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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 13 A 2486/07
Rechtsgebiete: VergabeVO-ZVS


Vorschriften:

VergabeVO-ZVS § 14 Abs. 6
Auch der Studienbewerber, der nach Abbruch seines früheren Studiums im selben harten nc-Studiengang erneut seine Zulassung als Studienanfänger beantragt (Studienunterbrecher), unterfällt der "Parkstudienklausel" des § 14 Abs. 6 VergabeVO-ZVS.
Tatbestand:

Das vom Kläger erfolglos durchgeführte Klageverfahren betraf die Frage der Anwendbarkeit von § 14 Abs. 6 VergabeVO-ZVS, wenn ein Studium im selben Studiengang nach Abbruch fortgesetzt werden soll.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der zunächst geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift nicht durch. ... Der vom Kläger sinngemäß gestellten Frage, ob Sinn und Zweck des § 14 Abs. 6 VergabeVO-ZVS gebieten, dass nur ein tatsächliches Parkstudium durch Abzug der Zahl der Halbjahre "pönalisiert" wird, nicht jedoch ein Studium im gleichen Studiengang nach Studienunterbrechung, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Frage beantwortet sich ohne Weiteres aus dem Sinn und Zweck des Studienplatzvergaberechts, dem Gesamtzusammenhang seiner Regelungen und der vom Kläger herangezogenen Rechtsprechung des BVerfG.

Gemäß § 14 Abs. 6 VergabeVO-ZVS wird von der Gesamtzahl der Halbjahre - nach § 14 Abs. 1 - die Zahl der Halbjahre abgezogen, in denen der Bewerber ... an einer deutschen Hochschule als Student ... eingeschrieben war. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Vorschrift erfasst sie die Einschreibung des Bewerbers in jedwedem Studienfach/Studiengang; eine Ausnahme hiervon für den Fall, dass das unterbrochene frühere Studium und das neu angestrebte Studium fachgleich sind, ist nicht vorgesehen.

Auch die Genese sowie Sinn und Zweck der Vorschrift bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein fachgleiches früheres Studium nicht der Wartezeitreduzierung nach § 14 Abs. 6 VergabeVO-ZVS unterfällt. Die Vorschrift ist im Zusammenhang zu sehen mit § 32 Abs. 3 Nr. 2 Satz 7 HRG 99 - vgl. auch den wortgleichen Art. 13 Abs. 1 Nr. 2. a) Satz 6 Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen -, wonach "Zeiten eines Studiums an einer Hochschule ... auf die Wartezeit nicht angerechnet (werden) ...". Das BVerfG, Urteil vom 8.2.1977 - 1 BvF 1/76 u.a. -, BVerfGE, 43, 291, 378 ff., hat die entsprechende Vorgängerregelung des HRG 76, die in jenem Verfahren der Verfassungsbeschwerde als "Parkstudienklausel" bezeichnet worden ist, grundsätzlich für verfassungsgemäß erklärt, sie jedoch verfassungsrechtlich beanstandet, soweit sie auf Altparker anwendbar ist, die ihr Ausweichstudium bereits bis einschließlich Wintersemester 1974/75 begonnen hatten. Dabei hat es entsprechend den seinerzeitigen Rügen die Problematik der Vorschrift für den Kreis sog. Parkstudienbetreiber, die zur Überbrückung der Wartezeit bis zur Zulassung zum angestrebten Studium in ein anderes Studium ausweichen, betrachtet, nicht aber für andere Studentengruppen wie diejenige der Studienunterbrecher. Demgemäß ist aus seinen Ausführungen nicht zu schließen, dass die damalige Regelung als solche allein für Parkstudienbetreiber galt und ausschließlich für diese, soweit sie nicht Altparker des Wintersemesters 1974/75 und früher waren, Grundrechte nicht verletzte. Der Gesetzgeber hat dann auch in den entsprechenden Regelungen der nachfolgenden Fassungen des Hochschulrahmengesetzes - und dem folgend die Länder als Parteien des Staatsvertrags und als Verordnungsgeber - die einschränkende Formulierung "Parkstudium" nicht übernommen, sondern es bei der weiten Formulierung belassen. Bereits das spricht dafür, dass sie eine Anwendung der Regelung über die Reduzierung der Wartezeit wegen eines anderweitigen Hochschulstudiums vor dem aktuell angestrebten Studium nicht auf ein Parkstudium beschränken wollten, obgleich dies die Hauptwirkrichtung der Regelung sein mag.

