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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.08.2006
Aktenzeichen: 13 A 3030/04
Rechtsgebiete: AMNG


Vorschriften:

AMNG Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5
1. Nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG (§ 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG) ist eine Teilidentität zwischen den arzneilich wirksamen Bestandteilen des ursprünglichen und des geänderten Arzneimittels erforderlich. Ein Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels (sog. Totalaustausch) ist hiernach unzulässig.

2. Nach den allgemeinen Grundlagen der Phytotherapie ist die jeweilige pflanzliche Zubereitung in ihrer Gesamtheit als ein arzneilich wirksamer Bestandteil im Sinne des Arzneimittelgesetzes anzusehen.

3. Die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Inhaltsstoffspektrums der jeweiligen pflanzlichen Zubereitung wird durch diverse Faktoren, zu denen die Drogenart und der Drogenteil, das Auszugsmittel sowie das Auszugsverfahren zählen, beeinflusst. Diese Faktoren sind im Sinne des Arzneimittelgesetzes damit für die Art des jeweiligen arzneilich wirksamen Bestandteils verantwortlich.


Tatbestand:

Das L-Unternehmen zeigte am 30.6.1978 das Fertigarzneimittel "C-Tropfen" beim Bundesgesundheitsamt (BGA) gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 AMNG vom 24.8.1976 an. Das angezeigte Arzneimittel enthielt zehn wirksame Bestandteile, unter anderen "Herba Thymi" als alkoholisches Destillat. Am 20.4.1990 beantragte die J-GmbH, die zwischenzeitlich Inhaberin der Zulassung des genannten Arzneimittels geworden war, die Verlängerung der Zulassung nach Art. 3 § 7 Abs. 3 Satz 1 AMNG (sog. Kurzantrag). Die dort aufgeführten wirksamen Bestandteile entsprachen nach Art, Menge und Zusammensetzung denen der Anzeige vom 30.6.1978. Die M-GmbH, die in der Folgezeit Zulassungsinhaberin geworden war, zeigte am 27.10.1993 Änderungen des Arzneimittels an. Hiernach enthielt dieses nunmehr ausschließlich den arzneilich wirksamen Bestandteil "Extr. Herba Thymi spiss. (Verhältnis Droge - nativer Extrakt 5,0 - 6,9 : 1) 20,0 g" (bezogen auf 100 ml). Die Klägerin beantragte am 29.11.1993 die Verlängerung der Zulassung nach Art. 3 § 7 Abs. 4 Satz 2 AMNG (sog. Langantrag). Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.12.2000 ab.

Die hiergegen erhobene Klage wies das VG zurück. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Bescheid vom 28.12.2000, mit dem die Beklagte die am 29.11.1993 beantragte Verlängerung der (fiktiven) Zulassung für das Arzneimittel "C-Tropfen" abgelehnt ab, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Verlängerung der fiktiven Zulassung des Arzneimittels.

Nach dem für die Beurteilung des Klagebegehrens maßgeblichen § 105 Abs. 4f Satz 1 Halbsatz 1 AMG ist die Zulassung nach Abs. 1 auf Antrag nach § 105 Abs. 3 Satz 1 AMG um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Eine Verlängerung der Zulassung setzt daher - wie das VG zutreffend ausgeführt hat - zunächst voraus, dass für das jeweilige Arzneimittel eine "Zulassung nach Abs. 1", also eine sog. fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG bzw. bis zum Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 9.8.1994 (BGBl. I S. 2071, 2082, 2086) nach Art. 3 § 7 Abs. 1 AMNG entstanden ist und diese im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung noch fortbesteht. Dies ist hier indes nicht der Fall.

Das (ursprüngliche) Arzneimittel "C-Tropfen" ist zwar gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 AMNG in der Fassung vom 24.8.1976 (BGBl. I S. 2445, 2477) ordnungsgemäß angezeigt worden. Auch die Verlängerung der fiktiven Zulassung nach Art. 3 § 7 Abs. 3 Satz 1 AMNG (sog. Kurzantrag) in der Fassung vom 22.12.1989 (BGBl. I S. 2462) wurde fristgemäß beantragt, wobei die Art und Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile und deren Zusammensetzung unverändert angegeben wurden.

