur Straße gehören. Um eine Nebenanlage handelt es sich jedenfalls dann, wenn die Fläche in besonderer Weise für die regelmäßige Überprüfung der Verkehrssicherheit des Brückenbauwerks angelegt ist.

Was Abfall im Sinne des § 17 Abs. 2 StrWG NRW ist, richtet sich nach dem Abfallbegriff des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes.

§ 17 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW räumt dem Träger der Straßenbaulast kein Ermessen hinsichtlich der Heranziehung zum Kostenersatz ein.


Tatbestand:

Der Kläger hatte auf einem Grundstück unter dem Brückenbauwerk einer Landesstraße einen Unterstand für Schafe errichtet. Der Beklagte ließ die Fläche räumen und forderte Kostenersatz. Das VG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Die Berufung des Beklagten hatte im Wesentlichen Erfolg.

Gründe:

Rechtsgrundlage des Bescheids ist § 17 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW. Danach kann der Träger der Straßenbaulast Abfall, der im Bereich von Straßen außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile fortgeworfen oder verbotswidrig gelagert wird, auf Kosten des Verursachers entsorgen. Diese Regelung stellt eine Rechtsgrundlage für den Erlass eines Bescheids dar, mit dem von dem Verursacher Ersatz der Kosten verlangt wird.

Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drs. 11/7738, S. 35 f., und Hengst/Majcherek, Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, Loseblattkommentar (Stand Dezember 2006), Anm. 3 zu § 17.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Regelung, für deren Anwendung hier der Beklagte als Träger der Straßenbaulast (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 StrWG NRW) zuständig ist, sind erfüllt.

Der Bescheid betrifft die Entsorgung von verbotswidrig gelagertem Abfall im Sinne des § 17 Abs. 2 StrWG NRW.

Was Abfall im Sinne des § 17 Abs. 2 StrWG NRW ist, richtet sich mangels anderweitiger Anhaltspunkte nach den Begriffsbestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG sind Abfälle alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I des Gesetzes aufgeführten Gruppen fallen und deren sich der Besitzer entledigt (§ 3 Abs. 2 KrW-/AbfG), entledigen will (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 KrW/AbfG) oder entledigen muss (§ 3 Abs. 4 KrW-/AbfG). Verbotswidrig im Sinne von § 17 Abs. 2 StrWG NRW ist die Lagerung von Abfall, wenn Abfall im vorgenannten Sinne entgegen der nach dem KrW-/AbfG vorgesehenen Ordnung der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung (§§ 10 ff. KrW-/AbfG) gelagert wird.

Auf dem Grundstück war daran gemessen Abfall verbotswidrig gelagert worden. Dies ergibt sich im Einzelnen aus den Feststellungen an Ort und Stelle, die in den bei den Akten befindlichen Vermerken des Beklagten festgehalten sind. Danach ist davon auszugehen, dass sich der Kläger der aufgeführten Gegenstände im Sinne des Gesetzes entledigen wollte oder musste, sie allerdings entgegen der gesetzlich vorgesehenen Ordnung der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung gelagert hatte.

Der Abfall war ferner im Sinne von § 17 Abs. 2 StrWG NRW im Bereich einer Straße gelagert worden. Da das Landesstraßengesetz Nordrhein-Westfalens nach § 1 StrWG NRW (nur) die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Straßen regelt, kann § 17 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW nur dann Anwendung finden, wenn es sich um eine Entsorgungsmaßnahme im Bereich einer öffentlichen Straße handelt. Dies ist hier der Fall. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der Zuständigkeitsbereich des Beklagten mit der Formulierung in § 17 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW "im Bereich von Straßen" über die öffentliche Straße im Sinne von § 2 StrWG NRW hinaus erweitert worden ist. Die Fläche unter der Brücke der Landesstraße 728 im Bereich von Y. ist nämlich Bestandteil der L 728, einer unzweifelhaft öffentlichen Straße im Sinne von § 2 Abs. 1 StrWG NRW.

Nach § 2 Abs. 2 StrWG NRW gehören zur öffentlichen Straße der Straßenkörper, der Luftraum über dem Straßenkörper, das Zubehör und die Nebenanlagen.

Allerdings dürfte die fragliche Fläche entgegen der Auffassung des Beklagten nicht Teil des Straßenkörpers (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 StrWG NRW) sein. Die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. a und b StrWG NRW ausdrücklich aufgelisteten Straßenbestandteile erfassen Flächen unter einem Brückenbauwerk nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten dürften sie auch nicht mit den von ihm genannten und definierten Sicherheitsstreifen vergleichbar sein, so dass sie unter die vom Gesetzgeber durch die Formulierung "insbesondere" eröffnete Auffangkategorie fielen. Die Fläche gehört indes als Nebenanlage im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrWG NRW zur L 728.

Nebenanlagen sind nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrWG NRW Anlagen, die überwiegend den Aufgaben der Straßenbauverwaltung dienen, insbesondere Straßenmeistereien, Gerätehöfe, Lager, Lagerplätze, Ablagerungs- und Entnahmestellen, Hilfsbetriebe- und Einrichtungen. Entscheidend für das Vorliegen einer Nebenanlage ist, dass es sich um eine Anlage handelt, die in einem technisch-funktionalen Zusammenhang mit der Straße steht.