Auch Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern keine der Ansicht des Klägers entsprechende einschränkende Interpretation der hier maßgeblichen aktuellen Regelung der Wartezeitreduzierung. Das Gesamtwerk des Studienplatzvergaberechts für den harten nc - wie vorliegend im Studiengang Medizin - bezweckt eine für grundsätzlich gleichberechtigte hochschulreife Bewerber chancenwahrende, zumutbare Studienplatzvergabe in der nach wie vor gegebenen Mangelsituation, wobei auch eine möglichst sinnvolle Nutzung der mit erheblichen staatlichen Mitteln geschaffenen und unterhaltenen Studienplätze Berücksichtigung findet. Sinn und Zweck der inhaltsgleichen Regelung der Wartezeitreduzierung wegen früher absolvierten Studiums, die seinerzeit Gegenstand der bundesverfassungsgerichtlichen Überprüfung war, sind in jenem Verfassungsbeschwerdeverfahren von der Bundesregierung dahin beschrieben worden, einem Übergreifen von Zulassungsbeschränkungen auf andere Studienfächer (Überwälzeffekt) und einer darin liegenden Behinderung schutzwürdiger Bewerber am Studium ihrer Wahl (Verdrängungseffekt) entgegen zu wirken und darüber hinaus eine Entlastung der ständig länger werdenden Warteliste von Bewerbern, die sich definitiv für das zweite Fach entscheiden ... (Bekämpfung des Verlängerungseffekts) zu bewirken. Jedoch bewirkt auch ein Studienunterbrecher, der unter Ausnutzung seiner ungekürzten Wartezeit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 VergabeVO erneut ein fachgleiches Studium als Studienanfänger anstrebt, eine Belastung der Gruppe der sog. Wartezeitbewerber, indem es dort zu einer Verdrängung noch nicht zugelassener Bewerber und somit zur Verlängerung der Wartezeit für seine Konkurrenten kommt. Dass er im vorangegangenen fachgleichen Ausgangsstudium keinen Überwälzeffekt oder Verdrängungseffekt auslösen kann, ist unerheblich. Der unerwünschte und vom Gesetz "bekämpfte" Verlängerungseffekt wird noch deutlicher, wenn berücksichtigt wird, dass ein Studienunterbrecher bei ungekürzter Wartezeit den Zielen der zentralen Studienplatzvergabe zuwider seine Zulassung als Studienanfänger - mit Erfolg über die Warteliste - beantragen könnte und dies ggf. bis zur Zulassung an seiner Wunschhochschule oder bis zum Erwerb ausreichender Leistungsnachweise für eine Prüfung. Die in einer erneuten fachgleichen Bewerbung als Studienanfänger liegende Belastung der Wartezeitauswahl wird daher ebenfalls von dem im o. a. Verfassungsbeschwerdeverfahren dargelegten, von einem hohen öffentlichen Anliegen getragenen Zweck der Wartezeitreduzierung nach § 14 Abs. 6 VergabeVO erfasst. Umgekehrt folgt daraus, dass der Fall der Studienunterbrechung von dieser Regelung nicht ausgenommen ist.

