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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 27.10.2008
Aktenzeichen: 12 A 1983/08
Rechtsgebiete: AO, GTK, KAG


Vorschriften:

AO § 169
AO § 170 Abs. 1
AO § 170 Abs. 2
AO § 171 Abs. 3
AO § 370
AO § 378
GTK § 17 Abs. 3
GTK § 17 Abs. 5
GTK § 28 Abs. 1
KAG § 1 Abs. 3
KAG § 12 Abs. 1 Nr. 4b
1. Elternbeiträge nach dem "Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-Westfalen" - GTK - unterliegen einer vierjährigen Festsetzungsverjährungsfrist (§§ 1 Abs. 3, 12 Abs. 1 Nr. 4b des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG - i.V.m. § 169 der Abgabenordnung - AO -).

2. Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Elternbeitrag als Jahresbeitrag entstanden ist (§§ 1 Abs. 3, 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO).

3. Die Regelung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zur Anlaufhemmung bei erklärungs- bzw. anzeigeabhängigen Abgaben findet auf Elternbeiträge nach dem GTK keine Anwendung.


Tatbestand:

Die Kläger wandten sich gegen die rückwirkende Neufestsetzung von Elternbeiträgen für das Jahr 2001. Auf der Grundlage des im Jahr 1999 erzielten Einkommens der Kläger setzte der Beklagte mit Bescheid vom 29.5.2001 den Elternbeitrag vorläufig für die Monate Mai bis Dezember 2001 fest. Auf entsprechende Aufforderung des Beklagten legten die Kläger Ende März 2006 u.a. Auskunftsbögen zu den von ihnen im Jahr 2001 erzielten Einkünften sowie den für dieses Jahr erteilten Einkommenssteuerbescheid vor. Mit Bescheid vom 17.10.2007 setzte der Beklagte u.a. den von den Klägern zu entrichtenden Elternbeitrag rückwirkend für die Monate Mai bis Dezember 2001 höher fest. Auf die Klage der Kläger hob das VG den Bescheid vom 17.10.2007 wegen eingetretener Festsetzungsverjährung auf. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Gründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 17.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 22.10.2007 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Eine rückwirkende Neufestsetzung von bereits bestandskräftig festgesetzten Elternbeiträgen im Falle der nachträglichen Änderung der Einkommensverhältnisse begegnet grundsätzlich keinen Bedenken. § 17 Abs. 5 Satz 3 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-Westfalen (GTK) beinhaltet eine generelle Korrekturverpflichtung, die sämtliche Faktoren erfasst, die Einfluss auf das der Beitragsbemessung zugrundezulegende Einkommen haben. Elternbeitragsbescheide stehen daher regelmäßig - unabhängig von einem in den Bescheid aufgenommenen ausdrücklichen Vorbehalt - von vornherein unter dem Vorbehalt nachträglicher Überprüfung und Abänderung zur Gewährleistung der Beitragsgerechtigkeit und der Beitragserhebung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Vgl. hierzu und zur Nacherhebung bei anfänglicher Zugrundelegung unzutreffender Einkommensverhältnisse im Rahmen formalisierter Elternbeitragsbescheide: OVG NRW, Beschluss vom 22.8.2008 - 12 A 1860/08 -, m.w.N., Juris.

Der angefochtenen rückwirkenden Neufestsetzung der Elternbeiträge steht hier jedoch die Festsetzungsverjährung nach §§ 1 Abs. 3, 12 Abs. 1 Nr. 4b des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) entgegen, wonach u.a. die §§ 169 und 170 der Abgabenordnung (AO) entsprechende Anwendung finden. Die entsprechende Anwendung der genannten Regelungen ist gerechtfertigt, weil es sich - wie das VG zutreffend ausgeführt hat - bei den Elternbeiträgen als sozialrechtliche Abgaben eigener Art um sonstige Abgaben handelt, die von den Gemeinden und Gemeindeverbänden in ihrer Funktion als Träger der öffentlichen Jugendhilfe erhoben werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.1994 - 16 A 2859/94 -, NWVBl 1995, 233; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13.9.2000 - 7 K 1023/00 -, NWVBl 2001, 199.