Vgl. in diesem Sinne zu der entsprechenden Regelung in § 1 Abs. 4 Nr. 4 Fernstraßengesetz: BVerwG, Urteil vom 11.4.2002 - 4 A 22.01 -, NVwZ 2002, 1119 ff.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die in Rede stehende Fläche unter der Brücke, auf welcher der Abfall lagerte, ist als Anlage anzusehen, weil sie mit Betonpflastersteinen befestigt und damit von den angrenzenden unbefestigten Flächen abgegrenzt ist. Ferner steht diese Anlage in einem besonderen technisch- funktionalen Zusammenhang mit der darüber gelegenen Brücke, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a StrWG NRW Teil der Straße ist. Sie dient nämlich deren Unterhaltung. Hierzu hat der Beklagte im Einzelnen, ohne dass der Kläger dem entgegengetreten ist, dargelegt, dass die Fläche befestigt ist, um in der DIN 1076 vorgeschriebene regelmäßige Überprüfungen der Verkehrssicherheit des Brückenbauwerks zu ermöglichen.

Handelt es sich bei der Fläche unter der Brücke mithin um einen zur Straße im Sinne des Gesetzes gehörenden Bereich, sind auch die weiteren Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids erfüllt.

Die Abfalllagerung erfolgte, wie sich aus dem bei den Akten befindlichen Bildmaterial ergibt, außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils.

Der verbotswidrig gelagerte Abfall ist vom Beklagten entsorgt worden. Wegen des Umfangs der tatsächlich durchgeführten Entsorgung wird auf die entsprechenden Vermerke des Beklagten und die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift verwiesen, denen der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten ist.

Anders als vom VG angenommen ist der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW auch nicht in der Weise beschränkt, dass darunter nur Abfallbeseitigung aus Anlass des Gemeingebrauchs, d. h. der öffentlichen Zweckbestimmung der Straße einschließlich einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Sondernutzung fiele. Weder aus Sinn, Zweck und Systematik des Gesetzes noch aus den Materialien über die Entstehung der Vorschrift ergeben sich Ansatzpunkte für eine solche Beschränkung.

Vgl. dazu auch Hengst/Majcherek, a. a. O. Anm. 3.0.2. m. w. N.

Der Kläger ist der richtige Adressat des Bescheids. Er ist als Verursacher im Sinne des § 17 Abs. 2 StrWG NRW anzusehen. Aus den Akten ergibt sich, dass er für die Errichtung des Unterstands und die damit verbundenen Verschmutzungen unter der Brücke verantwortlich war.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist im Übrigen eine wie auch immer geartete Beseitigungsaufforderung an den Verursacher nach dem Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für einen auf § 17 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW gestützten Leistungsbescheid. Entsprechendes folgt insbesondere auch nicht aus § 5 Abs. 9 LAbfG. Maßnahmen gegen den Verursacher sind nur in § 5 Abs. 6 Satz 2 zweiter Halbsatz LAbfG angesprochen, ohne dass der Abs. 9 darauf verweist. Unabhängig davon ist ohnehin - wie der Vermerk des Beklagten vom 28.1.2004 dokumentiert - jedenfalls eine mündliche Aufforderung an den Kläger ergangen.

Die Forderung von Kostenersatz ist ferner nicht ermessensfehlerhaft.

Zwar deutet die Verwendung des Ausdrucks "kann" regelmäßig darauf hin, dass der Gesetzgeber der Verwaltung Ermessen einräumt. Eine solche Regelung kann indes auch dahin verstanden werden, dass der Verwaltung die Befugnis (Kompetenz) erteilt werden soll, eine bestimmte Regelung zu treffen.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 7.2.1974 - III C 115.71 -, BVerwGE 44, 339 (342) m. w. N und Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Auflage 2009, S. 137.

Im letztgenannten Sinn versteht der Senat die landesrechtliche Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW über die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gegenüber einem Verursacher. Nach § 5 Abs. 9 LAbfG ist der Landesbetrieb Straßenbau zur Entsorgung verpflichtet. Als Kompensation hierfür ist ihm als Träger der Straßenbaulast durch § 17 Abs. 2 StrWG NRW ein Erstattungsanspruch zugestanden worden. Handelt der Straßenbaulastträger mithin nach dieser gesetzlichen Regelung gewissermaßen in Ersatzvornahme für den Verursacher, soll es ihm durch § 17 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW ermöglicht werden, den Erstattungsanspruch in den Fällen, in denen ein Verursacher ermittelt werden konnte, gegenüber diesem durch Leistungsbescheid geltend zu machen.

Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 11/7738, a. a. O.

Anhaltspunkte dafür, dass dem Träger der Straßenbaulast hierfür Ermessen eingeräumt werden sollte, sind nicht gegeben. Dieses Verständnis der gesetzlichen Regelung entspricht im Übrigen auch allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen, nach denen der Verursacher einer Störung kostenpflichtig ist und die Geltendmachung der Kosten einer durchgeführten Ersatzvornahme nicht im Ermessen der Verwaltung steht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.5.1995 - 5 A 2092/93 -, NVwZ-RR 1996, 59 f. = NWVBl. 1995, 475 f. m. w. N.

Der Kostenbescheid ist jedoch der Höhe nach im Umfang von 143,02 Euro - d. h., soweit Kosten von mehr als 3.591,06 Euro geltend gemacht werden - zu beanstanden (wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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