Gegenstand des am 29.11.1993 gestellten Antrags nach Art. 3 § 7 Abs. 4 Satz 2 AMNG (sog. Langantrag) in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 11.4.1990 (BGBl. I S. 717, 724 f.) war jedoch nicht mehr das ursprünglich angezeigte Arzneimittel, sondern ein unzulässig geändertes Arzneimittel. Die fiktive Zulassung des ursprünglich angezeigten Arzneimittels erstreckt sich nicht auf das geänderte Arzneimittel, weil die vorgenommene Änderung den durch Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG in der auch insoweit maßgeblichen, vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31.10.2002 - OVG 5 B 24.00 und OVG 5 B 25.00 -, juris, im Zeitpunkt der Änderung des Arzneimittels geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes gesteckten Rahmen überschritten hat mit der Folge, dass das geänderte Arzneimittel mangels fortbestehender fiktiver Zulassung einer Neuzulassung bedarf.

Nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG in der genannten Fassung darf ein Fertigarzneimittel nach Abs. 1 bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung abweichend von § 29 Abs. 3 AMG mit geänderter Art oder Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile ohne Erhöhung ihrer Anzahl innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung in den Verkehr gebracht werden, wenn das Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG bekannt gemachten Ergebnis oder einem vom BGA vorgelegten Muster für ein Arzneimittel angepasst und das Arzneimittel durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig wird.

Dahingestellt bleiben kann vorliegend, ob das ursprüngliche und das geänderte Arzneimittel den gleichen Anwendungsbereich beansprucht haben bzw. beanspruchen und ob das geänderte Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 AMG bekannt gemachten Ergebnis angepasst worden ist. Jedenfalls war die angezeigte Änderung deswegen nicht von Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG gedeckt, weil die Vorschrift eine Teilidentität zwischen den arzneilich wirksamen Bestandteilen des ursprünglichen und des geänderten Arzneimittels erfordert, mithin den Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels (sog. Totalaustausch) nicht zulässt (a), vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31.10.2002, a.a.O.; Beschluss vom 14.2.1992 - OVG 5 S 44.91 -; OLG Frankfurt, Urteile vom 12.9.1996 - 6 U 110/96 -, PharmaR 1997, 228, und vom 11.12.1995 - 6 U 136/95 -, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.11.1992 - 6 U 10/92 -, PharmaR 1993, 209; a.A. OLG Köln, Urteil vom 11.8.1995 - 6 U 238/94 -, PharmaR 1996, 20; OLG Hamburg, Urteil vom 3.3.1994 - 3 U 233/93 -, PharmaR 1995, 18, und damit auch den hier vorgenommenen Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile durch einen zuvor nicht enthaltenen arzneilich wirksamen Bestandteil nicht deckt (b).

a) Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ist dahingehend auszulegen, dass dieser den Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels nicht zulässt.

Dem Wortlaut dieser Regelung ist zwar weder für noch gegen die Zulässigkeit des Totalaustausches ein hinreichend verlässlicher Hinweis zu entnehmen.

Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31.10.2002, a.a.O.; Beschluss vom 14.2.1992, a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteil vom 11.12.1995, a.a.O.

Allerdings deuten bereits die auch in Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG verwendeten Begriffe "geändert" und "Änderung" auf das Erfordernis einer Teilidentität zwischen den arzneilich wirksamen Bestandteilen des Altarzneimittels und den/des arzneilich wirksamen Bestandteilen/Bestandteils des geänderten Arzneimittels hin.

Für ein solches Verständnis der Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG lassen sich auch systematische Erwägungen anführen. Insoweit ist in den Blick zu nehmen, dass unter Nrn. 1 bis 4 des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG Änderungsmöglichkeiten für fiktiv zugelassene Altarzneimittel im Einzelnen beschrieben und ausnahmslos auf Teilbereiche begrenzt sind. Die Ausgestaltung dieser Änderungsmöglichkeiten indiziert damit, dass im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG eine Änderung ebenfalls nur in einem begrenzten Umfang zugelassen und damit der Totalaustausch der arzneilich wirksamen Bestandteile nicht ermöglicht werden sollte. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass eine weite Auslegung der Nr. 5 des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG im Ergebnis dazu führen würde, dass die dort unter Nrn. 1 bis 4 vorgesehenen beschränkten Änderungsmöglichkeiten im Einzelfall unterlaufen werden könnten, wobei das jeweilige Arzneimittel lediglich dem gleichen Anwendungsbereich und der gleichen Therapierichtung zuzuordnen sein müsste. Ein solche Konsequenz würde die Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG jedoch insgesamt in Frage stellen.

