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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 31.05.2002
Aktenzeichen: 12 A 4699/99
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 5
SGB VIII § 35a
SGB VIII § 78c
SGB VIII § 78g
Zur Maßgeblichkeit der zwischen Hilfeempfänger und Leistungserbringer getroffenen Vereinbarungen für die Frage, in welcher Höhe der Träger der Jugendhilfe eine Vergütung für eine im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII zu erbringende Leistung (hier: heilpädagogische Behandlung) zu übernehmen hat.
Tatbestand:

Der Beklagte bewilligte dem Kläger, einem minderjährigen Kind, die Übernahme der auf Grund einzeltherapeutischer Behandlung durch die Heilpädagogin W. entstehenden Kosten auf der Basis einer Vergütung von 78,-- DM für die Behandlungseinheit. Frau W., die dem Beklagten jeweils 132,18 DM in Rechnung stellte, führte die Behandlungen durch, obwohl der Beklagte nur das im Bewilligungsbescheid genannte geringere Entgelt zahlte. Der Kläger machte klageweise einen Anspruch auf den höheren Betrag geltend und trug vor, Frau W. habe seinen Eltern gegenüber klar gemacht, die Behandlung nur zu dem höheren Betrag durchführen zu können.

Klage und Antrag auf Zulassung der Berufung blieben erfolglos.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sie bestehen nur dann, wenn durch das Rechtsbehelfsvorbringen Bedenken von solchem Gewicht gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung hervorgerufen werden, dass deren Ergebnis ernstlich in Frage gestellt ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.3.2001 - 12 B 1284/00 - m.w.N.

Das ist hier nicht der Fall.

Das VG hat auf Grund seiner Auslegung des zwischen dem Kläger bzw. seinen Eltern und der Heilpädagogin Frau W. geschlossenen Vertrages einen Anspruch des Klägers aus § 35a SGB VIII auf Berücksichtigung eines höheren Entgelts für die Behandlungseinheit als 78 DM bei der für die Zeit vom 28.6.1997 bis zum 30.6.1998 als Eingliederungshilfe bewilligten heilpädagogischen Einzeltherapie verneint. Der Beklagte, so die Vorinstanz, habe dadurch Einfluss auf diesen Vertrag genommen, dass er zur Vorlage des an den Kläger gerichteten Bewilligungsbescheides in der heilpädagogischen Praxis aufgefordert und auf die dem Bescheid beigegebene Vergütungsordnung hingewiesen habe. Diese Verfahrensweise habe nicht dazu geführt, dass der Kläger bzw. seine Eltern noch Zahlungsansprüchen ausgesetzt seien. Frau W. habe ihre Rechnungen wie zuvor an den Beklagten gerichtet und nichts gegen die vorgenommenen Kürzungen unternommen.

Das Zulassungsvorbringen stellt die Erheblichkeit des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger bzw. seinen Eltern und der Heilpädagogin für den Umfang des Anspruchs aus § 35a SGB VIII nicht in Frage und zeigt weder gegen den Ansatz, diesbezüglich eine einzelfallbezogene Vertragsauslegung vorzunehmen, noch gegen das Ergebnis der erstinstanzlichen Auslegung durchgreifende Bedenken auf.

Da der Kläger von Frau W. in Einzeltherapie heilpädagogisch behandelt werden wollte, ließe ihre eventuelle Bereitschaft, im Verhältnis zu ihm bzw. seinen Eltern die Behandlung zu einem Stundensatz von 78 DM durchzuführen, die Bewilligung einer zu diesem Satz abzurechnenden Maßnahme auch unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 5 SGB VIII ausreichend sein.

Ob diese Bereitschaft vorhanden war, hängt unbeschadet der das sog. sozialrechtliche Dreiecksverhältnis kennzeichnenden - vom VG nicht verkannten - Grundsätze - vgl. Wiesner, SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage 2000, Rdnrn. 66 ff. vor § 11 - davon ab, wie im vorliegenden Fall konkret das Rechtsverhältnis zwischen Hilfeempfänger (Kläger bzw. seine Eltern) und Leistungserbringer (Frau W.) ausgestaltet worden ist.