Wie das VG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, unterscheidet sich die Interessenlage der Elternbeitragspflichtigen nicht grundsätzlich von der Interessenlage von Schuldnern anderer öffentlich-rechtlicher Abgaben. Auch bei der Festsetzung von Elternbeiträgen bedarf es in dem Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Vertrauen auf der einen Seite und der materiellen Gerechtigkeit auf der anderen Seite eines sachgerechten Ausgleichs, vgl. zum Erfordernis einer zeitlichen Grenze für die rückwirkende Änderung von Elternbeitragsfestsetzungen: OVG NRW, Beschluss vom 22.6.2006 - 12 A 1979/06 -, NWVBl 2007, 26, der zugleich dem das elternbeitragsrechtliche Massenverfahren prägenden Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität, vgl. hierzu etwa: OVG NRW, Urteil vom 19.8.2008 - 12 A 2866/07 -, m.w.N., Juris, angemessen Rechnung trägt. Dieser Ausgleich wird durch die nach § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG erfolgende entsprechende Anwendung der Regelungen zur Festsetzungsverjährung, insbesondere der §§ 169 und 170 AO, angemessen sichergestellt. Einerseits eröffnet die einheitliche Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG) nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Elternbeitrag als ein in monatlichen Teilbeträgen zu leistender Jahresbeitrag, vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18.11.2005 - 12 A 4219/02 -, NWVBl 2006, 143, und vom 28.11.2005 - 12 A 4393/03 -, Juris, entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO), einer mit ausreichendem und ausreichend geschultem Fachpersonal besetzten und über eine effiziente Arbeitsorganisation verfügenden Erhebungsstelle auch mit Blick auf den massenhaften Anfall von Festsetzungsvorgängen einen hinreichenden Zeitraum für die verwaltungspraktische Erfüllung ihrer objektiv-rechtlichen Pflicht zur lückenlosen Überprüfung der Angaben und Nachweise im Interesse der Beitragsgerechtigkeit und der Erhebung der Elternbeiträge nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Vgl. zu dieser Verpflichtung: OVG NRW, Urteil vom 19.8.2008 - 12 A 2866/07 -, a.a.O.

Unzureichendes und/oder unzureichend ausgebildetes Personal kann insoweit ebenso wenig zu Lasten der Elternbeitragspflichtigen Berücksichtigung finden wie eine ineffektive Arbeitsorganisation. Andererseits ist das hiermit eröffnete Zeitfenster für eine nach erfolgter Überprüfung ggf. vorzunehmende rückwirkende Beitragsänderung nicht so weiträumig bemessen, dass jeglicher Bezug zu der in der Regel zwischen drei und vier Jahren dauernden, beitragsauslösenden Inanspruchnahme der Kindertagesstätte verloren geht und die Elternbeitragspflichtigen schon allein durch den Zeitablauf in ihren Möglichkeiten, sich gegen eine rückwirkende Beitragsänderung zu verteidigen, nachhaltig beeinträchtigt werden.

Die Bestimmungen des GTK stehen einer entsprechenden Anwendung der §§ 169, 170 AO (mit der sich aus § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG ergebenden Modifizierung des § 169 AO) nicht entgegen. Weder das GTK selbst, noch das SGB X, dessen ergänzende Anwendung § 28 Abs. 1 GTK bestimmt, enthalten materielle Vorschriften über die Verjährung oder schließen eine ergänzende entsprechende Anwendung der §§ 169, 170 AO aus; § 52 Abs. 1 SGB X beschränkt sich auf verfahrensrechtliche Regelungen über die Hemmung der Verjährung.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.6.2006 - 12 A 1979/06 -, a.a.O.

Danach ist hier in Bezug auf die in Rede stehenden Elternbeiträge für das Jahr 2001 mit Ablauf des Jahres 2005 Festsetzungsverjährung eingetreten. Der Erlass des Änderungsbescheides vom 17.10.2007 mit der auf das Jahr 2001 rückwirkenden Änderung der Beitragsfestsetzung ist somit verspätet erfolgt.

Die Anwendung einer längeren als der vierjährigen Verjährungsfrist für die Festsetzung von Elternbeiträgen kommt nicht in Betracht. Die Anwendung einer auf zehn Jahre verlängerten Verjährungsfrist i.S.d. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO setzt voraus, dass die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer vollendeten Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO vorliegen.

