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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 20.11.2007
Aktenzeichen: 13 A 3786/05
Rechtsgebiete: HPG, 1. DVO-HPG, AppOÄ 1978, ÄAppO 2002


Vorschriften:

HPG § 1 Abs. 1
HPG § 1 Abs. 2
HPG § 2 Abs. 1
HPG § 7
1. DVO-HPG § 2 Abs. 1
1. DVO-HPG § 2 Abs. 1 Buchst. i)
1. DVO-HPG § 3 Abs. 1
AppOÄ 1978 § 14 Abs. 5
ÄAppO 2002 § 14 Abs. 4 Satz 2
Die schriftliche Überprüfung für die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis kann (auch) in Nordrhein-Westfalen im Antwort-Wahl-Verfahren ("multiple choice") erfolgen.
Tatbestand:

Der Kläger begehrte die Erteilung der Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz. Er unterzog sich mehrfach erfolglos der im Antwort-Wahl-Verfahren ("multiple choice") durchgeführten schriftlichen Überprüfung und wurde zu den jeweiligen mündlichen Überprüfungen nicht zugelassen. Der Beklagte lehnte die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis ab. Der Kläger machte im Wesentlichen geltend, die Durchführung der schriftlichen Überprüfung im multiple-choice-Verfahren sei unzulässig und er habe bei der schriftlichen Überprüfung ausreichende Leistungen gezeigt. Eine Gefahr für die Volksgesundheit bestehe nicht, wenn er als Heilpraktiker tätig sei.

Das VG hob die die Erteilung der Erlaubnis ablehnenden Bescheide der Beklagten wegen fehlerhafter Zugrundelegung einer absoluten Bestehensgrenze von 75 % richtiger Antworten bei der schriftlichen Überprüfung auf und wies die Verpflichtungsklage auf Erteilung der Erlaubnis ab, weil der Kläger den erforderlichen mündlichen Teil der Überprüfung noch nicht absolviert und wegen der fehlerhaften Ausgestaltung des schriftlichen Überprüfungsverfahrens nicht den Nachweis ausreichender Kenntnisse und Fähigkeiten erbracht habe. Auf die Berufung des Beklagten änderte das OVG das Urteil des VG und wies die Klage in vollem Umfang ab; die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen.

Gründe:

Gemäß § 1 Abs. 1 HPG vom 17.2.1939 (RGBl. I S. 251), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.10.2001 (BGBl. I S. 2702, 2705), bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will. Nach § 1 Abs. 2 HPG ist Ausübung der Heilkunde im Sinne des Gesetzes jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Diese vorkonstitutionellen Bestimmungen i. V. m. der 1. und 2. DVO-HPG (RGBl. I 1939 S. 259 bzw. 1941 S. 368) gelten gemäß Art. 123 Abs. 1 GG und Art. 125 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG als Bundesrecht fort und sind in verfassungskonformer Auslegung auch grundsätzlich mit dem die Berufsfreiheit schützenden Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10.5.1988 - 1 BvR 111/77 -, BVerfGE 78, 155, und vom 3.6.2004 - 2 BvR 1802/02 -, NJW 2004, 2890; BVerwG, Urteile vom 24.1.1957 - 1 C 194.54 -, BVerwGE 4, 250, vom 21.1.1993 - 3 C 34.90 -, BVerwGE 91, 356 = NJW 1993, 2395, vom 11.11.1993 - 3 C 45.91 -, NJW 1994, 3024, und vom 21.12.1995 - 3 C 24.94 -, DÖV 1996, 963; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 26.10.2005 - 9 S 2343/04 -, VBlBW 2006, 146 = juris, und vom 17.2.2005 - 9 S 216/04 -, NVwZ-RR 2005, 725; OVG NRW, Beschluss vom 8.1.2007 - 13 A 1741/04 -, Urteile vom 8.12.1997 - 13 A 4973/94 -, MedR 1998, 571, und vom 2.12.1998 - 13 A 5322/96 -, DVBl. 1999, 1057.

Entgegen dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 HPG kommt der Behörde bei der Entscheidung über die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis kein Ermessen zu. In verfassungskonformer Auslegung der maßgebenden Bestimmungen ist vielmehr jeder Antragsteller zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung zuzulassen, wenn keiner der in § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HPG genannten und nicht in Folge ihres nationalsozialistischen Charakters außer Kraft getretenen Versagungsgründe vorliegt.