Mit seiner Behauptung, Frau W. habe seinen Eltern gleich zu Anfang deutlich gemacht, für den Fall, dass das Jugendamt die vollen Kosten nicht übernehmen werde, hätten sie ihre vertragliche Verpflichtung zu erfüllen, legt der Kläger angesichts der hier zu berücksichtigenden Umstände nicht hinreichend substantiiert eine vertragliche Pflicht zur eventuellen Zuzahlung zu dem vom Beklagten akzeptierten Betrag dar. Damit ist diese Behauptung auch kein geeigneter Ansatz bzw. Anknüpfungspunkt für eine Beweisaufnahme zum Inhalt des geschlossenen Vertrages.

Vgl. zur Substantiierungspflicht vor Durchführung einer Beweisaufnahme OVG NRW, Urteil vom 21.3.2000 - 22 A 4547/96 - , m.w.N.

Ob der Kläger bzw. seine Eltern nach den mündlichen Vereinbarungen mit Frau W. unter allen Umständen vollständig von einer Zahlungspflicht frei gestellt sein sollten, kann dahinstehen. Jedenfalls hinsichtlich eines 78 DM übersteigenden Entgelts für die einzelne Behandlungseinheit sollte nach Lage der Dinge keine Zahlungsverpflichtung in diesem Verhältnis begründet werden. Es deutet alles daraufhin, dass einer Vereinbarung über den Mehrbetrag keine andere Bedeutung zukommen sollte als die, Grundlage für eine zum Satz von 132,81 DM erfolgende Abrechnung im Verhältnis der Heilpädagogin zum Beklagten zu sein. Frau W. hat die heilpädagogischen Behandlungen ohne eine auch nur vorsorgliche Inanspruchnahme des Klägers bzw. seiner Eltern durchgeführt. Abrechnungen sind eingeführter Praxis entsprechend im allseitigen Einvernehmen nur zwischen Frau W. und dem Beklagten durchgeführt worden. Auch mit der Zulassungsschrift hat der Kläger nicht etwa vorgetragen, Frau W. habe versucht, die aus ihrer Sicht nach Abzug der vom Beklagten übernommenen Beträge noch offenen Beträge vom Kläger bzw. seinen Eltern zu erlangen. Von einer Stundungsvereinbarung ist nicht die Rede. Dass im Verhältnis des Klägers bzw. seiner Eltern zur konsultierten Heilpädagogin offenbar gar nicht die Notwendigkeit einer Abrede über einen möglichen Zahlungsaufschub gesehen wurde, zeigt, dass Frau W. nicht ernsthaft eine Zahlung durch den Kläger bzw. dessen Eltern erwartete.

Bei dieser Sachlage rechtfertigt allein die Tatsache, dass der Kläger der Beschränkung der Entgeltsübernahme auf 78 DM pro Behandlungseinheit in dem Bescheid des Beklagten am 8.7.1997 mit Widerspruch und Klage entgegen getreten ist, nicht den Schluss, es sei eine über diesen Betrag hinausgehende Zahlungsverpflichtung des Klägers bzw. seiner Eltern gegenüber Frau W. begründet worden. Im Zusammenhang der hier gewürdigten Umstände liegt vielmehr die Feststellung nahe, die Einlegung der Rechtsmittel beruhe auf einer vom Kläger bzw. seinen Eltern auf Grund besonderer Abrede übernommenen Verpflichtung, die Berücksichtigung eines höheren Satzes als 78 DM für die Behandlungseinheit im Interesse von Frau W. erforderlichenfalls im Verwaltungsrechtsweg gegen den Beklagten zu erstreiten.

Kommt es für den Umfang des Anspruchs nach § 35a SGB VIII grundsätzlich nur darauf an, zu welchem Preis der Kläger die erforderliche und entsprechend der Ausübung seines Wunsch- und Wahlrechts bewilligte Maßnahme erlangen konnte, ist für eine rechtliche Prüfung der Höhe des Satzes pro Behandlungseinheit etwa nach Art der §§ 78g Abs. 2, 78c Abs. 2 SGB VIII kein Raum. Anderes könnte nur dann gelten, wenn das Beharren des Leistungsträgers auf einem bestimmten Stundensatz missbräuchlich wäre. Für einen derartigen Missbrauch liegen hier indes keine Anhaltspunkte vor.

Ende der Entscheidung

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