OLG Karlsruhe, a.a.O., S. 213.

Vor diesem Hintergrund sowie mit Blick darauf, dass die Versuchung, einen Totalaustausch vorzunehmen und dennoch die erleichterte Nachzulassung zu erhalten, nahe liegt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit des Austausches aller arzneilich wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ausdrücklich geregelt und damit die dort beschriebenen Änderungsmöglichkeiten anders - etwa in der Form einer generalklauselartigen Regelung - ausgestaltet hätte, wenn er diesen hätte zulassen wollen. Dass der Gesetzgeber die Möglichkeit des Totalaustausches im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG nicht eröffnen wollte, erschließt sich im Übrigen letztlich auch aus der die Bezeichnung des geänderten Arzneimittels betreffenden Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 3 AMNG. Die dort vorgesehene Pflicht zur Benutzung der bisherigen Bezeichnung mit einem Zusatz wäre im Falle der Möglichkeit eines Totalaustausches sinnwidrig; sinnvoll wäre für diesen Fall vielmehr eine Pflicht zur Verwendung einer neuen Bezeichnung oder die Einräumung eines Rechts zur Benutzung der mit einem Zusatz versehenen bisherigen Bezeichnung.

Der (weitere) Kontext, in dem die im Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG vorgesehenen Änderungsmöglichkeiten zu bewerten sind, bestätigt die vorstehenden Erwägungen. Insoweit ist von Bedeutung, dass Art. 3 AMNG in seiner Gesamtheit, mithin auch im Rahmen des Art. 3 § 7 AMNG und der dort in Abs. 3a Satz 2 geregelten - wenngleich erst durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes eingefügten - Änderungsmöglichkeiten, Übergangsvorschriften für die Zulassung von Arzneimitteln enthält, die sich bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.8.1976 (BGBl. I S. 2445, 2482), also am 1.1.1978 im Verkehr befunden haben. Der diesen Vorschriften und insbesondere den nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 AMNG gegebenen Änderungsmöglichkeiten zu Grunde liegende Gedanke des Bestandsschutzes darf nicht aus dem Blick geraten. Die Zubilligung von Bestandsschutz im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ist allerdings dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die arzneilich wirksamen Bestandteile des ursprünglichen und des geänderten Arzneimittels nicht wenigstens teilweise identisch sind. Denn beim Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile existiert das ursprüngliche Arzneimittel faktisch nicht mehr. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass das ursprüngliche und das neue Arzneimittel demselben Anwendungsbereich und derselben Therapierichtung zuzuordnen sind. Es handelt sich insoweit um übergeordnete Kategorien, die nicht geeignet sind, das jeweilige Arzneimittel hinreichend zu individualisieren. Schon vor diesem Hintergrund ist - ungeachtet der Frage, wie insbesondere der Begriff des "Anwendungsbereichs" zu verstehen ist - die Annahme ungerechtfertigt, wegen der Beibehaltung des Anwendungsbereichs und der Therapierichtung sei im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG Bestandsschutz zuzubilligen.

Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31.10.2002, a.a.O.; Beschluss vom 14.2.1992, a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteile vom 12.9.1996, a.a.O., S. 229, und vom 11.12.1995, a.a.O.