Stg. Rspr. d. BFH, vgl. Urteile vom 26.2.2008 - VIII R 1/07 -, BStBl II 2008,659, vom 2.4.1998 - V R 60/97 -, BFHE 186,1, BStBl II 1998, 530, und vom 19.12.2002 - IV R 37/01 -, BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385.

Dass die Kläger den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt haben (sonstige Tatbestände der Steuerhinterziehung kommen hier ersichtlich von vornherein nicht in Betracht), kann nicht festgestellt werden. (Wird ausgeführt)

Der Senat folgt schließlich der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung des VG, a.A. etwa VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13.9.2000 - 7 K 1023/00 -, a.a.O., VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2007 - 24 L 1892/07 -, Juris, wonach im Elternbeitragsrecht im Rahmen der Festsetzungsverjährung § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO regelmäßig keine Anwendung findet. Hiernach beginnt dann, wenn u.a. eine Anzeige zu erstatten ist, die Festsetzungsfrist abweichend von § 170 Abs. 1 AO, also nicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, sondern mit dem Ablauf des Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO später beginnt.

Durch das Hinausschieben des Beginns der Festsetzungsfrist (Anlaufhemmung) soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es Abgaben gibt, bei denen die Behörde erst durch die Anzeige steuerlich erheblicher Vorgänge von der Entstehung eines Abgabenanspruchs erfährt und damit durch die Mitteilung des Abgabepflichtigen in den Stand gesetzt wird, eine Abgabe festzusetzen. Die mit § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bewirkte Anlaufhemmung soll der Behörde eine angemessene Zeit für die Festsetzung der Abgabe verschaffen. Die Festsetzungsfrist soll nicht schon zu laufen beginnen, bevor die Behörde von dem Entstehen und der Höhe des Anspruchs erfahren hat.

Vgl. BT-Drucks. VI/1982, S. 151, zu der entsprechenden Regelung im Regierungsentwurf einer Abgabenordnung 1974 (§ 151 Abs. 2 Nr. 1 RegE); BFH, Urteil vom 18.5.2006 - III R 80/04 -, BFHE 214, 1 ff.

Die hiernach von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erfasste Fallkonstellation der Abhängigkeit der Abgabenfestsetzung von der "Anzeige" der Abgabenpflichtigen ist jedoch bei der Festsetzung von Elternbeiträgen regelmäßig nicht gegeben, wobei offenbleiben kann, ob § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht ohnehin lediglich bei der erstmaligen Abgabenfestsetzung Anwendung finden kann.

Für eine Beschränkung der Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO auf die erstmalige Abgabenfestsetzung: BFH, Urteil vom 18.5.2006 - III R 80/04 -, a.a.O.

Die Erhebungsstellen sind mit dem Erhebungsinstrumentarium, das ihnen das GTK zur Verfügung stellt, auch dann in der Lage, einen Elternbeitrag festzusetzen, wenn eine Anzeige der Elternbeitragspflichtigen zu beitragsrechtlich erheblichen Vorgängen - etwa die Angabe zu den geänderten Einkommensverhältnissen nach § 17 Abs. 5 Satz 5 GTK - ausbleibt oder unvollständig ist.

Gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 GTK teilt der Einrichtungsträger dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zum Zweck der Erhebung der Elternbeiträge (§ 17 Abs. 6 Satz 1 GTK) die Namen, Anschriften, Geburtsdaten sowie die Aufnahme- und Abmeldedaten der Kinder sowie die entsprechenden Angaben der Eltern unverzüglich mit. Damit ist eine Individualisierung der Beitragsschuldner und eine Konkretisierung des Abgabentatbestandes (Art und Umfang der Inanspruchnahme) gewährleistet.

Darüber hinaus haben die Eltern bei der Aufnahme des Kindes in der Einrichtung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 GTK dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe schriftlich anzugeben und nachzuweisen, welche Einkommensgruppe gemäß der Anlage nach § 17 Abs. 3 Satz 1 GTK ihren Elternbeiträgen zugrundezulegen ist. Dadurch werden die Erhebungsstellen in die Lage versetzt, den Elternbeitrag der Höhe nach zu bestimmen.