BVerwG, Urteil vom 21.12.1995 - 3 C 24.94 -, a. a. O.; Bay. VGH, Urteil vom 20.11.1996 - 7 B 95.3170 -, VGHE BY 51, 31 = juris.

Nach § 2 Abs. 1 Buchst. i) der 1. DVO-HPG i. d. F. der 2. DVO-HPG, zuletzt geändert durch Verordnung vom 4.12.2002 (BGBl. I S. 4456), wird die Heilpraktikererlaubnis nicht erteilt, "wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde". Da diese Bestimmung - ebenso wie das gesamte Heilpraktikergesetz - dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dient und dieser grundsätzlich das Erfordernis einer Erlaubnis für eine heilkundliche Tätigkeit rechtfertigt, handelt es sich um eine Bestimmung der gesundheitspolizeilichen Gefahrenabwehr. Angezeigt ist dementsprechend eine präventive Kontrolle, die nicht nur die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auch die Eignung für den Heilkundeberuf im Allgemeinen erfasst.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.5.1988 - 1 BvR 482/84 -, BVerfGE 78, 179; Bay. VGH, Urteil vom 28.11.2006 - 21 B 04.3400 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.10.2005 - 9 S 2343/04 -, a. a. O.; OVG NRW, Urteil vom 2.12.1998 - 13 A 5322/96 -, a. a. O.

Ebenso wie die Heilpraktikererlaubnis nicht als "kleine" ärztliche Approbation verstanden werden kann, kann die Überprüfung nach § 2 Abs. 1 Buchst. i) der 1. DVO-HPG auch nicht als ein "medizinisches Staatsexamen mit ermäßigten Anforderungen" angesehen werden. Die Überprüfung zielt nicht auf den Nachweis einer Fachqualifikation ab, und zwar schon deshalb nicht, weil für den Heilpraktikerberuf eine bestimmte fachliche Ausbildung nicht vorgeschrieben ist. Sie endet auch nicht in einer Vergabe von Prüfungsnoten, die wie regelmäßig bei den wissenschaftlich-fachlichen Berufszugangsprüfungen auf ein bestimmtes Leistungsprofil - etwa auf den Durchschnitt der zu erwartenden Leistung - bezogen werden. Die Überprüfung ist keine vom Gesetz formalisierte Prüfung im herkömmlichen Sinne. Es wird auch nicht das Erbringen von Prüfungsleistungen normativ auf einen bestimmten Zeitpunkt festgesetzt, wie dies für wissenschaftlich-fachliche Prüfungen typisch ist. Der Überprüfung fehlt im strengen Sinne der Stichtagscharakter, zumal nach negativer Überprüfung einer erneuten Überprüfung nichts im Wege steht und die Überprüfung grundsätzlich beliebig wiederholbar ist; letzteres mindert auch die grundrechtliche Betroffenheit bei einer erfolglosen Überprüfung. Die Überprüfung dient allein der Aufklärung, ob im medizinischen Bereich gefährliche Fehlvorstellungen des Prüflings zu Tage treten und dementsprechend eine Gefahr für die Volksgesundheit vorliegt. Allein zur Aufklärung, ob eine derartige Gefahr vorliegt, überprüft der Amtsarzt die Antragsteller auf Kenntnismängel oder medizinische Fehlvorstellungen. Ein Beurteilungsspielraum kommt ihm dabei nicht zu, so dass eine Bindung der bei der Durchführung des Heilpraktikergesetzes beteiligten Verwaltungsbehörden an seine Feststellungen und eine nur eingeschränkte gerichtliche Nachprüfbarkeit derselben nicht besteht. Die bei der Überprüfung eines Heilpraktikeranwärters gewonnenen amtsärztlichen Erkenntnisse sind vielmehr nur Teil der Entscheidungsgrundlagen für die untere Verwaltungsbehörde, die nach § 3 Abs. 1 der 1. DVO-HPG über den Antrag auf Erlaubniserteilung entscheidet.