Dem kann der Kläger nicht entgegen halten, es werde ein anderer Bewerber der Wartezeitliste nicht verdrängt oder Ausbildungsaufwand nicht doppelt genutzt. Wird nämlich ein Studienunterbrecher erneut zum 1. Fachsemester zugelassen, hat die Hochschule ihn als Studienanfänger einzuschreiben und er hat Anspruch auf Teilnahme an den Ausbildungsveranstaltungen, selbst wenn sie für ihn in gewissem Umfang eine Wiederholung darstellen, und ein anderer Bewerber wird zwangsläufig infolge der beschränkten Platzzahl verdrängt. Ferner muss der Studienunterbrecher nicht seine Durchstufung in ein höheres Fachsemester beantragen; im Übrigen hängt eine solche Durchstufung von im individuellen Fall nicht voraussehbaren tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen - etwa einem freien Platz in einem höheren Fachsemester - ab, so dass ein Nachrücken des nächstrangigen Bewerbers der Wartezeitliste nicht gesichert ist.

Das BVerfG, a. a. O., hat die seinerzeit lediglich unter der Problematik des Parkstudiums betrachtete und daher als Parkstudienklausel bezeichnete, ihrem Wortlaut, ihrer Genese und ihrem Sinn und Zweck nach jedoch nicht auf ein Parkstudium beschränkte Regelung der Reduzierung der Wartezeit um zwischenzeitliche Studienzeiten mit Blick auf Sinn und Zweck der Regelung (Bekämpfung des Überwälzeffekts und Verdrängungseffekts für den ersten Studiengang) grundsätzlich für mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar erklärt. Diese Wertung gilt auch insoweit, als mit der Regelung der Wartezeitreduzierung im Fall der Studienunterbrechung lediglich der weitere Zweck der Vorschrift, nämlich eine Bekämpfung des Verdrängungseffekts im neu angestrebten Studium erreicht wird. Auch dann noch dient die Regelung dem hohen Anliegen der staatlichen Gemeinschaft nach einer chancenwahrenden, zumutbaren Studienplatzvergabe bei gegebener Mangelsituation. Ebenso wie es für einen nach Leistungskriterien nicht zugelassenen Studienbewerber zumutbar und chancenwahrend ist, nicht lediglich "parkend" einen Studienplatz in einem letztlich nicht angestrebten Fach zu belegen, ist auch freiwilligen oder zwangsweisen Studienunterbrechern zumutbar und für sie chancenwahrend, sich zur Fortsetzung des Studiums der nach dem Vergaberecht gegebenen Möglichkeiten zu bedienen. So kann ein Studienunterbrecher nach den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen seine Zulassung im fachgleichen Studiengang an einer anderen Hochschule in einem höheren Fachsemester beantragen, wobei unabhängig von den bereits absolvierten Fachsemestern - jedenfalls nach nordrhein-westfälischem Landesrecht - jedes höhere Fachsemester in Betracht kommt, dessen Eingangsvoraussetzungen er erfüllt. Beabsichtigt er allerdings eine Fortsetzung des unterbrochenen Studiums als Studienanfänger, hat er sich den Regelungen des Vergaberechts für Studienanfänger, insbesondere derjenigen der Wartezeitauswahl zu unterwerfen. Dass eine Studienfortsetzung in einem höheren Fachsemester von der Ungewissheit eines freien Studienplatzes und eine Studienfortsetzung als Studienanfänger von dem Ablauf einer unter Umständen langen - ungekürzten - Wartezeit abhängt, ist nicht unzumutbar, weil dem Studienbewerber bereits einmal die in einem Studienplatz seiner Wahl liegende Lebenschance gewährt war, er diese aber aus in seiner Sphäre liegenden Gründen nicht vollständig ausgeschöpft hat, während anderen Bewerbern eine solche Ausbildungschance noch nicht zu Teil geworden ist. So gesehen erweist sich die Vorschrift des § 14 Abs. 6 VergabeVO-ZVS, auch wenn sie einer objektiven Berufszugangsschranke nahe kommt, als durch besonders gewichtige Anliegen der staatlichen Gemeinschaft gerechtfertigt und verhältnismäßig.

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