Kommen die Eltern bei der Aufnahme ihres Kindes ihrer Verpflichtung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 GTK zurechenbar nicht nach oder reichen ihre schriftlichen Angaben und/oder vorgelegten Nachweise für eine Zuordnung ihres Einkommens zu einer der Einkommensgruppen der Anlage nach § 17 Abs. 3 Satz 1 GTK nicht aus, bedarf es zur Beitragsfestsetzung keiner (ggf. weiteren) "Anzeige" der Eltern zu ihren Einkommensverhältnissen i.S.d. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO; vielmehr müssen die Eltern nach § 17 Abs. 3 Satz 4 GTK zwingend den höchsten Elternbeitrag leisten.

Vgl. zur Reichweite der Berechtigung des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, den höchsten Elternbeitrag festzusetzen: OVG NRW, Beschluss vom 22.6.2006 - 12 A 1979/06 -, a.a.O.

Auch nach der Aufnahme eines Kindes in einer Kindertageseinrichtung ist die Festsetzung von Elternbeiträgen letztlich nicht von der "Anzeige" der Eltern zu ihren Einkommensverhältnissen bzw. zu einer etwaigen Änderung dieser Einkommensverhältnisse (§ 17 Abs. 5 Satz 5 GTK) abhängig. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 GTK haben die Eltern nicht nur bei der Aufnahme, sondern auch danach auf Verlangen der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe diesen gegenüber schriftlich anzugeben und nachzuweisen, welche Einkommensgruppe gemäß der Anlage nach § 17 Abs. 3 Satz 1 GTK ihren Elternbeiträgen zugrundezulegen ist. Die Erhebungsstellen können somit die beitragspflichtigen Eltern bereits während des laufenden Kindergartenbesuchs zeitnah zur Aktualisierung ihrer Angaben und Nachweise auffordern, um festzustellen, ob die bisherige Zuordnung zu einer Einkommensgruppe gemäß der Anlage nach § 17 Abs. 3 Satz 1 GTK noch zutrifft oder diese bereits im laufenden Beitragsjahr nach § 17 Abs. 5 Sätze 2 bis 4 GTK zu ändern ist.

Kommen die Eltern dieser Aufforderung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 GTK zurechenbar nicht nach oder reichen ihre schriftlichen Angaben und/oder vorzulegenden Nachweise zu ihrem Einkommen für eine Zuordnung zu einer der Einkommensgruppen der Anlage nach § 17 Abs. 3 Satz 1 GTK nicht aus, bedarf es auch insoweit zur Beitragsfestsetzung keiner - weiteren - "Anzeige" der Eltern zu ihren Einkommensverhältnissen i.S.d. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO; vielmehr müssen die Eltern auch dann nach § 17 Abs. 3 Satz 4 GTK zwingend den höchsten Elternbeitrag leisten. Verzichten die Erhebungsstellen gleichwohl auf die zeitnahe Anforderung entsprechender Unterlagen, und gehen sie damit sehenden Auges das Risiko des Ablaufs der Verjährungsfrist ein, ist dies kein Grund, ihren zeitlichen Handlungsspielraum zu Lasten der Beitragspflichtigen über den Zeitraum von vier Jahren hinaus durch eine entsprechende Anwendung von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu erweitern.

Entgegen der Behauptung des Beklagten ist der Anwendungsbereich der Höchstbeitragsregelung des § 17 Abs. 3 Satz 4 GTK nicht auf einen Personenkreis beschränkt, der "schon nach eigener Einschätzung in der obersten Einkommensgruppe liegt und der nicht gezwungen werden soll, außerhalb des eigentlichen Besteuerungsverfahrens seine Einkommenssituation vollständig zu offenbaren, auch wenn dies keinerlei Auswirkungen auf die Beitragshöhe mehr hat". Für eine derartige Beschränkung bieten weder der Wortlaut noch der offenkundige Sinn und Zweck dieser Regelung - Aufbau von mittelbarem, finanziellem Druck zur Herbeiführung einer zeitnahen und vollständigen Erfüllung der sich aus § 17 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 5 Satz 5 GTK ergebenden Verpflichtungen der Beitragspflichtigen einerseits und Entlastung der Erhebungsstellen durch den Verzicht auf weitere Ermittlungen zur Einkommenssituation der Elternbeitragspflichtigen im Falle des Unterlassens sämtlicher Angaben/Nach-weise oder bei unvollständigen Angaben/Nachweisen andererseits - auch nur ansatzweise einen konkreten Anhaltspunkt. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist damit nicht verbunden, weil die Befugnis zur Anwendung der Höchstbeitragsregelung einen zurechenbaren Verstoß der Elternbeitragspflichtigen gegen die Angabe- und Nachweisverpflichtung voraussetzt und die Befugnis zudem rückwirkend entfällt, wenn die geforderten Angaben und/oder Nachweise vorliegen und sich hieraus die Höhe des bis dahin unklaren Jahreseinkommens ermitteln lässt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.6.2006 - 12 A 1979/06 -, a.a.O.