In welcher Form und in welchem Umfang die Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Heilpraktikeranwärters nach § 2 Abs. 1 Buchst. i) der 1. DVO-HPG zu erfolgen hat und wie seine "allgemeine Eignung für die Ausübung der Heilkunde" festgestellt werden kann, ist weder dem Heilpraktikergesetz noch den Durchführungsverordnungen unmittelbar zu entnehmen. Eine Leitlinie ergibt sich aber in Orientierung an den Erfordernissen für eine ordnungsgemäße Erfüllung der konkret geplanten Berufstätigkeit und allgemein aus der Zielsetzung des Heilpraktikergesetzes und der Zweckrichtung der Versagungsnorm des § 2 Abs. 1 Buchst. i) der 1. DVO-HPG, ungeeignete Heilbehandler von Patienten fernzuhalten. Das Überprüfungsverfahren nach dieser Bestimmung muss dementsprechend nach Art und Umfang geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein, um die Feststellung tragen zu können, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Erlaubnisbewerber die Volksgesundheit gefährdet oder nicht. Im Sinne einer normkonkretisierenden Wirkung, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.10.2005 - 9 S 2343/04 -, a. a. O., kann dabei in Nordrhein-Westfalen abgestellt werden u. a. auf die geltenden Richtlinien zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes (RdErl. d. MFJFG vom 18.5.1999, MBl. NRW. 1999 S. 812, geändert durch RdErl. vom 13.1.2005, MBl. NRW. S. 155, "Richtlinien"), die letztlich auf der Ermächtigungsnorm des § 7 HPG zum Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften beruhen (vgl. Art. 129 Abs. 1 GG). Auch wenn die Überprüfung für Heilpraktikeranwärter nicht landesweit einheitlich erfolgt, gewährleisten diese Richtlinien generell eine Vereinheitlichung des Überprüfungsverfahrens und der Bestehensmaßstäbe und tragen so dem Grundsatz der Chancengleichheit der Bewerber Rechnung.

Die in Frage stehende schriftliche Überprüfung des Klägers ist weder im Allgemeinen noch in der speziellen Durchführung verfahrensmäßig zu beanstanden.

Vor dem Hintergrund, dass es aus rechtlicher Sicht allein darauf ankommt, ob die jeweilige Form der Leistungsermittlung zur Erreichung des Ziels der Leistungskontrolle geeignet und ausreichend ist, entspricht die in den Richtlinien (4.4.1, Satz 1) vorgesehene Aufteilung der Heilpraktiker-Überprüfung in einen schriftlichen und einen mündlichen Teil der nahezu bei allen Prüfungen üblichen Kombination und beruht diese letztlich auf dem Prüfungs-Organisationsermessen der die Prüfung durchführenden Institution. Gleiches gilt auch für die Regelung in den Richtlinien (4.4.1, Sätze 2, 3), die schriftliche Überprüfung vor der mündlichen durchzuführen und die Zulassung zur mündlichen Überprüfung vom Nachweis ausreichender Kenntnisse im schriftlichen Teil abhängig zu machen. Der schriftliche Teil der Überprüfung mit den darin anstehenden vielschichtigen Fragen bietet grundsätzlich bereits eine hinreichende Basis für Aussagen zu den für eine Heilpraktikertätigkeit notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten des Bewerbers. Sind diese bereits auf Grund der schriftlichen Antworten des Anwärters zu verneinen, besteht im Rahmen des Prüfungsermessens kein Anlass mehr zur zusätzlichen Durchführung einer mündlichen Überprüfung. Ein genereller Verzicht auf einen bedeutsamen, praktisch unverzichtbaren Prüfungsteil liegt darin weder im Allgemeinen noch - anders als der Kläger meint - in diesem speziellen Fall. Es handelt sich vielmehr um eine im Sinne der Verwaltungspraktikabilität angemessene Verfahrensweise, durch die die Interessen und Rechte der Bewerber bzw. des Klägers nicht unzulässig beschränkt werden.

vgl. Niehues, Prüfungsrecht, 4. Aufl., Rdnrn. 244, 547 ff., 343.

