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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 10.10.2002
Aktenzeichen: 12 E 658/00
Rechtsgebiete: GG, BSHG


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 2 Satz 1
BSHG § 12 Abs. 1 Satz 1
Neben dem - im natürlichen Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) wurzelnden und deshalb auch sozialhilferechtlich relevanten - Recht des nicht sorgeberechtigten Elternteils auf Umgang mit seinem Kind steht das - im Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) verankerte - Recht des Kindes auf unbehinderten Umgang mit diesem Elternteil. Durch die Wahrnehmung dieses Rechts bedingte Fahrtkosten des Kindes rechnen unbeschadet der unterhaltsrechtlichen Lage zu seinem notwendigen Lebensunterhalt.
Tatbestand:

Der minderjähige Kläger begehrt von dem beklagten Sozialhilfeträger die Übernahme von Fahrtkosten in Höhe von 76,-- DM, die für eine Besuchsfahrt des Klägers zu seinem getrennt von der Familie lebenden Vater entstanden sind. Seinem vom VG abgelehnten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren wurde vom Beschwerdegericht entsprochen.

Gründe:

Ob die Kosten der Fahrt des seinerzeit in I. bei seiner Mutter wohnhaften Klägers zu seinem damals getrennt von der Familie in J. ansässigen Vater dem notwendigen Lebensunterhalt des Klägers zuzurechnen sind und keine Selbsthilfemöglichkeit des Klägers bestand, ist der Klärung im Hauptsacheverfahren zu überlassen. Die im angefochtenen Beschluss angeführte Rechtsprechung zur sozialhilferechtlichen Berücksichtigung des Umgangsrechts führt nicht ohne weiteres zur Verneinung dieser Frage. Nach dieser obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt die Ausübung des Umgangsrechts mit getrennt lebenden Kindern für den nicht sorgeberechtigten Elternteil ein persönliches Grundbedürfnis seines täglichen Lebens mit der Folge dar, dass die hieraus erwachsenden Kosten nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG als Teil des notwendigen Lebensunterhalts dem Grunde nach sozialhilferechtlich anerkennungsfähiger Bedarf des Elternteils sind.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19.12.1994 - 24 A 3424/93 - und 16.3.1990 - 24 A 2758/86 - FEVS 41, 345 = NJW 1991, 190; BVerwG, Urteil vom 22.8.1995 - 5 C 15.94 -, FEVS 46, 89(92); BVerfG, Beschluß vom 25.10.1994 - 1 BvR 1197/93 - FamRZ 1995, 86(87) = NJW 1995, 1342(1343).

Neben dem - im natürlichen Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) wurzelnden - Recht des nicht sorgeberechtigten Elternteils auf Umgang mit seinem Kind steht indes das - im Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) verankerte - Recht des Kindes auf unbehinderten Umgang mit diesem Elternteil. Dementsprechend heißt es im Urteil des früheren 24. Senats des OVG NRW vom 16.3.1990 - 24 A 2758/86 - (FEVS 41, 346, 348), das Umgangsrecht sei (nicht (nur) ein Recht des Kindes(. Kümmert der nicht sorgeberechtigte Elternteil - aus welchen Gründen auch immer - sich nicht um die Pflege des Umgangs mit seinem Kind und liegen deshalb die Initiative zum Besuch und die Finanzierung des Besuchs allein beim Kind bzw. dessen sorgeberechtigtem Elternteil, aktualisiert das Kind sein Recht auf Umgang mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil. Hierdurch bedingte Fahrtkosten rechnen zu seinem notwendigen Lebensunterhalt. Eine andere Frage ist, ob der nicht sorgeberechtigte Elternteil unterhaltsrechtlich gegenüber seinem Kind zur Übernahme der Fahrtkosten verpflichtet ist. Ein solcher Anspruch könnte allerdings sozialhilferechtlich dem Kind nur dann entgegen gehalten werden, wenn es sich bei dem Anspruch um ein sogenanntes bereites Mittel handelte, er also alsbald realisiert werden könnte.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.5.1983 - 5 C 112.81 -, FEVS 33, 5, 8.

Nach dem substantiierten Vorbringen des Klägers ging die Initiative zur Umgangspflege von ihm bzw. seiner sorgeberechtigen Mutter aus, um den Kontakt zum Vater nicht abreißen zu lassen, und hat der Vater sich weder um die Finanzierung der hierzu notwendigen Fahrten noch überhaupt um das Zustandekommen der Besuche gekümmert. Ob es sich so verhielt und darüber hinaus ein eventueller Unterhaltsanspruch auf Übernahme der Kosten für die hier in Rede stehende Hin- und Rückfahrt nicht alsbald zu realisieren war, bedarf der abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren.

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