Dass der Höchstbeitragsregelung daher kein Sanktionscharakter zukommt, hat der Senat bereits entschieden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.6.2006 - 12 A 1979/06 -, a.a.O.

Der diesbezügliche Einwand des Beklagten verkennt im übrigen, dass es für die entsprechende Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht auf einen Sanktionscharakter der Höchstbeitragsregelung, sondern lediglich auf die Abhängigkeit der Beitragsfestsetzung von der "Anzeige" der Abgabepflichtigen ankommt, an der es, wie oben dargelegt, im Elternbeitragsrecht fehlt.

Über die Anwendung der Höchstbeitragsregelung werden entgegen dem Einwand des Beklagten die Betroffenen auch nicht in ein gerichtliches Verfahren gezwungen, "nur um die Möglichkeit offenzuhalten, zu einem späteren Zeitpunkt den korrekten Betrag zu ermitteln und festzusetzen". Ein "Hineinzwingen" in ein gerichtliches Verfahren ist mit der Anwendung der Höchstbeitragsregelung ersichtlich nicht verbunden. Die Elternbeitragspflichtigen haben es vielmehr in der Hand, durch eine zeitnahe und vollständige Erfüllung ihrer o.g. gesetzlichen Verpflichtungen die Anwendung der Höchstbeitragsregelung und ein sich ggf. daran anschließendes gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Unterlassen sie gleichwohl die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten, ist ein etwaiges Gerichtsverfahren nicht der Anwendung der Höchstbeitragsregelung, sondern den eigenen Pflichtverstößen zuzurechnen.

Der Senat verkennt nicht, dass - wie der Beklagte hervorhebt - Einkommensteuerbescheide häufig erst deutlich nach Ablauf des jeweiligen Beitragsjahres vorliegen können. Abgesehen davon, dass die vom Senat in Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung des VG angewendete Verjährungsfrist von immerhin vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitrag entstanden ist, so großzügig bemessen ist, dass in der weitaus überwiegenden Zahl der Beitragsfälle innerhalb dieses Zeitraums regelmäßig Einkommensteuerbescheide zu erwarten sind und daher - bei zeitnaher Anforderung - die nachträgliche Überprüfung der Beitragsfestsetzung anhand der Einkommensteuerbescheide für eine sachgerecht besetzte und effektiv organisierte Erhebungsstelle regelmäßig ohne weiteres möglich sein dürfte, ist die Elternbeitragsfestsetzung grundsätzlich nicht von der Vorlage von Einkommensteuerbescheiden abhängig. Mögen diese auch im Falle steuerpflichtiger Einkünfte die praktikabelste Grundlage für eine rückwirkende Neufestsetzung im Rahmen der ex-post-Betrachtung bieten, hat der Senat zu keinem Zeitpunkt den sonstigen einkommensrelevanten Unterlagen (wie etwa den Verdienstbescheinigungen, Zwischenabrechnungen etc.) den Beweiswert abgesprochen; er hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, sofern Einkommensteuerbescheide (noch) nicht vorliegen, auf andere aussagekräftige Unterlagen zurückzugreifen ist, wie dies etwa hinsichtlich steuerfreier Einkünfte ohnehin angezeigt ist.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18.11.2005 - 12 A 4219/02 -, a.a.O., und vom 28.11.2005 - 12 A 4393/03 -, a.a.O.

Sofern der Beklagte etwa im Hinblick auf das häusliche Arbeitszimmer oder die Entfernungspauschale auf die Vorläufigkeit von Festsetzungen in den Einkommensteuerbescheiden hinweist, ist auch dies kein Gesichtspunkt, der geeignet ist, die Abhängigkeit einer Abgabenfestsetzung von der Anzeige der Abgabenpflichtigen i.S.d. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu begründen. Denn diese Fälle sind nicht durch das gänzliche Fehlen oder die Unvollständigkeit von Angaben der Abgabenpflichtigen, mithin durch Defizite im Tatsächlichen, gekennzeichnet, die die Abgabenfestsetzung hindern, sondern es sind Rechtsfragen aufgeworfen, die einer höchstrichterlichen bzw. verfassungsgerichtlichen Klärung bedürfen.