Die Durchführung der schriftlichen Überprüfung im Antwort-Wahl-Verfahren, das als solches als Prüfungssystem geeignet ist, begegnet gleichfalls keinen Bedenken.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.5.2005 - 6 C 14.04 -, DVBl. 2006, 250; VGH Bad.-Württ.; Urteil vom 26.10.2005 - 9 S 2343/04 -, a. a. O.; Bay. VGH, Urteil vom 20.11.1996 - 7 B 95.3170, a. a. O.; VG Oldenburg, Beschluss vom 19.7.2002 - 12 A 2199/00 -, juris; VG Saarl., Urteil vom 28.8.2000 - 1 K 286/98 -, juris.

Wie bereits dargelegt, regeln das Heilpraktikergesetz und die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen nicht das von der Gesundheitsbehörde bei der Überprüfung einzuhaltende Verfahren sowie Art und Umfang der fachlichen Überprüfung. Die in Nordrhein-Westfalen geltenden Richtlinien enthalten - zum Teil offenbar anders als die in den letztgenannten Entscheidungen bezeichneten Richtlinien in anderen Bundesländern - ebenfalls keine ausdrückliche Vorgabe zur Durchführung der schriftlichen Überprüfung im Antwort-Wahl-Verfahren, schließen mit der Formulierung in 4.4.2, dass der Antragsteller aus dort angegebenen Sachgebieten "eine Aufsichtsarbeit nach vorgegebenen Fragen zu fertigen hat", eine solche Verfahrensweise aber auch nicht zwingend aus. Nach den - allerdings unverbindlichen - Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern des Bundesministeriums für Gesundheit (315-4334-3/ 4) von September 1992 war/ist die Anwendung des Antwort-Wahl-Verfahrens für die schriftliche Überprüfung jedenfalls für neun Zehntel der Fragen und damit im Grundsatz ebenfalls vorgesehen. Das Fehlen einer die Durchführung des schriftlichen Teils der Überprüfung im Antwort-Wahl-Verfahren ausdrücklich zulassenden Ermächtigungsgrundlage steht dessen Anwendung auch deshalb nicht entscheidend entgegen, weil der insoweit strenge Maßstab des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG für das Heilpraktikergesetz als vorkonstitutionelles Recht nicht gilt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.6.1989 - 3 B 18.89 -, Buchholz 418.04, Heilpraktiker Nr. 15.

Auch die vom Kläger zitierte Entscheidung des Sächs. OVG (Beschluss vom 10.10.2002 - 4 BS 328/02 -, DÖV 2003, 728) zwingt nicht dazu, die Anwendung dieses Verfahrens als rechtswidrig anzusehen. Die Entscheidung bezieht sich zwar auf "berufsbezogene Prüfungen", sie ist aber wegen des dargelegten Charakters der Überprüfung als nicht formalisierte Prüfung und des Nichtbestehens einer normativen Prüfungsordnung für die hier anstehende Überprüfung des Klägers nicht einschlägig und enthält zudem keine verwertbaren Folgerungen zu dem Umstand, dass mit dem Heilpraktikergesetz vorkonstitutionelles Recht in Frage steht.

Das angewandte Antwort-Wahl-Verfahren ist seiner Art nach geeignet, den Zweck der Überprüfung nach § 2 Abs. 1 Buchst. i) der 1. DVO-HPG, festzustellen, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Bewerber eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde, zu erreichen, denn (auch) durch diese Art der Überprüfung lassen sich Kenntnismängel und medizinische Fehlvorstellungen des Bewerbers erkennen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund dessen, dass sich bei einem Antwort-Wahl-Verfahren eine strukturelle Besonderheit daraus ergibt, dass die Prüfungsleistung dabei regelmäßig nur in einem Ankreuzen der für richtig/falsch gehaltenen vorgegebenen Antworten besteht und nach Abschluss der Prüfung nur noch eine rechnerische ("mechanische") Auswertung stattfindet, die keinen Raum für eine wertende Beurteilung durch den Prüfer lässt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.11.2007 - 14 A 5273/05 -.

Dementsprechend müssen im Rahmen einer praktisch vorverlagerten Prüfertätigkeit alle prüfungsrechtlich bedeutsamen Entscheidungen einschließlich der prüfungsspezifischen Wertungen schon bei der Auswahl des Prüfungsstoffes, der Ausarbeitung der Fragen, der Festlegung der Antwortmöglichkeiten und der Wahl des Auswertungsmodus getroffen werden.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 u.a. -, BVerfGE 80,1, und vom 17.4.1991 - 1 BvR 1529/84 - BVerfGE 84, 59; OVG NRW, Beschluss vom 4.10.2006 - 14 B 1035/06 -, NWVBl. 2007, 115.

