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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.03.2006
Aktenzeichen: 12 A 32/05
Rechtsgebiete: GSiG, BSHG, RegelsatzVO


Vorschriften:

GSiG § 3 Abs. 1 Nr. 1
BSHG § 22 Abs. 1 Satz 1
RegelsatzVO § 2 Abs. 1
Bei der Bemessung von Leistungen nach dem Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung an einen alleinstehenden Bewohner eines Alten- und Pflegeheims ist grundsätzlich der Regelsatz für einen Haushaltsvorstand maßgebend.
Tatbestand:

Die in einem Altenheim lebende pflegebedürftige Klägerin und der Beklagte stritten im Klageverfahren über die Frage, ob zur Berechung des Grundsicherungsbedarfs der Klägerin nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) der Regelsatz für einen Haushaltsvorstand oder der Regelsatz für Haushaltsangehörige als maßgebend heranzuziehen sei. Der Beklagte hielt den Regelsatz für Haushaltsangehörige für maßgebend, weil zusätzliche Aufwendungen, die einem Haushaltsvorstand entstünden, bei Heimbewohnern nicht anfielen. Dem folgte das VG in seinem Urteil nicht und verpflichtete den Beklagten, der Klägerin für die Zeit vom 1.1.2003 bis zum 30.6.2004 eine bedarfsorientierte Grundsicherung unter Berücksichtigung eines maßgebenden Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand zu gewähren. Die vom VG gegen diese Entscheidung zugelassene Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Das VG ist zu Recht davon ausgegangen, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 der 2. Verordnung zur Durchführung des § 22 des BSHG (Regelsatzverordnung), der zur Bestimmung des nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GSiG maßgebenden Regelsatzes heranzuziehen ist, die Regelsätze für den Haushaltsvorstand auch für den Alleinstehenden gelten. Es hat zudem unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzesentwurfs und die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 GSiG zutreffend dargelegt, dass das Gesetz dem von der bedarfsorientierten Grundsicherung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GSiG umfassten Bedarf pauschalierend Rechnung trägt und mit einer Herauslösung aus der Sozialhilfe einer "verschämten Altersarmut" wenigstens ansatzweise begegnet werden sollte. Schon in Hinblick hierauf, aber auch, weil das Sozialhilferecht einen Regelsatz für laufende Leistungen zum Lebensunterhalt in Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen nicht vorsieht (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG), lassen sich die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze zur Bemessung der Regelsatzleistungen unter Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalles im Sozialhilferecht nicht ohne Weiteres auf das Recht der bedarfsorientierten Grundsicherung übertragen. Ob dies ausnahmsweise in Betracht kommen kann, wenn im Einzelfall ein bestimmter vom Regelsatz erfasster Bedarf deutlich abgrenzbar nicht besteht, bedarf hier keiner Klärung, da der Fall eine solche Besonderheit nicht aufweist. Sie wird insbesondere durch den Einwand des Beklagten nicht dargetan, dass Bewohner von Alten- und Pflegeheimen in der Regel nicht mit den Generalkosten einer Haushaltsführung (z. B. Stromkosten usw.) unmittelbar belastet würden.

Vgl. in diesem Zusammenhang auch die auf der Annahme, dass Generalkosten eines Haushaltes bei Heimbewohnern nicht anfielen, beruhenden Auffassungen in den Hinweisen des Deutschen Vereins zum GSiG, NDV 2002, 424, und in den auszugsweise veröffentlichten Ergebnissen der Diskussion in einem vom (vormaligen) Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eingerichteten Arbeitskreis anlässlich einer begleitenden Untersuchung zur Einführung des GSiG ZfSH/SGB 2003, 298, 302, sowie von Wenzel, in: Fichtner, BSHG, 2. Aufl., Rdnr. 1 zu § 3 GSiG, und Zeitler, in: Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., Stand März 2004, Rdnr. 4 zu § 3 GSiG.

Schon der Umstand, dass Kosten der allgemeinen Haushaltsführung, die durch den höheren Regelsatz aufgefangen werden sollen, vgl. hierzu im Einzelnen Roscher, in: LPK-BSHG, 6. Aufl., Rdnr. 45 zu § 22, und Wenzel, a.a.O., Rdnr. 25 zu § 22 BSHG, jedenfalls zum Teil auch bei einem Heimbewohner unmittelbar anfallen können, spricht mit Blick auf die Pauschalierung der - anders als im Sozialhilferecht - nicht zur Deckung eines individuellen Bedarfs, vgl. hierzu Kunkel, Das Grundsicherungsgesetz (GSiG), ZfSH/SGB 2003, 323, 327, sondern als am Bedarf orientierte Grundsicherung zu gewährenden Leistungen nach § 3 GSiG für die Zuerkennung des höheren Regelsatzes.

Vgl. Schoch, Zur Umsetzung des Grundsicherungsgesetzes, info also 2002, 157, 160.

Da der Lebensunterhalt bei einem Heimbewohner aber nicht nur Kosten der Haushaltsführung, die ihm unmittelbar entstehen, einschließt, sondern auch den hiermit verbundenen Aufwand umfasst, der für ihn mittelbar zu einer Belastung führt, sind auch die Kosten zu berücksichtigen, die der Heimträger anstelle der Heimbewohner für deren Haushaltsführung aufwendet und den Heimbewohnern über das von ihnen zu entrichtende Entgelt in Rechnung stellt. Danach kann für die Klägerin nur der im Sozialhilferecht für einen Haushaltsvorstand bzw. Alleinstehenden außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen vorgesehene höhere Regelsatz der maßgebende sein. Dies gilt unabhängig davon, ob der von ihr zu tragende Anteil an den Kosten der Haushaltsführung in der Höhe dem Betrag entspricht, der sich für sie bei (vollständig) eigenständiger Haushaltsführung ergäbe. Anlass dieser Frage nachzugehen, besteht nicht, weil die von den sozialhilferechtlichen Grundsätzen der Bedarfsdeckung und der Individualisierung losgelösten pauschalierten Leistungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GSiG - wie bereits dargelegt - als am Bedarf lediglich orientierte Grundleistung zu verstehen sind.

Dem Einwand des Beklagten, dass die gesetzgeberische Absicht, der "verschämten Altersarmut" zu begegnen, bei Personen, die in Pflegeeinrichtungen untergebracht seien, wegen des zwischenzeitlich erreichten Niveaus der durchschnittlichen Heimpflegekosten regelmäßig ins Leere laufe, führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. Aus ihm lässt sich nämlich nichts herleiten, was bei der gebotenen Orientierung am Bedarf für die Ermittlung des maßgebenden Regelsatzes herangezogen werden könnte.

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