Der Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit, mit dem im Gesetzgebungsverfahren die erleichterte Anpassung fiktiv zugelassener Arzneimittel an bestehende Aufbereitungsmonographien - beiläufig - begründet wurde, vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 11/5373, S. 19, gebietet keine andere Bewertung. Das angeführte Motiv der Arzneimittelsicherheit war berechtigt. Dass eine erleichterte, weil schneller und unkomplizierter zu bewilligende Anpassung eines Altarzneimittels an eine Aufbereitungsmonographie etwa mit Blick auf eine angepasste Dosierung oder angepasste Wirkstoffanteile die Gefahr einer unnötigen Belastung des menschlichen Organismus verringert und das Heilwirkung-Risiko-Verhältnis verbessert, liegt auf der Hand. Es besagt aber nicht, dass der Gesetzgeber eine Anpassung und damit Veränderung eines Altarzneimittels auch dann noch annehmen wollte, wenn durch einen vollständigen Austausch der arzneilich wirksamen Bestandteile ein neues Arzneimittel entsteht. Dem kann nicht entgegnet werden, bei Beibehaltung eines einzelnen arzneilich wirksamen Bestandteils aus einem Kombinationsarzneimittel entstehe letztlich ebenfalls ein neues Arzneimittel und die mit Blick auf die Volksgesundheit relevante Arzneimittelsicherheit sei im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG sowohl bei einem Totalaustausch als auch bei einem Teilaustausch der arzneilich wirksamen Bestandteile dadurch gewährleistet, dass das neue Arzneimittel einer Aufbereitungsmonographie entspreche. Folgte man dieser Argumentation, hätte jeder pharmazeutische Unternehmer ohne weitere Voraussetzungen hinsichtlich der Altarzneimittel, die einer solchen Monographie entsprechen, vom Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG befreit werden müssen. Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber aber gerade nicht getroffen, sondern grundsätzlich auch solche Arzneimittel dem Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG unterworfen.

Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 11.12.1995, a.a.O.

Im Übrigen setzt die Anpassung an eine Aufbereitungsmonographie gerade nicht voraus, dass sich der pharmazeutische Unternehmer von bedenklichen Bestandteilen eines Arzneimittels trennt. Ihm ist vielmehr auch die Möglichkeit der Anpassung von Arzneimitteln, die völlig unbedenkliche arzneilich wirksamen Bestandteile enthalten, aus rein wirtschaftlichen Motiven eröffnet.

Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31.10.2002, a.a.O.; Beschluss vom 14.2.1992, a.a.O.

Insoweit fügt sich, dass die Anpassung von Arzneimitteln an Aufbereitungsmonographien nach dem AMG-Erfahrungsbericht 1993, vgl. AMG-Erfahrungsbericht 1993, Nr. 2.2.23.1, BT-Drucks. 12/5226, S. 46, häufig aus wirtschaftlichen Erwägungen und eben nicht aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erfolgt ist.

Eine enge Auslegung des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG ist schließlich nicht zuletzt auch deshalb vorzugswürdig, weil nur eine solche mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Der Verzicht auf das Erfordernis eines aufwendigen Zulassungsverfahrens nach §§ 21 ff. AMG im Falle der Anpassung eines Altpräparats an eine Aufbereitungsmonographie stellt eine Bevorzugung des Inhabers der fiktiven Zulassung gegenüber den sonstigen pharmazeutischen Unternehmern dar, die, auch wenn das jeweils zuzulassende Arzneimittel einer Aufbereitungsmonographie entspricht, in jedem Fall das Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG durchlaufen müssen. Eine solche Bevorzugung geht weit über das hinaus, was nach den vorstehenden Ausführungen durch den Bestandsschutz gewährleistet werden sollte.

Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 31.10.2002, a.a.O.; Beschluss vom 14.2.1992, a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteil vom 12.9.1996, a.a.O., S. 229.

Die Zulassung des Totalaustausches im Rahmen des Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG bzw. mit Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes im Rahmen des § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG würde im Übrigen eine erhebliche Belebung des Handels mit Zulassungen von Arzneimitteln bewirken, die nicht mehr oder kaum noch vertrieben werden, wobei der Erwerber sich allein an dem jeweiligen Anwendungsbereich und der jeweiligen Therapierichtung des Arzneimittels orientieren und sodann nach dem Erwerb dessen arzneilich wirksame Bestandteile vollständig austauschen und im Wege der Änderungsanzeige folglich ein völlig anderes Arzneimittel in den Verkehr bringen könnte. Die damit einhergehende Umgehung des Zulassungsverfahren nach §§ 21 ff. AMG kann schon aus den genannten verfassungsrechtlichen Gründen nicht Zweck der gesetzlichen Regelung sein.

Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 12.9.1996, a.a.O., S. 229.

Schließlich ist auch dem Einwand der Klägerin, für Monopräparate bestünden, wenn die Zulässigkeit des Totalaustausches verneint würde, keine Änderungsmöglichkeiten nach Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG, kein Gewicht beizumessen. Dieser Aspekt ist vielmehr als Folge der Regelung hinzunehmen.