Diese - unmittelbar für das Prüfungsrecht geltenden Vorgaben - wurden bezüglich des bei der schriftlichen Überprüfung des Klägers angewandten Antwort-Wahl-Verfahrens umgesetzt. Nach den Ausführungen des Beklagten werden die vom Landratsamt Ansbach/Bayern übernommenen Fragen für die Heilpraktikerüberprüfung, die für die an den zentralen Überprüfungsverfahren in Nordrhein-Westfalen beteiligten Gesundheitsämter durch das Gesundheitsamt für den Kreis Minden-Lübbecke erworben werden, zunächst von Mitarbeitern, in der Regel Amtsärzte und teilweise Diplom-Psychologen, der an dem Prüfungsverfahren (in Bayern) beteiligten Gesundheitsämter erstellt und vor einer Aufnahme in den Fragenkatalog einer Überprüfung durch mehrere Gesundheitsämter unterworfen, wobei ungeeignete Fragen eliminiert werden. Zur Erstellung der Fragen werden dabei allgemein anerkannte Lehrbücher insbesondere aus den Bereichen Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Kinderheilkunde, Augenheilkunde sowie Heilpraktikerlehrbücher herangezogen. Schon diese Verfahrensweise lässt eine Orientierung der in einem entsprechenden Pool verwalteten Fragen an dem Zweck der Überprüfung nach § 2 Abs. 1 Buchst. i) der 1. DVO-HPG erkennen und gewährleistet im Grundsatz dem Überprüfungszweck angemessene Fragestellungen. Hinzu kommt, wie die Vertreter des Beklagten im gerichtlichen Erörterungstermin erklärt haben, dass eine zusätzliche Kontrolle der vom Landsrats-amt Ansbach erhaltenen Fragen durch die für die Heilpraktikerüberprüfungen zuständige Amtsärztin ihres Gesundheitsamts erfolgt und auch dabei ungeeignete Fragen geändert oder ersetzt werden können.

Letztlich streiten für die Anwendung eines Antwort-Wahl-Verfahrens im schriftlichen Teil der Überprüfung für die Heilpraktikererlaubnis auch Gründe der Verwaltungspraktikabilität und Interessen der Bewerber auf Chancengleichheit. Wie dem Senat bekannt ist, erfolgen die Anmeldungen zu den schriftlichen Heilpraktikerüberprüfungen in einer solchen Vielzahl, dass eine materielle Wertung und Bewertung aller schriftlichen Arbeiten ohne Einsatz besonderer "ermittlungstechnischer" und/oder "bewertungstechnischer" Mittel wie z. B. des Antwort-Wahl-Verfahrens einen erheblichen zusätzlichen personellen und finanziellen Aufwand erfordern würde, dessen Realisierung nicht zu erwarten ist. Das Antwort-Wahl-Verfahren ist wegen der im Vergleich zu einer subjektiven Prüferbewertung größeren Objektivierbarkeit der erbrachten Leistungen besser/eher geeignet, dem Gebot der Chancengleichheit Rechnung zu tragen. Dies gilt auf Landesebene insbesondere dann, wenn die Überprüfung auf der Grundlage entsprechender öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen von Gesundheitsämtern bzw. der Richtlinien (4.1) erfolgt und die Überprüfungen zentral und nach einheitlichen Vorgaben durchgeführt werden. Dass dies nicht konsequent umgesetzt wird und einzelne Gesundheitsämter des Landes am zentralen Überprüfungsverfahren nicht teilnehmen und die Heilpraktiker-Überprüfungen auf der Grundlage eigener Fragenkataloge und Bestehensmaßstäbe durchführen, muss als Folge fehlender einheitlicher bundes- oder landesweiter Überprüfungsvorgaben hingenommen werden. Dies lässt aber die vorrangig in einer größeren Chancengleichheit bestehenden grundsätzlichen Vorteile einer Überprüfung in einer solchen Art und Weise auch und gerade für die Bewerber um eine Heilpraktikererlaubnis nicht entfallen.