Zur Möglichkeit der Elternbeitragspflichtigen, in derartigen Fällen durch einen Antrag auf Änderung der Beitragsfestsetzung außerhalb eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens entsprechend § 171 Abs. 3 AO die Hemmung des Fristablaufs zu bewirken, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.6.2006 - 12 A 1979/06 -, a.a.O.

Abgesehen davon hat der Senat bereits entschieden, dass das Elternbeitragsrecht nicht diejenige Rechtsmaterie ist, in der solche steuerrechtlichen Fragen einer Klärung zugeführt werden müssen; vielmehr kann sich die Elternbeitragsfestsetzung an den Festsetzungen des Finanzamtes im Steuerbescheid orientieren. Eine Überprüfung der steuerrechtlichen Festsetzungen im Steuerbescheid kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die im Steuerbescheid enthaltenen tatsächlichen Angaben offenkundig unzutreffend sind oder die Festsetzungen in rechtlicher Hinsicht offenkundig unvertretbar sind.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18.11.2005 - 12 A 4219/02 -, a.a.O., und vom 28.11.2005 - 12 A 4393/03 -, a.a.O.

Schließlich greift auch das rechtssystematische Argument des Beklagten nicht durch, dass die Höchstbeitragsregelung, wäre sie als Mittel zur Durchsetzung der Erklärungspflichten gedacht gewesen, in Absatz 5 des § 17 GTK geregelt worden wäre. Hierbei wird schon verkannt, dass die Höchstbeitragsregelung, wie oben dargelegt, über die Bewirkung eines - begrenzten und lediglich mittelbaren - finanziellen Drucks hinaus nicht der zwangsweisen Durchsetzung von Erklärungspflichten dient, sondern der Erhebungsstelle in Abkoppelung von der konkreten Einkommenssituation auch dann eine zeitnahe Beitragsfestsetzung ohne großen Aufwand ermöglichen soll, wenn es an aussagekräftigen Angaben oder Nachweisen der Elternbeitragspflichtigen gerade fehlt. Im Übrigen wird übersehen, dass der Gesetzgeber die Höchstbeitragsregelung in § 17 Abs. 3 Satz 4 GTK verankert und damit in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Erklärungs- und Nachweisverpflichtung der Elternbeitragspflichtigen nach § 17 Abs. 3 Satz 3 GTK gestellt hat, mithin auch in rechtssystematischer Hinsicht im Regelungszusammenhang mit der Nichterfüllung der Erklärungs- und Nachweisverpflichtung der Elternbeitragspflichtigen steht. Der Umstand, dass die Höchstbeitragsregelung nicht in § 17 Abs. 5 GTK aufgenommen worden ist, beruht offenkundig darauf, dass ihre Anwendung nach der Aufnahme des Kindes in der Kindertageseinrichtung nicht allein einen Pflichtverstoß nach § 17 Abs. 5 Satz 5 GTK, sondern, wie oben dargelegt, die - zurechenbare - Nichterfüllung einer konkreten Anforderung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 GTK voraussetzt und sie deshalb in einem funktionalen Zusammenhang mit dieser Regelung zu sehen ist.

Angesichts der rechtlichen Möglichkeiten der Erhebungsstellen, Probleme bei der Beitragsfestsetzung aufgrund zurechenbar defizitärer Einkommensangaben/-nachweise der Elternbeitragspflichtigen durch die Anwendung der Höchstbeitragsregelung zu überwinden, verfängt auch der Hinweis des Beklagten auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Hostein vom 18.2.2004 - 2 LB 67/03 -, KStZ 2004, 132 f., nicht. Dieser Entscheidung lag ein Fall aus dem satzungs- bzw. kommunalabgabenrechtlich verankerten Recht der Zweitwohnungssteuer zugrunde, das ein in den Voraussetzungen und in den Rechtfolgen der elternbeitragsrechtlichen Höchstbeitragsregelung vergleichbares Regelungsinstrumentarium nicht erkennen lässt.

Ende der Entscheidung

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