Dass das BGA bzw. später das BfArM in der Vergangenheit seine behördliche Praxis auf die Annahme gestützt hat, ein Totalaustausch sei zulässig, vermag an der dargelegten Rechtslage nichts zu ändern.

b) Hier liegt ein Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile durch einen zuvor nicht enthaltenen arzneilich wirksamen Bestandteil vor, der durch Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG nicht gedeckt ist.

Bei Phytopharmaka, zu denen auch das streitbefangene Arzneimittel zählt, besteht im Vergleich zu chemisch definierten Arzneimitteln die Besonderheit, dass die jeweilige pflanzliche Zubereitung ein komplex zusammengesetztes Vielstoffgemisch darstellt. Nach den allgemeinen Grundlagen der Phytotherapie ist (dennoch) die jeweilige pflanzliche Zubereitung in ihrer Gesamtheit als ein selbständiger arzneilich wirksamer Bestandteil im Sinne des Arzneimittelgesetzes anzusehen.

Vgl. Gaedcke/Steinhoff, Phytopharmaka - Wissenschaftliche und rechtliche Grundlagen für die Entwicklung, Standardisierung und Zulassung in Deutschland und Europa, Stuttgart 2000, S. 2, 37, 69.

Die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Inhaltsstoffspektrums der jeweiligen pflanzlichen Zubereitung wird durch diverse Faktoren, zu denen die Drogenart und der Drogenteil, das Auszugsmittel sowie das Auszugsverfahren zählen, beeinflusst. Diese Faktoren sind im Sinne des Arzneimittelgesetzes damit für die Art des jeweiligen arzneilich wirksamen Bestandteils verantwortlich.

Vgl. Gaedcke/Steinhoff, a.a.O., S. 12 f.

Dieses Verständnis des Arzneimittelgesetzes ist auch mit Blick auf Art. 1 Nr. 30 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6.11.2001 (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67) in der Fassung der Richtlinie 2004/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 85) bzw. den wortgleichen - durch das u.a. der Umsetzung der genannten Richtlinien dienende 14. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29.8.2005 (BGBl. I S. 2570) eingefügten - § 4 Abs. 29 AMG angezeigt. Demnach werden pflanzliche Arzneimittel als Arzneimittel definiert, die als Wirkstoff ausschließlich einen oder mehrere pflanzliche Stoffe oder eine oder mehrere pflanzliche Zubereitungen oder eine oder mehrere solcher pflanzlichen Stoffe in Kombination mit einer oder mehreren solchen pflanzlichen Zubereitungen enthalten. Pflanzliche Zubereitungen sind nach Art. 1 Nr. 32 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/24/EG Zubereitungen, die dadurch hergestellt werden, dass pflanzliche Stoffe Behandlungen wie Extraktion, Destillation, Pressung, Fraktionierung, Reinigung, Konzentrierung oder Fermentierung unterzogen werden.

Neben dem Ausgangsmaterial kommt auch hiernach dem Herstellungsprozess, in welchem das Auszugsmittel sowie die Art des Auszugsverfahrens bestimmt werden, erhebliche Bedeutung zu. Die Art und Konzentration des Auszugsmittels ist maßgebend für die Art und Menge der Inhaltsstoffe, die in die pflanzliche Zubereitung übergehen. Aber nicht nur die Art und Konzentration des Auszugsmittels, sondern auch die Art des angewandten Auszugsverfahrens hat maßgeblichen Einfluss auf die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Inhaltsstoffspektrums der pflanzlichen Zubereitung.

Vgl. Gaedcke/Steinhoff, a.a.O., S. 48, 51.

Hieran gemessen ist bezüglich des streitbefangenen Arzneimittels von einem unzulässigen Totalaustausch der arzneilich wirksamen Bestandteile auszugehen. Das Arzneimittel enthielt bis zur Änderung zehn arzneilich wirksame Bestandteile, u.a. Thymi herba als alkoholisches Destillat. Nach der am 27.10.1993 angezeigten Änderung wies es ausschließlich einen wässrig gelösten Thymiandickextrakt auf. Mit Blick auf das veränderte Auszugsmittel - ursprünglich Äthanol, schließlich Wasser - und das veränderte Auszugsverfahren - ursprünglich Destillation, schließlich Extraktion - ist ein Austausch aller arzneilich wirksamen Bestandteile im Sinne des Arzneimittelrechts erfolgt, der - wie dargelegt - nicht von Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG gedeckt ist und damit unzulässig war.

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