Anders als das VG hat der Senat auch keine Bedenken wegen der in Ansatz gebrachten Bestehensgrenze von 75 % richtiger Antworten bei der schriftlichen Überprüfung des Klägers. Eine Bestehensgrenze von 75 % ist - anders als dies zum Teil in anderen Bundesländern geregelt ist, wie z. B. den o.a. Entscheidungen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.10.2005 - 9 S 2343/04 -, a. a. O.; VG Oldenburg, Beschluss vom 19.7.2002 - 12 A 2199/00 -, juris) zu entnehmen ist - zwar nicht in den landesrechtlichen Richtlinien, wohl aber als Empfehlung in den o.a. Leitlinien des Bundesministeriums für Gesundheit von 1992 enthalten. Die Praktikabilität eines schematisierenden Antwort-Wahl-Verfahrens verliert einen wesentlichen Vorteil, wenn nicht auch hinsichtlich der Frage des Bestehens der Überprüfung Schematisierungen zum Einsatz kommen würden und jede Antwort materiell auf ihre Richtigkeit und Wertigkeit geprüft und gewichtet werden müsste; insofern ist dem Antwort-Wahl-Verfahren praktisch eine (schematische) Bestehensgrenze immanent.

Die angenommene Bestehensgrenze mit 75 % richtiger Antworten, die deutlich mehr als die Hälfte richtiger Antworten im Fragenkatalog erfordert, dem Bewerber aber auch eine relativ hohe Fehlerquote von einem Viertel der Fragen/Antworten zugesteht und deshalb insgesamt als angemessen angesehen werden kann, ist Ausfluss der weitgehenden Gestaltungsfreiheit im Rahmen des Ermessensspielraums für die Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens nach § 2 Abs. 1 Buchst. i) der 1. DVO-HPG, vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.10.2005 - 9 S 2343/04 -, a. a. O.; VG Oldenburg, Beschluss vom 19.7.2002 - 12 A 2199/00 -, juris; VG Saarl., Urteil vom 28.8.2000 - 1 K 286/98 -, juris, und gewährleistet - jedenfalls bei den Verwaltungsbehörden, die am zentralen Überprüfungsverfahren teilnehmen - eine den Belangen der Kandidaten Rechnung tragende Realisierung des Grundsatzes der Chancengleichheit. Der zu Grunde gelegten absoluten Bestehensgrenze steht auch nicht die Entscheidung des BVerfG vom 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 u. a. -, MedR 1989, 312, entgegen, in der die Bestehensgrenze nach dem damals geltenden § 14 Abs. 5 AppOÄ 1978 deshalb als verfassungswidrig angesehen wurde, weil sie nicht in einem Verhältnis zu einer möglichen Höchstleistung oder zu einer Normalleistung stehe. Ein solches Verhältnis prägt die Überprüfung der Kenntnisse des Bewerbers um eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz nicht. Wie bereits dargelegt, dient sie allein dem präventiven Gesundheitsschutz und unterliegt wegen dieses Charakters nicht den Maßstäben, die bei einer formalisierten fachwissenschaftlichen Prüfung gelten. Maßgeblich ist, ob die Kenntnisse des Erlaubnisbewerbers derart mangelhaft oder mit Fehlvorstellungen behaftet sind, dass die Ausübung der Heilkunde durch ihn eine Gefahr für die künftigen Patienten bedeuten würde. Im Unterschied zu fachwissenschaftlichen Prüfungen, bei denen dies regelmäßig der Fall ist, ist die Möglichkeit der Wiederholung der Überprüfung nach dem Heilpraktikergesetz zudem nicht begrenzt.

Der Kläger kann auch nichts daraus herleiten, dass die Bestehensgrenze bei seiner vorhergehenden schriftlichen Überprüfung 60 % von 60 Fragen betrug und bei der den Gegenstand dieses Berufungsverfahrens bildenden Überprüfung mit 75 % angenommen wurde. Ein Vertrauenstatbestand, dass sich die Voraussetzungen für das Bestehen der Heilpraktikerüberprüfung nicht verändern würden, ist insoweit nicht gegeben. Da, wie dargelegt, die Bestehensgrenze von 75 % prinzipiell nicht zu beanstanden ist, liegt grundsätzlich auch eine Verschärfung der Bestehensvoraussetzungen im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens der die Überprüfung vornehmenden Fachbehörde, um der Gefahrabwehr bei der Ausübung der Heilpraktikertätigkeit hinreichend Rechnung zu tragen.

Vgl. VG Saarl. Urteil vom 28.8.2000 - 1 K 286/98 -, juris; Bay. VGH, Urteil vom 20.11.1996 - 7 B 95.3170 -, a.a.O.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund einer erstrebenswerten landesweiten oder gar bundesweiten Einheitlichkeit bei der Überprüfung von Bewerbern um die Heilpraktikererlaubnis, die nach den Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern des Bundesministeriums für Gesundheit von 1992 empfohlen war. Der Kläger ist zudem vor Beginn der weiteren schriftlichen Überprüfung schriftlich auf die nunmehr relevante Bestehensgrenze von 75 % hingewiesen worden.

Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, bei der schriftlichen Überprüfung einen Wert von 72 % richtiger Antworten erreicht zu haben, der üblicherweise zum Bestehen einer Prüfung ausreiche. Angesichts einer zahlenmäßig festgelegten Bestehensgrenze verbietet sich ein relativierender Vergleich auf der Grundlage eines niedrigeren Zahlenwertes mit anderen - fachwissenschaftlichen - Prüfungen mit ohnehin anderen Bestehenskriterien, weil dadurch die numerisch festgelegte Bestehensgrenze unterlaufen wird, was nicht dem Interesse der Bewerber an Chancengleichheit entspricht.

Der Kläger hat bei der schriftlichen Überprüfung die Bestehensgrenze von 75 % nicht erreicht. Dies gilt auch angesichts der Entscheidung im Widerspruchsbescheid, die Fragen 11 und 18 aus dem Fragenkatalog wegen zu großer Fachspezifität als fehlerhaft zu werten und bei der Bewertung außer Betracht zu lassen. Bei somit verbleibenden 58 Fragen, die als solche eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Kläger eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde, darstellen und einem zu Grunde gelegten Bestehenswert von 75 % richtiger Lösungen errechnet sich eine Bestehensgrenze von 43,5 Fragen/Punkten.

Zwar sehen weder die Richtlinien noch die normativen Bestimmungen für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern - anders als beispielsweise § 14 Abs. 4 Satz 2 ÄAppO 2002 für medizinische Prüfungen - die Möglichkeit der Eliminierung von unzulässigen Fragen vor. Ein solches Vorgehen ist jedoch - gerade in Antwort-Wahl-Verfahren - allgemein als probates Mittel anerkannt, einen Einfluss unzulässiger Prüfungsaufgaben auf das Prüfungsergebnis auszuschließen und die Notwendigkeit der erneuten Durchführung des entsprechenden Prüfungsteils zu verhindern.

Vgl. Niehues, a. a. O., Rdnr. 602; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.10.2005 - 9 S 2343/04 -, a. a. O.; Bay. VGH, Urteil vom 20.11.1996 - 7 B 95.3170 -, a. a. O.

Das Problem, ob trotz der nach Auffassung des Gutachterausschusses zu eliminierenden Fragen 11 und 18 die Antworten des Klägers bei der Bestehenswertung zu berücksichtigen sind, ist nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung. Wenn die Frage 18 wegen der Richtigkeit der Antwort zu berücksichtigen wäre, ergäbe sich bei 75 % von 59 Fragen eine Bestehensgrenze von 44,25; der Kläger hätte in diesem Fall aber nur 44 richtige Antworten aufzuweisen. Bezüglich der vom Kläger ebenfalls als unzulässig monierten Fragen 58 und 60 ist nicht erkennbar, dass sie den Rahmen normativer Vorgaben, insbesondere den Prüfungsrahmen nach Nr. 4.4.2 der Richtlinien überschreiten. Die Fragen sind von der zuständigen Amtsärztin im Gesundheitsamt des Beklagten und von dem im Widerspruchsverfahren eingeschalteten Gutachterausschuss als zulässig eingeschätzt worden. Bei der Frage 58 (Endometriose) handelt es sich um eine solche aus dem gynäkologischen Bereich, die den Überprüfungsrahmen nach den Richtlinien nicht überschreitet. Die Kenntnisse der Symptome der Krankheit müssen vor dem Hintergrund, dass einem Heilpraktiker auch bewusst sein muss, wann er Patientinnen an einen Facharzt zu überweisen hat, einem Heilpraktiker abverlangt werden. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob die Darstellung im Widerspruchsbescheid, es handele sich um die zweithäufigste gutartige gynäkologische Erkrankung von Frauen, zutreffend ist. Die Versuche des Klägers, die vom Beklagten angenommene Häufigkeit der Erkrankung in Abrede zu stellen, ist deshalb nicht geeignet, die Zulässigkeit der Frage in Zweifel zu ziehen. Die Frage 60 zielt auf einen Ausschluss bestimmter dort genannter Erkrankungen und war insoweit eindeutig und unmissverständlich, auch wenn sie wegen der möglichen Aussagenkombination für einen Laien zunächst verwirrend erscheinen könnte. Die Frage nach dem Ausschluss einer bestimmten Erkrankung kann aber, anders als der Kläger meint, nicht dahin interpretiert werden, ob die geschilderten Symptome auch z. B. zur Manie passen.

Die (rechnerische) Hinzurechnung von Teilpunkten bei Fragen, bei denen Mehrfachantworten möglich waren, kommt nicht in Betracht. Auch im Falle möglicher Mehrfachantworten kann es einen Punkt für richtige Antworten nur geben, wenn die in Betracht kommenden Möglichkeiten in ihrer Gesamtheit vollständig und zutreffend angekreuzt wurden. Ist dies nicht der Fall, offenbart der Bewerber Kenntnismängel, die die Vergabe eines Punktes für eine richtige Antwort nicht rechtfertigen. Auch die unvollständige Antwort zu einem Teilbereich einer Frage spricht dafür, dass der Kandidat die für eine richtige Antwort erforderlichen Kenntnisse, jedenfalls in einem Teilbereich, nicht hat. Zwar steht ein Bewerber, der bei möglichen Mehrfachantworten Teilbereiche der Frage richtig beantwortet, wertungsmäßig mit einem Kandidaten gleich, der auch nicht einen Teilbereich der Frage richtig beantwortet. Eine Ungleichbehandlung letzterem gegenüber liegt darin aber nicht, weil, wie dargelegt, nur die Antwortkombination in ihrer Gesamtheit die Zuteilung eines Punktes für eine richtige bzw. vollständige Antwort rechtfertigt. Zudem kann das Antwort-Wahl-Verfahren, wie auch jedes andere Prüfungsverfahren, nicht gewährleisten, dass ein Prüfling sein vollständiges Wissen, z. B. in Form richtiger Antworten auf Teilbereiche von Fragen, darlegen kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.5.2005 - 6 C 14.04 -, a. a. O.

Auch bei teilweise richtigen Antworten zu Fragen, bei denen eine Mehrfachantwort möglich ist, verbleibt es deshalb dabei, dass die Frage in ihrer Gesamtheit nicht richtig beantwortet wurde.

Der Kläger hat, wie in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, 43 Fragen richtig beantwortet. Er liegt damit unter dem Wert, der sich bei 58 als zulässig gewerteten Fragen mit 43,5 als Bestehensgrenze ergibt. Die geringe Unterschreitung der Bestehensgrenze von 0,5 Punkten muss als Konsequenz aus der Zugrundelegung eines fixen Wertes hingenommen werden.

Letztlich kann sich der Kläger für die von ihm behauptete Rechtswidrigkeit des Überprüfungsverfahrens auch nicht mit Erfolg auf die EU-Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt - RL -, ABl. EG L 376 S. 36) berufen. Die Dienstleistungsrichtlinie dient der Liberalisierung des europäischen Binnenmarkts und betrifft grenzüberschreitende Dienstleistungen und ist schon deshalb für das nationale Verfahren bei der Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis nicht einschlägig. Unabhängig davon werden beispielsweise Gesundheitsleistungen von der Richtlinie nicht erfasst (Art. 2 Abs. 2 Buchst. f) der RL). Im Übrigen besteht die Frist zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht bis zum 28.12.2009 (Art. 44 Abs. 1 RL).

Auf die Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz, bzw. die in der ersten Instanz hilfsweise beantragte Zulassung zur mündlichen Überprüfung hat der Kläger somit keinen Anspruch.

Ende der Entscheidung

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